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Kitabı oku: «Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1», sayfa 20
Sie verließen das Stübchen leise und trennten sich.
Otto lauschte. Er vernahm ein leises Schleichen, und dann probierte man zunächst an der vorderen, dann auch an der hinteren Tür. Da der Diener die Tür zum Wohnzimmer des Herzogs, in welches er jetzt getreten war, offengelassen hatte, so konnte Otto deutlich hören, daß man dort die Läden untersuchte, ob sie fest verschlossen seien.
Unterdessen gelang es, die Schlafenden zu wecken. Die Zofe wurde zu dem Grafen gewiesen, um diesen zu bewachen; Flora war heruntergeschlichen und traf da auch ihren Vater, der eine der Pistolen forderte, um an der Verteidigung teilzunehmen, obgleich er Patient war. Er erhielt von seinem Diener eine der Waffen.
Auch Flora verlangte eine Pistole, ließ sich aber von Otto überzeugen, daß diese in der Hand eines geübten Schützen von größerem Wert sei als in der ihrigen. Da trat sie zu dem offenen Herd und nahm von dort ein großes Messer zu sich. Man konnte nicht wissen, was geschah.
Man schien mit der Untersuchung zu Ende zu sein. Vor der hinteren Tür hörten die Wartenden flüsternde Stimmen. Otto schlich sich hin und horchte.
»Ohne Lärm kommen wir nicht hinein«, sagte einer. »Es ist alles zu fest verschlossen.« – »So müssen wir durch eins der oberen Fenster steigen.« – »Pah! Durch die Fenster eines normannischen Fischerhauses? Die sind ja viel zu klein. Nein, wir müssen etwas anderes finden.« – »Wenn man nur wüßte, wieviel Menschen das Haus bewohnen.«
Da ließ sich eine weibliche Stimme vernehmen, es war diejenige Zarbas, Otto hörte dies sofort.
»Wer soll denn da wohnen?« fragte sie. »Kein Mensch, den wir zu fürchten hätten. Da ist Gabrillon, der wird es euch sagen.«
Gabrillon mußte eben erst hinzugetreten sein, denn es dauerte einen Augenblick, ehe man ihm erklärt hatte, um was es sich handelte.
»Ich habe dieses Haus vom Turm aus beobachtet«, flüsterte er. »Jean Foretier, dem es gehört, hat es dem Herzog ganz überlassen und wohnt bei seinem Nachbar; ihn haben wir also nicht zu fürchten. Hier gibt es nur den Herzog, der ist bereits eine halbe Leiche, er tut uns nichts; ferner seine Tochter und eine Zofe, die werden sich unter die Bettdecken verkriechen und wimmern; endlich gibt es einen Diener, der der einzige ist, mit dem wir zu rechnen haben. Aber wir sind ihm sechsfach überlegen.« – »Da wißt ihr‘s«, sagte Zarba. »Hört, was ich euch sage: Diese hintere Tür ist nicht so fest wie die vordere; wenn zwei sich dagegen stemmen, so drücken wir sie ein. Wir dringen in das Haus und suchen zunächst Licht. Finden wir dieses, so ist es nicht schwer, auch den Grafen zu finden. Ehe sich die anderen besonnen haben, sind wir fort und wieder auf unserem Boot. Ich freilich darf nicht in das Haus. Euch kennt man nicht, mich aber mehr als genau, und wenn man auch ahnen wird, daß der Plan von mir ausgeht, so soll man mir es doch nicht beweisen können. Also vorwärts! Macht los, ich warte hier!«
Es vergingen einige Augenblicke, dann stemmten sich von draußen mehrere kräftige Schultern gegen die Tür. Diese krachte, erst leise, dann stärker und immer stärker. Otto hatte sich von ihr zurück- und zu den anderen hingeschlichen.
»Sie kommen«, sagte er. »Wir haben acht Kugeln, das genügt vollständig. Doch wollen wir nicht sofort schießen, sondern sie erst anrufen.«
Die Tür wurde vom Riegel gehalten, aber endlich schien er nachzugeben. Es prasselte abermals, dann folgte ein lauter Krach, und die Tür flog auf. Die Zigeuner schickten sich an, einzutreten.
»Halt!« rief ihnen der Maler entgegen. »Was wollt ihr? Wir schießen!« – »Drauf!« gebot als Antwort Garbo, der Anführer der Zigeuner. »Das ist der arme Wicht, der Diener.«
Sie drangen ein, wurden aber von krachenden Schüssen empfangen. Laute Schreie und Flüche erschollen, daneben einige Hilferufe, denen ein schmerzliches Ächzen und Stöhnen folgte. Die Kugeln hatten getroffen.
