Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 10
Es war klar, daß die armen Leute ein Recht auf ihr weniges Wasser hatten, und darum erschien es mir hart, es ihnen abzuzwingen. Etwas wenigstens mußten sie dafür haben; darum bat ich meine Gefährten, von ihrem feindseligen Verhalten abzulassen und gab den Leuten einige kleine Silberstücke, indem ich ihnen erklärte, daß ich damit das Wasser bezahlen wolle. Sie änderten darauf sofort ihr Verhalten und ließen uns schöpfen.
Da der Abend nahte, mußten wir einen Ort suchen, an welchem wir die Nacht zubringen wollten. Die feindselige Haltung der Indianer ließ den Gedanken nicht aufkommen, in ihrer Nähe oder gar in dem Pueblo selbst zu schlafen. Zwar trauten wir ihnen keineswegs ein für uns gefährliches Beginnen zu, aber Widerwärtigkeiten konnten uns doch bereitet werden, und so führten wir unsere Pferde eine ansehnliche Strecke von ihnen fort und legten uns da draußen im Freien nieder. Es verstand sich ganz von selbst, daß wir die Nacht reihum wachen wollten.
Es mochte ungefähr zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit sein, als wir eine Gestalt bemerkten, welche sich vom Pueblo her uns langsam näherte; sie blieb in einiger Entfernung von uns stehen. Wir riefen sie an und forderten sie auf, vollends herbei zu kommen. Da antwortete sie:
»Ich will mit dem guten Sennor sprechen.«
Es war die Stimme des Mädchens, welches mir die Blume gegeben hatte.
»Geh hin!« forderte mich Emery auf. »Denn jedenfalls bist du gemeint.«
Ich folgte der Aufforderung. Als ich die Indianerin erreicht hatte, sagte sie:
»Wir müssen leise sprechen, denn ich bin heimlich gekommen, weil ich nicht haben will, daß dir etwas Böses geschehe.«
»Von wem?«
»Von den beiden Weißen, welche heute bei uns angekommen sind.«
»Ah, ihr habt sie also gesehen! Wann ist das gewesen?«
»Drei Stunden vorher, ehe ihr kamt.«
»Wie lange haben sie sich hier bei euch aufgehalten?«
Da trat sie ganz an mich heran und sagte noch leiser als bisher:
»Sie sind noch hier!«
»Noch hier? Das ist für uns eine sehr wichtige Botschaft, für welche ich dir großen Dank schuldig bin.«
»Du bist mir keinen Dank schuldig, sondern ich will dir danken, indem ich dir dies sage. Die beiden Männer sprachen von euch; sie benachrichtigten uns, daß ihr hinter ihnen kommen würdet.«
»Und forderten euch auf, uns feindlich zu behandeln?«
»Ja. Sie sagten uns, daß ihr unsere Estufa zerstören und die Figuren der Götter vernichten wollet.«
»Das fällt uns ja gar nicht ein! Was sagten sie noch von uns?«
»Daß ihr gefährliche Männer seid, die schon viele Mordthaten begangen haben, und Diebe, welche gekommen sind, uns auszurauben.«
»Das ist eine ungeheure Lüge! Ich sage dir, daß es umgekehrt ist. Die beiden Männer sind Räuber und Diebe, welche schon manchen Mord und viele Unthaten auf dem Gewissen haben. Darum jagen wir hinter ihnen her, um sie zu fangen und bestrafen zu lassen. Wir sind ehrliche Leute.«
»Ich glaube es, Sennor. Du siehst nicht aus wie ein so böser Mann und bist freundlich mit uns gewesen. Darum habe ich mich fortgeschlichen, um dich zu retten.«
»Zu retten?« Danach müssen wir in einer Gefahr schweben?«
»Ja, ihr befindet euch in Gefahr. Inwiefern, das weiß ich nicht genau; aber die beiden Männer sind noch hier.«
»Ah! Wo? Kannst du mir das sagen?«
»Ich könnte es sagen, aber ich darf nicht, weil ich nicht zur Verräterin an meinen Leuten werden will.«
»Gut, so will ich dich nicht danach fragen; aber sagen darfst du mir wohl, worin die Gefahr besteht, welche uns von den Leuten droht?«
»Der Tod, glaube ich. Was wirklich geschehen soll, das wissen nur wenige Männer von uns; den Frauen und Kindern aber ist gar nichts verraten worden. Aber diese Verschwiegenheit läßt mich vermuten, daß man gegen euch nichts Geringes und nichts Gewöhnliches im Sinne hat.«
Mit diesen Worten huschte sie eiligst fort, so daß ich ihr nicht einmal Dank sagen konnte. Ich erfuhr hier wieder einmal, wie schnell sich oft das Gute ganz von selbst belohnt. Wir waren zwar mißtrauisch, keineswegs aber um unser Leben besorgt gewesen. Das Mädchen hatte uns wahrscheinlich vom Tode errettet.
