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Kitabı oku: «Scepter und Hammer», sayfa 6

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Dieser hatte sich schleunigst zum Herzoge begeben, welcher ihn mit Ungeduld erwartete.

»Ich bin erstaunt, Excellenz,« begann er —

»Schon gut!« fiel ihm der Herzog in die Rede. »Wir geriethen letzthin in einige kleine Differenzen, welche aber wohl nicht der Rede werth sind. Nehmen Sie Platz, mein lieber Pater. Ich habe in Betreff der Irrenanstalt mit Ihnen zu sprechen.«

Die Brauen des Jesuiten zogen sich erwartungsvoll empor.

»Gibt es vielleicht einen neuen Aspiranten, der so geistig angegriffen ist, daß er es verschmäht, auf unsere Intentionen einzugehen?«

»Das nicht; vielmehr findet das gerade Gegentheil statt: die geistig Irren stehen im Begriffe, ihre Ketten zu zerbrechen, um uns damit zu fesseln.«

»Ah!«

»Es soll auf höchsteigene Veranlassung der Majestät eine Untersuchung gegen den Direktor und Oberarzt der Anstalt eingeleitet werden, weil —«

»Jesus, Maria und Joseph, das müssen Excellenz unbedingt verhüten! Es würden da Thatsachen blosgelegt werden, welche unsere ebenso geistreiche wie geheimnißvolle Mechanik enthüllen müßten.«

»Leider habe ich nicht die Macht dazu, diese Angelegenheit rückgängig zu machen. So schleunigst wie möglich die Spuren verwischen, das ist Alles, was wir thun können. Es hat bereits ein königlicher Kommissär die Anstalt revidirt und zwei Detinirte befreit, welche glücklicher Weise unsern Plänen nicht nahe gestanden haben. Morgen wird der Direktor sammt dem Oberarzte in Haft genommen.«

»Wer ist der Verräther?«

»Ich weiß es noch nicht, habe aber alle Hoffnung, ihn baldigst ermitteln zu können. Die beiden Beamten müssen fliehen!«

»Oder sterben!«

»Sie nicht; es ist nicht unbedingt nöthig. Sie sind mir ergeben und können mir noch nützen. Ich verlange andere Opfer.«

»Welche?«

Der Herzog nahm ein Papier vom Schreibtische und überreichte es dem Pater.

»Hier ein kleines Verzeichniß derjenigen Irren, welche unter einer anderen Behandlung vielleicht versucht sein würden, verständig zu sprechen und unsere Absichten in Gefahr zu bringen. Sie bekommen Gift.«

»So viele Leichen an einem Tage! Das würde auffallen.«

»So gebe man ihnen verschiedene Gifte oder verschiedene Dosen, doch so, daß binnen drei Tagen der Letzte stumm ist.«

»Das ist etwas mehr acceptabel.«

»Wollen Sie mein Bote sein?«

»Wie immer. Angelegenheiten von so zarter Natur dürfen keinem untergeordneten Wesen anvertraut werden. Wohin beabsichtigen Sie die beiden Beamten zu dirigiren?«

»Zunächst über die Grenze nach Süderland. Ich habe, während ich Sie erwartete, eine Marschroute und andere Weisungen schriftlich niedergelegt und auch die nöthigen Summen beigefügt. Die Flüchtlinge werden nicht die Bahn benutzen, sondern die Reise in das Gebirge per Privatwagen zurücklegen. Drüben sind sie an entlassen.«

»Ich fliege, Excellenz; doch hoffe ich, daß meine stete Bereitwilligkeit, auf Ihre Intentionen einzugehen, später den Erfolg hat, der mir versprochen worden ist!«

»Sie haben mein Wort. Die Gesellschaft Jesu fördert mich bei der Erreichung meiner Ziele; sobald ich dazu die Macht in den Händen habe, werde ich ihr eine öffentliche Heimath in Norland gewähren.«

»Ich danke, Excellenz, und stelle mich zu jeder Zeit zur vollständigen Verfügung.«

Diese letzten Worte waren es blos, welche Max gehört hatte, als er die PortiŠre um ein Lückchen öffnete. Dann entfernte sich der Pater.

Kaum hatte er das Zimmer verlassen, so trat der Polizeikommissarius ein und blieb in respektvoller Haltung an der Thür stehen.

»Herr Kommissär —«

»Excellenz!«

»Ich kenne Sie als einen unserer tüchtigsten Beamten —«

Der Polizist verneigte sich so tief wie möglich.

