Kitabı oku: «Satan und Ischariot III», sayfa 13
»Nun, und dann, was haben wir davon?«
»Was wir davon haben?« fragte ich erstaunt. »Welche Frage?«
»Du wunderst dich über sie? Du willst den Roten doch nichts thun! Ja, wenn wir sie erschießen wollten oder dürften, so hätte es doch einen Zweck, hier in der Hitze herumzuklettern und unter Lebensgefahr herumzuschleichen. Wenn ihnen aber nichts geschehen soll, so können wir sie nur erschrecken und müssen sie dann laufen lassen.«
»Ja, sie, aber einen andern nicht, den alten Melton. Den werden wir fassen, falls es möglich ist; dann haben wir heut abend nur noch seinen Sohn zu ergreifen. Bist du nun zufriedengestellt?«
»Wenn es so ist, ja. Daß es dem alten Melton gelte, davon habt ihr nichts gesagt.«
»Weil es sich von selbst verstand. Nun aber weiter, sonst werden die Kerle ungeduldig und sind imstande, ihr Versteck zu verlassen.«
Wir schlichen weiter, jetzt nicht mehr gehend, sondern auf dem Boden kriechend; jeder Augenblick konnte uns die Gesuchten zeigen.
»Uff!« hörte ich da auf einmal den Apatschen im Tone des Erstaunens sagen.
Er war uns einige Schritte voran, hatte sich erhoben, stand an einem dichten Strauche und deutete daran vorüber nach dem lichten Platze, der vor ihm lag. Wir huschten zu ihm hin und wurden von gleicher Verwunderung oder vielmehr Enttäuschung ergriffen. Das Gras des Platzes war niedergetreten; hier hatten die Yumas gesteckt, aber keiner von ihnen war zu sehen.
»Fort!« meinte Winnetou.
»Ja, wenn es nämlich keine Finte ist,« warnte ich. »Es ist möglich, daß sie unser Kommen bemerkt und sich nur zurückgezogen haben, um uns mit ihren Kugeln zu empfangen.«
»Wollen sehen,« meinte der Apatsche. »Meine Brüder mögen hier ein wenig warten.«
Er ging eine Strecke zurück, sprang dann über den Bach und kam dann auf der andern Seite wieder herangekrochen. Dort gab es so viel Gesträuch und Gestrüpp, daß die Yumas, falls sie vor uns steckten, ihn nicht sehen konnten. Er kam wie eine Schlange drüben vorüber und verschwand dann auf ungefähr zehn Minuten. Dann kehrte er zurück. Er ging dabei aufrecht, ein Zeichen, daß er keinen Feind gesehen hatte.
»Fort,« rief er uns schon von weitem zu. »Ueber den Fluß. Ich konnte ihre Spuren sehen, bis sie im Wasser verschwanden.«
»Fatal!« zankte da Emery. »Sie sind jedenfalls hinauf nach dem Pueblo, weil ihnen die Geduld ausgegangen ist. Mit der Ergreifung des alten Melton ist es also nichts.«
»Wenn es nur das wäre, wollte ich es loben!« meinte ich.
»Nur das? Was weiter könnte den geschehen sein?«
»Sie sind über den Fluß; wenn sie da unsere Fährte sehen, so –«
»Alle Wetter, ja! Dann sind sie derselben nach. Sie werden also am Ufer abwärts gehen, das Ufer ersteigen und, gerade so wie wir, nach dem Bache kommen. Wir brauchen also nur hier sitzen zu bleiben und sie in Empfang zu nehmen! Glücklicher konnte man sich das ja gar nicht lenken!«
»Ich bin nicht so froh wie du. Ja, wenn sie unsere Spur gesehen haben, so sind sie ihr gewiß gefolgt; aber es fragt sich nur, wie! Wenn sie rückwärts gegangen, woher wir gekommen sind, so müssen sie Vogel und unsere Pferde finden.«
»Das wäre das größte Pech, welches wir haben könnten!«
»Mehr als Pech! Wir müssen schnell weiter, um zu erfahren, wohin sie sich gewendet haben.«
Wir eilten den Bach hinab und an den Fluß. Schnell ging es durch das seichte Wasser, und da sahen wir denn auf dem Boden, da wo der Hohlweg in den Fluß mündete, viel mehr Spuren, als wir vorhin gesehen hatten. Ich betrachtete sie, konnte aber nicht klug werden; Emery ging es ebenso, und auch Winnetou schüttelte den Kopf. Er betrachtete die Eindrücke, maß sie mit den Fingern aus, schüttelte wieder den Kopf und sagte endlich:
»Vielleicht sind die Yumas schon wieder zurück. Meine Brüder mögen mir schnell zu unseren Pferden folgen!«
Wir rannten den Hohlweg hinauf. Oben angekommen, wo es Gras gab, sahen wir zu unserem Schrecken allerdings, daß die Yumas hier gewesen waren; sie hatten unsere Fährte gesehen und waren ihr gefolgt, aber leider nicht vorwärts, wohin wir gegangen, sondern zurück, woher wir gekommen waren. Jetzt gab es einen Dauerlauf nach den Büschen, wo wir Vogel mit unsern Pferden gelassen hatten. Es fiel uns nicht ein, vorsichtig zu sein; es galt unserm Gefährten und unsern Pferden. Wir brachen laut, wie gehetztes Wild, durch die Büsche, die Gewehre in der Hand, um sofort zuschlagen oder schießen zu können.
