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Kitabı oku: «Satan und Ischariot I», sayfa 29

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»Uff!« sagte er dabei. »Wundert sich mein Bruder Shatterhand nicht auch darüber?«

»Allerdings. Der Mann hat zwei Gewehre gehabt, welche er, als er den Gurt fester schnallen wollte, weglegte, um die Hände frei zu haben.«

»Ich kenne nur einen, der zwei Gewehre bei sich trägt, und der bist du. Das eine ist sein Eigentum, das andere hat ihm nicht gehört.«

»Wahrscheinlich nicht. Wozu soll er zwei Gewehre von Almaden mitschleppen? Er ist also unterwegs zu dem zweiten gekommen; er hat es irgend jemand wegge- genommen. Wer dieser jemand ist, werden wir höchst wahrscheinlich bald erfahren. Reiten wir weiter!«

Wir setzten unsern Weg fort, bald darauf teilte sich die Fährte, welcher wir folgten; die Doppelspur, welche uns entgegenkam, ging nordwärts ab, während die des einzelnen Reiters, welcher vor uns floh, die bisherige östliche Richtung beibehielt. Wir hielten wieder an.

»Welche Richtung ist die richtige nach Almaden?« fragte ich den Player.

»Die nach Osten,« antwortete er.

»Aber Ihr seht, daß der junge Weller mit seinem Begleiter hier aus Norden gekommen ist.«

»Sie sind vorn geraden Wege abgewichen. Sie müssen irgend eine Ursache gehabt haben, einen Umweg zu machen.«

»Ich ahne, daß die Ursache mit der zweiten Flinte zusammenhängt, und werde danach forschen. Reitet weiter! Ich will der Doppelspur nordwärts folgen, und mein junger Bruder, der Yumatöter, mag mich begleiten.«

Winnetou nahm es mir keineswegs übel, daß ich nicht ihn aufforderte, mit mir zu gehen. Er hielt es wie ich für erforderlich, daß wir uns nicht zugleich entfernten, sondern einer von uns bei dem Zuge blieb. Der Yumatöter aber war stolz darauf, schon wieder von mir ausgezeichnet zu werden.

Wir jagten im Galopp über das Gras dahin, um so schnell wie möglich unsere Absicht zu erreichen. Schon nach zehn Minuten sah ich, daß die Aufklärung uns nahe war. Um den Scharfsinn des jungen Mimbrenjo auf die Probe zu stellen, sagte ich:

»Wir werden bald umkehren können. Weiß mein Bruder, woraus ich das erkenne?«

Er betrachtete die Spur, welcher wir folgten, schärfer und antwortete dann:

»Ich sehe nichts anderes, als was ich bisher gesehen habe.«

»Mein Bruder muß nicht zur Erde, sondern gegen den Himmel blicken!«

Dabei deutete ich auf sechs bis acht Punkte, welche weit vor uns in der Luft zu sehen waren; sie schwebten bald auf und nieder, bald zogen sie Kreise.

»Uff, das sind Geier!« rief er aus. »Sie halten sich oberhalb einer gewissen Stelle; sie haben also ein Aas unter sich liegen.«

»Nein, kein Aas. Auf ein Aas stoßen die Geier sofort nieder. Diese aber thun das nicht; sie bleiben oben schweben, folglich lebt das Wesen noch, welches sie sich als Beute ausersehen haben.«

Als wir näher kamen, sahen wir noch andere Geier, diese Gesundheitspolizisten der Natur. Sie bildeten, am Boden sitzend, einen Kreis, in dessen Mitte ein Körper lag, welcher, wie wir sahen, als wir näher kamen, ein menschlicher war.

»Ein Mensch!« rief der Mimbrenjo aus. »Ein Ermordeter, eine Leiche!«

»Keine Leiche! Wäre er tot, so hätten sich die Geier längst über ihn hergemacht. Er muß sich vor kurzem noch bewegt haben.«

Die Vögel flogen, noch ehe wir die Stelle erreichten, auf. Bei dem Verunglückten angekommen, hielten wir an und sprangen ab.

»Gütiger Himmel!« rief ich aus, als ich den ersten Blick auf ihn geworfen hatte. »Ist das möglich! Es ist einer von denen, die wir retten wollen,« fuhr ich fort, indem ich niederkniete, um den Bedauernswerten zu untersuchen.

