Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 11
Viertes Kapitel: Im Pueblo
Es wäre unnütz und auch Zeitverschwendung gewesen, wenn wir jetzt noch den Spuren Thomas Meltons hätten folgen wollen. Es stand fest, daß er sich jetzt auf dem kürzesten Wege zu seinem Sohne befand, darum wendeten wir uns südwestlich, um den Umweg, welchen wir gestern hatten machen müssen, einzuholen. Diese Richtung führte uns zwischen der Sierra Madre und den Zunibergen hindurch.
Sonderbar! Als wir die Berge hinter uns hatten, gab es sofort eine ganz andere Witterung als bisher. Der ewig heitere Himmel umzog sich täglich einigemale mit schweren, dunklen Wolken, und sandte einen heftigen Gewitterregen herab, um sich schnell wieder aufzuklären. Wir befanden uns im Quellgebiete des kleinen Colorado, in welcher Gegend um diese Jahreszeit solche heftige Regen mit heiterem Himmel täglich wiederholt abwechseln. Dies war uns in einer Beziehung lieb, in der andern aber nicht. Die Feuchtigkeit lockte ein lebhaftes Grün hervor; es gab überall Wasser und genug Futter für die Pferde; aber unsere Kleider wurden Tag und Nacht nicht trocken, und ein solcher Zustand konnte so plötzlich nach der großen Hitze, welche wir hinter uns hatten, für unsere Gesundheit gefährlich werden. Wir waren, Vogel natürlich ausgenommen, gewohnt, bei größter Hitze oder Kälte im Freien zu kampieren; jetzt aber wäre uns ein trockenes Obdach des Abends recht willkommen gewesen.
Gegen Abend des dritten Tages nach dem Tode Harry Meltons erklärte uns Winnetou, daß wir morgen in der Nähe des Flujo blanco ankommen würden. Es regnete heftig; das war kein Regen mehr, sondern ein herabstürzender See, welcher einen beinahe vom Pferde herunterschlug. Es that mir nur leid um den armen Franz Vogel, welcher so etwas nicht gewohnt war und die Unbilden dieses Wetters doch mit möglichster Ergebung zu tragen versuchte.
Wir befanden uns in einer Gegend, in der es hier und da ganze Gruppen von Bäumen und Sträuchern gab, was auf Quellen und Wasserläufe schließen ließ. Südlich von uns lag die Sierra Blanca, welche wir freilich in dem Regen nicht sehen konnten.
Dann waren die Wolken wie weggeblasen, und der blaue Himmel lachte über uns, aber freilich auf wie lange! Jetzt hatten wir wieder freie Aussicht. Droben auf der Sierra schien es fortzuregnen; je weiter herunter aber, desto klarer und durchsichtiger war die Luft. Hatte man noch vor nur fünf Minuten keine zehn Schritte weit durch den Regen zu sehen vermocht, so konnte man jetzt – ah, sogar den Mann sehen, welcher da oben auf der Höhe stand, auf welche wir zuritten. Da oben war es kahl; es gab keinen Baum. Der Mann mußte schon im Regen da oben gestanden haben und demselben ganz schutzlos preisgegeben gewesen sein. Jetzt bewegte er sich. Er kam herabgestiegen und erreichte den Fuß des Berges gerade, als wir dort vorüber wollten. Er war ein Indianer in den mittleren Jahren, halb in Leder, halb in Callico gekleidet und machte in der Freundlichkeit, mit welcher er uns grüßte, einen gar nicht üblen Eindruck. Waffen hatte er nicht bei sich. Er betrachtete uns mit neugierigen Blicken und schien gar zu gern mit uns sprechen zu wollen. Darum fragte ich ihn:
»Zu welchem Stamme gehört mein roter Bruder?«
»Ich bin ein Zuni,« antwortete er. »Woher kommt mein weißer Bruder?«
»Von Acoma herüber.«
»Und wo will er hin?«
»An den Colorado und dann noch weiter. Ist mein Bruder in der Gegend bekannt?«
»Ja. Ich wohne hier in der Nähe mit meinem Weibe.«
»Giebt es vielleicht einen Ort, an welchem man die Nacht lagern kann, ohne vom Regen weggespült zu werden?«
»Es giebt einen, und wenn es meinen Brüdern recht ist, will ich sie in das Haus, in welchem ich wohne, führen.«
»Ah, es giebt hier ein Haus?«
»Ja. Meine Brüder mögen kommen und es sich ansehen. Wenn es ihnen gefällt, können sie bei mir bleiben. Kein Regen dringt durch die Decke, und das Feuer brennt während der ganzen Nacht.«
Er schritt uns voran, und wir folgten ihm.
