Sadece Litres'te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1», sayfa 23

Yazı tipi:

Das Gesicht Rodensteins hatte einen ganz anderen Ausdruck angenommen als vorher, dennoch beherrschte sich der sonst so jähzornige Mann und sagte:

»Einem anderen würde ich eine solche Rede nicht erlauben. Sprechen Sie!« – »Sie haben Ihrem Sohn das Recht genommen, sein Vaterhaus zu betreten«, begann Olsunna. – »Er hat es nicht besser verdient! unterbrach ihn Rodenstein. – »Das ist Ihre Meinung, Herr Hauptmann, ich aber will es nicht untersuchen, ob es recht oder unrecht ist, einen begabten Sohn zum Sklaven eines Prinzips zu machen und ihm darum zu verbieten, Gottes Stimme zu gehorchen, der ihm sein Talent gegeben hat, um Großes zu leisten. Ihr Sohn hat der Stimme Gottes gehorcht; Sie haben ihn von sich verbannt, ihn des Vaterhauses, der Vaterliebe, des Namens beraubt; vielleicht hätten Sie anders gehandelt, wenn die vermittelnde Stimme der Mutter dazwischen hätte klingen können, des Weibes, das Sie einst geliebt haben und an das Sie denken mußten, ehe Sie den Sohn von sich stießen, denn dieser gehört nicht Ihnen allein.« – »Donnerwetter!« brummte der Hauptmann.

Es war nicht zu bemerken, ob es ein Wort des Zorns sein sollte, oder ob es Mißmut bedeutete über eine weiche Regung, die sich aus seinem verschlossenen Innern empordrängte. Alle wußten, daß er an seiner Frau mit großer Innigkeit gehangen hatte und daß gerade der Harm über ihren Verlust ihn so rauh und grillig gemacht hatte. Der Herzog fuhr unbeirrt fort:

»So ist Ihr Sohn also seinen eigenen Weg gegangen, und dieser Weg hat ihn zur Höhe geführt. Trotzdem hat er seinem Ruhm entsagen wollen, um das Vaterherz wiederzugewinnen. Dieses Opfer war groß, war ungeheuer; es gehörte die ganze Kraft einer außerordentlichen Selbstverleugnung und Kindesliebe dazu, es zu bringen, Sie aber haben es nicht angenommen und die Großherzigkeit Ihres Sohnes nicht erkannt. Ich hege eine bessere Meinung von ihm, er hat sich meine vollste Hochachtung erworben. Er ist ein ungewöhnlicher Mann, auf den Sie stolz sein sollten, und so bin ich bereit ihm Achtung und Teilnahme auf eine ungewöhnliche Art zu beweisen. Er hat eine junge Dame von sehr ehrenwerter Stellung kennengelernt aber er will sich ohne Wissen seines Vaters nicht vermählen, er ist der Künstler, durch den wir den Grafen Rodriganda entdeckt haben; ich bitte an seiner Stelle für ihn um die Erlaubnis, jener Dame die Hand reichen zu dürfen!«

In dieser Weise hatte noch niemand mit dem Hauptmann zu sprechen gewagt. Es wurmte ihn gewaltig, aber über sein Gesicht zuckte es doch wie väterlicher Stolz, seinen Sohn von einem solchen Mann so gelobt zu sehen, und wie eine herzliche Rührung, die er nicht zu unterdrücken vermochte.

»Wer ist diese Dame?« fragte er endlich. – »Hier steht sie«, antwortete der Herzog. »Meine Tochter Flora.«

Staunend tat der Oberförster einen Schritt vorwärts und rief:

»Ihre Tochter, die Prinzessin? Wenn vorhin alles Ernst war, so ist doch dies hier Scherz!« – »Glauben Sie wirklich, daß der Herzog von Olsunna seine einzige Tochter einem armen Künstler geradezu anbietet, um sich nur einen Spaß zu machen? Meine Tochter liebt Ihren Sohn; er ist es wert; sie sollen glücklich sein, darum gab ich ihnen mein Jawort. Jetzt tun Sie, was Sie vor uns, vor Gott und Ihrem Vaterherzen verantworten können!«

Da legte der Hauptmann die beiden Hände an seine Stirn:

»Bin ich irrsinnig? Mein Sohn und die Tochter des Herzogs von Olsunna? Sollte ich mich wirklich so gewaltig in ihm geirrt haben? Sollte er wirklich so ein Sapperlot sein, der sich an eine Prinzessin wagt? Hole mich der Kuckuck, dann wäre ich ja der dümmste Kerl gewesen, den es nur geben kann! Aber, Durchlaucht, wo ist er denn? Wenn Sie ihm die Hand Ihrer Tochter geben wollen, so müssen Sie doch wissen, wo er sich befindet!«

– »Hier bin ich, Vater, hier!« rief es von der Tür her.