Es war der Herkules. Und wie sah er aus! Sein Anzug war zerfetzt, entweder im Kampfe oder aus andern Ursachen. Er hatte einen Hieb auf den Kopf bekommen; sein Schädel war angeschwollen bis weit in die Stirn herein und sah blutig rot aus. Ob der Knochen zerschmettert war, konnte ich nicht sehen. Sonst bemerkte ich glücklicherweise keine Wunde. Als ich den Kopf zu untersuchen begann, verursachten meine Berührungen Schmerzen, denn der Herkules brüllte laut und bäumte den Oberkörper auf. Sobald ich die Hände von der Wunde ließ, fiel er zurück und war still.

»Wir müssen zurück,« sagte ich. »Hier ist nichts zu machen. Wir müssen vor allen Dingen Wasser haben.«

»Aber, wenn er unterwegs stirbt?«

»So dient es zu unserer Beruhigung, daß er hier auch gestorben wäre. Ich nehme ihn zu mir aufs Pferd.«

»Diesen großen, schweren Mann!«

»Es muß gehen, denn anders ist er nicht zu transportieren.«

Es war wahr; den Goliath zu mir quer über den Sattel zu bringen, verursachte uns eine Anstrengung, welche den Verwundeten natürlich auch angriff. Er brüllte vor Schmerz, kam dabei aber nicht zum Bewußtsein. Endlich hatte ich ihn oben, und dann ging es fort, zurück, doch nicht auf demselben Wege, den wir gekommen waren, denn das wäre ein Umweg gewesen, da unser Zug sich inzwischen fortbewegt hatte. Er ging nach Osten; wir waren nach Norden geritten und mußten also in der Diagonale nach Südosten zurückkehren.

Mein Pferd hatte eine schwere Last zu tragen, war aber stark genug, trotz derselben Galopp zu gehen. Ich mußte galoppieren, weil diese Gangart die steteste ist und den Verwundeten am wenigsten angriff. Er war still und lag wie tot quer vor mir. Als wir unsern Zug erreichten, gingen nicht nur die Kräfte meines Pferdes, sondern auch die meinigen fast zu Ende.

Natürlich erregte die Last, welche wir mitbrachten, Aufsehen. Man rief und schrie durcheinander und drängte sich herbei, den Verletzten zu betrachten. Winnetou war, wie gewöhnlich, ruhig. Er wies die Neugierigen streng zurück, half die Last mir abnehmen und untersuchte dann den Schädel. Es war nicht nötig, ihm dabei zu helfen, denn der Apatsche verstand sich auf Verwundungen wie kein anderer.

»Der Knochen ist nicht zerschmettert,« erklärte er nach einiger Zeit. »Der Mann wird leben bleiben, wenn er das Fieber überwindet. Man gebe mir Wasser!«

Die Fuhrleute hatten aus Rücksicht für ihre Maultiere volle Eimer unter ihren Wagen hängen, sodaß dem Verlangen Winnetous nachgekommen werden konnte. Der Indianer besaß eine so zarte Hand, daß der Verwundete unter der Berührung derselben nicht ein einzigesmal erwachte. Nachdem er gekühlt und verbunden worden war, wurde ihm in einem der Wagen ein Lager hergerichtet. Dann setzte sich der Zug wieder in Bewegung.

Wer erwartet hätte, daß Winnetou, als wir wieder nebeneinander ritten, mich nach dem Herkules fragen würde, der hätte sich geirrt. Er blickte sinnend vor sich nieder. Ich kannte das Gesicht, welches er dabei machte. Er bemühte sich, ohne meine Hilfe auf die richtige Fährte zu kommen. Nach einer Weile hob er den Kopf; der halbbefriedigte Blick, den er dabei zu mir herübergleiten ließ, sagte mir, daß er mit sich im reinen sei. Darum fragte ich nun:

»Mein roter Bruder hat die Erklärung gefunden, die er von mir hätte bekommen können. Wer ist denn der Verwundete?«

»Er gehört zu den Bleichgesichtern, welche Melton überlistet hat.«

»Allerdings. Er ist der einzige, dem ich meinen Verdacht mitteilte.«

»Er wird auch der einzige sein, der dem Schicksale der andern entgangen ist. Old Shatterhand weiß natürlich, wer ihn verwundet hat?«

»Allerdings. Weller und sein uns unbekannter Begleiter sind es gewesen; das zweite Gewehr war das seinige, welches sie ihm abgenommen haben.«

»So wird er, wenn er wieder zu sich kommt, uns sagen können, wer der andere gewesen ist.«

»Wird dies bald geschehen?«

»Das ist nicht leicht zu sagen. Das Bleichgesicht ist ein Riese und hat einen sehr harten Kopf; jeder andere wäre zerschmettert worden. Der Knochen ist ganz, aber wer kann wissen, in welchem Zustande sich das Gehirn unter demselben befindet? Es wäre mir sehr lieb, wenn er zur Besinnung käme und sprechen könnte, denn er ist in Almaden gewesen und würde uns sagen, was dort vorgegangen ist.«