»Und habe mir vorgenommen, Sie bei der nächsten Vakanz mit der Stelle eines Polizeirathes zu bedenken.«

»Excellenz —!«

»Schon gut! Ich weiß, wie Ergebenheit zu behandeln ist, und will Ihnen eine Gelegenheit bieten, mir Ihre Anhänglichkeit auf das Glänzendste zu beweisen. Außer Ihrer baldigen Beförderung stehen Ihnen diese fünfhundert Thaler als Extragratifikation zur Verfügung.«

»Ich höre, Excellenz!«

»Sie haben vorgestern einen Menschen arretirt, welcher des Mordes verdächtig ist?«

»Allerdings.«

»Er heißt Helbig?«

»So ist es. Er hat bereits dreimal wegen Körperverletzung das Zuchthaus frequentirt.«

»Halten Sie ihn für schuldig?«

»Ich halte ihn des Mordes fähig; ob er in dem vorliegenden Falle schuldig ist, muß die Untersuchung beweisen.«

»Er ist noch nicht in das Gerichtsamtsgefängniß abgeliefert, sondern befindet sich noch in den Händen der Polizei.«

»Ich mußte ihn zurückbehalten, um ihn bei den nöthigen Recherchen stets bei der Hand zu haben.«

»Ich interessire mich für diesen Fall und möchte ihn einmal sprechen. Ist es Ihnen möglich, mir diesen Helbig nach Verlauf einer halben Stunde einmal in dieses Zimmer zu bringen, ohne daß es ein Dritter bemerkt, wenn ich dafür sorge, daß hier in meinem Palais der Weg frei ist?«

Der Kommissär war klug genug, sein Erstaunen vollständig zu verbergen. Er besann sich einen Augenblick und entschied dann:

»Ich übernehme damit kein geringes Risiko, doch denke ich, daß es möglich sein werde.«

»Gut! Sie sind für jetzt entlassen. In genau einer halben Stunde nehmen Sie mit dem Subjekte hier unangemeldet Zutritt. Es wird kein Diener zugegen sein, der Sie melden könnte.«

Der Kommissär trat ab. Max hatte jedes Wort vernommen und wußte nicht, was er aus dem seltsamen Vorgange machen solle.

»So; nun hinab zur Terrasse!« hörte er jetzt den Herzog halblaut sagen.

Was war das wieder? Sollte der Diener, welcher den Weg nach dem Schlosse eingeschlagen hatte, einen Dritten nach der Terrasse bestellt haben? Auch das mußte untersucht werden, besonders da es jetzt möglich war, daß der Herzog in das Bibliothekzimmer treten konnte.

Er schlich sich durch die Bücherthür nach dem Gang zurück und gelangte nach wenigen Augenblicken an das Treppenfenster, welches er geräuschlos aushob. Da die Stufenseiten der Terrasse mit dichten Orangerie- und Blumengewächsen eingefaßt waren, so konnte er es wagen, hervorzusteigen. Er nahm zwischen Palmen und Oleandern Platz und gewahrte einen Mann, welcher unweit von ihm im Dunkeln auf einer der Stufen saß.

Da knarrte leise die Thür und der Herzog trat hervor.

»Grunert!« rief er mit gedämpfter Stimme.

»Hier, Excellenz!«

»Bleib sitzen, damit, wenn uns ja Jemand überraschen sollte, er denke, daß ich mich allein hier befinde. Hast Du Jemand im Garten bemerkt?«

»Nein.«

Dukaten.«

»Danke, Excellenz.«

»Ich muß heute Nacht unbedingt das Arbeitskabinet des Königs betreten.«

»O, das ist nicht möglich, Durchlaucht!«

»Ich denke, diesen Dukaten ist Alles möglich, besonders wenn ich sie im günstigen Falle verdoppele. Oder willst Du meine Protektion verlieren?«

»Excellenz sind die Güte selbst – aber die Wachen – ?«

»Das überlaß mir! Punkt zwei Uhr ist das Kabinet offen!«

»Zu Befehl!«

»Du befindest Dich darin!«

»Zu Befehl!«

»Mit einer Blendlaterne!«

»Ich werde da sein!«

»Und sorgst dafür, daß die Fenster dicht verhangen sind. Kennst Du den Sohn des Schmiedes Brandauer?«

»Ja. Er war heute bei der Majestät.«

»Weißt Du nicht, ob er Papiere überreicht hat?«

»Ich glaube, daß dies der Fall gewesen ist; wenigstens schlossen Majestät einige Dokumente in ein Fach des Schreibtisches, als der Doktor sich entfernt hatte.«

»Kannst Du Dich des Faches erinnern?«

»Ja.«

»Dann genug für jetzt. Suche das Freie ungesehen wieder zu gewinnen!«

Er trat zurück und verschloß die Thür. Der Lakai erhob sich und schlich sich leise davon. Max war fast erstarrt über das, was er vernommen hatte. Der König war in seiner nächsten Nähe von Verräthern umgeben, und diese Menschen standen im Solde des Herzogs. Wie oft schon mochten sich Vorkommnisse von der Art des soeben Besprochenen begeben haben, ohne daß der König eine Ahnung hatte, auf welche schändliche Weise man sich seiner Pläne und Geheimnisse bemächtigte! Das durfte nun und nimmer wieder geschehen. Zwar stand der Herzog über jeder Strafe erhaben, aber eine Blamage mußte er erleben, wie sie ihm wohl noch nicht vorgekommen war.