Jetzt waren wir da – – aber unsere Pferde waren fort und Vogel mit ihnen. Der Rasen war nicht zerstampft, keine Spur eines Kampfes war zu sehen. Unser berühmter Violinvirtuos war ganz regelrecht überrumpelt worden. Die Spuren gingen von hier aus in einem Bogen zurück nach dem Hohlwege. Wir so erfahrenen, wir klugen, wir überklugen Menschen hatten eine ganz armselige, eine ganz beschämende Schlappe erhalten.
Emery hätte vor Wut platzen mögen; er fuhr uns an:
»Da steht ihr nun und starrt einander an! Wo ist denn der alte Melton, den ihr fangen wolltet? Wäret ihr mir gefolgt, so ständen wir nicht da wie Schuljungen, die Prügel bekommen haben!«
»Hat mein Bruder Emery noch keinen Fehler gemacht?« fragte Winnetou in seiner ruhigen Weise.
»Genug, genug!« antwortete der Englishmann in possierlicher Aufrichtigkeit. »Aber wir dürfen uns hier nicht aufhalten; wir müssen fort; wir müssen ihn befreien; kommt also rasch, kommt!«
Er rannte fort. Als er aber sah, daß wir ihm nur langsam folgten, blieb er stehen und rief uns zu:
»So kommt doch nur, kommt! Es ist keine Zeit zu verlieren!«
»Wohin denn?« fragte ich. »Nach dem Pueblo?«
Nach dem – – ah, du meinst, daß sie ihn dorthin geschleppt haben? Dann geht es freilich nicht so schnell, wie ich dachte!«
»Gewiß können wir nicht jetzt, am hellen Tage, hin und die Festung erstürmen. Wir würden uns doch nur die Köpfe einrennen.«
»Was aber thun wir bis zur Nacht?«
»Warten – weiter nichts.«
»So kommt! Wir wollen wieder nach dem Rande über dem Pueblo, wo wir heut abend hinab wollen. Von dort aus können wir sehen, was sie mit unsern Pferden und mit Vogel machen!«
»Und wenn die Yumas nach uns suchen, finden sie auch diese Spur, kommen uns nach und vereiteln unser Rettungswerk! Dann bekommen wir nicht nur die beiden Meltons nicht, sondern auch Vogel ist verloren – von unseren Pferden gar nicht zu reden.«
»Aber wo wollen wir sonst die lange Zeit zubringen?!«
»Ich werde es euch zeigen,« sagte Winnetou. »Meine Brüder mögen mir folgen!«
Er schritt voran, nach dem Hohlwege zu, und setzte sich, als er bei demselben angekommen war, hinter den Büschen nieder.
»Ist es meinen Brüdern so recht, hier zu sitzen?« fragte er.