»Meine Gefährten waren nicht wenig erstaunt, als ich ihnen sagte, was ich erfahren hatte. Emery wollte sofort nach dem Pueblo, um die Bewohner desselben zur Rechenschaft zu ziehen; Winnetou aber entgegnete ihm:
»Mein Bruder mag nicht zu schnell handeln. Die roten Leute haben die Lügen geglaubt, welche man ihnen gesagt hat. Wollen wir sie deshalb töten?«
»Sie verdienen es, weil sie uns auch an das Leben wollen!« antwortete der Englishman.
»Das wissen wir nicht gewiß. Uebrigens sind ihrer viele, und wir sind nur vier.«
»Ich fürchte mich nicht vor ihnen!«
»Mein Bruder wird gewiß nicht glauben, daß Winnetou sich fürchtet; aber vier Personen können kein Pueblo angreifen, sie mögen noch so tapfer sein, wenigstens nicht offen.«
»Aber wir können doch die Leute zwingen, uns die Meltons auszuliefern!«
»Zwingen? Also Kampf mit ihnen? Das ist‘s ja eben, was wir verhüten müssen. Wenn wir sie angriffen, würden die Meltons ihnen helfen oder die Zeit des Kampfes zur Flucht benutzen. Wir können das, was mein Bruder haben will, nur durch List erreichen. Wir warten, bis sie kommen. Sie wissen wahrscheinlich, wo wir uns jetzt befinden; darum werden wir eine andere Stelle aufsuchen, an welcher wir in der Nacht bleiben. Man wird uns suchen. Jedenfalls haben wir dies von den Meltons zu erwarten, welche wir festnehmen, sobald sie kommen.«
Er hatte recht, und wir handelten nach seinem Vorschlage, indem wir unsern Lagerplatz in noch größere Entfernung verlegten. Nun, da wir gewarnt waren, konnten wir uns nur darüber freuen, daß die Meltons hier geblieben waren. Wir brauchten sie nicht erst einzuholen. Wir hatten sie hier, und es bedurfte keiner großen Selbstüberschätzung, um unsererseits sagen zu können, daß sie in unsere Hände fallen würden.
Wir richteten uns auf die Weise ein, daß zwei von uns schliefen, während die beiden andern wachten, und wechselten darin ab. Ich hatte mit Vogel zu wachen. Als wir Winnetou zum zweitenmale ablösten, war die Nacht schon fast vergangen, ohne daß wir irgend etwas Verdächtiges bemerkt hatten; das mußte uns auffallen.
»Wer weiß, ob man überhaupt etwas gegen uns vorgehabt hat,« meinte Emery. »Das Mädchen kann sich geirrt haben!«
»Schwerlich!« antwortete ich.
»Aber es kommt ja niemand!«
»Weil man uns nicht gefunden hat, und wohl auch weil die Roten eingesehen haben, daß es gefährlich ist, sich uns zu nähern.«
»So müssen wir warten, bis es Tag geworden ist; dann aber bestehe ich darauf, die Pueblos zu zwingen, uns die Meltons auszuliefern.«
»Sie würden das nicht können, weil die Meltons dann nicht mehr da sein werden. Wenn es sich herausstellt, daß bis zum Anbruche des neuen Tages nichts gegen uns unternommen werden kann, werden sie keinen Augenblick zögern, sich aus dem Staube zu machen.«
»Das möchte ich nicht als so sicher hinstellen. Ebenso wahrscheinlich ist es, daß sie bleiben. Sie werden von den Pueblos unterstützt.«
»Das wäre die größte Dummheit, welche sie begehen könnten. Blieben sie hier, etwa um uns mit Hilfe der Pueblos anzugreifen, so wären sie sicher, in unsere Hände zu geraten oder von unsern Kugeln zu fallen. Die Halunken sind schlau genug, dies zu wissen. Auch kennen sie die Pueblo-Indianer jedenfalls gut genug, um sich sagen zu können, daß diese sich nicht sehr nahe an uns wagen werden, weil unsere Gewehre weiter tragen, als alle ihre Waffen. Ich bin überzeugt, daß sie fortgehen.«
»So haben wir das Nachsehen!«
»Allerdings. Aber dem könnte ja wohl vorgebeugt werden, indem wir unsern Standort abermals verlassen und uns westlich vom Pueblo lagern. Das ist die Richtung, welche sie einzuschlagen haben. Vielleicht hören wir sie, falls sie nicht allzu weit an uns vorüberreiten.«
Auch Winnetou war der Ansicht, und so veränderten wir zum zweitenmale unsern Lagerplatz. Als das geschehen war, setzte ich mich mit Vogel nicht etwa zu den beiden andern, welche sich wieder schlafen gelegt hatten, sondern wir trennten uns, indem wir uns ein Stück von ihnen entfernten, ich rechts und Vogel links von ihnen. Dadurch, daß wir uns so weit auseinander befanden, lag für unser Gehör eine viel größere Strecke offen, als wenn wir zusammen geblieben wären. Um noch besser und weiter hören zu können, legte ich mich mit einem Ohre auf die Erde.