Jetzt aber galt es noch zu wissen, was er mit dem Mörder vorhabe. Max kehrte also in die Bibliothek zurück, doch trat er nicht vollständig ein, sondern blieb unter der halb geöffneten Thür stehen, um beim etwaigen Eintritte des Herzogs zum sofortigen Rückzuge bereit zu sein.

Endlich hörte er die Thür öffnen und vernahm eine Stimme. Schnell stand er an der PortiŠre und blickte hindurch. Der Kommissär war mit dem Verbrecher eingetreten. Der Letztere war ein Mann in den mittleren Dreißigern, von untersetzter, kräftiger Figur und einem Gesichtsausdrucke, der nichts Angenehmes an sich hatte.

»Treten Sie einstweilen ab, Herr Kommissär!« befahl der Herzog.

Diesem Gebote wurde augenblicklich Folge geleistet.

»Helbig!«

»Excellenz!«

»Du spannst wohl keine Seide, seit Du aus meinen Diensten bist?«

»Nein.«

»Und hättest es bei mir so gut haben können, wenn Du damals dem Weibe nicht nachgelaufen wärst!«

»Hole sie der Teufel, Durchlaucht! Ich wollte, sie stände jetzt da und ich hätte eine gute Klinge in der Hand. Ich will gehängt sein, wenn die Weiber nicht an allem Unheile schuld sind, welches die Männer zu leiden haben! Sie gab sich mit einem Andern ab, und das paßte mir natürlich nicht. Ich ertappte sie, wurde teufelsmäßig wild, und – na, da hat man mich als Mörder eingezogen!«

»Ich bin überzeugt, daß Du unschuldig bist!«

»Natürlich!«

»Und dennoch wird man kurzen Prozeß mit Dir machen.«

»Das beginne ich auch zu ahnen. Dieser Kommissär da draußen gibt sich alle Mühe, mich um den Kopf zu bringen.«

»Er hält das für seine Pflicht. Man wird Dich aufhängen.«

»Das ist allerdings wahrscheinlich. Aber ich habe Ew. Durchlaucht so viele treue Dienste geleistet, von denen Niemand Etwas erfahren darf, und als ich hörte, daß ich hierher geführt werden sollte, da kam mir die Vermuthung, daß Excellenz etwas für mich thun wollten.«

»Das bin ich auch in Anbetracht Deiner Dienste entschlossen. Aber weißt Du, das Leben hat einen höheren Werth als Deine kann.«

»Verlangt nur! Ich werde Alles thun, es mag heißen wie es will.«

»Schön! Aber bedenke vorher, daß ich Dich ebenso gut verderben wie erretten kann. Es darf von dem, was wir hier besprechen, kein Mensch ein Wort erfahren!«

»Habe ich jemals geschwatzt, Excellenz?«

»Das allerdings nie, und darum eben schenke ich Dir mein vollstes Vertrauen. Weißt Du, wie viele Menschen es auf der Erde gibt?«

»Ich habe sie noch nicht gezählt.«

»Es sind ein gut Theil über tausend Millionen, aber unter ihnen leben Drei zu viel. Verstehst Du mich?«

»Ich verstehe. Mein Leben gegen drei Leben!«

»Nun?«

»Mein Leben ist mir natürlich lieber als das Leben dieser ganzen tausend Millionen. Wer sind die Drei?«

»Ein Schmiedesohn, eine Zigeunerin und ein verrückter Hauptmann.«

»Ich werde mit ihnen fertig werden.«

»In einer Nacht?«

»In einer Stunde, wenn sie hier wohnen und nicht weit auseinander zu treffen sind.«

»Das muß ich erst noch erfahren, doch vermuthe ich, daß sie beisammen in der Schmiede zu treffen sind.«

»Desto besser. Aber wie ihnen beikommen? Ich bin gefangen!«

»Nichts leichter als das. Komm her und siehe Dir das Polizeigebäude an! Es ist vom Monde beleuchtet. Unter meinem Schutze wird sich jede Schwierigkeit heben lassen.«

Max konnte nun nur noch die Gesten der beiden Männer bemerken. Der Herzog gab seine Bemerkungen im leisesten Flüstertone, und der Andere antwortete ebenso unhörbar. Endlich wandten sie sich wieder dem Innern des Zimmers zu, und der Herzog trat zur Thür, um dieselbe zu öffnen.