»Mir nicht!« antwortete Emery mürrisch. »Da sitzen wir den Feinden ja gerade vor der Nase!«
»Das ist doch das einzig richtige,« erklärte ich ihm. »Weil die Yumas ganz bestimmt wieder hier herkommen werden, sobald sie Vogel nach dem Pueblo gebracht haben.«
»Werden sich hüten!«
»Wenigstens werden die Meltons einen oder einige Kundschafter senden, um zu erfahren, wo wir sind und was wir thun.«
»Und wenn die Kerle kommen! Was dann?«
»Wir schicken sie nach dem Pueblo zurück und lassen die Meltons grüßen. Auf diesem Wege erlangen wir die Sicherheit, daß unserm Gefährten kein Leid geschieht.«
»Hm, ja; das will ich gelten lassen. Der arme Teufel befindet sich in einer Gefahr, die gar nicht größer sein kann!«
»So gar groß ist sie nicht! So lange wir noch da sind, braucht er nichts zu fürchten.«
»Oho! Denke doch an die Erbschaft!«
»Nun? Weiter!«
»Wenn er ihnen das sagt, bringen sie ihn auf der Stelle um!«
»Er wird doch nicht so dumm sein, ihnen das zu sagen!«
»Warum nicht! Ich denke gerade, daß er es in seiner Angst, in seinem Aerger sagt.«
»Er wird es sagen,« behauptete Winnetou in seiner ruhigen Weise. »Er wird es sagen, und gerade darum hat Winnetou sich hierher gesetzt.«
Jetzt passierte mir etwas Seltenes; nämlich ich erriet nicht, was der Apatsche mit diesen Worten meinte. Als er sah, daß ich ihn fragend anblickte, fuhr er fort:
»Glaubt mein Bruder Scharlieh, daß die Meltons sich vor uns fürchten?«
»Ja.«
»Werden sie denken, daß sie uns hier fangen und vernichten können?«
»Nein. Ich bin im Gegenteile überzeugt, sie wissen, daß ihre Rolle wahrscheinlich bald zu Ende gespielt ist.«
»Ja, überfallen und töten lassen wir uns nicht von ihnen; Vogel haben sie fangen können, uns aber nicht. Wir haben ihr Nest entdeckt. Sollten sie entkommen, so sind wir immer wieder hinter ihnen her und lassen ihnen keine Ruhe, bis wir sie ergriffen haben. Das wissen sie. Auf einmal fällt Vogel in ihre Hände, wirft ihnen ihre Verbrechen vor und sagt, daß er der einzige und richtige Erbe ist. Was werden sie thun?«
»Ihn sofort umbringen!« antwortete Emery im Tone der Ueberzeugung.
»Ist mein Bruder Scharlieh derselben Ueberzeugung?«
»Nein,« erwiderte ich, denn ich wußte nun, was Winnetou gemeint hatte. »Der Mord könnte ihre Lage nicht verbessern, sondern er würde sie nur verschlimmern, weil die Mörder dann bei uns auf kein Erbarmen mehr rechnen dürften.«
»Mein Bruder hat recht; denn wenn sie ihn nicht töten, sondern ihn als Geisel gebrauchen, ist Rettung für sie möglich.«
»So meint mein Bruder Winnetou, daß, wenn wir hier sitzen bleiben, bald ein Kundschafter und dann ein Unterhändler kommen wird?«
»Ja.«
»Mein Bruder ist der Scharfsinnigste von uns dreien. Er irrt sich nie, und ich bin jetzt auch überzeugt, daß seine Vermutung sich erfüllen wird.«
»Ich zweifle sehr daran,« brummte Emery unwillig. »Und selbst wenn es sich bewahrheiten sollte, würdet ihr mit diesen Menschen in Unterhandlung treten?«
»Ja. Man thut, was klug ist. Es gilt zunächst, dafür zu sorgen, daß dem jungen Manne kein Leid geschieht, und dies können wir nur dadurch erreichen, daß wir scheinbar auf die Vorschläge, welche uns etwa gemacht werden, eingehen oder sie wenigstens in Ueberlegung ziehen. Wir sind heute unvorsichtig und dadurch unglücklich gewesen, doch ist bei dem Unglücke ein großes Glück, welches mich mit dem Unfalle vollständig auszusöhnen vermag.«
»Welches Glück?«
»Daß wir unsere Lassos bei uns haben. Hätten wir sie bei den Pferden zurückgelassen, so wären sie uns verloren, und ich wüßte nicht, wie wir Vogel befreien wollten.«
»Pshaw! Heraus muß er auf jeden Fall; eher ruhe ich nicht!«
»Aber unter welcher Vermehrung der Gefahren und Schwierigkeiten! So aber bin ich überzeugt, daß er schon morgen früh wieder frei sein wird. Ich hoffe nämlich, daß —«
Winnetou unterbrach mich durch einen Wink, den er mir gab. Er lag so, daß er ein Stück in den Hohlweg hinein- und hinabblicken konnte; ich sah seine Augen funkeln; dann hörte ich Schritte; es kam jemand, langsam und vorsichtig, wie einer, der seiner Sache nicht sicher ist. Wir schoben uns noch weiter ins Gebüsch hinein; da kam er – ein Indianer. Er sah nach links und rechts, und als er rundum niemand erblickte, trat er vollends aus dem Hohlwege heraus und begann, die Spuren zu mustern, welche sich von uns und seinen Leuten hier im Grase befanden.