So warteten wir still und unbeweglich eine lange Zeit, bis es ungefähr drei Viertelstunden vor Tagesanbruch sein mochte. Da vernahm ich ein Geräusch. Es erklang aus der Gegend her, in welcher Vogel lag, und wenn ich mich nicht täuschte, so war es der Hufschlag zweier Pferde, welche von dem Pueblo herkamen und dann in die Ebene hinausliefen. ich stand auf, ging zu Vogel und fragte:
»Haben Sie nicht etwas gehört?«
»Ja, Schritte von Menschen.«
»Wie viele können es gewesen sein?«
»Wer kann mit den Ohren zählen! Es waren viele. Sie kamen vom Pueblo her und dann an uns vorüber, aber weit von hier.«
»Das ist dasselbe, was ich auch gehört habe; aber Sie irren sich. Das waren keine Menschen, sondern Pferde.«
»Ich möchte aber doch wetten, daß es Menschen gewesen sind. Und über zehn waren es ganz gewiß.«
»Sie sind nicht so geübt wie ich. Es waren zwei Pferde, welche mit ihren Hufen die Erde so treffen, daß ein Unerfahrener allerdings denken kann, es seien über zehn Menschen. Wir müssen Winnetou und Sir Emery wecken, denn ich bin überzeugt, daß es die Meltons gewesen sind.«
Als die Genannten erwachten und meine Meldung hörten, waren sie gleicher Meinung mit mir. Emery sagte:
»Ja, sie waren es; sie sind fort, und wir müssen ihnen augenblicklich nach.«
»Nein,« entgegnete Winnetou. »Meine Brüder müssen mit mir warten, bis es hell geworden ist, damit wir die Spuren sehen können.«
»Das brauchen wir nicht. Wir kennen ja die Richtung, in welcher sie reiten.«
»Nein, die kennen wir nicht,« antwortete ich. »Winnetou hat recht. Wir müssen unbedingt warten.«
»Wir wissen doch, daß sie nach dem kleinen Colorado reiten. Wenn wir das auch thun, müssen wir auf ihre Spur treffen.«
»Aber es ist möglich, daß sie von jetzt an eine andere Richtung einschlagen, um uns irre zu führen.«
»Da müssen sie sich doch sagen, daß das vergeblich sein dürfte!«
»O nein. Sie haben keine Ahnung davon, daß wir ihr Ziel kennen; sie sind später in Albuquerque angekommen, als ihr sauberer Jonathan, und er hat ihnen also nicht erzählen können, was geschehen ist, seit sie sich von ihm getrennt haben. Sie glauben also, wir folgen ihnen und wissen nichts von ihm und dem Orte, an welchem sie ihn treffen wollen. Darum ist es sehr leicht möglich, daß sie auf den Gedanken kommen, uns in eine andere Gegend zu locken.«
»Well! Aber was schadet das? Wir reiten eben nach dem Colorado, um ihren Jonathan zu fassen. Wenn sie von dieser Richtung abweichen, so lassen wir sie laufen.«
»Wir wollen aber auch sie haben!«
»Wir bekommen sie sicher bei ihrem Jonathan. Wenn wir diesen haben, so warten wir, bis sie kommen. Und kommen werden sie.«
»Das ist gar nicht sicher. Ich möchte lieber das Gegenteil behaupten. Und wenn sie wirklich kommen, so werden sie dies mit solcher Vorsicht thun, daß es gewiß außerordentlich schwer sein wird, sie zu erwischen.«
»Das behauptest du mit solcher Sicherheit?«
»Ja. Ich habe meine Gründe dazu. Frage Winnetou! Er wird mir beistimmen.«
»Warum sollten sie sich später noch mehr in acht nehmen, als jetzt?«
»Das ist doch so einfach! Sie wollen uns fortlocken. Wenn sie bemerken, daß wir ihnen nicht folgen, so müssen sie natürlich annehmen, daß wir nach dem »Schlosse« der Jüdin seien, und zwar ihnen voran. Sie müssen auch hin, und da versteht es sich ganz von selbst, daß sie, wenn sie kommen, dies nur mit äußerster Vorsicht thun werden.«