»Meine Warnung hat ihn doch vorsichtig gemacht, sonst wäre ihm das gleiche Schicksal mit den andern geworden. Er ist entkommen, und Weller und der andere haben ihn verfolgt. Das ist klar.«

»So ist es. Aber es kommt noch eins dazu. Meint mein Bruder, daß die beiden Bleichgesichter nur diesen einen Grund gehabt haben, Almaden zu verlassen?«

»Nein. Hätten sie nur diesen gehabt, so wären sie wieder umgekehrt, als sie meinten, den Flüchtling erschlagen zu haben; sie sind aber weitergeritten. Wahrscheinlich haben sie die Wagen mit großer Ungeduld erwartet und sind, da dieselben nicht zur rechten Zeit ankamen, ihnen entgegengeritten.«

»Das denke auch ich. Will mein Bruder nicht einmal mit Weller reden? Es ist vielleicht gut, zu hören, was er über den Verwundeten sagt.«

Das war eine Aufforderung, welcher ich sehr gern nachkam, denn ich war selbst begierig, zu hören, ob der Mensch ein Eingeständnis machen werde. Ich wartete, bis wir den Zugtieren eine Rast gönnen mußten, was an einem fließenden Wasser geschah. Der Herkules war noch nicht zu sich gekommen. Während Winnetou sich mit ihm beschäftigte, ging ich zu Weller, welcher gebunden am Boden lag, und fragte:

»Ihr kennt doch wohl den armen Teufel dort, dem man den Kopf so arg zugerichtet hat?«

»Natürlich kenne ich ihn,« fuhr er mich an; »Ihr wißt ja, daß ich auf dem Schiffe die Ehre hatte, ihn und Euch zu bedienen.«

»Das wissen wir Euch keinen Dank, und es wäre für uns und für Euch auch besser gewesen, wenn Ihr Euch später nicht um uns gekümmert hättet. Nun wird der Herkules Eure Aufmerksamkeit vielleicht mit dem Leben bezahlen! Der Kolbenhieb, welcher meinem Landsmanne das Leben rauben sollte, stammt von Euch.«

»Von mir? Welch ein Gedanke! Master, Ihr wollt ein so scharfsinniger Mann sein und laßt Eure Gedanken doch so in die Irre gehen! Wie kommt Ihr denn eigentlich darauf, daß ich es bin, der ihn hat erschlagen wollen?«

»Ihr oder der andere, welcher bei Euch war. Einer von euch beiden ist‘s gewesen.«

»Die Behauptung höre ich; aber wo ist der Beweis?

Wie nun, wenn er von einem andern überfallen worden und ich erst später an ihm vorübergekommen wäre?«

»Macht das einem Kinde weiß, aber nicht mir! Euer Vater hat ja sein Gewehr!«

Es stand bei mir fest, daß sein Begleiter entweder sein Vater oder Melton gewesen war, und ich glaubte, das erstere für richtiger halten zu müssen. Er ließ sich dadurch, daß ich auf den Busch schlug, zu der schnellen und unüberlegten Frage verleiten:

»So habt Ihr ihn also doch erkannt? Nun meinetwegen! Ich habe nichts davon, wenn ich es leugne. Ja, es war mein Vater. Und wißt Ihr, warum ich Euch das sage? Ich gebe Euch den guten Rat, umzukehren und Euch nicht länger um Almaden zu kümmern. Euer Vorwitz wird Euch teuer zu stehen kommen.«

»Wollen das abwarten!«

»Ihr braucht gar nicht zu warten; ich sage es Euch schon jetzt. Ihr kennt die Verhältnisse nicht und wißt also nicht, was Euch in Almaden erwartet.«

»So bitte ich Euch sehr, es mir zu sagen!«

»Fällt mir nicht ein! Nur das eine will ich Euch sagen: Euer Leben hängt davon ab, wie Ihr mich behandelt. Man wird Euch zwingen, mich frei zu geben, und dann werde ich bestimmen, was mit Euch geschehen soll.«

»Ah, Ihr meint, daß ich Euer Gefangener sein werde?«

»Ja, wenn Ihr nicht vorher erschossen werdet.«

»Nun, so heiß, wie Ihr denkt, wird es wohl nicht werden. Mit den dreihundert Yumas, welche es in Almaden giebt, nehmen wir es gern auf.«

»Dreihundert – —? Wie, Ihr wißt – —?«

»Ja, wir wissen sehr genau, was uns in Almaden erwartet und was Ihr uns so klug verschweigen wollt.