Jetzt kehrte er uns den Rücken zu. Winnetou erhob sich und stellte sich leise hinter ihn; auch ich stand leise auf, und Emery folgte geräuschlos unserm Beispiele. Jetzt fragte der Apatsche laut:
»Was sucht mein roter Bruder hier im Grase?«
Der Yuma fuhr herum, sah uns und ließ vor Schreck seine Flinte fallen. Winnetou schleuderte sie schnell mit dem Fuße fort und fügte hinzu:
»Hat mein Bruder etwas verloren?«
Ich sah es wie einen blitzartigen Entschluß über das braune Gesicht des Yuma gehen und schnellte mich mit drei Schritten vor den Hohlweg hin. In demselben Augenblicke that er das Gleiche. Er flog mir gerade in die Arme, die ich fest um ihn schlang; er machte zwar einen Versuch, sich loszureißen, als ihm dieser aber nicht gelang, verhielt er sich still und ließ sich von Winnetou vollends entwaffnen. Als ich ihn dann aus dem Hohlwege zur Seite führte, wo wir gesteckt hatten, und ihm befahl, sich niederzusetzen, gehorchte er ohne Widerstreben. Winnetou legte sich so, daß er hinter dem Busche hervor den Hohlweg überblicken konnte, und sagte dann zu dem Gefangenen:
»Weiß mein Bruder, wer wir sind?«
Der Gefangene nickte.
»Er mag unsere Namen sagen!«
»Winnetou und Old Shatterhand; das andere Bleichgesicht kenne ich nicht.«
»Dieser weiße Mann ist ein berühmter Jäger, der sich noch nie vor einem Feinde gefürchtet hat. Mein Bruder hat unsere Namen richtig genannt. Wo hat er sie gehört, oder hat er uns vielleicht selbst kennen gelernt?«
»In der Sonora, bei der Hazienda del Arroyo und in Almaden alto habe ich euch gesehen.«
»Wenn mein Bruder sich erinnert, was dort geschehen ist, so wird er auch wissen, daß wir nicht Feinde der Yuma sind, denn wir haben Frieden mit ihnen geschlossen. Warum treten die Yumas hier gegen uns auf?«
Der Gefragte antwortete nicht.
»Wir haben damals Hunderte von Yumas besiegt, und jetzt seid ihr so wenige. Meint ihr, daß ihr diesmal glücklicher sein werdet?«
»Wir wohnen in einem Pueblo, in das kein Feind kommen kann!«
»Mein Bruder irrt sich. Der Felsen von Almaden alto war viel fester und viel schwerer zu ersteigen, als euer Pueblo; wir sind dennoch hineingekommen und haben den Besitzer sogar gefangen herausgeschafft. Und Almaden alto wurde von vielen Yumas bewacht, und hier mein Bruder Shatterhand hat es ganz allein erobert. Wie leicht ist es uns da, in euer Pueblo zu gelangen! Ihr könnt alle wachen; wir werden uns doch, wenn wir wollen, ungesehen durch die Flußenge und den schmalen Eingang schleichen. Wenn wir dies thun, seid ihr verloren; daher rate ich euch, es nicht so weit kommen zu lassen!«
Diese Worte nahmen dem Yuma einen Stein vom Herzen. Er war gefangen; wir konnten ihn töten; jetzt aber antwortete er schnell:
»Warum giebt der Häuptling der Apatschen einen Rat, der nicht befolgt werden kann?«
»Nicht befolgt? Warum?« fragte Winnetou, obgleich er den Roten recht gut verstanden hatte.
»Weil die, an welche er gerichtet ist, den Rat nicht hören können.«
»Wir werden dich zu ihnen senden.«
Da hellte sich das Gesicht des Yuma noch mehr auf und er sagte:
»So laß mich gehen! Ich werde meinen Brüdern sagen, welchen Rat du mir gegeben hast.«
»Warte noch! Seit wann schämen sich rote Krieger nicht, Sklaven eines Weibes, einer weißen Squaw zu sein?«
»Wir sind nicht ihre Sklaven.«
»Ihr seid es. Ihr fangt um ihretwillen sogar Feindschaft mit drei berühmten Kriegern an, von denen ihr wißt, daß sie euch, sobald sie nur wollen, vernichten werden. Um dieses Weibes willen nehmt ihr Menschen in Schutz, welche Diebe und Mörder sind und nicht einmal zu einem Stamme der roten Männer gehören. Man sollte euch verachten!«
Das Auge des Yuma blitzte zornig auf. Er beherrschte sich aber und sagte:
»Die Weiße war die Squaw unseres Häuptlings; nur deshalb dienen wir ihr noch.«
»Welcher rote Krieger hat jemals der Squaw seines Häuptlings gedient und noch dazu nach dem Tode desselben? Mein Bruder mag seinen Gefährten sagen, was Winnetou von ihnen denkt, wenn sie die weiße Frau und deren beiden Freunde noch länger beschützen. Ihr habt einen jungen Weißen gefangen, der unser Freund ist; ihr habt uns unsere Pferde geraubt; ihr habt uns gestern abend überfallen, um uns zu fangen und zu töten. Das alles fordert unsere Rache heraus, und diese wird euch unvermeidlich treffen, wenn ihr euch nicht zu der Sühne versteht, welche ich von euch fordere.«