»Hm! Das ist allerdings nun zu begreifen.«
»Dazu kommt, daß wir dann leicht zwischen zwei Feuer kommen können, vor uns haben wir Jonathan Melton und hinter uns die beiden.«
»Pshaw! Jonathan ist gar nicht zu fürchten!«
»Richtig! Aber du vergissest, daß er eine Anzahl von Indianern bei sich hat, welche mit der Jüdin und ihrem verstorbenen Manne, ihrem Häuptlinge, aus der Sonora herübergezogen sind. Mit diesen Leuten haben wir doch unbedingt zu rechnen.«
»Das ist richtig. Du meinst also, daß wir den Meltons nachreiten, selbst wenn sie einen andern Weg einschlagen?«
»Ja. Wir müssen sie haben. Darum können wir nicht eher von hier fort, als bis es Tag geworden ist und wir ihre Spuren sehen können.«
»Auch müssen wir warten, um unsere Pferde noch einmal zu tränken,« bemerkte Winnetou. »Sie haben zwar gestern abend Wasser bekommen, aber wir wissen nicht, wohin es geht und ob wir heute und morgen wieder welches finden.«
Wir blieben also sitzen, bis der erste Schimmer des Tages im Osten erschien und wir das Pueblo sehen konnten. Wir ritten hin und bemerkten, daß alle Bewohner wach waren. Das war ein Beweis, daß sie in der Nacht etwas gegen uns vorgehabt hatten. Als sie sahen, daß wir nach der Cisterne wollten, kam einer von ihnen auf uns zu und sagte:
»Wenn ihr eure Pferde tränken wollt, müßt ihr wieder bezahlen!«
»Wer bist du denn, daß du dies zu verlangen hast?«
»Ich bin der Häuptling des Pueblo.«
»Ah so! Wir wollten gestern mit dir reden und haben nach dir gefragt. Warum antwortete man uns nicht?«
»Weil ich nicht hier war.«
»Das ist eine Lüge, denn ich erinnere mich ganz genau, dein Gesicht gesehen zu haben. Wann bist du denn von hier fortgegangen?«
»Gestern früh.«
»So bist du also vorgestern und auch die vorigen Tage hier gewesen?«
»Ja.«
»Dann wirst du uns wohl sagen können, ob in der Zeit Fremde hier gewesen sind.«
»Es war niemand hier.«
»Aber gestern sind doch zwei weiße Reiter zu euch gekommen?«
»Nein. Als ich heimkam, hat man mir nur von euch erzählt. Wären noch andere dagewesen, so hätte man es mir auch gesagt.«
»Es sind zwei Reiter da gewesen. Sie haben uns in der Nacht gesucht, um uns zu töten!«
Er erschrak und antwortete:
»Sennor, wie könnt Ihr so etwas behaupten! Wir sind ehrliche und friedliche Leute, die nichts Böses thun!«
»Wäret ihr wirklich so ehrliche Leute, so würdest du uns nicht belügen. Eigentlich sollten wir euch dafür züchtigen; aber wir wollen das nicht thun, denn wir sind Christen. Wir wissen, daß die beiden Männer, von denen ich spreche, vor kaum einer Stunde fortgeritten sind. Da wir aber sie nicht fürchten und euch verachten, werden wir so thun, als ob nichts geschehen sei und euch sogar euer Wasser bezahlen.«
Er bekam die verlangte Summe; wir tränkten unsere Pferde, tranken auch selbst und ritten dann fort, zunächst nach Spuren gar nicht suchend. Aber dann, als wir außer Sicht der Indianer waren, trennten wir uns, um nach der Fährte zu forschen. Der Apatsche fand sie zuerst. Sie hatte zunächst eine westliche Richtung, machte dann aber einen Bogen nach Nordwest.