Ich sage Euch, nicht mein Leben schwebt in Gefahr, sondern das Eurige hängt an einem Faden. Ihr befindet Euch sehr im Irrtum, wenn – —«

Ich hielt mitten in der Rede inne, denn in diesem Augenblicke erscholl von dem Wagen, in welchem sich der Herkules befand, ein überlauter, ein gräßlicher Schrei. Ich eilte hin. Der Verwundete saß aufrecht unter dem aufgespannten Wagentuch, stierte mit blutunterlaufenen Augen heraus und schrie:

»Gieb sie her; gieb sie her! Judith, Judith, folge mir; er betrügt dich doch!«

Er ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen, daß man es fünfzehn Schritte weit hörte. Er war zwar erwacht, aber noch nicht bei Sinnen und phantasierte von seiner Geliebten.

Ich ergriff seine beiden Fäuste, hielt dieselben sanft aber fest und redete ihm gütlich zu. Er lauschte. Seine Augen nahmen nach und nach einen andern Ausdruck an, und im klagenden Tone sagte er:

»Er bethört sie; er bethört sie! Sie denkt nicht an seine Schlechtigkeit, sondern an sein Geld.«

Indem ich ihm weiter zuredete, beabsichtigte ich, ihn zu beruhigen; aber die Wirkung war nicht die erwünschte.

»Wer spricht da?« fragte er zornig. »Ich kenne Sie! Sie wollen mir Vorwürfe machen. Sie haben mich gewarnt, und ich habe es nicht beachtet. Nun habe ich den Lohn. Melton hat mir Judith genommen, und Weller hat – —«

Er stockte. Der letztgenannte Name erweckte eine neue Vorstellung in ihm.

»Weller!« schrie er dann. »Wo sind sie? Wo sind die beiden Weller? Der Alte hielt mich fest, und der

Junge schlug mich nieder. Wo, wo sind sie, damit ich sie erwürgen, erdrosseln kann!«

Das Bewußtsein war ihm mit einemmal zurückgekehrt. Er sah mich an; er sah an mir vorüber, zum Wagen hinaus. Da fiel sein Blick nach der Richtung, in welcher der junge Weller lag; er erkannte ihn und stieg mit der Eile eines Wütenden aus dem Wagen. Ich wollte ihn halten, aber meine Kraft reichte nicht aus. Winnetou faßte ihn auch, doch vergeblich, denn im gegenwärtigen Zustande vervielfältigten sich seine Kräfte in einer Weise, daß er uns beide mit Leichtigkeit abschüttelte. Dabei brüllte er:

»Dort, dort liegt er, der Mörder, der mich aus dem Schlafe weckte und dann niederschlug. Ich zermalme ihn!«

Er sprang auf Weller, der vor Angst aufschrie, zu, warf sich auf ihn nieder und krallte ihm die beiden Hände um den Hals. Wir wollten ihn wegreißen – vergebliches Beginnen! Bei seiner jetzigen Aufregung hätten ihn, wie man zu sagen pflegt, zehn Pferde nicht fortzuziehen vermocht. Er hielt den Hals seines Feindes wie mit Eisenklammern umfaßt und stieß dabei Laute aus, welche nicht mit der Stimme eines Tieres und noch viel weniger mit derjenigen des Menschen verglichen werden konnten. Wir zogen und zerrten an ihm; er achtete es nicht. Das Gesicht Wellers nahm eine dunkle und immer dunklere Färbung an; er war am Ersticken. Da nahmen wir alle unsere Kräfte zusammen und zerrten den Herkules auf, aber mit ihm auch Weller, dessen Hals er so fest wie zuvor umklammert hielt. Wir versuchten, seine Finger zu lösen, vergeblich, bis ich auf den Gedanken kam, ihn durch Schmerzen von Weller abzubringen. Ich gab ihm also einen, allerdings nur leisen Schlag auf den Kopf, und sogleich ließ er den andern los und griff mit beiden

Händen nach der Stelle, welche ich berührt hatte. Er stand da, vor Schmerz schreiend; sein Geschrei ging in Wimmern über; dann knickte er langsam zusammen, kam auf die Erde zu liegen, schloß die Augen und war still. Der übergroßen Anstrengung war eine ebenso große Ermattung gefolgt. Als ich ihn so daliegen sah, fiel mir auf, was ich vorher nicht so beachtet hatte, nämlich sein elendes Aussehen, welches von seiner Verwundung allein nicht herrühren konnte.