»Was verlangt Winnetou von uns?«
»Unsere Pferde, den jungen Mann, von dem ich eben sprach, und die beiden Weißen, welche bei der Squaw im Pueblo wohnen.«
»Das ist sehr viel verlangt! Und was bietet uns Winnetou dafür?«
»Alles! Das Leben!«
Man sah es dem Yuma an, daß er einen großen Respekt vor Winnetou hatte, dennoch zuckte es ironisch um seine dünnen Lippen, als er hierauf antwortete:
»Wenn man uns das Leben nehmen will, werden wir es auch zu verteidigen wissen. Oder meint der Häuptling der Apatschen, daß ihn keine Kugel trifft?«
»Ja. Hier bei euch bin ich vor jeder Kugel sicher; ich weiß das so genau, weil ich euch kenne. Also du weißt, was ich verlange: Den Vater und seinen Sohn, die bei euch wohnen; den jungen Weißen, den ihr ergriffen habt, und unsere Pferde.«
»Und was wird geschehen, wenn unsere Krieger nicht in deine Forderungen willigen?«
»Das sage ich nicht; aber ihr werdet es bald erfahren. Jetzt kannst du gehen. Wir bleiben noch hier, bis die Sonne zehn Hände breit vom westlichen Horizonte entfernt ist. Habt ihr dann noch nicht geantwortet, so entscheidet der Tomahawk zwischen uns, und wir kommen in der Dunkelheit am Flusse hinauf, schießen jeden weg, der uns im Wege liegt, dringen in euer Pueblo ein und holen uns alles, was ihr uns verweigert. Dann werden eure Frauen und Kinder ein Heulen und Schreien beginnen über den Tod, der ihre Männer und Väter hinweggerafft hat!«
»Winnetou ist ein großer Krieger; aber die Yumas sind keine Mäuse, welche furchtsam aus ihren Löchern fliehen, wenn sie den Feind kommen hören!«
»Ihr werdet ihn gar nicht hören. Er wird mitten unter euch sein, ehe ihr es denkt.«
»So haben wir unsere Messer, sie ihm ins Herz zu stoßen!«
»Das könnt ihr nicht, weil ihr ihn gar nicht sehen werdet. Mein Bruder mag jetzt gehen und in sein Pueblo zurückkehren, um uns Antwort zu bringen. Je eher wir dieselbe bekommen, desto besser wird es für die Yumas sein.«
»Darf ich mein Gewehr mitnehmen?«
»Nein. Ein Gefangener bekommt seine Waffen erst dann, wenn Friede geschlossen ist, nicht eher.«
Der Yuma stand auf und verschwand stolzen Schrittes und erhobenen Hauptes im Hohlwege. Sein Stolz ließ nicht zu, uns merken zu lassen, wie froh er war, uns so heiler Haut entkommen zu sein. Als er fort war, fragte Emery:
»Ist mein Bruder Winnetou vielleicht der Ansicht, daß die Yumas uns aus Angst die drei Personen und unsere Pferde ausantworten werden?«
»Nein,« antwortete der Apatsche; »aber Winnetou weiß genau, wie es nun kommen wird.«
»Ich bin wirklich neugierig, dies zu hören!«
»Der Yumakrieger ist ausgesandt worden, zu erkunden, wo wir uns befinden, aber nicht etwa, weil man uns angreifen will, denn nun, da unser Gefährte gefangen worden ist, weiß man, daß wir doppelt vorsichtig sein werden. Er kehrt jetzt zurück und erzählt den Meltons, wo er uns getroffen hat, daß wir ihn überwältigt und was ich ihm alles aufgetragen habe. Was von mir verlangt worden ist, werden wir nicht bekommen, sondern man wird uns anderes anbieten.«
»Was?«
»Den Gefangenen und unsere Pferde. Außerdem wird man dem ersteren einen Teil der Erbschaft versprechen und dafür verlangen, daß wir uns entfernen und nie wieder etwas gegen die beiden Meltons vornehmen. Meine Brüder glauben nicht, was ich sage? Sie werden bald erfahren, daß ich recht habe, daß ich mich nicht irre. Wir werden nicht lange zu warten haben, bis eine Botin kommt.«
»Eine Botin?« fragte Emery erstaunt.
»Ja. Die Meltons werden sich hüten, selber zu kommen, und was sie uns zu sagen haben, das können sie keinem Yuma anvertrauen; da giebt es nur eine Person, welche sie senden können, und das ist die weiße Squaw, von der sie wohl auch glauben, daß wir uns von ihrem schönen Gesicht betrügen lassen werden.«
Ich hatte alle Achtung vor dem Scharfsinne des Apatschen; wie oft war ich von der Untrüglichkeit seines Instinktes förmlich betroffen worden; jetzt aber war ich doch der Ansicht, daß er zu viel behaupte, gab aber dem Gedanken keine Worte. Er schien zu ahnen, was ich dachte, denn er sagte zwar auch nichts, aber sein Auge ruhte mit jenem, ich möchte sagen, überlegen lächelnden Ausdrucke auf mir, den ich immer an ihm beobachtet hatte, wenn er seiner Sache sicher, ich aber anderer Meinung gewesen war und sich seine Behauptung dann doch bewahrheitet hatte.