Und Otto drang herein, eilte auf den Vater zu und faßte ihn bei beiden Händen.

»Was, hier?« fragte der Hauptmann. »Das habe ich dir verboten. Beweise mir erst, daß alles wahr ist, sonst glaube ich es nicht!« – »Es ist wahr!« bestätigte da Flora, indem sie näher trat, ihren Verlobten umarmte und küßte und dann auch die Arme um den Hauptmann schlang. »Nicht wahr, lieber Papa, Sie sind ihm nicht mehr bös?« schmeichelte sie. »Er hat Sie so lieb; er hat so sehr getrauert, und ohne Ihre Liebe ist es mir ganz unmöglich, ihn glücklich zu machen!«

Da rieb der Hauptmann sich abermals die Stirn und fragte: »Prinzessin, Blitzmädel, ist‘s wahr, du umarmst den alten Rodenstein?« – »Oh, ich küsse ihn sogar, denn ich habe ihn bereits recht lieb!«

So antwortete Flora, und ehe der Hauptmann sich‘s versah, fühlte er ihre vollen, warmen Lippen ein-, zwei-, dreimal auf seinem bärtigen Mund.

Da warf er jubelnd die Arme in die Luft und rief:

»Es ist wirklich wahr! Mein Junge heiratet eine Herzogin! Er ist ein Kerl, vor dem sogar ein König Respekt haben muß! Viktoria! Halleluja! Hosianna, Davids Sohn! Hussa! Hurra! Ludwig, lauf, renn hinunter in den Hof. Die Kerle sollen sogleich ihre Jagdhörner hernehmen und dreißigtausend Fanfaren blasen, bis ihnen der Atem ausgeht!«

Im Nu war der treue Jagdgehilfe verschwunden. Der Hauptmann aber breitete die Arme aus, so weit er konnte, und rief:

»Kommt an mein Herz, Kinder, alle, alle! Verzeiht dem alten Rodenstein, daß er ein solcher Dummrian gewesen ist, sich und seinem guten Jungen das Leben so sauer zu machen. Von nun an soll es anders werden!«

Jetzt flossen allerseits die hellsten Freudentränen, denn das Glück drängt die heißen Tropfen ebenso aus dem Herzen wie das Leid. Eine solche Freude war auf Schloß Rheinswalden noch gar nicht erlebt worden, und bis in die späte Nacht saßen die Versöhnten und Vereinten beisammen, um sich einer an der Wonne des anderen zu berauschen.

Den einzigen Schattenpunkt bildeten der Zustand des Grafen Emanuel, der bei all dem Jubel teilnahmslos blieb, und die Abwesenheit Sternaus.

Man beschloß, den letzteren sofort von allem zu benachrichtigen, sobald man eine sichere Adresse von ihm erfahre. Dies geschah auch später, und wir werden noch erfahren, ob dieser Brief an ihn gelangt ist oder nicht.

34. Kapitel

Nachdem der Pirat Landola von Sternaus Jacht »Rosa« einen so gehörigen Denkzettel erhalten hatte und die von ihm gegen den Feind ausgesandten Barken samt der Mannschaft durch wohlgezielte Kugeln Helmers in den Meeresgrund versenkt worden waren, sah er ein, daß er seine Absicht die Jacht und den englischen Kauffahrer zu erbeuten, unmöglich erreichen werde, und segelte nach Süden. Der »Gruß aus Rodriganda« war ihm ein Rätsel. Derjenige, der ihm denselben zugerufen hatte, war sicherlich ein Feind; daran konnte gar nicht gezweifelt werden; aber Landola konnte sich nicht denken, wer es sei. Immerhin sagte er sich, daß die Jacht jedenfalls nach dem Kap dampfen werde, um dort Anzeige zu machen, und traf daher seine Vorkehrungen danach.