»Zurück!« hörte man Garbo kommandieren.
Dann vernahm man, daß die noch Unverwundeten davonrannten. Sie ließen die anderen im Stich, sie wagten nicht, sich mit Fortschaffen der Niedergeschossenen aufzuhalten, da die Pistolensalve sie auf die Vermutung gebracht hatte, daß die Verteidiger zahlreich seien. Diese wiederum standen von einer Verfolgung ab, die bei dem Dunkel der Nacht keinen Erfolg haben konnte.
Es wurde Licht angebrannt, und nun sahen sie, daß drei Zigeuner im Haus lagen, zwei tot und einer schwer verwundet. Otto eilte schleunigst in die Stadt, wo er die Polizei bereits in Aufregung fand. Der Gefängnisinspektor hatte bei seiner Heimkehr die Abwesenheit des Schließers und die Flucht der Gefangenen entdeckt und sofort Anzeige erstattet. Infolgedessen fand der Maler den Maire wach und teilte ihm das Geschehene mit.
Der Beamte begab sich nun sofort in Begleitung seiner Gendarmen nach der Wohnung des Herzogs, um dort den Tatbestand aufzunehmen.
Der verwundete Zigeuner wurde verhört. Seine Verletzung war tödlich, aber selbst die Nähe des Todes bewog ihn nicht, ein offenes Geständnis abzulegen. Er hing an Zarba so sehr, daß er kein Wort sprach, das ihr den geringsten Schaden hätte bereiten können. Nur das sagte er aus, daß der Wahnsinnige wirklich Graf Emanuel Rodriganda sei, den man vom Leuchtturm habe entfernen wollen. Aber wie der Graf dorthin gekommen sei und wohin er hatte gebracht werden sollen, das sagte er nicht. Er behauptete, es nicht zu wissen.
Er wurde mit den beiden Leichen fortgeschafft und starb noch während der Nacht im Gefängnis. Von den entflohenen Zigeunern war keine Spur mehr zu finden. Die Polizei vigilierte vergebens nach ihnen, sie wurden nicht entdeckt. Freilich schienen die Nachforschungen nicht sonderlich angestrengt betrieben zu werden. Es handelte sich ja um Ausländer, und dem Maire nebst seinen Vorgesetzten lag nichts daran, von der ganzen Angelegenheit viel Geschrei zu machen, sie konnten nichts dabei gewinnen. Im übrigen gaben sich auch der Herzog und Otto zufrieden, den Grafen Emanuel als solchen amtlich festgestellt und anerkannt zu sehen. Alles Weitere konnte nur Unbequemlichkeiten für sie mit sich bringen oder gar ihre Abreise verzögern.
Sie machten vor Gericht ihre Aussagen betreffs der Abwehr der Zigeuner, und da sie in berechtigter Selbstverteidigung gehandelt hatten, erwuchsen ihnen aus der Tötung der drei Männer keinerlei Unannehmlichkeiten. Indessen besserte sich die Gesundheit des Herzogs dermaßen, daß er nach der von Sternau angegebenen Zeit seine Reise antreten konnte. Einige Tage Aufenthalt zuerst in Paris und dann in Straßburg übten einen wohltätigen Einfluß auf ihn, und als er Mainz erreichte, hatte er zwar noch ein leidendes Aussehen, aber seine Kräfte waren gestärkt, und er bot einen ganz anderen Anblick als bei Beginn der letzten Woche, die eine so verhängnis- und ereignisvolle gewesen war.
29. Kapitel
»Ich jage durch die wilde Flut,
Die Wogen sind meine Meute;
Ich sehne mich nach des Feindes Blut,
Vergossen um goldene Beute.
Im Kampf wird doppelt stark die Faust,
Zu Helden werden die Feigen,
Drum, wer meine Flagge erkennt, dem graust,
Er weiß ja, er kann nicht entweichen.
Selbst im Orkan, wenn‘s andren graut,
Erhebe ich Steuern und Zölle:
Der Sturm ist mein Kumpan, die See meine Braut.
So segle ich kühn in die Hölle.«
Sternau war, nachdem er die Bucht verlassen hatte, nach Süden gedampft. Er kam glücklich über den der Seefahrt so gefährlichen Meerbusen von Biskaya, der von den Schiffern der Matrosenkirchhof genannt wird, und legte, um Nachforschungen anzustellen, bei den Kapverdischen Inseln, bei den Kanaren und den Azoren an, konnte aber nichts erfahren.
Nun ging er direkt nach Sankt Helena, wo er seinen Kohlenvorrat ergänzen wollte, und fand hier endlich die erste Spur. Auch Kapitän Landola hatte mit seiner »Pendola« hier angelegt, um Wasser einzunehmen, und war nach Süden gegangen. Nun stand zu erwarten, daß man in der Kapstadt weiteres von ihm hören werde, und darum hielt Sternau nach dem Kap der Guten Hoffnung zu.