»Ein Zuni? Was sind das für Leute?« fragte mich Emery. »Bist du schon einmal mit einem oder mehreren von ihnen zusammengekommen?«
»Ja. Die Zuni sind die zahlreichsten unter allen Puebloindianern, und haben früher gar keine unbedeutende Rolle gespielt. Sie sind friedliebend und gelten für begabter, als die andern Pueblos.«
»Der Mann sieht nicht verdächtig aus. Ich bin neugierig, was das für ein Bauwerk ist, welches er als sein »Haus« bezeichnet. Es wäre gar nicht übel, wenn wir eine Nacht unter Dach und Fach zubringen und dabei unsere Kleider einmal trocknen könnten.«
Der Zuni führte uns über eine große Grasfläche, durch welche sich ein schmaler Bach schlängelte. Am Ende derselben stand das »Haus«, ein großer Mauerwürfel, in welchem es nur eine einzige Oeffnung gab, durch die man in das Innere gelangen konnte. Die Mauern bestanden aus Lehm, aus weiter nichts, das Dach aus Schilf, welches außen und innen auch mit Lehm beworfen war. Die vier Wände umschlossen einen einzigen Raum, welcher allen Zwecken zu dienen schien. In einem Winkel lagen verschiedene Früchte als Erträgnisse der Bodenarbeit des Indianers. In der andern Ecke befand sich eine Lagerstätte, welche aus Laub und Fellen bestand. In der Mitte der Hinterwand, der Thür gegenüber, stand ein Herd, eine einfache Erhöhung des Fußbodens, welcher auch aus Lehm bestand. Daneben lag Vorrat von Holz, das zum Gebrauche zugerichtet war. Die Thüröffnung konnte mit Hilfe einiger Felle verhangen werden. Das Interessanteste für uns waren große Stücke geräucherten Wildpretes, welche an der Decke hingen. Der Zuniindianer war wahrscheinlich ein großer Jäger vor dem Herrn.
Als wir in das Haus traten, erhob sich von dem Lager eine Frau, welche uns neugierig anschaute und sich dann entfernte, ohne sich zunächst wieder sehen zu lassen.
»Dies ist mein Haus,« sagte der Indianer. »Wenn es meinen Brüdern gefällt, mögen sie bleiben, solange es ihnen beliebt.«
Ein Blick Winnetous belehrte mich, daß er nichts dagegen habe, hier zu bleiben; darum antwortete ich dem Zuni:
»Wenn uns mein Bruder ein Feuer anbrennen lassen will, damit wir unsere Kleider trocknen können, werden wir bei ihm bleiben.«
»Das Feuer wird sofort brennen.«
Er kauerte sich an den Herd nieder, um anzuzünden, was mich einigermaßen wunderte, weil er doch eine Frau besaß, welche diese Arbeit übernehmen konnte. Gewöhnlich ist ein Indianer zu stolz für solche Beschäftigungen.
Für die Pferde gab es draußen einen eingepfählten Raum, in welchen wir sie trieben, nachdem wir ihnen die Sättel abgenommen hatten; die letzteren sollten uns als Kopfkissen dienen. Während der Zuni Feuer machte, erkundigte ich mich bei ihm:
»Wie lange wohnt mein Bruder schon in dieser Gegend?«
»So lange ich lebe,« antwortete er.
»So kennt er auch das Wasser, welches Flujo blanco genannt wird?«
»Ja, es ist nicht weit von hier.«
»Ob dort wohl Menschen wohnen?«
Diese Frage hatte für uns die größte Wichtigkeit, und ich war neugierig, was und wie er darauf antworten würde. Er entgegnete ganz unbefangen.