Natürlich untersuchten wir nun den Gewürgten. Er war tot, erwürgt von den Händen dessen, den er für tot, für ermordet gehalten hatte. Wie schnell und wie schrecklich war mein Wort, welches ich ihm in ganz anderer Voraussetzung gesagt hatte, in Erfüllung gegangen: »Nicht mein Leben schwebt in Gefahr, sondern das Eurige hängt an einem Faden!«

Wir bedauerten es, daß es so gekommen war, fühlten aber kein Mitleid mit dem Toten. Er wurde kurzweg in die Erde verscharrt; dann setzten wir unsere Fahrt fort, nachdem wir den Herkules wieder in den Wagen gebettet hatten.

Ueber den übrigen Teil der Reise kann ich kurz hinweggehen, indem ich bemerke, daß wir nach Aufhebung der übrigen Posten in die Region gelangten, in welcher die Vegetation aufzuhören begann. Was ich für möglich gehalten hatte, war nicht eingetroffen, nämlich, daß unsere Feinde uns entgegenkommen könnten, um uns zu überfallen. Sie erwarteten uns in Almaden, denn sie meinten, weil wir dort unbekannt mit der Oertlichkeit seien, könnten sie uns leichter als anderswo den Garaus machen.

Der Player erwies sich, was ich vorher sehr bezweifelt hatte, als ehrlich. Als wir auf seine Angabe hin den letzten Posten gefunden und überwältigt hatten, sagte er zu Winnetou und mir:

»Jetzt rate ich euch, mit den Pferden nicht weiter zu gehen, weil ihr in Almaden zwar Wasser, aber kein Futter findet. Ihr müßt einen Ort aufsuchen, an welchem ihr sie zurücklassen könnt.«

»Ist euch auf dieser Seite ein solcher bekannt?« fragte ich.

»Ja.«

»Er muß aber so gelegen sein, daß man einen Angriff leicht abwehren kann!«

»Bei dem Orte, den ich meine, kann von einem Angriffe gar keine Rede sein. Er liegt so versteckt mitten im Walde, daß es unmöglich ist, euch zu finden.«

»Dann paßt er eben nicht für uns, oder meint Ihr etwa, daß wir die Pferde und die Maultiere hier zurücklassen müssen, die Wagen aber mitnehmen sollen? Wie wollen wir die schweren und großen Wagen nach einer Oertlichkeit bringen, welche vom Walde rundum umgeben ist?«

»Da habt Ihr freilich recht, Master.«

»Und wenn wir dies zustande brächten, so müßten wir doch mit der Möglichkeit rechnen, daß unsere Spuren gesehen und wir entdeckt würden. Wagenspuren sind sehr lange sichtbar. Der Wald, welcher uns beschützen Soll, würde auch den Angreifern Deckung bieten. Der Ort also, den Ihr für so passend für uns haltet, könnte im Gegenteile für uns sehr gefährlich werden.«

»Wie soll er denn beschaffen sein?«

»Er muß frei liegen, damit wir die Annäherung eines Feindes leicht und rechtzeitig bemerken können, und doch soviel Bäume haben, daß wir, unter ihnen verborgen, von weitem nicht sogleich gesehen werden.«

»Also genug Wasser, reichlich Gras, Bäume oder

Sträucher und doch rundum frei. So ein Ort ist nicht leicht zu finden. Und doch,« fügte er nach einigem Sinnen hinzu, »weiß ich einen; aber er liegt von hier ab.«

»Das kann uns nur lieb sein. Man erwartet uns in Almaden aus der geraden Richtung. Da kann es nur von Vorteil für uns sein, wenn wir uns abseits von derselben befinden.«

»Wir haben wenigstens noch drei Stunden zu fahren, so daß wir erst gegen Abend hinkommen.«

»Auch das schadet nichts, da wir heute doch nichts mehr unternehmen können. Uebrigens dürft Ihr nicht denken, daß wir gleich so mir nichts dir nichts in voller Gesellschaft nach dem Bergwerke gehen. Erst muß ein Kundschafter hin. Das ist so Regel bei Winnetou und mir.«

»Damit verschwendet ihr doch viel Zeit!«

»Es ist besser, man verwendet eine gewisse Zeit auf Vorsichtsmaßregeln, als daß man in schädlicher Eile ins Verderben rennt.«

»Wollt ihr nicht in Betracht ziehen, daß dem Kundschafter manches geschehen kann, was einer aus vielen Personen bestehenden Truppe nicht geschehen würde?«

»Und wollt ihr nicht bedenken, daß es Lagen giebt, in denen ein einzelner viel weniger Gefahr läuft, als ein zahlreicher Trupp? Uebrigens werden wir keinen Dummkopf schicken. Ich denke, daß Winnetou den Kundschaftergang übernehmen wird.«

»Nein, nicht ich, sondern mein Bruder Shatterhand,« fiel da der Apatsche ein. »Winnetou muß bei dem kranken Bleichgesichte bleiben, wenn es gerettet werden soll.«

Er hatte die Heilung des Herkules übernommen und wollte seinen Patienten nicht verlassen. Das war eine Menschenfreundlichkeit und Pflichttreue, welche mich ver- veranlaßte, ihm zu Willen zu sein, obgleich ich die Ueberzeugung hegte, daß er ein besserer Kundschafter sei als ich.