Er selbst mußte nach Kapstadt, um dort Nachrichten einzunehmen, die vor einigen Tagen noch nicht eingegangen gewesen waren, und doch durfte er sich nicht sehen lassen, da die Jacht jedenfalls vor ihm dort anlangte und gewiß sofort Anzeige erstattete. Daher hielt er weit nach West über den eigentlichen Kurs hinaus, um keinem Fahrzeug zu begegnen, ging dann nach Süd und lenkte einige Seemeilen vor der Höhe von Kapstadt gerade nach Ost um.

Als er sich in dieser Breite befand, war es Nacht, und er konnte also ungesehen sich der Küste nähern. Dort suchte er einige Zeit vor dem vollen Anbruch des Tages, also beim ersten Morgengrauen eine einsame Bucht auf, in der er vor Anker ging, ohne von jemand gesehen worden zu sein.

Dann schrieb er einen Brief an seinen Agenten in Kapstadt, dem er vertrauen konnte und der die Aufgabe hatte, alle eingehenden Briefe und Depeschen für ihn aufzubewahren. Diesen Brief erhielten zwei Leute, die ein Fahrzeug bestiegen, ein Segel setzten und nach Kapstadt fuhren.

Sie erreichten diese Stadt unbehelligt, und während der eine im Boot blieb, ging der andere zu dem Agenten, der den Brief las:

»Es ist ein Glück, daß Ihr Euch versteckt habt«, meinte derselbe, als er fertig war. »Ein Deutscher, der gestern abend auf einer Dampfjacht hier einlief, hat angezeigt, daß Kapitän Landola gleichbedeutend ist mit dem Piraten Grandeprise.« – »Ist er noch hier?« fragte der Mann. – »Ja; er nimmt Kohlen ein; sein Vorrat ist auf die Neige gegangen.« – »Wie heißt er?« – »Sternau. Und der Kapitän der Jacht heißt Helmers. Der Gouverneur hat alle Agenten zu sich beordert, um sie zu warnen, mit Landola auch nur schriftlich zu verkehren, oder alle Korrespondenzen, die sich auf ihn beziehen, sofort an die Behörde abzuliefern. Auch ich bin gezwungen, vorsichtig zu sein. Zwar werde ich jetzt eine Depesche, die ich gestern erhielt, noch aushändigen, weiter aber kann ich für die nächste Zeit nichts mehr wagen.«

Der Agent gab dem Mann danach die Depesche, die geöffnet, aber in einer Art von Chiffreschrift abgefaßt war, und dieser entfernte sich. Er hatte von Landola die Weisung erhalten, sich so genau wie möglich nach der Jacht zu erkundigen, und ging deshalb nach dem Hafenteil, an dem sie vor Anker lag.

Er hatte diesen Ort jedoch noch nicht erreicht, so begegnete ihm ein Mann, der bei seinem Anblick wie sinnend stehenblieb und sich dann wieder umwandte, um ihn anzuhalten. Der Fremde trug die Tracht eines gut situierten Seemannes.

»Holla, Junge«, sagte er, »zu welchem Schiff gehörst du?« – »Zu dem Amerikaner da draußen«, antwortete schnell gefaßt der Pirat und deutete nach einer amerikanischen Brigg, an der er bei seiner Einfahrt in den Hafen vorübergekommen war. – »So, so«, meinte der andere zweifelnd. »Ich glaube, dich bei einem anderen Schiff gesehen zu haben. Kennst du Funchal, mein Bursche?« – »Ja.« – »Wann warst du dort?« – »Vor langen Jahren; ich diente damals auf einem Franzosen.« – »So? Da kennst du wohl auch die lange, dürre Mutter Dry?« – »Kann mich nicht besinnen. Es ist zu lange her.« – »Hm, ich dachte, dich vor nicht gar zu langer Zeit dort gesehen zu haben, hast du einmal etwas von ›Jeffrouw Mietje‹ gehört?« – »Nie.« – »Dann irre ich mich allerdings. Ich dachte wirklich, du gehörtest noch vor kurzem auf die ›Pendola‹, Kapitän Landola.« – »Kenne den Mann nicht, habe überhaupt keine Zeit. Adieu!«

Der Pirat ging weiter, aber hinter der nächsten Ecke blieb er einen Augenblick stehen, um hinter ihrem Schutz vorsichtig zu lugen, und da sah er, daß der Fremde ihm folgte. Er erkannte sofort, daß es gefährlich sei, sich länger aufzuhalten, und suchte deshalb rasch seine Zille auf, mit der er sofort die Stadt verließ.