Wir warteten wohl über eine Stunde lang. Wir lagerten jetzt so, daß wir alle drei in den Hohlweg blicken konnten. Da sahen wir einen Roten kommen; es war der Yuma, mit welchem wir vorhin gesprochen hatten.
»Nun, Winnetou, ist‘s etwa die weiße Squaw?« fragte Emery.
»Noch nicht,« antwortete der Gefragte in gleichmütigem Tone.
»Es wäre auch wenigstens sonderbar, wenn sie uns ein Weib als Unterhändler senden wollten; es war das eine Unglaublickeit.«
»Mein Bruder wird wohl noch manches als Wahrheit erkennen müssen, was er vorher für unglaublich gehalten hat. Hören wir, was der Mann uns zu sagen hat!«
Der Yuma kam langsam zu uns heran, setzte sich zu uns, als ob sich das von selbst verstehe und dabei für ihn keine Gefahr vorhanden sei, und wartete, bis wir ihn anreden würden. Winnetou war zu stolz, das zu thun; mir fiel es auch nicht ein, das erste Wort zu sagen, und Emery schien wohl Lust dazu zu haben, weil er neugierig war, ich bat ihn aber durch einen Blick, zu schweigen. So war also der Yuma doch gezwungen, das Wort zu ergreifen. Er that dies, indem er fragte:
»Meine Brüder haben wohl nicht gedacht, daß ich so schnell zurückkehren werde?«
»Wir haben gar nicht mehr an dich gedacht,« antwortete Winnetou. »Ob du wiederkommen würdest oder nicht, das war wohl für euch von großer Wichtigkeit, uns aber konnte es sehr gleichgültig sein.«
»Ich habe deine Botschaft ausgerichtet.«
Er glaubte, es werde nun eine neugierige Frage kommen, da dieselbe aber ausblieb, fügte er hinzu:
»Ich habe sie den beiden Männern gesagt, welche bei der weißen Squaw wohnen.«
»Und nicht den Yumakriegern?« entfuhr es dem Englishman.
»Auch ihnen; es haben sie also alle gehört. Der Vater dessen, welcher der Mann der weißen Squaw geworden ist, hat mich zu euch gesandt, um euch die Antwort zu sagen.«
»Und die lautet?«
»Die weiße Squaw soll zu euch gehen, um mit euch zu sprechen.«
Ueber Winnetous Gesicht ging ein leises, aber siegbewußtes Lächeln; der Englishman aber fuhr zornig auf:
»Die weiße Squaw? Meinst du, daß wir mit Weibern zu verhandeln pflegen?«
»Der Mann, der mich geschickt hat, war der Ansicht, daß ihr gern mit ihr sprechen würdet.«
»Warum ist er nicht selbst gekommen?«
»Weil er keine Zeit dazu hat.«
»So mag er seinen Sohn schicken!«
»Auch dieser wird nicht kommen. Sie denken, daß ihr sie nicht wieder fortlassen würdet.«
»Könnte möglich sein! Hätten auch alle Veranlassung dazu!«
Dies hatte Emery in seinem grimmigsten Tone gesagt; da aber meinte Winnetou:
»Wenn ein Unterhändler zu uns kommt, so halten wir ihn nicht zurück, wenn er wieder gehen will, er mag sein, wer er will. Der Häuptling der Apatschen ist nicht gewohnt, mit einem Weibe zu verhandeln; damit aber die Krieger der Yumas erfahren mögen, daß wir so freundlich wie möglich mit ihnen sein wollen, gebe ich die Erlaubnis, daß die Frau kommen darf. Geh also nach dem Pueblo und sage es ihr!«
Er entfernte sich, und wir warteten nun mit Spannung auf die Ankunft der Angehörigen des zarten Geschlechtes, welche nach allem, was geschehen war, die Stirn hatte, mit uns sprechen zu wollen.