»Herr Kommissär!«

»Excellenz!«

»Ich habe die Überzeugung gewonnen, daß dieser Mann vielleicht unschuldig oder wenigstens nicht so sehr schuldig ist, wie es den Anschein haben mag. Er ist ein langjähriger treuer Diener von mir, dessen ich mich unter allen Umständen annehmen werde. In den Lauf der Untersuchung kann und will ich allerdings nicht eingreifen, doch erinnere ich Sie an den Gegenstand unseres vorigen Gespräches. Bringen Sie den Gefangenen zurück. Sie werden weiter von mir hören!«

Die beiden Männer traten ab, und nun mußte sich auch Max entfernen. Er gelangte unbemerkt in das Freie.

Er hatte die wichtigsten Entdeckungen gemacht und saß so gedankenvoll in dem Kahne, daß er fast erschrak, als dieser am jenseitigen Ufer anstieß. Seine Aufgabe war jetzt eine dreifache: den Einbruch im königlichen Schlosse zu verhüten, die Flucht der beiden Beamten der Irrenanstalt unmöglich zu machen und endlich die Gefahr zu vermeiden, welche ihm, dem Hauptmanne und Zarba durch den gedungenen Mörder drohte. Das Erstere war jedenfalls das Nöthigste. Daher begab er sich zunächst nach Hause. Der Vater besaß eine Karte des Königs, welche ihm die Erlaubniß bescheinigte, zu jeder Zeit des Tages und des Nachts das königliche Schloß zu betreten. Nur durch sie war es möglich, die Dokumente den Händen des Herzogs zu entreißen und zugleich den verrätherischen Lakaien zu entlarven.

Siebentes Kapitel: Schachzüge

Wieder saßen im traulichen Abenddämmerschein die Gesellen vor der Schmiede und in ihrer Nähe die lauschenden Lehrbuben. Drin im Hause war Alles ruhig, obgleich einige durch die Lädenritzen fallende Lichtstrahle verriethen, daß die Zimmer nicht vereinsamt seien.

»Ich möchte nur wissen, pei welcher Waffe er gedient hat,« meinte Schubert. »Er hat so etwas Liepes und zugleich Vornehmes an sich, und ich verwette ein Dutzend Ampalema gegen eine einzige Pfälzer mit Märker Einlage, daß er pei der Kavallerie gestanden hat.«

»Das ist nicht am Den!« antwortete einfach Baldrian, der Grenadier.

»Nicht? Warum nicht, Paldrian? Meinst Du vielleicht, daß er Offizier bei der Linie gewesen ist?«

Kopfe.

»Das pilde Dir nicht ein, denn zur Linie hat er ein viel zu noples Exterieur, wie wir Kavalleristen zu sagen pflegen.«

»Ja, die Kavallerie hat viel Exterieur,« meinte Heinrich, »nur müssen die Pferde gewaschen und die Leute gestriegelt worden sein! Wie könnt Ihr nur denken, daß der Hauptmann von Wallroth bei der Reiterei oder gar bei der Linie gestanden hat! Daß er ein gelehrter und außerordentlich tüchtiger Herr ist, das sieht man ihm ja schon von Weitem an, und da ist es ja gar nicht anders möglich, als daß er bei der Artillerie befehligt hat. Sie bedarf der besten Offiziere. Eine Flinte ist bald abgedrückt, und mit einem Käsemesser hauen und stechen, dazu gehört nicht viel; aber eine Kanone richtig zu bedienen, das erfordert schon etwas, und von einem einzigen guten Schusse hängt oft das Schicksal einer ganzen Schlacht ab.«

»Du pist nicht recht pei Troste!« widersprach Thomas. »Wie kann das Schicksal einer Schlacht von einem einzigen Schusse aphängen!«

»Das verstehst Du nicht. Ich kann davon ein Beispiel erzählen. Nämlich vor elf Jahren in der Schlacht bei Bartlingen machten wir die letzte Anstrengung, den Feind zu stürzen. Sämmtliche Reserven hatten bereits in die Aktion eingegriffen; es stand Alles auf dem Spiele; wir waren auf der ganzen Linie im Avanciren, aber der Gegner hatte noch frische Kräfte zur Verfügung, und wenn er diese herbeizog, so mußten wir zurück und hatten die Schlacht verloren. Der Herzog von Raumburg, – man mag von ihm sagen, was man will, ein tüchtiger Feldherr ist er ohne Zweifel – hielt neben unserer Batterie auf einer Anhöhe und beobachtete durch das Fernrohr den feindlichen Oberstkommandirenden. Da plötzlich drehte er das Pferd zu mir herüber. »Heinrich Feldmann,« sagte er, »Du bist der beste Artilleriste meiner Armee; siehst Du ganz da drüben den feindlichen Adjutanten reiten?«

»Zu Befehl, Generalissimus!« antwortete ich.