Wir wichen nun aus der bisherigen Richtung ab und kamen gegen Abend an ein Wäldchen, welches von allen Seiten von Prairie umgeben war. Es hatte vielleicht zweitausend Schritte im Durchmesser, bot uns also Platz genug. Stellenweise standen die Bäume so weit auseinander, daß wir mit den Wagen dazwischen konnten; es war also möglich, sie zu verstecken, und Wasser gab es auch. In den letzten zwei Stunden hatten wir, hinter den Wagen hergehend, uns Mühe gegeben, ihre Spuren soviel wie möglich auszulöschen.

Bis wir uns in dem Wäldchen eingerichtet hatten, war es Nacht geworden. Feuer brannten wir nicht an; die Wagen enthielten genug Proviant, zu dessen Zubereitung wir keines Feuers bedurften. Noch war ich beim Essen, da kam Winnetou, der sich beim Herkules befunden hatte, zu mir und sagte:

»Mein Bruder mag mit zu dem Kranken kommen, der mit ihm sprechen will. Er weiß, was er sieht und hört und redet. Er fragte mich, und ich habe ihm gesagt, was er wissen wollte.«

Der Patient lag neben dem Wagen, in welchem er transportiert worden war, im weichen Grase; man hatte ihm den Kopf auf Decken gebettet. Als ich mich zu ihm setzte, streckte er mir die Hand entgegen und sagte langsam und mit krankhaft leiser Stimme:

»Ich hörte von dem Indianer, welcher mit mir sprach, daß Sie hier und daß ich Ihnen mein Leben zu verdanken habe. Geben Sie mir Ihre Hand! Wie freute ich mich, als ich jetzt von dem Indianer hörte, daß Sie hier seien! Sie waren doch gefangen! Wie sind Sie frei gekommen?«

Ich erzählte ihm, was geschehen war, und dehnte meinen Bericht bis auf die gegenwärtige Stunde aus. Er wußte nicht, was seit dem Augenblicke, an welchem Weller ihn niedergeschlagen hatte, von ihm und mit ihm geschehen war, und fragte, als ich geendet hatte, ganz erstaunt:

»Ist das, was Sie erzählen, wahr? Ich habe Weller erwürgt?«

»Ja. Sie sagten im Fieber, er habe Sie niedergeschlagen. War er es wirklich?«

»Ja. Was ich im Delirium that, brauche ich nicht zu verantworten.«

»Was müssen Sie erlebt haben! Sie werden mir es später erzählen; jetzt sind Sie zu schwach dazu.«

»O nein. Mein Kopf thut zwar weh, aber ich habe, wie Sie wissen, die Natur eines Elefanten. Wenn ich langsam und leise rede, greift es mich nicht an. Lassen Sie mich immerhin erzählen. Wenn Sie gekommen sind, meine Gefährten zu retten, müssen Sie doch baldigst wissen, was geschehen ist.«

»Ich bin allerdings sehr gespannt, es zu hören. Sie wurden von dem »großen Munde« gefangen genommen und dann wieder frei gegeben. Melton und die Weller kamen auch frei, ebenso der Haziendero. Was geschah nachher?«

»Sie hatten ganz recht, uns zu warnen; es war auf uns abgesehen. Melton kaufte dem Haziendero seinen Besitz ab, und damit wurden wir seine Arbeiter.«

»Ja, ich erinnere mich, den Passus des Kontraktes gelesen zu haben, daß alle Rechte des Haziendero auf seinen etwaigen Rechtsnachfolger überzugehen hätten. Das war, wie ich heute weiß, gleich von vornherein so berechnet. Aber Sie waren für die Hazienda, also für