»Siehst du!« sagte ich zu Emery. »Die von mir angedeutete Möglichkeit wird zur Wirklichkeit. Die Kerle sind vom richtigen Wege abgewichen.«
»Das ist fatal! Wer weiß, wie weit sie uns mit sich fortschleppen und wie lange Zeit wir brauchen, um wieder auf den rechten Weg zu kommen!«
»Ja, wenn wir ihnen im Galopp folgen könnten, so hätten wir sie bald eingeholt!«
»Warum thun wir dies denn nicht?«
»Vogels Pferd kommt nicht mit fort.«
Als ich das sagte, stieg Winnetou ab, betrachtete die Spur sehr aufmerksam und fragte dann Vogel:
»Mein junger Bruder hat nicht gelernt, eine Fährte zu lesen?«
»Nein,« antwortete der Gefragte. »Wenn die Stapfen nicht ganz deutlich sind, finde ich sie nicht.«
»So dürfen wir ihn nicht allein zurücklassen, weil er uns nicht finden und sich verirren würde. Die Meltons reiten gute Pferde; dennoch können wir sie bald einholen, um sie zu fangen. Winnetou wird jetzt mit Old Shatterhand die Verfolgung beginnen. Wir beide genügen, diese Menschen festzunehmen. Mein Bruder Emery mag mit dem jungen Manne auf unserer Fährte folgen.«
Das Gesicht des Englishman bewies, daß er nicht sehr darüber erbaut war, daß er zurückbleiben sollte, doch sagte er nichts dagegen. Wir ritten im Galopp fort, und er blieb mit Vogel hinter uns.
Der Vorsprung, welchen die Meltons vor uns hatten, betrug ungefähr eine Stunde. Selbst wenn sie, wie Winnetous Meinung gewesen war, gute Pferde hatten, mußten wir sie mit unsern vortrefflichen Komantschenrossen noch vor Mittag eingeholt haben, falls es zu einem Wettrennen kommen sollte. War das nicht der Fall, so erreichten wir sie noch viel früher. Es kam ganz darauf an, ob sie uns zeitig genug bemerken würden oder nicht.
Wir ritten über die öde Steppe. Der Boden war steinhart; doch sorgten wir dafür, daß eine deutliche Fährte hinter uns blieb. Die Spur der Meltons war dagegen nur von Zeit zu Zeit zu erkennen. Sie hatten sich in acht genommen; wir sollten im Aufsuchen derselben möglichst viel Zeit verlieren. Es gehörte also keine geringe Aufmerksamkeit dazu, ihr im Galopp zu folgen, ohne sie zu verlieren. Hier bewährte sich, wie schon so oft, die Meisterschaft des Apatschen.
Nach und nach ging die Ebene in eine wellenförmige Gegend über. Es gab Erhebungen und Senkungen, welche je länger desto bedeutender wurden. Nach zwei Stunden konnte man schon von Bergen reden. Das waren die südlichen Ausläufer der Sierra Madre.
Es ging immer in gerader Richtung fort, bergauf und bergab, doch gab es dabei keine Schwierigkeit, weil die Höhen weder sehr hoch noch auch sehr steil waren.
Sie zeichneten sich durch den gänzlichen Mangel der Vegetation aus. Die dritte Stunde war vorüber; wir hatten eine Kuppe erreicht und konnten das vor uns liegende Thal und den jenseits sich erhebenden Berg überblicken. Da sahen wir die Meltons deutlich vor uns. Sie hatten das Thal bereits hinter sich und ritten drüben die Berglehne hinan. Um ihnen, ehe sie uns bemerkten, möglichst nahe zu kommen, jagten wir im schnellsten Tempo ins Thal hinab. Sie konnten den Hufschlag unserer Pferde nicht hören. Doch drehte sich, als wir noch nicht unten angekommen waren, der eine von ihnen um. Er sah uns, machte seinen Bruder auf uns aufmerksam, und nun trieben sie ihre Pferde mit einer Schnelligkeit den Berg empor, daß Winnetou lächelnd sagte:
»Das werden ihre Pferde nicht lange aushalten. Diese Menschen sind uns sicher.«
»Wie denkst du, daß wir uns ihrer bemächtigen?« fragte ich.
»Durch Drohung,« antwortete er. »Wir reiten ihnen so nahe, bis sie unsere Stimmen hören können, und gebieten ihnen, anzuhalten, abzusteigen und ihre Waffen abzulegen. Wenn sie nicht gehorchen, so müssen wir schießen. Wir werden sie nicht töten, sondern nur verwunden, denn wir wollen sie lebendig haben.«
»Wahrscheinlich werden sie, wenn sie uns nahe genug sehen, auch auf uns schießen wollen.«
»Dann werden wir schneller sein als sie und ihnen eine Kugel in den Arm geben.«
Er sprach so zuversichtlich, und doch sollte es anders kommen, als er dachte. Als wir auf der jenseitigen Höhe anlangten, sahen wir die Meltons unten im Thale. Sie trieben ihre Pferde zur größten Eile an und sahen sich von Zeit zu Zeit nach uns um. So ging es bergauf und bergab, und so oft wir eine Höhe erreichten, bemerkten wir, daß wir ihnen wieder näher gekommen waren. Ihre Pferde begannen zu ermüden, während die unserigen noch nichts davon merken ließen.