»Er hat die schriftliche Ordre zu überbringen, daß die Reserve vorgehen soll; sie steckt in seiner Satteltasche.«

»Soll ich sie ihm herausschießen, Excellenz?« frug ich.

»Ja, doch schone den Mann und das Pferd. Er hat Sympathien für uns und hält sehr viel auf das Thier!«

»Wird gemacht, Durchlaucht!« Ich lade also sorgfältig und richte den Lauf meines Geschützes. Donnerwetter, der Kerl ist nur noch hundert Schritte vom Walde entfernt, und zwischen ihm und dem dichten Gebüsch liegt ein Wirthshaus, hinter welchem er vorüberreiten muß! Was thun? Es gibt nur eine Möglichkeit: Das Parterre des Hauses besteht aus einer einzigen Stube; man kann von vorn hinein und hinten durch die Fenster wieder heraussehen. Ich visire genau, der Reiter verschwindet hinter dem Hause, ich protze ab – die Kugel geht durch die beiden Fenster und reißt hinter dem Hause dem Adjutanten die Satteltasche in Stücke. Die Schlacht wurde gewonnen, und als ich am andern Morgen in das Wirthshaus kam, sah ich erst genau, welch einen Meisterschuß ich gethan hatte. Nun, meint Ihr noch immer nicht, daß das Schicksal einer Schlacht von einem einzigen Schusse abhängen kann?« hape.«

»Ja, das ist am Den!« stimmte Baldrian bei. —

»Glaubt, was Ihr wollt; es fällt mir gar nicht ein, zwei dumme Köpfe klug machen zu wollen! Aber das ist sicher, daß der Hauptmann von Wallroth bei der Artillerie gestanden hat, denn ich kenne ihn von meiner Dienstzeit her und sehr genau. Zwar führte er nicht meine Batterie, aber er war ein Liebling seiner Oberen und auch seiner Untergebenen. Dann verschwand er plötzlich, und ich habe ihn seit jener Zeit jetzt zum ersten Male wiedergesehen.«

»Wo mag er wohl herstammen?« frug Thomas.

»Das weiß Niemand,« antwortete Heinrich; »geht mich auch gar nichts an. Nur das fällt mir auf, daß er so vertraut mit der Zigeunerin ist.«

»Mit der Zarpa? Das ist wahr. Wie mag er wohl mit diesem Weipsen zusammengekommen sein? Das ist nämlich eine Hexe, die ich sehr genau kenne. Ich hape sie erst kürzlich peopachtet, als – — Donnerwetter, was pin ich doch für ein Esel!«

»Was, Du kennst die Zigeunerin? Wo hast Du sie gesehen?«

»Darum hast Du Dich nichts zu pekümmern, denn ein Gelpschnapel wie Du praucht nicht Alles zu erfahren.«

»Das ist am Den,« bestätigte Baldrian höchst trocken.

»Richtig, alter Grenadier!« antwortete Heinrich. »Seit die ganz besondere Gunst des jungen Herrn auf den Kavalleristen gefallen ist, kann es mit Euch Beiden kein Mensch aushalten; der Grenadier beißt, der Kavallerist schlägt aus, und der Artillerist – pah, der läßt sie machen, was sie wollen. Er geht zu seiner Barbara Seidenmüller.«

Er erhob sich lachend und ging. Thomas schien sich aus seiner Entfernung nicht viel zu machen.

»Laß ihn laufen, Paldrian,« meinte er; »nun können wir ungestört mit einander sprechen. Hast Du die Zarpa wirklich noch nicht gesehen?«

»Nein.«

»Ich hape sie zum ersten Male gesehen, als ich mein Gesellenstück —«

»War sie denn beim Herzog?« fragte ganz erstaunt der sonst so wortkarge Baldrian.