»Ja, es giebt dort rote und weiße Menschen.«
»Seit wann?«
»Seit mehreren Jahren.«
»Befindet sich etwa ein Pueblo dort?«
»Ja, ein Pueblo, welches seit undenklichen Zeiten den Zunis gehörte. Da kamen einst mehrere Indianer aus Mexiko, aus der Sonora herüber, als die Gegend noch zu Mexiko gehörte; sie fanden Gold an dem Wasser und kauften den Zunis das Pueblo ab. Die Bezahlung bestand in Waffen, welche sie später brachten. Seitdem gehörte das Pueblo einem Häuptling der Yumaindianer. Vor einigen Jahren kam der Enkel desselben an das Wasser. Er brachte eine sehr schöne weiße Squaw und mehrere Krieger und deren Frauen und Kinder mit. Sie wohnten in dem Pueblo. Der Häuptling ging mit seiner Frau oft fort, nach der großen Stadt, welche Frisko heißt, und kam nur selten einmal zurück. Dann starb er, und ich sah seine weiße Squaw eine lange Zeit nicht mehr. Seit einigen Tagen aber ist sie wieder dort mit einem weißen Mann.«
»Kamen sie geritten?«
»Gefahren. Sie saßen in einer alten Postkutsche. Ein Kutscher war dabei und ein Führer aus Albuquerque, welcher auf seinem Pferde nebenher ritt. Gestern in der Nacht kam noch ein Weißer. Ich habe gehört, daß er der Vater des Weißen ist, den die Squaw mitgebracht hat.«
»Von wem erfuhrst du das?«
»Von ihm selbst.«
»Wann?«
»Als er bei mir einkehrte.«
»Hm! Er kam mitten in der Nacht und ist bei dir eingekehrt? Das ist doch seltsam! Wer dein Haus des Nachts findet, muß es genau kennen. Ist er denn schon früher bei dir gewesen?«
»Nein. Aber mein Feuer brannte, und ich hatte die Thür offen; da leuchtete es weit in die Gegend hinaus; er sah es und kam herbei, um mich nach dem Pueblo zu fragen. Er wartete bei mir, und als es Tag geworden war, habe ich ihn hingeführt.«
»Wie weit ist es bis dorthin?«
»Wer schnell reitet, der kommt in zwei Stunden hin.«
»So bist du also befreundet mit den Weißen und Roten, die dort wohnen?«
»Ja.«
»Hat man dir denn nicht gesagt, daß wir kommen würden?«
»Nein. Ihr wollt auch hin?«
»Ja. Würdest du uns den Weg zeigen, wenn es morgen früh hell geworden ist?«
»Gern.«
»Ist er schwierig zu finden?«
»Wer den Ort nicht genau kennt, der reitet am Eingange zum Pueblo vorüber, ohne etwas zu bemerken. Der Flujo fließt durch ein Thal, welches dort von sehr steilen und sehr hohen Felsenwänden eingeschlossen ist. Auf der linken Seite des Flusses sind die Felsen ein klein wenig auseinandergetreten, und dadurch wurde ein enger Gang gebildet, welcher nach dem Pueblo führt.«
»Wir möchten die Bewohner desselben überraschen. Sie wissen zwar, daß wir kommen, aber nicht wann. Könntest du uns hinbringen, ohne daß wir unterwegs bemerkt werden?«
»Sehr leicht. Ich werde euch so leiten, daß kein Mensch euch sehen kann.«
»Ist das Pueblo groß?«
»Nein, aber außerordentlich fest und sicher. Kein Feind könnte es ersteigen, wenn die Bewohner sich verteidigen. Wenn man von dem Flusse aus durch den engen Weg geht, gelangt man in ein weites, rundes Loch, welches rings von Felsen umgeben ist, die so steil sind, daß kein Mensch hinangelangen kann. Der Boden des Loches ist grün; es stehen da viele Bäume, Sträucher und andere Pflanzen. Da können die Pferde weiden, und da bauen die Yumaindianer ihre Kürbisse, Zwiebeln und andere Früchte, welche sie brauchen. Ganz vorn, gerade da, wo der Weg in das Loch mündet, ist das Pueblo an dem Felsen emporgebaut. Es ist schmal, aber sehr hoch, obgleich es nicht ganz bis zur Zinne der Felsen reicht. Da wohnte die weiße Squaw mit ihrem Yumahäuptlinge, und da wohnt sie jetzt wieder mit dem Weißen und seinem Vater.«
Das erzählte der Mann in aller Aufrichtigkeit. Es war klar, daß er uns nicht für Feinde der Bewohner des Pueblo hielt, sonst hätte er sich wohl gehütet, so offen mit uns zu sein. Am wenigsten aber hätte er uns die Oertlichkeit so genau beschrieben. Es war also meines Erachtens nach kein Grund vorhanden, Mißtrauen gegen ihn zu hegen, und Winnetou war auch meiner Ansicht; das ersah ich aus seiner Miene, ohne daß ich ihn zu fragen und er es mir besonders zu sagen brauchte.
Und dennoch war ich von diesem Zuniindianer nicht vollständig befriedigt. Ich vermochte mir freilich nicht gleich zu sagen, warum; aber als ich länger darüber nachdachte und ihn weiter beobachtete, kam ich auf den Grund des Argwohnes, der trotz alledem in mir lag. Es war die große Freundlichkeit, welche er gegen uns zeigte. Der Indianer ist in jeder Beziehung zurückhaltend; ganz besonders aber zeigt er sich gegen Fremde erst dann wohlwollend, wenn er sie näher kennen gelernt hat. Von dem Zuni aber wurden wir wie alte, liebe Bekannte behandelt, und er war von einer geradezu erstaunlichen Aufrichtigkeit gegen uns. Er hatte mit der Jüdin und den Meltons gesprochen; sollten ihm diese denn wirklich nicht gesagt haben, daß von ihrem Hiersein möglichst niemand etwas erfahren solle?