Als wir uns abermals auf einer Kuppe befanden, sahen wir zwei Höhenzüge vor uns liegen, welche sich vor unsern Augen lang gegen West erstreckten. Zwischen ihnen lag ein schmales, ebenes und schnurgerades Thal, dessen Sohle stellenweise ganz mit Steintrümmern bedeckt war. Das Ganze hatte das Aussehen, als ob ein Geschlecht von Giganten hier einen riesigen Graben, einen Kanal gebaut hätte, der nun ausgetrocknet war. Auf diesen Kanal jagten die Meltons zu, und wir folgten ihnen. Die Hetze konnte höchstens noch eine Viertelstunde dauern.
Da geschah etwas, was uns vor Grauen die Haare emporziehen wollte. Die beiden Brüder, welche wir von hinten und in der Entfernung nicht zu unterscheiden vermochten, galoppierten über eine Stelle, in welcher Geröll und größere Steintrümmer lagen. Da stolperte das Pferd des einen und stürzte, den Reiter unter sich begrabend. Der andere sah es, hielt an und sprang ab, um trotz der Gefahr, welche jedes Verweilen mit sich brachte, dem Bruder aufzuhelfen. Später sahen wir, daß der Gestürzte Thomas Melton war.
Sein Bruder Harry wollte das Pferd aufzerren, brachte es aber nicht empor, weil es den Vorderfuß gebrochen hatte. Es gelang ihm nur, es zur Seite zu ziehen, wodurch Thomas frei wurde; dieser sprang auf, und wir sahen an ihren heftigen Gestikulationen, in welcher ungeheuren Aufregung sie sich befanden. Es war nur ein Pferd da; nur einer konnte auf demselben weiter fliehen; der andere mußte in kürzester Zeit von uns eingeholt werden.
»Zwei Reiter und ein Pferd! Wir haben sie sicher!« rief Winnetou.
Wir stürmten eng nebeneinander auf den Riesenkanal zu. Da geschah das Entsetzliche. Harry Melton, welchem das unverletzte Pferd gehörte, wollte es wieder besteigen; sein Bruder hinderte ihn daran; er wollte auch hinauf. Sie stritten sich um das Pferd, freilich nur wenige Augenblicke lang, denn das ganze, grausige Ereignis ging viel schneller vor sich, als man es zu erzählen vermag. Harry drängte seinen Bruder von sich ab und setzte den Fuß in den Steigbügel, um sich aufzuschwingen; da holte hinter ihm Thomas mit dem Gewehre aus und versetzte ihm einen solchen Kolbenhieb auf den Kopf, daß der Getroffene zu Boden stürzte. Wir sahen, daß der andere sich eine kurze Weile zu ihm niederbeugte, dann sich wieder aufrichtete, auf das Pferd sprang und fortgaloppierte. Was er im Niederbücken gethan hatte, konnten wir erst später sehen. Von dem Augenblicke an, in welchem das Pferd gestürzt war, bis zu demjenigen, in welchem Thomas Melton davonritt, waren nicht zwei Minuten vergangen, und in dieser kurzen Zeit war es uns nicht möglich gewesen, bis auf Schußweite heranzukommen.
Wir trieben unsere Pferde noch mehr an als bisher und kamen so bald an die Stelle, an welcher Harry Melton und das Pferd seines Bruders lagen. Letzteres schlug mit den drei gesunden Beinen um sich, gab sich alle Mühe, sich aufzurichten, fiel aber immer wieder nieder. Melton aber lag bewegungslos im Steingeröll.
Wir hielten an und stiegen ab. Er blutete aus einer tiefen Wunde in der linken oberen Brust.
»Brudermörder!« rief der Apatsche grimmig aus.
»Ja, ein Brudermörder!« stimmte ich bei, indem ein Grauen mir durch und über den ganzen Körper zitterte.