»Natürlich. Sie war seine Geliepte; sie hatte es ihm angethan; sie hatte ihn verhext und verzaupert, so daß er ohne sie nicht lepen konnte.«

»Was sollte sie denn hier?«

»Das weiß ich heute noch nicht. Die Meisterin pekam den jungen Herrn, der damals natürlich noch nicht der junge Herr war, und kaum war ihre Stunde vorüper, so mußte ich die Zarpa holen, die mit dem Neugeporenen wohl eine halpe Stunde lang fort war, ehe sie ihn wieder prachte. Sie war damals ein Mädchen, wie es keine zweite giept, und ich selpst hätte mich in sie verschameriren mögen, wenn ich mich nicht so sehr vor ihrer Zauperei gefürchtet hätte. Später war sie auf einige Jahre verschwunden; nachher kehrte sie einmal auf einen Tag hier ein; das war gerad, als ich den Meister auf Urlaup pesuchte, und seit dieser Zeit hat sie sich pis auf den heutigen Tag nicht wieder sehen lassen.«

»Hm, das ist am Den!«

»Ja, das ist gewiß und wahrhaftig am den, und ich pin wirklich pegierig, was sie hier vorhat. Sie ist von Allen empfangen worden, als op sie der liepe Gott selper sei. Jetzt sitzen sie drin und sprechen so leise, als op die größten Staatsgeheimnisse verhandelt würden. Horche nur einmal an den Laden; Du hörst gewiß kein Wort von dem, was in der Stupe gesprochen wird!«

Allerdings war von außen kein Wort zu vernehmen; doch hatte das seinen Grund einfach in dem Umstande, daß in der Stube nicht gesprochen wurde.

Mutter Brandauer saß am Tische und strickte, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. Sie zeigte bei dieser Beschäftigung einen Eifer, als gelte es, die Welt mit ihren Maschen glücklich zu machen. Der Schmied hatte die Hauspostille vor sich liegen und that, als ob er lese, und im dunkelsten Winkel des Zimmers saß Zarba und rauchte aus demselben kurzen Stummel, den sie auch in dem Arbeitskabinet des Herzogs in Brand gesteckt hatte. beobachtete.

Endlich schlug Brandauer das Buch zu und warf einen fragenden Blick auf die Hausfrau, welche denselben bejahend erwiderte. Er stand auf, holte sich die lange Pfeife, stopfte sie sich mit jener Umständlichkeit, welche darauf ausgeht, sich einen wirklichen Genuß zu verschaffen, und griff dann zum Fidibus; dann schob er, einige tüchtige Rauchwolken ausstoßend, den Tabakskasten nach derjenigen Seite des Tisches, welche der Zigeunerin zugekehrt war, und meinte:

»Nimm Tabak, Zarba, wenn Du fertig bist.«

»Danke, Meister! Eure Sorte paßt mir nicht.«

»Hast wohl etwas Feineres?«

»Möglich! Die Zingaritta raucht ein Kraut, welches nur Fürsten bezahlen können.«

»Oh! Woher beziehst Du es?«

»Es kommt aus dem Morgenlande und wächst zwischen den heimathlichen Bergen der Boinjaaren. Dort an den Abhängen des Pandjköra gehen die Jungfrauen, wenn der Mond das Herz des Krautes bestrahlt, beim Sternenscheine hinaus auf das Feld, um mit zarten Händen die Herzblätter einzusammeln, die man dann am großen Tage der Göttin zum Tempel bringt, damit der Geist der Zukunft auf sie niedersteige. Wer dann die Düfte dieses Krautes trinkt, über den kommt die Gabe der Weissagung, daß er die Sprache der Sterne versteht und weiß, was die Linien der Hand bedeuten.«

»Rauchtest Du das Kraut auch als Mädchen?«

»Nein.«

»Aber Du hattest doch die Gabe der Weissagung reichlicher als alle die Deinen!«

»Ich hatte der Gaben noch mehrere,« antwortete sie ausweichend und mit düsterer Miene; »sie sind verschwunden, und mit ihnen ist hin die Jugend und das Glück. Zarba säete Liebe und erntete Haß, sie gab Glück und Seligkeit und nahm Spott und Verachtung dafür hin. Ihr Lachen hat sich in Weinen verkehrt, ihre Liebe ist zur Rache geworden; ihr Himmel heißt Hölle, ihr Segen wurde Fluch, und ihre Schritte verklingen im tiefsten Schatten der Nacht. Im Dunkel ihres Lebens leuchtet nur ein Licht, der Stern der Rache und der Vergeltung.«

»Das klingt schlimm, Zarba, so schlimm und traurig, als hättest Du keine Freunde, welche Deiner in Liebe gedenken!«

»Freunde? Wo sind sie, und wie heißen ihre Namen?«

»Denkst Du nicht an uns?«

»An Euch? Seid Ihr meine Freunde?«

Ihr Auge funkelte unter den tiefen Höhlen hervor, und ihr Angesicht nahm den finstersten Ausdruck an, der ihr möglich war.