Vieh- und Feldwirtschaft engagiert und brauchten nicht ins Bergwerk zu gehen!«

»Meinen Sie, daß letzteres unser Willen gewesen ist? Wir haben von dem Quecksilber nicht das mindeste gewußt. Melton belog uns, indem er sagte, daß eine kleine Tagereise hinter der Hazienda eine kleine, zu ihr gehörige Estancia liege, wo wir einstweilen beschäftigt werden sollten. Die Wellers sollten uns hinführen, während er mit dem Haziendero nach Ures ritt, um den Kauf rechtsgültig zu machen. Wir erklärten uns einverstanden, da auf der Hazienda für jetzt nur Hunger zu holen war, und brachen mit den Wellers auf. Aber nach vollendetem Tagemarsche fanden wir anstatt einer Estancia ein Indianerlager, dreihundert Mann mit über vierhundert Pferden. Auf einen Teil der überschüssigen Pferde wurden wir gefesselt; die anderen waren Packpferde, welche Lasten zu tragen hatten. Dann wurden wir fortgeschafft, Tag für Tag weiter, bis nach Almaden. Dort giebt es ein vermaledeites Loch, das Mundloch eines Schachtes, in welches gestiegen werden mußte.«

»Habt ihr euch denn auch da nicht gewehrt?«

»Von mir will ich nicht reden, denn wenn ich hineingestiegen wäre, so befände ich mich unter der Erde und nicht hier bei Ihnen; aber die andern, die Kinder, Weiber und Väter, was konnten sie machen? Die paar Menschen gegen die dreihundert Wilden! Uebrigens bedrohte man uns mit dem Tode, sofern wir uns weigerten. Die Frauen und Kinder konnten an keine Gegenwehr denken, und um ihretwillen und um ihnen keine Mißhandlungen zuzuziehen, ergaben sich auch die Männer drein.«

»Was geschah dann mit ihnen unten?«

»Weiß ich es? Ich bin nicht mit unten gewesen.«

»Ah so! Sie waren nicht mit in dem Schacht! Wie haben Sie das angefangen?«

»Sehr einfach. Als man mir die Riemen abgenommen hatte und mich nach dem Loche schob, brach ich durch die Indianer und rannte fort, nachdem ich mehrere niedergeschlagen und einem von ihnen, der ein Gewehr besaß, dieses entrissen hatte. Man schoß nicht auf mich, weil man mich lebendig haben wollte; das war meine Rettung. Die Roten rannten mir nach. Ich bin ein starker Kerl, aber ein schlechter Läufer, doch gab mir die Angst die nötige Schnelligkeit. Dennoch hätten mich die leichtfüßigen Schurken eingeholt, wenn ich nicht durch den Erdboden durchgebrochen wäre. Da sahen sie mich nicht mehr und ließen mich stecken.«

»Sonderbar! Wenn sie hinter Ihnen her waren, müssen sie doch auch an die Stelle, wo Sie durchgebrochen sind, gekommen sein?«

»Ja, aber ich war nicht geradeaus gerannt, sondern hatte eine doppelte Schwenkung gemacht. Ich kam nämlich an eine Felsenecke, bog um dieselbe herum, um den Indianern aus dem Gesicht zu kommen, und schwenkte dann noch um eine zweite Ecke, hinter welcher der Boden unter mir wich, so daß ich in die Tiefe fuhr.«

»Ich habe erfahren, daß der Felsen dort aus Kalkstein besteht; der ist bekanntlich, wo er auftritt, gern von natürlichen Höhlungen durchzogen.«

»Eine Höhlung war dies nicht, sondern ein Gang, ein Stollen, der schräg abwärts in die Erde läuft.«

»Haben Sie ihn untersucht?«

»Das konnte ich nicht, denn es war dunkel, und ich hatte kein Licht. Eine Strecke bin ich abwärts gegangen, aber nicht weit, da es mir gefährlich erschien, weiter zu gehen. Dann ging ich aufwärts, Schritt um Schritt und

vorsichtig tastend, ehe ich den Fuß weitersetzte. Das war gut, denn sonst wäre ich in die Tiefe gestürzt, da ich sehr bald an einem Abgrunde stand.«

Bei diesen Worten fiel mir die Höhle ein, von welcher der Player gesprochen hatte; sie mündete zu Tage und endete hinten in einem Abgrunde. Darum fragte ich:

»Können Sie mir die Oertlichkeit genau beschreiben, wo Sie eingebrochen sind?«

»Ich kann Ihnen ganz Almaden beschreiben.«

»Das ist mir lieb. Haben Sie denn Gelegenheit gehabt, sich die Gegend anzusehen, obgleich Sie sich nicht erblicken lassen durften?«

»Ich habe es gewagt, um Judiths willen. Sie war nämlich die einzige, welche unterwegs nicht gefesselt wurde und dann auch nicht in den Schacht zu steigen brauchte. Gerade als man mich losband, damit ich hinunter sollte, verhöhnte sie mich und sagte mir, daß ich unten Quecksilber graben müsse, während sie oben die Wirtschafterin des Bergwerksherrn sein werde. Das machte mich verwegen, und die Wut darüber gab mir die Kraft, mich durchzuschlagen und dann nach ihr zu suchen.«