Die Jacht »Rosa« befand sich einige Grad nördlich vom Kap, und es war früher Morgen, als Helmers, der jetzt nicht mehr Steuermann, sondern Kapitän genannt wurde, in die Kajüte kam, wo Sternau sich befand, und ihm meldete, daß in West ein Dreimaster in Sicht sei.
Man hatte einen Neger an Bord, namens Quimbo, einen ehemaligen Matrosen Landolas, den Helmers zufällig in einer Hafenstadt getroffen und für die »Rosa« angeheuert hatte. Dieser Neger besaß ein sehr scharfes Auge und hatte das Schiff vom Mast aus mit bloßem Auge eher entdeckt, als es von Helmers mit dem Fernrohr bemerkt worden war.
»Ist es die ›Pendola‹?« fragte Sternau. – »Das ist noch nicht zu entscheiden«, antwortete Helmers. »Aber nach der Stellung der Segel scheint es ein Kauffahrer zu sein. Ich werde auf ihn zuhalten lassen.«
Sie gingen miteinander an Deck und nahmen das Fernglas zur Hand. Nach der Zeit von einigen Minuten bemerkten sie, daß der Dreimaster ebenso südlichen Kurs hatte wie sie, doch kamen sie schneller vorwärts als er, denn sie hatten sehr günstigen Wind und konnten das Segelwerk benutzen und damit die Dampfkraft unterstützen.
Während sie so mit erhöhter Geschwindigkeit dahinschossen, stieß der Neger, der immer noch oben im Topp des Mastes hing, einen lauten, scharfen Ruf aus, der halb wie Schreck und halb wie Überraschung klang.
»Was gibt‘s?« fragte Sternau hinauf. – »Noch ein Schiff, Massa!« antwortete der Gefragte. – »Wo?« – »Da in West. Aber man kann es nicht gut sehen; es hat schwarze Segel.« – »Schwarze Segel?« fragte Helmers schnell. »Die hat kein anderes Fahrzeug, das ist der schwarze Kapitän!«
Er richtete das Fernrohr nach der Gegend, die der Neger mit dem ausgestreckten Arm angedeutet hatte, und sah nun allerdings ein zweites Schiff, das mit vollem Wind auf das erste zuhielt. Die dunkle Farbe seiner Segel machte, daß man es nur schwer erkennen konnte.
»Es ist wirklich der Schwarze!« sagte endlich Helmers mit erregter Stimme. – »Täuschen Sie sich nicht?« meinte Sternau. – »Nein. Dieser Landola ist ein schlauer Schurke. Er hat zweierlei Segeltuch. Wenn er einen Hafen anläuft, so hängt er das weiße an, befindet er sich aber auf hoher See, so braucht er das schwarze. Das Umtauschen verursacht eine riesige Arbeit, aber er scheut sie nicht, da sie zu seiner Sicherheit beiträgt. Wie es scheint, hat er es auf den Kauffahrer abgesehen, er hält gerade auf ihn los.« – »So kommen wir dem Angegriffenen zu Hilfe!« sagte Sternau. »Endlich, endlich habe ich diesen Landola, und ich hoffe, daß er mir nicht entkommen soll!«
Der Kapitän schüttelte mit sehr ernster Miene den Kopf und erwiderte:
»Wir dürfen nicht vergessen, daß unsere kleine Jacht dem Seeräuber nicht gewachsen ist. Unsere Aufgabe kann nur sein, ihn an Bord zu treffen, bei einem Kampf auf hoher See können wir ihm zwar großen Schaden machen, aber in die Hand bekommen wir ihn nicht. Doch hoffe ich, daß der Kauffahrer sich wehren wird, dann sind wir zwei gegen einen. Ich werde die Segel beschlagen lassen und den Dampf benutzen, damit er uns so spät wie möglich bemerkt.«
Es wurden nun alle nötigen Vorbereitungen getroffen. Die Segel, die man sehr weit sehen konnte, wurden einbezogen und die Geschütze geladen. So schoß das kleine Fahrzeug jetzt unbemerkt dem voraussichtlichen Kampf entgegen.
Nach einiger Zeit hatte der Seeräuber sich dem Kauffahrer genügend weit genähert. Er zog die rote Piratenflagge auf und gab durch einen Kanonenschuß das Zeichen beizudrehen. Der Kauffahrer schien sein Schicksal bereits erkannt zu haben. Er hatte alle seine Segel beigesetzt und gab sich Mühe, zu entkommen. Eine rasche Schwenkung brachte ihn aus dem Kugelbereich des Piraten; dieser aber führte sogleich dasselbe Manöver aus und schoß hinter ihm her. Er war ein besserer Segler und holte den anderen bald wieder ein.