»Meinst Du vielleicht das Gegentheil?«

Sie schwieg eine Weile; dann entgegnete sie:

»Der Sohn dieser Erde spricht von Liebe; er glaubt an sie und opfert ihr sein Leben, und doch ist sie ein Gespenst, welches schrecklich anzuschauen ist, wenn sie die gleißende Hülle von sich wirft, denn ihr Name heißt – Selbstsucht. Euer Gott schuf und liebt die Menschen, um von ihnen angebetet zu werden; die Erde liebt die Sonne, weil sie sich an ihren Strahlen wärmt; das Kind liebt die Eltern, weil es von ihnen Alles empfängt, was es bedarf; die Eltern lieben das Kind, weil es Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blute ist; der Gatte liebt die Gattin, weil er durch sie glücklich werden will, und der Freund liebt den Freund, weil er seiner bedarf. O, ich kenne Eure Liebe, ich kenne Eure Hingebung, Eure Opferfreudigkeit! Eure Liebe hat mir das Herz aus dem Leibe gerissen, ich aber habe ihr den Schleier zerfetzt, hinter welchem sie ihr häßliches Angesicht verbirgt!«

»Zarba, Du hast nicht – —«

»Seid still! Ihr seid ein Mann und – ein Christ, und – ich hasse Beide!«

»Willst Du unsere heilige Religion schmähen, Zarba?«

»Schmähen? Nein – aber den Vorhang will ich heben, hinter welchem sie sich verbirgt. Was ist die Liebe, von welcher Euch gepredigt wird? Feindseliger Haß und tödtliche Selbstsucht. Wer nicht an Eure Satzung glaubt, wird verdammt. Was ist Eure Inquisition? Was ist Eure Mission? Auf blutigem Bahrtuche tragt Ihr Euren Glauben von Land zu Land, von Volk zu Volk; Ihr nehmt den Nationen das Hirn aus dem Kopfe und das Mark aus den Knochen, und doch – geht zu Denen, welche Ihr Heiden nennt, und seht, wo die Sünde ärger und raffinirter wüthet, bei ihnen oder bei Euch! Liebe? Ich kenne sie nicht, aber den Haß, die Vergeltung, die Rache kenne ich. Ihr handelt nach gleißnerischen Sätzen, welche feig und lügnerisch sind, uns aber lehrt Bhowannie, dasselbe zu thun, was ist!«

Der Schmied schwieg. Er hatte das Gefühl, als sei dies das Beste, was er jetzt thun könne. Nach einer Pause fuhr die Zigeunerin fort:

»Doch unsere Gottheit ist gerecht; sie vergilt auch das Gute, obgleich es niemals aus Liebe, sondern aus Eigennutz geschieht. Brandauer, erinnert Ihr Euch des Tages, an welchem die Zigeunerin Zarba aufgegriffen wurde und als Hexe in das Wasser geworfen werden sollte?«

Er nickte zustimmend mit dem Kopfe.

»Sie wäre sicher ersäuft worden, obgleich sie jung und schön war wie keine Eures Volkes. Da aber drängte sich ein starker Mann durch die Menge, faßte sie und sprang mit ihr in einen Kahn und brachte sie an das andere Ufer, wo er sie in seinem Hause versteckte viele Tage lang. Brandauer, kennt Ihr den Mann?«

Er lächelte.

»Es war nicht viel, was er that, Zarba.«

»O doch! Es war ja das Höchste, was er für mich thun konnte, denn er rettete mir mein Leben. Und das hat Zarba nie vergessen. Sie spricht täglich von ihm zu Bhowannie, und die Göttin breitet ihre Hände aus über sein Haupt und sein Haus, daß Glück in seinen Mauern wohne und Segen walte auf Allem, was er beginnt und vollbringt. Das Alter hat mir den Nacken gebeugt, den Rücken gekrümmt, das Antlitz durchfurcht und die Haare gebleicht; Zarba ist die verachtete, die häßliche Zigeunerin, vor welcher die Kinder fliehen und die Großen sich scheuen; aber ihre Hand ist mächtig und ihr Arm stärker als derjenige eines Fürsten. Wen sie haßt, den kann sie verderben, und wen sie liebt, dem bringt sie Glück und Wonne. Sie kann Herzöge entthronen und Könige einsetzen, wenn sie will, und – — —«