Der Fremde, der ihn angeredet hatte, war kein anderer als Helmers, der zum Hafenmeister gehen wollte, um seine Papiere zu klaren, denn die »Rosa« war fertig mit der Aufnahme der Kohlen und sollte wieder in See stechen.

Er erinnerte sich ganz genau des Gesichts des Mannes und schöpfte Verdacht, daher folgte er ihm von weitem und kehrte, als dieser vom Land stieß, schnell zur Jacht zurück, auf der er Sternau traf.

»Herr Sternau, sehen Sie die Zille, die dort draußen hält?« fragte er. – »Ja.« – »Es sitzen zwei Kerle darin, von welchem der eine noch vor kurzem auf die ›Pendola‹ gehörte. Er sagte mir, daß er auf dem Amerikaner da draußen diene, aber ich glaube es ihm nicht denn die Zille war verdammt wenig amerikanisch gebaut. Hier gibt es vielleicht eine Spur. Setzen Sie das Boot aus und lassen Sie ihn von zwei Mann verfolgen, aber so, daß er nichts merkt. Ich wäre selbst dabei, aber ich muß auf das Hafenamt«

Helmers verließ das Schiff, und Sternau folgte seinem Rat. Er bemerkte bald, daß die Zille nicht bei dem Amerikaner anlegte, sondern an ihm vorüber segelte. Daher beorderte er vier tüchtige Ruderer und einen Steuerer in das Boot, das den Befehl erhielt die Zille zu verfolgen, ohne sich sehen zu lassen.

Das Meer ging zwar nicht unruhig, aber dennoch waren die Wogen so hoch, daß man das Boot das kein Segel führte, von weitem gar nicht bemerken konnte, da die Wogen es verdeckten; das Segel der Zille aber leuchtete auf weite Entfernung hin.

Die beiden Piraten hatten eine gute Fahrt Sie brauchten nicht zu rudern und saßen faul auf der Bank. Der Wind war hinter ihnen, so erreichten sie in angemessen kurzer Zeit die »Pendola«.

Der Kapitän Landola nahm die Meldung wortlos hin und ging sodann in die Kajüte, um die Depesche zu entziffern. Sie lautete:

»Doktor Sternau, der, den wir in Barcelona einschließen ließen, ist hinter Ihnen her. Er weiß alles. Cortejo.«

Graf Alfonzo hatte nämlich nach seiner Ankunft in Rodriganda alles erzählt und auch das, was sein Diener Gerard in Rheinswalden erfahren hatte, und so hielt es Gasparino Cortejo für geraten, den Kapitän sofort zu benachrichtigen. Er hatte dieselbe Depesche an verschiedene Plätze geschickt, von denen er wußte, daß Landola dort verkehre. Die Chiffreschrift war einst von ihnen entworfen worden, und sie hatten bereits seit längerer Zeit in derselben miteinander verkehrt.

Kapitän Landola kehrte nun auf das Verdeck zurück und suchte seinen ersten Offizier auf.

»Laß den Anker lichten«, sagte er. – »Jetzt?« fragte der Offizier erstaunt. »Ist es nicht gefährlich, sich bei Tag hier sehen zu lassen?« – »Allerdings, aber noch gefährlicher ist es, hier zu bleiben. Wir gehen direkt nach Westindien.«

Der Offizier wußte, daß der Kurs nach dem Indischen Ozean gewesen war, darum machte er ein so erstauntes Gesicht, daß Landola ihm erklärte:

»Wir haben einen Verfolger hinter uns, den wir irreführen müssen. Auch ist es bekannt geworden, daß die ›Pendola‹ der ›Lion‹ ist. Wir müssen Bau und Takelage verändern und andere Papiere haben. Vorwärts also!«

Als das Schiff die Bucht verließ, hielt das Boot Sternaus nicht viel über eine halbe englische Meile entfernt hart am Ufer, von dem es nicht gut unterschieden werden konnte. Die fünf Männer blickten der »Pendola« nach, so lange sie zu sehen war, und kehrten dann nach Kapstadt zurück, wo sie, da sie den Wind gegen sich hatten und den Weg rudernd zurücklegen mußten, erst spät eintrafen.