Ein zweiter Schuß erdröhnte über die See herüber. Dieses Mal hatte der Pirat scharf geladen, man sah, daß seine Kugel in das Holzwerk des Kauffahrers eindrang und mächtige Splitter aus demselben riß. Ein lauter Jubelschrei erscholl auf dem Seeräuber, und Wut- und Schreckensrufe antworteten vom Kauffahrer her. Dann ließ letzterer plötzlich einige Segel fallen und drehte bei, so daß der Pirat an ihm vorüberflog. In diesem Augenblick kräuselten zwei Wölkchen vom Verdeck des Kauffahrers empor, zwei Schüsse krachten, und sogleich sah man, daß eine augenblickliche Verwirrung an Bord des Piraten entstand; die beiden Schüsse hatten getroffen.
»Ach, sehr gut!« rief Helmers. »Der Kauffahrer ist ein Engländer; er hat einige Kanonen an Bord und ist entschlossen, sich seiner Haut zu wehren. Seine Jungens können brav zielen. Vorwärts! Wir nehmen den Räuber von der anderen Seite!«
Die beiden Schiffe lagen jetzt einander gegenüber und wechselten Schüsse. Es war klar, daß der Pirat dem Engländer überlegen war, aber eine langweilige Kanonade schien ihm nicht zu behagen. Er setzte nämlich plötzlich die vorher eingezogenen Marssegel wieder bei, um den Wind zu fangen und sich mit dem Kauffahrer Bord an Bord zu legen.
»Er will ihn entern!« rief Sternau. – »Ja«, antwortete Helmers. »Aber sehen Sie, daß der Engländer auch ein ganz geschickter Junge ist! Auch er fängt den Wind und dreht sich auf dem Kiel! Er zeigt dem Piraten nur den Bug, gerade wie ein Fuchs, der dem Hund nur die Zähne zeigt. Ich gebe vollen Dampf; in fünf Minuten sind wir da und reden ein gewichtiges Wort mit«
Die Jacht hatte bisher vermieden, Rauch zu machen, und war also von den beiden Schiffen gar nicht bemerkt worden. Jetzt aber zog ein dunkler, langer Streifen aus ihrem Schornstein empor, und sofort erscholl auf dem Engländer ein lauter Ruf der Freude. Auch der Pirat sah den neuen Gegner wohl, hielt es aber gar nicht für nötig, den Zwerg zu beachten, sondern ließ sich in seinem Angriff nicht im mindesten stören.
Da schoß die »Rosa« bei dem Engländer vorüber. Der Kapitän stand auf dem Quarterdeck und rief herunter:
»Holla, Jacht! Ist‘s Hilfe oder nicht?« – »Es ist Hilfe!« antwortete Sternau. »Ergebt euch nicht!« – »Fällt uns nicht ein!«
Der Kapitän machte diese Worte auch sofort wahr, indem er dem Räuber eine neue Salve gab, die, nach den Flüchen zu urteilen, die an Deck desselben erschollen, gut gezielt sein mußte. Da hörte man eine laute, zornige Stimme rufen:
»Ruder in See! Kommt an ihn! Fertig zum Entern!« – »Ah, das ist Landola!« sagte Helmers. »Diese Stimme kenne ich. Aber wir werden ihm das Entern sofort verleiden.«
Die Jacht steuerte nun einen Bogen und hielt dann gerade vor Backbord des Piraten, an dem sie so nahe beidrehte, daß sie von den Kanonen desselben gar nicht getroffen werden konnte.
»Feuer!« kommandierte jetzt Helmers.
Da krachten seine Geschütze, und der Räuber erbebte. Die sämtlichen Kugeln hatten ihn in den Rumpf getroffen.
»So ist‘s recht!« rief Helmers. »Gebt ihm Kartätschen auf das Deck!«
Während die zwei Mittelgeschütze der Jacht sich bemühten, dem Feind unter der Wasserlinie ein Leck beizubringen, bestrichen die Drehbassen sein Verdeck mit Kartätschen. Der Pirat sah erst jetzt ein, daß der kleine David ein ganz respektabler Gegner sei, und schenkte ihm seine Aufmerksamkeit. Aber seine Geschütze konnten nicht treffen, und gegen die Büchsenkugeln hatte Helmers sein Verdeckt durch Matten geschützt, die längs des Bords aufgehängt waren.