Dazu kam noch ein Zweites. Sein Weib hatte das Haus verlassen und war nicht wiedergekommen. Draußen donnerte und blitzte es wieder, und der Regen strömte abermals, wie aus Schüsseln gegossen, herab. Was that die Frau in diesem Wetter draußen? Die Ursache, die sie im Freien hielt, mußte eine sehr wichtige sein, besonders da ihr Mann Arbeiten verrichtete, die sonst der Squaw obzuliegen pflegen.
Zu diesen Arbeiten gehörte auch die Speisung seiner Gäste. Er spendete uns aus seinem Vorrate ein geräuchertes Wildviertel, welches er für uns zerlegte, ohne aber mitzuessen. Als wir ihn dazu aufforderten, erklärte er, kurz vorher gegessen zu haben.
Das glaubte ich ihm nicht. Er hatte da oben auf dem Berge gestanden, im strömenden Regen, wie ein Wächter, der seinen Posten nicht verlassen darf. Als er uns gesehen hatte, war er heruntergekommen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto auffälliger kam mir dieser Umstand vor. Es war ja beinahe so, als ob er von da oben aus nach uns ausgeschaut hätte! Kurz und gut, ich nahm mir vor, vorsichtig zu sein. Ich trug infolgedessen die Gewehre, welche wir abgelegt hatten, in den einen Winkel und legte auch die Sättel da nieder. Als Winnetou dies sah, zog er seine Brauen ein ganz klein wenig empor. Das war nach seiner Weise gerade Soviel, als ob er zu mir gesagt hätte: »Warum das? Hegst du etwa Verdacht? Nun, da wollen wir uns freilich vorsehen.«
Der Zuni hatte auch Waffen, nämlich eine Flinte, welche aber nicht viel zu taugen schien, und einen Bogen mit Köcher und Pfeilen. Diese Gegenstände hingen an einem Pflocke, welcher in die Wand geschlagen war. Während wir aßen, hockte er nach Indianerart in unserer Nähe und schien sich darüber zu freuen, daß es uns so vortrefflich schmeckte. Wir fragten ihn nach dem Wildreichtum der Gegend, und da klagte er über die Gilenno-Apatschen, welche oft herüberkämen und dann alles Wild vertilgten.
»Diese Hunde haben hier nichts zu suchen!« sagte er. »Warum bleiben sie nicht drüben auf dem Gebiete, welches ihnen niemand streitig macht! Ich hasse überhaupt alle Apatschen.«
»Alle! Warum? Man hat doch nie gehört, daß die Zunis Krieg gegen sie geführt haben!«
»Weil wir zu schwach gegen sie sind. Sie nehmen uns weg, was uns gehört, ohne daß wir uns wehren können. Sie sind alle Diebe und Räuber, welche man von der Erde vertilgen sollte!«
»Alle? Es giebt viele wackere und berühmte Männer unter ihnen!«
»Das glaube ich nicht. Mein Bruder mag mir doch einmal einen nennen!«
»Nun zum Beispiel Winnetou!«
»Schweig auch von diesem! Wenn ich euch morgen nach dem Pueblo bringe, werdet ihr von den dortigen Yumaindianern hören, was für ein räudiger Schakal er ist.«
»Ist er denn jemals ein Feind der Yumas gewesen?«
»Stets! Einmal aber hat er sie in so große Verluste gebracht, daß sie es ihm nie vergessen werden. Wehe ihm, wenn er einmal in ihre Hände fiele!«
»Große Verluste? Wie ist das gewesen?«
»Sie hatten eine Hazienda überfallen und kostbaren Raub davongetragen; um diesen hat er sie gebracht. Und dann standen ihre Krieger bei einem alten Bergwerke, in welchem fremde Bleichgesichter arbeiten sollten. An dem Ertrage hatten auch die Yumas teil; Winnetou aber hat sie auch darum betrogen.«
»Wie ist das möglich? Er ist doch ein einzelner Mann. Wie kann er einem ganzen Stamme solchen Schaden zufügen?«
»Er war nicht allein, sondern es befand sich ein zweiter bei ihm, welcher noch viel, viel schlimmer ist als der Häuptling der Apatschen, ein Bleichgesicht, Old Shatterhand geheißen.«
»Hm, der Westmann! Da besinne ich mich. Wenn ich mich nicht irre, habe ich von dieser Angelegenheit gehört. War es nicht die Hazienda del Arroyo, und das Bergwerk hieß Almaden alto, um welche es sich damals handelte?«
»Ja.«
»Hatten denn die Yumas Ursache, die Hazienda zu überfallen, auszurauben und in Brand zu stecken?«
»Das – das weiß ich nicht,« antwortete er verlegen.