»Nun,« meinte der Apatsche zu Emery, »hat mein Bruder die Erfahrung gemacht, daß selbst das Unmögliche möglich werden kann?«
»Das ist allerdings der Fall! Wie die Person es wagen kann, zu uns zu kommen, ist mir unbegreiflich. Bin neugierig, was sie uns mitteilen wird!«
»Das, was ich gesagt habe. Winnetou wird ihr kein Wort gönnen; meine Brüder mögen mit ihr reden.«
»Ich nicht, denn ich befürchte, so grob zu werden, daß ich alles verderben würde. Charley, willst du das Amt übernehmen?«
»Auch mich widert es an; aber ich sehe, daß ich den Umständen Rechnung tragen muß. Sprich mir aber nicht darein; du könntest unserer Angelegenheit dadurch Schaden bringen.«
Man war im Pueblo jedenfalls von unserer Einwilligung überzeugt gewesen, denn wir hatten noch nicht lange gewartet, so sahen wir die Jüdin unten im Hohlwege erscheinen. Sie hatte eine junge Indianerin bei sich, welche einen aus Rohr und Schilf geflochtenen leichten Sessel trug.
Die Judith hatte Toilette gemacht, hier in der Wildnis an der Grenze zwischen Neu-Mexiko und Arizona! Als sie sich uns näherte, nahm ihr Gesicht ein siegreiches Lächeln an; sie nickte uns grüßend zu, gab der Indianerin einen Wink, den Stuhl uns gegenüber zu setzen, nahm Platz und sagte:
»Ich bin erfreut, Sennores, Sie so wohl zu sehen. Der weite Ritt scheint auf Ihre Gesundheit keinen nachteiligen Einfluß ausgeübt zu haben; darum hoffe ich, daß Ihr Wohlbefinden auf unsern Gegenstand von guter Wirkung sein werde!«
Wir waren weder aufgestanden, noch hatte sie einen Gruß von uns empfangen. Mein Gesicht war gewiß kein freundliches, als ich ihr antwortete:
»Keine Redensarten! Bleiben wir streng bei der Sache, welche uns zusammenführt! Sie wohnen jetzt mit dem sogenannten Small Hunter und mit seinem Vater im Pueblo?«
»Ja.«
»Sie wußten in New-Orleans noch nicht, daß dieser Mann sein Vater war. Wann haben Sie es erfahren?«
»Hier, als der Vater ankam.«
»So kennen Sie nun wohl auch den richtigen Namen Ihres Bräutigams?«
Sie schwieg, und erst als ich meine Worte wiederholte, fragte sie:
»Muß ich Ihnen das sagen?«
»Sie müssen nicht; Sie können es leugnen; aber wir würden wohl eher einig werden, wenn Sie die Wahrheit sagten. Schämen werden Sie sich wahrscheinlich nicht, das zu thun.«
Sie errötete nicht und erbleichte nicht; sie antwortete lachend:
»Mir wurde gesagt, daß ich mich vor Ihnen weder zu schämen noch zu fürchten hätte. Sie sind uns ungefährlich; darum kann ich Ihnen ohne besondere Angst sagen, daß ich den Namen meines Verlobten allerdings kenne.«
»Jonathan Melton und sein Vater heißt Thomas Melton. Nicht wahr?«
»Sehr richtig.«
»Und sein Oheim?«
»Harry Melton.«
»Wissen Sie, wo der letztere sich gegenwärtig befindet?«
»Das werden Sie wohl besser wissen als jeder andere! Sie haben ihn ja erstochen.«
»Von wem wissen Sie das?«
»Von seinem Bruder. Einem so gewaltthätigen Menschen, wie Sie sind, ist alles, selbst so ein Raubmord zuzutrauen.«
»Hm! Sie halten mich also für gewaltthätig?«
»Natürlich, denn ich habe alle Ursache dazu! Oder haben Sie mich nicht schon einmal durchpeitschen lassen wollen?«
»Allerdings, und ich gestehe ihnen, daß es mich jetzt eine gewaltige Anstrengung kostet, nicht gewaltthätig zu sein. Bleiben wir aber ruhig; das ist besser. Da Sie den Namen ihres Verlobten kennen, wissen Sie auch, weshalb ich mich hier befinde?«
»Ja. Er hat es mir aufrichtig gesagt.«
»Und Sie gestehen es ebenso aufrichtig zu! Sie wissen also, daß er ein Betrüger ist?«
»Betrüger? Was der eine so nennt, nennt der andere anders. Jonathan ist ein Pfiffikus, und es fällt mir nicht ein, ihn darum zu tadeln.«
»Ich begreife das. Sie haben abgewirtschaftet; Sie besitzen nichts mehr, als den Stein- und Lehmhaufen, den Sie so hochtrabend Ihr Schloß nannten und den Ihnen jeder Indianer streitig machen kann. Nun ist es Ihnen sehr willkommen, daß Ihr Jonathan ein großes Erbe angetreten hat, welches Sie mit verzehren wollen. Habe ich recht?«
»Warum sollte ich Ihnen unrecht geben! Es würde doch zu nichts führen!«
»Aber bedenken Sie, daß Sie dadurch zur Mitschuldigen werden!«
»Was ist Schuld, Sennor! Schuld ist alles, was das Gewissen beschwert; das meinige aber ist leicht.«
»Um diese Leichtheit beneide ich Sie nicht. Da Sie mit einer geradezu verblüffenden Aufrichtigkeit sprechen, will ich ebenso offen sein, Ich bin gekommen, Ihren Jonathan zu fangen.«
»Das wissen wir,« lachte sie.