So lag der Pirat zwischen dem Engländer und der Jacht. Beide hielten sich wacker, und er mußte erkennen, daß er sich in keiner angenehmen Lage befand. Es war klar, daß er dem Kauffahrer nicht eher beikommen konnte, als bis er die Jacht von sich abgeschüttelt hatte.
»Entert die verdammte Nußschale!« rief er.
In Zeit von einigen Minuten waren zwei seiner Boote herabgelassen und bemannt, die Jacht anzugreifen.
»Das ist mir recht!« lachte Helmers. »Sie sollen sogleich Wasser trinken.«
Er ließ sofort Rückdampf geben, um freies Ziel zu erhalten, und stellte sich selbst an eines der Geschütze. Soeben kam das größere der Boote auf ihn zu. Helmers zielte selbst höchst sorgfältig und gab Feuer. Die Kugel fuhr in den Bug des Bootes, ging durch die ganze Länge desselben und hinten wieder hinaus. Mehrere der Ruderer wurden zerrissen und das Steuer zerschmettert. Das Fahrzeug faßte Wasser und sank. Die Leute sprangen in die See, und das zweite Boot eilte herbei, sie aufzunehmen, da aber wurde auch dieses von einer Kugel getroffen, erhielt ein großes Leck und schöpfte Wasser.
»So!« rief Helmers. »Gebt ihnen nun Kartätschen. Sie sollen nicht wieder an Bord kommen!«
Dies geschah, und nun erst sah Landola ein, daß die kleine Jacht ein gefährlicherer Gegner sei als das englische Vollschiff. Er bebte vor Wut. Man sah ihn droben am Ruder stehen und hörte seine Stimme deutlich.
»Werft Handgranaten herab!« befahl er. »Wir wollen diesen Zwerg zerreißen.«
Jetzt trat Sternau hinter der schützenden Matte hervor und rief hinauf:
»Henrico Landola, ich grüße dich von Cortejo in Rodriganda!« Da erbleichte der Räuber. Er sah sich entlarvt und brüllte:
»Granaten! Schnell! Schnell! Dieser Kerl darf uns nicht entgehen!«
Aber Helmers ließ die Maschine arbeiten und zog sich in solche Entfernung zurück, daß die Handgranaten die Jacht nicht erreichen konnten; doch nun lagen sie vor den Mündungen der Kanonen des Piraten, die ihnen gefährlich werden konnten; darum legte Helmers sich vor das Steuer des Feindes, wo ihm nur die Sternkanone desselben gefährlich werden konnte, und versuchte, das Steuer zu zerschießen. Gelang dies, so war der Pirat manövrierunfähig gemacht. Dies sah Henrico Landola ein. Er zog daher die Segel auf und trachtete, die Jacht in Grund zu segeln, doch wich sie ihm hurtig und geschwind aus.
Unterdessen war auch der Engländer tätig gewesen. Er war zwar mehrfach beschädigt, aber seine Kugeln hatten bedeutende Spuren zurückgelassen. Dadurch, daß der Pirat seine Aufmerksamkeit und seine Kräfte teilen mußte, kam er in Nachteil. Von einem Entern des Kauffahrers war keine Rede mehr, und als jetzt die Jacht alle ihre Schüsse nach seinem Steuer richtete, sah er sich bedroht, kampfunfähig gemacht zu werden. Er zog also alle seine Segel auf und ging unter dem Wind davon, nachdem er dem Engländer noch eine ganze Breitseite in den Rumpf geschossen hatte.
An Bord des Kauffahrers erhob sich ein lautes Jubelgeschrei, und als jetzt die Jacht sich ihm näherte, um an seinem Fallreep anzulegen, wurde sie mit freudiger Dankbarkeit begrüßt.
Sternau ging mit Helmers an Bord des geretteten Schiffes.