»Es ist nur die Raublust gewesen; ich weiß es gewiß. Und bei dem Bergwerke handelte es sich um ein noch größeres Verbrechen.«
»Das ist nicht wahr!«
»Doch! Man hatte eine große Anzahl von Bleichgesichtern ins Land gelockt und sperrte sie in das Quecksilberbergwerk ein. In demselben sollten sie als Gefangene ohne Lohn arbeiten, bis ein qualvoller Tod sie von ihren Leiden erlöste.«
»Was ging das Winnetou und Old Shatterhand an?«
»Die armen Menschen waren Landsleute von Old Shatterhand; darum errettete er sie.«
»Und trat dabei als Feind der Yumas auf! Wunderst du dich nun noch darüber, daß sie ihn und Winnetou hassen?«
»Ja, denn wenn ich mich recht erinnere, haben die beiden Männer dann Frieden mit den Yumas geschlossen.«
»Der gilt nichts mehr. Ich sage nochmals, wehe ihnen, wenn sie den Yumas einmal in die Hände fallen sollten!«
Der Zuni sprach jetzt, ganz entgegengesetzt von seiner vorherigen Freundlichkeit, mit einer Erbitterung, welche mir unerklärlich war. Darum sagte ich:
»Du scheinst ein sehr guter Freund der Yumas zu sein, denn du sprichst gerade so zornig, als ob du selbst einer wärst.
»Ich bin ihr Freund, und ihre Feinde sind auch die meinigen!« gestand er ein.
»Du scheinst aber von ihnen falsch unterrichtet worden zu sein. Winnetou und Old Shatterhand haben damals sehr mild gegen die Yumas gehandelt; sie haben die Roten mehreremale besiegt und ganz in ihrer Gewalt gehabt, sind aber trotzdem ungemein nachsichtig mit ihnen verfahren. Schweigen wir von der Sache!«
»Ja, schweigen wir, denn wenn ich daran denke, möchte ich den Apatschen und seinen weißen Freund nicht anders, als am Marterpfahle sehen!«
Er wendete sich von uns ab, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und starrte düster in das Feuer. Seine Freundlichkeit war zu Ende. Winnetou warf mir einen bezeichnenden Blick zu.
Hätte der Zuni gewußt, daß wir die beiden waren, die er so gern an dem Marterpfahle sehen wollte! Eigentlich war es auffällig, daß er nicht auf diesen Gedanken kam. Er mußte es doch dem Apatschen ansehen, daß er ein Indianer war. Warum fragte er ihn nicht, zu welchem Stamme er gehörte? Winnetou wäre viel zu stolz gewesen, seinen Namen zu verleugnen. Und dann die Silberbüchse und mein Henrystutzen! Jedermann kannte die beiden Gewehre, wenn auch nur vom Hörensagen. Dort lehnten sie in der Ecke, und der Schein des Feuers fiel hell auf sie. Wenn der Zuni nur einen Blick hinwarf, mußte er wissen oder wenigstens ahnen, wen er vor sich hatte. Der Mann wurde mir immer unbehaglicher.
Da endlich kam seine Frau wieder. Sie war so durchnäßt, daß ihre Kleider sich eng an ihren Körper legten. Ohne einen Blick auf uns zu werfen, ging sie an uns vorüber und nach dem Lager, auf welchem sie bei unserer Ankunft gesessen hatte; dort setzte sie sich wieder hin. Sie war nicht häßlich, hatte aber ein unstätes, verschüchtertes Wesen und schien mehr die Sklavin ihres Mannes zu sein.