»Reiten wir weiter, um ihn zu fangen?«
»Nein. Er bleibt uns gewiß. Wir haben es hier wahrscheinlich mit einem Sterbenden zu thun; da müssen wir bleiben. Vielleicht ist er auch noch zu retten.«
Winnetou widersprach nicht, obgleich er einen sehnsüchtigen Blick vorwärts warf, wo der davoneilende Mörder noch deutlich zu sehen war. Wir rissen dem Verwundeten, der außerdem von dem Kolbenhiebe betäubt war, den Rock herunter und die Weste auf. Das unter derselben liegende Hemd war ganz mit Blut getränkt. Wir mußten die Weste auch entfernen und den ganzen Oberkörper entkleiden. Das Blut floß reichlich, doch nicht so stark, daß eine sehr schnelle Verblutung zu befürchten war.
Der Mann holte Atem; daß das Blut nicht stoßweise mit jedem Atemzuge aus der Wunde floß, war ein beruhigendes Zeichen. Wir versuchten, letztere zu verbinden, und waren nicht ganz ohne Erfolg dabei. Leider hatten wir kein Wasser.
Nun saßen wir lange Zeit bei Harry Melton, um auf sein Erwachen zu warten. Es verging lange Zeit, ehe er die Augen öffnete. Er griff mit beiden Händen nach dem Kopfe und stierte uns ausdruckslos an. Dann schien ihm die Besinnung zu kommen; er erkannte uns, stieß einen Fluch aus und wollte aufspringen, sank aber gleich wieder nieder.
»Bleibt liegen, Master!« sagte ich. »Der Tod steckt Euch in der Brust, und je mehr Ihr Euch bewegt, desto schneller wird er mit Euch fertig.«
Er sah an sich herab, bemerkte das Blut, den notdürftigen Verband und fragte mit leiser, stockender Stimme:
»Blut – Blut – wo – woher?«
»Aus Eurer Brust!«
»Von – von wem?«
»Der Messerstich ist von Eurem Bruder.«
»Von – von – von Thomas – von meinem Bruder!«
Er schloß die Augen, um den ungeheuerlichen Gedanken auszudenken; dann öffnete er sie wieder und ein wilder Grimm ging über sein noch immer diabolisch schönes Gesicht, als er zähneknirschend hervorstieß:
»Gott verdamme ihn, den Mörder, den Judas Ischariot! Er hat mich Euch ausgeliefert!«
»Das würde das Geringste noch sein. Wahrscheinlich hat er Euch nicht nur uns, sondern auch dem Tode ausgeliefert. Macht Eure Rechnung mit dem Leben!«
»Wo – ist er?«
»Fort, auf Eurem Pferde.«
»Ja, ja, jetzt weiß ich es. Sein Pferd stürzte, und ich stieg ab, ihm zu helfen. Er wollte dann auf dem meinigen fort; wir stritten uns, und ich stieg auf. Mehr weiß ich nicht.«
Er hatte das natürlich nicht hintereinander, sondern nur mit Unterbrechungen sagen können. Ich berichtigte ihn:
»Ihr seid nicht aufgestiegen; er hinderte Euch daran, indem er Euch mit dem Gewehrkolben niederschlug. Dann sahen wir, daß er sich auf Euch niederbückte; da hat er Euch das Messer in die Brust gestoßen.«
»Niederbückte?« fragte er und fügte dann schnell hinzu:
»Wo ist mein Rock?«
»Da liegt er.«
»Gebt her, gebt her!«
Ich gab ihm denselben hin, der auch blutig war.
Er suchte mit zitternden Händen nach der Brusttasche. Es war nichts drin.
»Leer!« stöhnte er. »Leer! Er hat sie genommen!«
»Was?«
»Die Brieftasche mit dem Gelde! 0 der Judas, der Judas! Und ich bin sein Bruder!«
»Wem gehörte das Geld?«
»Mir, mir!«
»Aber es war gestohlenes, geraubtes?«
Er schwieg, und erst als ich meine Frage noch zweimal wiederholt hatte, antwortete er:
»Das geht euch den Teufel an, ihr, ihr —!«
Er sah sein Messer, welches wir ihm aus dem Gürtel gezogen hatten, neben sich liegen, griff nach demselben und zückte es gegen mich. Es bedurfte trotz seiner Verwundung keiner kleinen Anstrengung, es ihm aus der Hand zu winden.
»Gebt Euch keine Mühe, uns von Eurer Gesinnung zu überzeugen,« sagte ich ihm; »wir kennen sie, auch ohne daß Ihr Euch vergeblich mit dem Messer bemüht.«
Das kurze Ringen mit mir hatte ihn angestrengt; das Blut floß stärker aus der Wunde; er schloß die Augen. Während ich mich bemühte, die Blutung zu stillen, sprach er wie abwesend, langsam, in Pausen und mit leiser Stimme:
»Gefangen – ergriffen! Winnetou – Shatterhand, die Hunde! – Beraubt – erstochen – von Thomas – verdammter Judas – verdammter Ischariot! O Rache, Rache – Rache!«
Er schien sich in einem halbwachen Zustande zu befinden, was ich benutzte, um vielleicht etwas zu erfahren, indem ich sagte:
»Er hat Euch Euern Anteil an Hunters Geld genommen, der Schurke!«
»Ja – Hunters Geld!« nickte er, ohne die Augen zu öffnen.