»Das war Hilfe zur rechten Zeit, Sir!« rief ihnen der Kapitän zu, indem er ihnen die Hände reichte. »Ihre Jacht ist ein verdammt kleiner Held!« – »Und Sie selbst sind auch kein Feigling, Sir!« antwortete Sternau. – »Pah, ich tat meine Schuldigkeit! Aber ich bin doch neugierig, ob der Kerl mich wieder angreifen wird.« – »Das läßt er sicherlich bleiben, denn ich würde Ihnen wieder Gesellschaft leisten.« – »Ah, das klingt ja, als ob Sie mich begleiten wollten.« – »Nicht Sie, sondern ihn werde ich begleiten. Ich habe diesen Kerl bereits seit Wochen gesucht und werde ihn nicht wieder aus den Augen lassen.« – »Wirklich?« fragte der Kapitän verwundert. »Haben Sie mit ihm vielleicht eine kleine Rechnung abzuschließen?« – »Oh, nicht eine kleine, sondern eine ziemlich große. Aber sagen Sie, Sir, gehen Sie vielleicht nach Kapstadt?« – »Ja.« – »So tun Sie mir den Gefallen und melden Sie, daß Sie mit dem ›Lion‹, Kapitän Grandeprise, gekämpft haben, daß aber diese Namen falsch sind. Das Schiff heißt ›La Pendola‹, und der Kapitän ist ein Spanier namens Henrico Landola. So wird man ihn greifen können. Ich werde so tun, als ob ich in Ihrem Kielwasser auch nach Kapstadt gehe, er wird sich dann sicher fühlen und nicht vermuten, daß ich ihm folge.« – »Aber, was haben Sie mit ihm, Sir?«
Sternau erzählte ihm so viel, als er für nötig hielt, und kehrte dann auf die Jacht zurück, die nach Süden dampfte, während der Räuber den Kurs nach Südwest einhielt. Als er sich so weit entfernt hatte, daß von seinem Verdeck aus die Jacht selbst mit dem besten Fernrohr nicht mehr zu erkennen sein konnte, schlug Helmers dieselbe Richtung ein.
30. Kapitel
Während also Sternau nach Amerika und der Herzog von Olsunna auf der Eisenbahn nach Deutschland dampften, glaubten die Bewohner von Rheinswalden sicher nicht, daß ihnen eine Gefahr drohe, und dennoch war es so.
Zu Genheim bei Bingen saß Graf Alfonzo am Fenster und blickte hinaus auf die vor ihm sich ausbreitenden Gärten und Felder. Er war sehr lange krank gewesen, trug auch jetzt noch den Arm in der Binde, fühlte sich aber sonst ziemlich wohl und hergestellt.
In seiner Nähe stand Gerard Mason. Auch er trug den Arm in der Binde; der Schlag der Eisenbahnschiene war schlimmer gewesen, als er es vorher eingestanden hatte; doch konnte ihn das nicht mehr hindern, für seinen Herrn tätig zu sein. Er empfing eben jetzt einen Befehl desselben. Er sollte sich nämlich nach Rheinswalden begeben und dort Erkundigungen einziehen.
Graf Alfonzo schärfte ihm alle Einzelheiten ein und machte ihn besonders darauf aufmerksam, daß er ja mit dem Jägerburschen des Oberförsters bereits bekannt sei und sich nur an diesen zu wenden brauche.
Gerard fuhr also mit der Bahn nach Mainz und ging von da nach Rheinswalden, um sich das Opfer anzusehen, das durch ihn sterben sollte. Das Glück war ihm günstig, denn als er so die Straße durch den Wald dahinschritt, trat Ludwig zwischen den Bäumen hervor und erkannte ihn sogleich.
Sie begrüßten sich und sprachen, weiterschreitend, zunächst über den Eisenbahnunfall. Dies gab dem Franzosen Gelegenheit, von den Verletzungen zu sprechen, die er und sein Herr erlitten hatten. Er habe gehört, daß es hier einen Doktor Sternau gäbe, der ein berühmter Arzt sei; zu ihm wolle er gehen, um sich nochmals untersuchen zu lassen, ob sein Arm richtig behandelt worden sei. Auch kenne er den Doktor Sternau bereits von Paris aus.
Er erfuhr nun von dem redseligen Ludwig, daß Sternau nicht mehr hier sei. Der Jagdgehilfe freute sich, einmal so recht von der Leber weg sprechen zu können, und erzählte alles, was er von den Bewohnern des Schlosses wußte. So erfuhr denn der Garotteur von Rodriganda, von Cortejo, von Henrico Landola, der jetzt gesucht wurde, von Sternau und Helmers, die zur See waren.
Sonderbar! Alle diese Namen standen in dem Notizbuch, das Gerard Mason sich abgeschrieben hatte. Dieses Buch mußte mit all den abenteuerlichen Begebenheiten in direkter Beziehung stehen. Es lag ihm sehr daran, den Zusammenhang zu erfahren, doch handelte es sich zunächst nur noch darum, Gräfin Rosa zu sehen, um sein Opfer genau kennenzulernen.
Darum sagte er dem Jäger, daß er Frau Doktor Sternau sprechen wolle, da Sternau selbst nicht zugegen sei, und als sie Rheinswalden erreicht hatten, meldete ihn Ludwig an. Frau Sternau, ihre Tochter und Rosa befanden sich in der Wohnung der ersteren, als Ludwig sagte, daß ein Franzose aus Paris sie zu sprechen wünsche; es sei derjenige, der damals bei dem Eisenbahnunfall von der Schiene verletzt worden sei. Der Fremde erhielt die Erlaubnis, einzutreten; als er drei Damen gegenüberstand anstatt nur einer, überkam ihn eine Art von Verlegenheit, doch überwand er dieselbe und machte eine ziemlich gelungene Verbeugung.