»Zarba – — —!«

»Du zweifelst?« Sie erhob sich und trat nahe an den Tisch heran. Das Licht fiel jetzt voll und hell über ihre Gestalt, und in seinem Schimmer funkelten ihre Augen wie schwarze Diamanten, welche in der Fülle des eingesogenen Strahles im Dunkel erglänzen. »Soll ich es Dir beweisen, Brandauer? Erinnerst Du Dich jener Nacht, in welcher Dein Weib in ihren Schmerzen lag und Ihr zu mir schicktet, weil Ihr an die Kunst der Zigeunerin glaubtet? Sie gebar ein Knäblein, und ich ging mit ihm hinaus unter die Sterne, um Bhowannie zu befragen, welches das Schicksal des Kindes sein werde. Ihr wolltet eine Antwort auf diese Frage, doch ich mußte schweigen, denn es war Großes und Unglaubliches, was ich erfuhr. Ich vertröstete Euch auf spätere Zeiten, und Ihr wartetet bis heut vergebens auf den Spruch, den ich Euch zu bringen habe. Das Knäblein ist zum Manne geworden, und – — —«

Sie wurde unterbrochen. Die Thür öffnete sich, und Max trat ein. Schnell auf ihn zutretend erfaßte sie seine Hand und zog ihn zum Tische.

»Das Knäblein ist zum Manne geworden,« wiederholte sie und fuhr dann fort: »zum starken Manne, der mich beschützte und mir den Sohn wiedergab, der mir bereits verloren war, und nun kommt über mich der Geist der Vergeltung, welcher mir den Mund öffnet, zu reden von dem, was ich bisher verschweigen mußte.«

Sie erhob die Hand und legte sie ihm, der gar nicht wußte, wie ihm geschah, auf das Haupt.

»Hört, was ich Euch sage! Es ist so gut, als ob Euer Gott vom Himmel stiege und meine Worte spräche: Dieses Haupt ist bestimmt, eine Krone zu tragen; diese Faust wird halten das Scepter, und von diesen Schultern wird wallen der Mantel des Herrschers. Der Sohn des Schmiedes wird ein König sein unter den Mächtigen der Erde. Ich sehe sie kommen, die Großen und die Kleinen, um ihre Kniee zu beugen und ihm zu huldigen, wie es jetzt thut Zarba, die Zigeunerin!«

Sie kniete vor ihm nieder, drückte ihre Stirne auf seine Hand, erhob sich dann und hatte mit zwei schnellen Schritten das Zimmer verlassen.

Sohn und Eltern blickten sich überrascht an. Sie wußten, daß Zarba keine Gauklerin sei, und so war ihr Erstaunen über diese Prophezeiung kein geringes.

»Was war das?« meinte Max. »War sie betrunken?«

»Nein, und doch kommt sie mir so vor,« antwortete der Vater. »Ich weiß, daß sie großen Scharfsinn besitzt und aus der äußeren Erscheinung eines Menschen Manches schließt, woran ein anderes Menschenkind nicht denken würde. Dazu kommen die eigenthümlichen Ereignisse am Tage Deiner Geburt, Max, über welche sie uns bis heut die Aufklärung schuldig geblieben ist; ich erwartete, nichts Gewöhnliches von ihr zu hören; aber das, was sie jetzt sagte, ist unglaublich, so unglaublich, daß man wahnsinnig sein —!«

»Sie wird mit ihren Worten einen Zweck verfolgen, welcher nicht verborgen bleiben kann,« meinte Max. »Ich war einigermaßen überrascht über den eigenthümlichen Empfang, welcher mir bei meinem Eintritte wurde, die Scene selbst aber nehme ich kühl. Wir werden ja erfahren, was Zarba bezweckte. Für jetzt ist meine Aufmerksamkeit durch ganz andere Dinge in Anspruch genommen. Nicht wahr, Vater, Du besitzest ein Passe-Partout in das königliche Schloß?«

»Allerdings. Warum?«

»Würdest Du mir es einmal anvertrauen?«

»Dir? Was wolltest Du auf dem Schlosse oder beim König?«

»Erlaube, es für jetzt noch zu verschweigen; allein, daß es sich um etwas Wichtiges handelt, kannst Du Dir denken, da ich sonst eine solche Bitte nicht aussprechen würde.«

»Hm, der König hat die Karte allerdings nur für mich bestimmt; doch denke ich, wenn die Sache wirklich richtig ist, so —«

»Keine Sorge, Vater! Ich stehe im Begriffe, dem König einen Dienst von außerordentlicher Wichtigkeit zu leisten.«

»So warte!«

Der Schmied nahm die Lampe vom Tische und ging mit ihr in das Nebenzimmer. Als er zurückkehrte, hatte er eine Karte in der Hand, deren eine Seite mit einigen engen Zeilen beschrieben war, während die andere das Privatsiegel des Königs zeigte.

»Hier!«

»Danke! Ist der Hauptmann zu Hause?«

»Ja; er ist oben.«

»Gute Nacht!«

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12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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