»Wo mag sich das arme Weib in solchem Wetter herumgetrieben haben!« meinte Emery in deutscher Sprache, da es möglich war, daß der Zuni ein wenig englisch verstand. »Welchen Grund kann es geben, jetzt da hinaus zu gehen und stundenlang draußen zu bleiben!«
»Einen sehr triftigen,« antwortete ich. »Wie weit, sagte vorhin der Zuni, daß es nach dem Flujo blanco sei?«
»Zwei Stunden zu reiten.«
»Und wie lange ist die Frau ungefähr abwesend gewesen?«
»Gewiß über vier Stunden, und – ah, meinst du etwa, daß sie bei den Meltons gewesen ist?«
»Ich halte es für sehr möglich, um unsere Ankunft zu melden.«
»Deinen Scharfsinn sonst in allen Ehren, Charley, diesmal aber verrechnest du dich!«
»Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Ich möchte behaupten, daß der Zuni uns sofort erkannt hat, als er uns kommen sah, und daß seine Freundlichkeit nur Maske war.«
»Das wäre! Wenn du recht hättest, könnte es für uns unangenehm werden! Wir sollen hier abgefangen werden?«
»Wahrscheinlich.«
»Dann müssen wir augenblicklich fort!«
»Nein, wir bleiben!«
»Mensch, willst du dich hier ergreifen lassen?«
»Nein.«
»Aber dies wird ganz gewiß geschehen, wenn du wartest, bis sie kommen!«
»Zu warten brauchen wir nicht, denn sie sind, wenn ich mich nicht überhaupt irre, jedenfalls schon da.«
»Meinst du?«
»Ja. Sie sind wahrscheinlich gleich mit der Frau gekommen.«
»Und stehen draußen?«
»Ja.«
»Wetter! Und wir sitzen hier bei offener Thür am hellen Feuer! Einige Schüsse, und man ist mit uns fertig!«
»Keine Sorge! Die Meltons wollen uns lebendig haben, und werden uns darum nicht bekommen!«
Um für den Notfall gleich einige Kugeln versenden zu können, ging ich nach der Ecke und holte meinen Stutzen. Bei dieser Gelegenheit trat ich auch an die Thür und zog die Felle so vor, daß nur ein schmaler Streifen offen blieb, durch welchen der Rauch abziehen konnte. Nun war es unmöglich, uns von draußen am Feuer sitzen zu sehen. Damit war aber der Zuni nicht zufrieden.
»Warum verschließest du die Thür?« fragte er mich. »Willst du, daß wir hier ersticken?«
»Der Rauch zieht auch jetzt noch ab; kein Mensch erstickt, antwortete ich.
»Aber die Thür muß offen sein!«
Er stand auf.
»Ich bitte dich, sie zuzulassen, weil man uns von draußen sehen kann.«
»Wer soll draußen sein!«
»Vielleicht weißt du es.«
»Es ist niemand da, und die Thür wird wieder geöffnet!«
Er wollte hingehen, um die Felle zu entfernen. Diese Hartnäckigkeit ließ meine Vermutung als Gewißheit erscheinen.
»Bleib stehen, sonst schieße ich!« rief ich ihm zu, indem ich den Stutzen auf ihn anlegte.
Er drehte sich herum zu mir und erschrak, als er das Gewehr auf sich gerichtet sah.
»Du willst auf mich schießen?« rief er aus.
»Ja, wenn du dich nicht sofort hin zu deiner Squaw setzest.«
»Warum dorthin?«
»Frage nicht, sondern gehorche!«
»Das Haus gehört mir und nicht euch!«
»In diesem Augenblicke ist es unser. Es kommt ganz auf dich an, ob es dir wieder gehören wird.«
»Ihr seid meine Gäste; ich habe euch zu mir gebracht. Behandelt man seinen Wirt in dieser Weise?«
»Ja, weil er uns nur eingeladen hat, um uns zu verderben. Also setze dich augenblicklich, wenn du nicht eine Kugel haben willst!«
Er that, als ob er gehorchen wolle, und näherte sich dabei der Stelle, an welcher seine Flinte hing. Ich stand schnell auf, stellte mich vor dieselbe, deutete nach dem Lager und sagte:
»Nicht hierher, sondern dorthin sollst du gehen. Und nun mache schnell, sonst ist‘s mit meiner Geduld zu Ende!«
Er stand vor mir und blitzte mich wütend mit seinen dunklen Augen an.
»Schnell!« wiederholte ich. »Ich bin Old Shatterhand und hier sitzt Winnetou, von denen du vorhin gesprochen hast. Du willst uns nur am Marterpfahle sehen, wirst uns aber wohl auch so betrachten müssen!«
Da ließ er ein verächtliches Lachen hören und sagte:
»Glaubst du, daß ich über eure Namen erschrecken soll? Das fällt mir nicht ein! Ich habe schon, als ich euch kommen sah, gewußt, wer ihr seid!«
»Dachte es!«
»Ihr kamt hierher, um zu töten, seid aber selbst dem Tode in die Arme gelaufen. Weißt du, wer ich bin?«
»Nun?«
»Kein Zuni, sondern einer jener Yumakrieger, welche mit ihrem Häuptlinge und seiner weißen Squaw hierhergezogen sind. Heute wirst du die Rache für die Hazienda del Arroyo und für Almaden alto erfahren!«
Er wendete sich von mir und schritt nach dem Lager zu, machte aber plötzlich eine Wendung und sprang, den Fellvorhang beiseite schiebend, zur Thür hinaus. Ich hätte ihn durch einen Schuß daran hindern können, wollte dies aber nicht gern thun. Seine Frau richtete sich langsam auf; wir sollten es nicht bemerken. Sie wollte auch plötzlich fortspringen. Da fragte ich sie:
»Sehnst du dich vielleicht nach deinem Manne?«
Sie antwortete nicht.