»Verzeihung, Madame«, sagte er zu Frau Sternau. »Ich wollte eigentlich mit dem Herrn Doktor Sternau sprechen.« – »Der ist leider verreist«, entgegnete Rosa in französischer Sprache sehr freundlich zu ihm. – »Ich hörte es; aber ich bringe ein Herz voll Dankbarkeit mit, das ich Ihnen zu Füßen legen möchte, da der Herr Doktor nicht selbst anwesend ist.« – »Ah, Sie kennen ihn? Sie sind Franzose, wie mir der Diener sagte?« – »Ja.« – »Und wohnen in Paris?« – »Allerdings.« – »So hat er Ihnen gewiß in einer Krankheit beigestanden?« – »Nein. Hat der Herr Doktor Ihnen nicht erzählt von der armen Annette Mason?« – »Ich kenne den Namen nicht.« – »Welche sich in die Fluten der Seine stürzte?« – »Nein. Mein Gott, welch ein armes Kind!« – »Und der er nachsprang, mitten in der dunkelsten Nacht und in einer der tiefsten und gefährlichsten Stellen?« – »Kein Wort hat er davon erzählt! Er ist ihr nachgesprungen?« – »Ja, und er hat sie herausgeholt und auf seinen Armen zu einer braven Frau getragen. Und dann hat er ihr bei dem Professor Letourbier eine gute Stellung verschafft. Das alles hat er getan.« – »Und davon wissen wir nichts, gar nichts!« – »Nun, ich bin zufällig in der Nähe, und so kam ich, um ihn einmal zu sehen und ihm zu danken. Wie schade, daß ich ihn nicht sprechen kann!«
Rosa hatte sich erhoben und war ihm nahe getreten. Ihr schönes Antlitz strahlte von Glück über die Heldentat, die von dem geliebten Mann berichtet wurde.
»Sie müssen ein braver Mann sein, da Sie so dankbar sind«, sagte sie. »Wann ist das geschehen, was Sie hier erzählen?« – »Kurz vor seiner Abreise von Paris nach hier.«
Gerard blickte in Rosas Augen und fühlte sich überwältigt von dem Strahl, der aus denselben drang. Das also war Sternaus Frau; das war Rosa de Rodriganda, die er verschwinden lassen sollte! Nie, niemals!
»Wir danken Ihnen! Sie haben uns mit Ihrer Erzählung eine große Freude bereitet. Können wir Ihnen irgendeine Bitte erfüllen?« fragte sie. – »Ich habe keinen Wunsch, als daß es Ihnen stets wohlergehen möge, gnädige Frau.« – »Ich danke, mein Freund!« – »Es gibt Menschen, die Ihnen das Gegenteil wünschen …« – »Warum denken Sie dies?«
Gerard, der den Blick nicht von ihr wenden konnte und von ihrem Anblick immer mehr berauscht wurde, fuhr fort:
»Es gibt sogar Leute, die Ihnen nach dem Leben trachten.« – »Mein Gott!« rief sie, erschrocken zurückweichend. »Ja, es gibt Leute, die Mörder dingen und bezahlen, um Sie und den Herrn Doktor verschwinden zu lassen, aber Gott hat Sie in seinen besonderen Schutz genommen; er wird nicht zugeben, daß Ihnen ein Haar Ihres Hauptes gekrümmt werde.« – »Sie erschrecken mich! Wovon sprechen Sie?« – »Ich will es Ihnen sagen, Madame«, antwortete er, ganz trunken von der Nähe eines so herrlichen Wesens. »Hier in der Nähe wohnt Graf Alfonzo de Rodriganda unter einem falschen Namen; er hat aus Paris einen Mörder mitgebracht, der Sie töten soll, aber dieser Mann ist nur mit nach Deutschland gegangen, um Sie zu warnen. Mehr kann ich nicht sagen, adieu!«
Ehe ihn jemand halten oder fragen konnte, war er verschwunden. Die drei Damen standen einander regungslos gegenüber.
»Was war das?« fragte Rosa. – »Gott, bin ich erschrocken!« seufzte die Mutter. – »Ist das Wahrheit oder Mystifikation?« fragte Fräulein Sternau. – »Das war Wahrheit«, sagte Rosa. – »Ja, dieser Mann war kein Lügner!« stimmte Frau Sternau bei. – »Aber wer war er?« – »Er nannte den Namen seiner Schwester, Annette Mason.« – »War er selbst der gedungene Mörder?« – »Seine Worte machen es wahrscheinlich!« – »Also der Graf ist in der Nähe!« – »Aber wo?« – »Mein Kind, rufe einmal Ludwig!« bat die bedachtsame Mutter.