»Und da Sie sich als Mitschuldige bekennen, habe ich große Lust, auch Sie festzunehmen!«
Jetzt änderte sie doch die Farbe und fragte schnell und in unsicherm Tone:
»Sennor, ich bin Parlamentärin. Wollen Sie mich etwa gleich hier behalten?«
»Das könnte ich!«
»Nein, denn das wäre doch wohl gegen alles Völkerrecht!«
»Völkerrecht! Wo es sich um so große, so schauderhafte Verbrechen handelt! Habe ich Ihnen versprochen, Sie nach dem Pueblo zurückkehren zu lassen?«
»Nein, aber das verstand sich doch ganz von selbst!«
»Es war nicht so selbstverständlich, wie Sie meinen; doch will ich Sie beruhigen. Es fällt mir nicht ein, Sie zurückzuhalten. Sie können ungehindert in Ihre ehrenwerte Gesellschaft zurückkehren. Wenn es mir noch nötig erscheinen sollte, mich Ihrer Person zu versichern, so werde ich das so spät wie möglich thun.«
»Eine sehr freundliche Rücksicht für mich!« lächelte sie mich an.
»O nein; es hat einen ganz andern Grund. Ich mag Sie nicht bei mir haben, und darum will ich Sie so lang wie möglich von mir fern halten. Das ist die wahre Ursache.«
»Sie halten Ihr Versprechen, Sennor. Sie sind ebenso aufrichtig mit mir, wie ich mit Ihnen. Ich habe Sie gehaßt vom ersten Augenblicke, an dem ich Sie sah!«
»Danke! So eine wirkliche, wahre und echte Ehre ist mir lange nicht widerfahren.«
»Und darum,« fuhr sie schnell fort, »ist es mir ein wahrer Hochgenuß, jetzt mit Ihnen verhandeln zu können – doch, vom Verhandeln kann eigentlich keine Rede sein! Ich bin nur gekommen, mir einen hohen Genuß zu bereiten, indem ich Ihnen sage, daß Sie sich hier ganz vergeblich bemühen. Sie bekommen weder einen Menschen in die Hand, noch einen Pfennig von dem Gelde, das Sie haben wollen! Sind Sie denn wirklich so verrückt, zu glauben, daß Sie in unser Pueblo dringen können?«
»Und wenn es mir dennoch gelänge, in den Felsenkessel zu gelangen?«
»Das ist eben unmöglich. Ich weiß zwar von damals her, daß Sie es verstehen, sich glatt und unbemerkt wie eine Schlange durchzudrängen, aber bei der hiesigen Oertlichkeit ist das unmöglich. Sie müßten über unsere Wächter wegsteigen.«
»Das ist doch nicht schwer! Es giebt gewisse Griffe und gewisse Stiche, welche einem über fünf und über zehn Wächter weghelfen. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich, wenn ich nur will, ganz gewiß in Ihr Thal komme!«
»Ja, die gewissen Griffe. und Stiche sind Ihnen freilich zuzutrauen. Es ist nur gut, daß Sie davon sprechen; da kann man doch seine Vorbereitungen treffen. Aber selbst wenn Sie wirklich in unsern Thalkessel gelangten, was hätten Sie davon? Sie wären dann noch immer nicht im Pueblo.«
»Das würde man ersteigen.«
»Bilden Sie sich nicht ein, allmächtig zu sein! Und wären Sie im Pueblo, so hätten Sie noch niemand von uns fest, Wir sind bewaffnet und würden Sie wahrlich nicht schonen! Und noch weniger Hoffnung hätten Sie, das Geld zu bekommen!«
»Ich bin im Gegenteile überzeugt, daß ich es mir doch hole!«
»Keinen Pfennig! Aber, Sennor, Ihre verrückte Idee hat Ihnen bisher so viel Mühe gemacht, daß wir Mitleid mit Ihnen haben und Ihnen etwas zukommen lassen wollen.«
»Was denn wohl, meine gütige Sennora?«
»Sie wissen wohl, wo Vogel sich gegenwärtig befindet?«
»Ja.«
»Das ist wieder ein eklatanter Beweis, daß es mit Ihrer vielgerühmten Klugheit nicht allzuweit her ist. Welcher vernünftige Mensch kommt auf die Idee, einen solchen unerfahrenen Knaben mit hierher zu nehmen! Was hindert uns, ihn unschädlich zu machen?«