»Wenn du ihm folgen willst, so thue es; wir halten dich nicht.«
Sie sah mir mit ungewissem Blicke ins Gesicht und fragte:
»Was werdet ihr mit mir thun, wenn ich lieber bleibe?«
»Nichts, wir kämpfen nicht mit Frauen. Bleib also getrost sitzen und thue, was dir gefällt; nur darfst du uns auch nicht stören in dem, was wir thun werden.«
»Sennor, du bist gut! Ich werde hier bleiben und nichts thun, was euch mißfallen kann.«
Nachdem wir den verschobenen Thürvorhang wieder zugezogen hatten, versahen sich auch die andern drei mit ihren Gewehren. Ich setzte mich wieder an das Feuer. Emery und Winnetou folgten meinem Beispiele; Vogel aber sagte in ängstlichem Tone:
»Um des Himmels willen, setzen Sie sich doch nicht wieder dorthin!«
»Warum nicht?« fragte ich.
»Weil man dort von den Kugeln, die durch die Thür kommen, getroffen wird! Die Feinde schleichen sich an die Thür und sehen unter dem Vorhange herein.«
»Das gerade ist‘s, was wir wollen.«
»Daß sie dann schießen?«
»Dazu kommen sie nicht. Wir sind schneller als sie. Wenn wir uns hinter die Wand versteckten, könnten sie uns nicht sehen und würden also auch nicht zu schießen versuchen; wir kämen also um das Vergnügen, ihnen eine Lehre zu geben. Setzen Sie sich nur getrost mit her! Sie haben nichts zu fürchten. Sie können sich auf unsere Augen verlassen, nur müssen Sie sich hüten, selbst auch die Thür zu beobachten. Die Kerle da draußen würden dies bemerken. Blicken Sie also überall hin, nur nicht nach der Thür!«
»Aber wenn sie nun auf den Gedanken kommen, das Haus zu stürmen?«
»Wie wollen sie das anfangen?«
»Indem sie sich plötzlich zur Thür hereinstürzen.«
»Das werden sie bleiben lassen! Sie wissen genau, daß in diesem Falle alle unsere Gewehre auf sie gerichtet sein würden. Dem Schnellfeuer meines Stutzens entkäme keiner von ihnen. Sie sind auch gar nicht so zahlreich, daß sie sich nicht zu schonen brauchten.«
Er setzte sich nieder, mit dem Rücken nach der Thür gerichtet, zog aber von Zeit zu Zeit ganz unwillkürlich die Schultern in die Höhe; es war ihm jedenfalls ganz so zu Mute, als ob er jeden Augenblick von draußen eine Kugel zu erwarten habe. Wir unterhielten uns mit Absicht laut, um die draußen über unsere Wachsamkeit zu täuschen. Scheinbar uns gar nicht um den Fellvorhang bekümmernd, hatten wir denselben aber dennoch scharf im Auge. Er wurde zuweilen von dem draußen gehenden Winde hin und her bewegt; das machte unsere Beobachtung natürlich schwer.
Da sah ich zwischen seinem untern Rande und dem Erdboden die Mündung eines Gewehres erscheinen; sie wurde höchstens zwei Zoll weit hereingesteckt; da flog aber auch schon die Silberbüchse an Winnetous Wange; sein Schuß krachte und draußen erscholl ein Schrei. Die Gewehrmündung wurde zurückgezogen.
»Der das versucht hat, kommt nicht wieder,« lachte Emery. »Die Kerle sind wirklich Prügel wert! Uns hier fangen zu wollen!«
»Meinen Sie, daß ihnen dies nicht gelingt?« fragte Vogel.