Die Tochter rief den Gehilfen. Er erschien augenblicklich.
»Wissen Sie, wie der Mann heißt, den Sie eben zu uns brachten?« fragte Frau Sternau. – »Nein.« – »Auch nicht, was er ist?« – »Er ist Diener.« – »Bei wem?« – »Bei einem italienischen Marchese.« – »Wo befindet sich dieser?« – »Beim Lehrer Wilhelmi in Genheim.« – »Bei Wilhelmi? Wie kommt ein Marchese in das Schulhaus?« – »Er hat beim letzten Unglück den Arm gebrochen, und der Arzt ließ ihn hinschaffen.« – »Hast du ihn gesehen?« – »Nein.« – »Oder gehört, ob er jung ist oder alt?« – »Nein.« – »Hm! Laß anspannen!« – »Sogleich?« fragte er, als er sah, daß es sich um etwas Wichtiges handeln müsse. – »Sofort!« beschied sie ihn. Ludwig eilte hinaus, und Rosa fragte die Mutter:
»Sie wollen ausfahren?« – »Ja, und Sie sollen mit.« – »Wohin?« – »Nach Genheim, um uns diesen Marchese anzusehen.« – »Das ist auffällig, Mama!« – »Nein. Der Lehrer ist ein Cousin von mir.« – »Und wenn es der Graf wäre, der sich bei ihm befindet?« fragte Rosa besorgt. – »So lassen wir ihn auf der Stelle festnehmen.« – »Aber die Gefahr, in die wir uns begeben! Ich habe einen anderen Vorschlag.« – »Welchen?« – »Wir fahren nach Mainz zum Staatsanwalt und nehmen denselben mit.« – »Kind, das ist ein sehr kluger Einfall. Machen wir schnell Toilette, daß wir keinen Augenblick versäumen.« – »Ist Eile so dringend nötig?« – »Ja, sonst fliegt der Vogel aus.« – »Gerade jetzt?« – »Gewiß. Dieser brave Mann ist ehrlich. Er hat uns gewarnt, aber er wird es auch dem Grafen sagen, daß er uns gewarnt hat. Und was dann geschieht, das kann man sich denken.« – »Er wird sofort abreisen.« – »Und lieber alles andere im Stich lassen, denn wenn er festgenommen würde, so hätte er sein ganzes Spiel verloren. Darum müssen wir eilen!«
Gerard hatte das Zimmer und das Schloß verlassen und wollte nach Mainz zurückkehren, aber er war so entzückt, so aufgeregt, daß er beschloß, nicht die Straße zu gehen, sondern, den Wald durchquerend, die Einsamkeit zu genießen.
So wanderte er langsam in der angenommenen Richtung weiter, als er plötzlich eine Blöße erreichte, auf der ein einsames Häuschen stand. Es war die Wohnung des Waldhüters Tombi.
Dieser baute davor an einem der Läden herum, als er den Fremden kommen sah. Beide standen und blickten einander an.
»Wer sind Sie?« fragte Tombi. – »Ein Fremder, der durch den Wald nach Mainz will«, antwortete Gerard. »Und wer sind Sie?« – »Ich bin Forsthüter.« – »Bei wem?« – »Beim Herrn Hauptmann von Rodenstein. Haben Sie es so eilig, daß Sie gerade durch den Wald gehen wollen?« – »Nein, es war eine kleine Laune von mir.« – »Sie sprechen das Deutsche recht fremd.« – »Ich bin Franzose.« – »Ah, und ich Spanier.« – »Spanier? Ist‘s wahr?« – »Ja, ich bin ein spanischer Zigeuner.«
Gerard dachte sofort an das geschriebene Notizbuch. Was der Waldhüter las, erfuhr sicherlich niemand, denn wer kümmerte sich um einen Zigeuner.
»Darf man bei Ihnen ein bißchen ausruhen?« fragte er daher. – »Gewiß! Kommen Sie mit herein in die Stube.«
Die Männer traten ein und unterhielten sich dort über alle möglichen Gegenstände. Der Waldhüter erzählte, daß er trotz seiner Jugend in Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland, Polen und anderen Ländern gewesen sei, und da fragte Gerard:
»Aber sprechen Sie denn auch die Sprachen dieser Länder?« – »So ziemlich!« – »Und schreiben und lesen?« – »So ziemlich!« »Lesen Sie spanisch?« – »Ja.« – »Ich habe da ein altes Heft gefunden, das spanisch sein muß. Wollen Sie es einmal ansehen?« – »Zeigen Sie!«