»Und er hatte doch ebensoviel!«
»Ja, gerade soviel!«
»Das übrige hat alles Jonathan!«
»Jonathan – – alles! Rache – – Rache!«
»Die wird ihm werden! Wir reiten ihm nach bis – —«
Ich wartete mit Spannung, was er sagen würde.
»Bis an den Flujo blanco – Whitefork —« hauchte er.
»Wo die Jüdin ihr Schloß hat?«
»Ihr Schloß – – ihr Pueblo.«
Dann riß er plötzlich die Augen auf, starrte mir ins Gesicht und schrie mich an:
»Wer bist du?«
»Ihr kennt mich doch!«
»Ja, ich – kenne Euch. Old Shatterhand – – Winnetou, die beiden Teufel – Teufel – Teufel! Was fragst du mich? Laßt mich in Ruh!«
»Ich denke, wir sollen Euch an Eurem Bruder rächen?«
»Rächen —! Ja – ja – ja! Jagt ihm nach – schießt ihn nieder – nehmt ihm das Geld, und bringt – —«
Dann ballte er plötzlich beide Fäuste und fuhr fort:
»Nein, nein – ich sage nichts, gar nichts! Mag Thomas kommen! Ihr seid – seid – Ihr erfahrt nichts – nichts – nichts von mir! Geht in die Hölle – Hölle – Hölle!«
Er sank hintenüber und war still. Das Blut floß reichlicher; da er sich aber nicht mehr bewegte, gelang es uns, es abermals zu stillen. Er fiel in Schlaf.
Winnetou war bisher still gewesen; er ließ sein Auge forschend auf dem Gesichte des Schlafenden ruhen und sagte dann:
»Er wird diesen Ort hier nicht wieder verlassen.«
»Dann wollen wir hoffen, daß er noch bereut, ehe er stirbt!«
»Möchte es bald zu Ende sein, damit wir aufbrechen können, um seinen Bruder zu verfolgen. Du hast Mitleid mit ihm?«
»Ja.«
»Er verdient es nicht. Er war schlimmer als ein Tier. Weit mehr Mitleid verdient das Pferd hier, welches nie gesündigt hat. Winnetou wird seinen Schmerzen ein Ende machen.«
Das Pferd mühte sich, vor Schmerz schnaubend, noch immer vergeblich ab, sich aufzurichten. Der Apatsche hielt ihm die Mündung seiner Silberbüchse an den Kopf, und gab ihm die erlösende Kugel. Als der Schuß krachte, fuhr Melton mit dem Oberkörper empor, blickte erschrocken und mit weitaufgerissenen Augen umher und fragte:
»Wer hat geschossen? Galt das dem – dem – —«
Ohne die Frage ganz auszusprechen, sank er wieder nieder und blieb nun stundenlang so liegen. Zuweilen flüsterte er etwas, was wir nicht verstehen konnten. Diese äußerliche Ruhe schien Schlaf zu sein, war es aber nicht. Seine Seele war wach; das sahen wir an den verschiedensten Ausdrücken, welche unaufhörlich über sein Gesicht glitten.
»Jetzt wissen wir genau, wo das »Schloß« der Jüdin liegt,« bemerkte ich zu Winnetou.
»Ja, am Flujo blanco; er hat es verraten.«
»Kennt mein Bruder diesen Fluß?«
»Ich war nicht dort, aber in der Nähe und werde ihn sehr leicht finden. Er kommt von der Sierra Blanca herab und wird von den Yankees White-Fork genannt.«
Um die Mittagszeit kam Emery mit Vogel nach. Als der Abend angebrochen war, kam das Ende. Melton sprang mit einem Male auf, stieß den Namen seines Bruders mit Verwünschungen aus, welche man unmöglich niederschreiben kann, und fiel dann tot zu Boden. Sein Ende war schmerzloser, als er es verdient hatte; leider aber hatte für seine Seele nichts geschehen können. Am nächsten Morgen begruben wir ihn unter Steinen, die seinen Körper vor den Schnäbeln und Fängen der Geier schützten. Dann verließen wir den traurigen Ort.