»Keine Rede davon! Wir brauchen uns nur an die Thür zu legen und das Feuer ausgehen zu lassen, daß sie uns nicht sehen können, so putzen wir einen nach dem andern von ihnen weg.«
»Noch besser ist‘s, wir steigen auf das Dach,« bemerkte ich. »Da haben wir Aussicht nach allen Seiten.«
Winnetou nickte. Die Decke war nicht mehr als fünf Ellen hoch. Man konnte, um die unserigen zu schonen, mit der Flinte des Indianers ein Loch hineinstoßen. Doch mußten wir vorher das Feuer ausgehen lassen, sonst hätte dasselbe zum Loch hinausgeleuchtet und unsere Absicht verraten. Als es nicht mehr brannte, nahm Emery die Flinte von der Wand und begann zu arbeiten. Winnetou sollte ihm helfen, ihn ablösen. Ich ging zur Thür, um etwaige Ueberraschungen fernzuhalten.
Ich lag auf dem Boden und schob den Kopf langsam zwischen der Mauer und dem Ledervorhange hinaus. Vor der Thür war niemand. Ich blickte nach rechts, an der äußeren Mauer hin – niemand war zu sehen! Nach links – – ah, da kam einer geschlichen, langsam, leise, nach echter Indianerweise. Ich wartete, bis er nur noch drei Fuß von der Thür entfernt war, fuhr dann blitzschnell hinaus, nahm ihn mit der linken Hand bei der Brust, gab ihm mit der Rechten acht, zehn, zwölf schallende Ohrfeigen rechts und links und schleuderte ihn dann weit fort, wo er zu Boden flog. Es war ein Indianer; er hatte sein Gewehr, welches er in der Hand hielt, fallen lassen; ich hob es auf und nahm es mit ins Haus. Der Mann kam gewiß auch nicht sogleich wieder. Hätte es sich nicht um mehr gehandelt, so wäre mir die Ohrfeigenscene höchst spaßhaft erschienen. Uebrigens hatte es aufgehört, zu regnen, und der Himmel begann, sich wieder aufzuklären. Nach kurzer Zeit war in der Decke ein so großes Loch entstanden, daß wir durchsteigen konnten. Wir drei andern kamen von Emerys Schultern leicht auf das Dach, und der letztere wurde dann heraufgezogen. Natürlich standen wir nicht aufrecht da oben, sondern bewegten uns nur kriechend, sonst wären wir beim Scheine der jetzt wieder sichtbaren Sterne bemerkt worden. Wir verteilten uns. Ich nahm die vordere, Winnetou die hintere, Emery die rechte und Vogel die linke Giebelseite des Hauses.
Als ich mich vor die Kante geschoben hatte und da hinabblickte, sah ich fast gerade unter mir zwei Kerle stehen. Um ihnen nicht lebensgefährlich zu werden, schickte ich ihnen nur zwei Revolverschüsse hinab. Sie schrieen vor Schreck über den unerwarteten Angriff laut auf und rannten eiligst davon. Auf der hintern Seite fiel jetzt ein Schuß aus Winnetous Silberbüchse, und dann ertönte seine sonore Stimme durch die Nacht:
»Fort von den Pferden, sonst trifft der nächste Schuß gerade in den Kopf!«
Da hinten lag nämlich am Hause der eingefriedigte Platz, auf welchem wir unsere Pferde untergebracht hatten. Eben als der Apatsche seine Wache begann, hatte man sie fortschaffen wollen. Auch auf den beiden andern Seiten wurde geschossen. Die Kerle schlichen eben um das ganze Haus herum; nun aber zogen sie sich so weit wie möglich von demselben zurück. Ihre Absicht, sich unser zu bemächtigen, war schmählich mißglückt. Es wagte sich keiner mehr heran, und als es Tag geworden war, ließ sich kein Mensch in der weiten Umgebung sehen.
Wir stiegen wieder hinab. Da lag die Frau noch da, wo sie gestern abend gelegen hatte. Sie schien mit keiner großen Zuneigung an ihrem Manne zu hangen. Winnetou ging zu ihr hin und fragte:
»Warum ist meine rote Schwester nicht hinaus zu ihrem Manne gegangen?«
»Weil sie nichts mehr von ihm wissen will,« antwortete sie. »Sennores, schenkt mir ein wenig Geld, damit ich zu meinem Stamme zurückkehren kann!«
»Du willst nach der Sonora hinab?« fragte ich erstaunt.
»Ja, Sennor.«
»Und wahrscheinlich ganz allein den weiten Weg mitten zwischen so viele fremde Stämme hindurch!«
»Ich fürchte die Stämme nicht. Eine arme Squaw hat keinen Feind.«
»Das ist wahr. Kein Krieger wird dir ein Leid thun. Warum aber willst du denn fort von deinem Manne?«
»Weil er mich gezwungen hat, unsern Stamm zu verlassen und mit hierher zu gehen. Ich habe die Eltern und Brüder daheim, und hier sterbe ich vor Sehnsucht langsam hin.»