»Wie kamen Sie aus dem tiefen Loche?«

»Indem ich Steine aufeinander baute.«

»Haben Sie die Judith gefunden?«

»Ihren Aufenthaltsort vermochte ich nicht ausfindig zu machen, denn ich durfte mich nur des Nachts hervorwagen; aber begegnet bin ich ihr einmal. Sie erschrak zuerst; dann wurde sie freundlich. Dabei versprach sie mir, mir ihre Wohnung zu zeigen; nur müsse sie erst nachsehen, ob Melton fest schlafe, weil dieser mich nicht gewahren dürfe.«

»Das glaubten Sie ihr?«

»Ja. Aber als sie fort war, kamen mir Bedenken; ich verließ den Ort, an welchem ich auf sie warten sollte, und versteckte mich in der Nähe. Sie kam nicht wieder, dafür aber Melton mit den beiden Weller und einigen Indianern, die mich ergreifen wollten.«

»So hat Ihre Angebetete Sie verraten. Wie kann ein Mann wie Sie noch Liebe zu einem solchen Geschöpfe hegen! Wie lange haben Sie denn Ihr Versteck benutzt?«

»Bis vor zwei Tagen; dann trieb mich der Hunger fort, und ich schlug ganz natürlich den Weg ein, auf welchem wir gekommen waren. Wenn es mir glückte, eine bewohnte Gegend zu erreichen, wollte ich meinen armen Gefährten von dort aus Hilfe bringen. Nun aber sind ja Sie da; das ist besser.«

»Wovon ernährten Sie sich denn?«

»Von den wenigen Pflanzen, welche es dort giebt. Ein wenig Wasser fand ich in meinem Verstecke, wo ich es von den Wänden leckte.«

»Schrecklich! Ein Wild konnten Sie nicht schießen?«

»Ich besaß keine Munition. Als ich wie ein Tier alle Halme verzehrt hatte, die es im Umkreise gab, mußte ich fort.«

»Wurden Sie nicht angehalten?«

»Nein.«

»So haben die Indianer die Gegend nicht eingeschlossen?«

»Bis dahin war dies nicht der Fall; aber ich sah und hörte, daß sie dieselbe immerfort nach mir durchstreiften. Ich mußte einen ganzen Tag lang durch wüste Einöde wandern, ehe ich wieder Gras und Bäume fand. Da begegnete ich einem einzelnen Indianer, welcher jedenfalls nach Almaden wollte, aber er traute sich nicht an mich heran, da er nur mit Pfeil und Bogen bewaffnet war und bei mir eine Flinte sah. Jedenfalls hat er in

Almaden gemeldet, daß er mich gesehen hatte, und die beiden Weller sind schnell hinter mir hergeritten. Was dann weiter geschah, das wissen Sie.«

»Ja, das weiß ich, und was ich noch nicht weiß, das werden Sie mir sagen können. Oder fühlen sie sich zu matt dazu?«

Er hatte natürlich nur langsam und in Pausen gesprochen, versicherte aber:

»Wenn ich leise rede, halte ich es noch länger aus. Ich habe einen Büffelschädel und werde den Hieb bald überwinden.«

»Ja, die Weller haben ihren harten Schädel nicht gekannt und Sie für tot gehalten. Nun bitte ich, sich genau auf Almaden und Ihr dortiges Versteck zu besinnen und mir dasselbe zu beschreiben.«

»Wir kamen über ein wüstes, wellenförmiges Land, welches eine Tagreise breit ist. Hinter demselben senkt sich der Boden ziemlich schnell und bildet eine weite, fast kreisrunde Vertiefung, welche früher ein See gewesen zu sein scheint. In diesem See hat eine große Felseninsel gelegen, welche heute das eigentliche Almaden darstellt, und wie ein riesiger Felsenquader aussieht. Man kann auf zwei Seiten hinaufgelangen. Oben auf dem Plateau, fast auf der Mitte desselben, steht ein rohes Steinhaus, welches nur aus den vier Wänden und dem Dache besteht. In diesem Hause ist die Mündung des Schachtes.«

Won welchen beiden Seiten kann man nach oben?«

»Von Nord und Süd. Die Ostseite steigt ganz lotrecht auf; an der westlichen kann man eine kleine Strecke emporgelangen, und da liegt auch mein Versteck.«

»Wie kann ich es am besten finden?«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
550 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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