Die »Rosa« wartete ihrer bereits mit geheiztem Kessel. Als Sternau und Helmers ihren Bericht vernommen und auch ganz genau nach den Manövern der »Pendola« gefragt hatten, sagte Helmers:

»Er reißt aus, er geht nicht um das Kap.« – »Aber wohin sonst?« – »Ha, das ist schwer zu erraten. Man muß ihm gleich folgen. Ich habe einen Gedanken, der zwar falsch sein, aber auch das Richtige treffen kann.«

Helmers ging einige Male auf dem Verdeck der Jacht hin und her und fuhr dann fort:

»Landola weiß nun, daß er verraten ist. Er muß, um sicher zu sein, sein Schiff und auch den Namen desselben verändern. Und wo kann er das tun? Auf einer öffentlichen Werft nicht. Er muß vielmehr einen verborgenen Ort aufsuchen, und den findet er am besten in Westindien, hinter den Antillen, auf einer der kleinen Inseln, die dort zu Hunderten zu treffen sind. Ich glaube, daß meine Vermutung die richtige ist.« – »So müssen wir ihm schnell nach.« – »Das ist schwer! Er wird alle gebahnten Seewege vermeiden, und so ist er nicht leicht aufzufinden. Den Golfstrom aber muß er aufsuchen, und wenn wir ihm dorthin vorausdampfen, so finden wir ihn sicher.« – »Ich begreife das nicht« – »Herr Doktor, Sie sind kein Seemann! Für uns gib es ebenso genau Straßen wie für den Fuhrmann zu Lande. Verlassen Sie sich auf mich, er entgeht uns nicht. Und zu Ihrer Beruhigung will ich ein Stück nach West gehen und dann zwischen Nord und Süd kreuzen, wo wir ihn ganz sicher zu sehen bekommen. Dann werden wir ja finden, welchen Kurs er einhält.« – »Wir greifen ihn sofort an.« – »Das geht nicht Wir können ihn nur verwunden, er kann uns töten. Er hat Boote, um sich zu retten, wenn es uns gelingen sollte, sein Schiff anzuschießen; trifft aber uns eine einzige Kugel unglücklich, so sind wir verloren. Unsere zwei Boote fassen nicht die Hälfte unserer Leute, sie sind gebaut für kurze Ruderstrecken, nicht aber, um über den Ozean zu fahren.«

Sternau mußte dem erfahrenen Kapitän recht geben und bemerkte also, daß er sich seiner Einsicht fügen werde. In kürzester Zeit fuhr darauf die »Rosa« zum Hafen von Kapstadt hinaus, um die hohe See zu gewinnen.

35. Kapitel

Es war zwei Wochen später, da saß drüben in Mexiko ein wunderhübsches Mädchen in ihrer Hängematte und hielt zwei Briefe in der Hand. Den einen hatte sie bereits gelesen, und der andere, auf dem jetzt ihr schönes Auge ruhte, lautete:

»An Miß Amy Lindsay, Mexiko.

Teure Miß!

Es waren sehr eigentümliche Verhältnisse, unter denen Sie Rodriganda verließen, und da ich wohl annehmen darf, daß Sie die Entwicklung derselben zu hören wünschen, so glaube ich, auf Ihre Verzeihung rechnen zu können, wenn ich mich zum Berichterstatter anbiete.

In der Anlage erhalten Sie, da ich jetzt Muße besitze, eine ausführliche Darstellung aller Ereignisse bis auf den heutigen Tag, und Sie werden aus dem Schluß ersehen, daß ich diese Zeilen hier in Greenock auf einem Ihrer Wohnsitze und als Gast des Herrn Advokaten Millner schreibe. Morgen reise ich ab, und so Gott will, finde ich die Spur des Herrn von Lautreville, der sich als Gefangener an Bord der ›Pendola‹ befindet.

Da Sie heute die gegenwärtige Adresse von Rosa erfahren, so darf ich vielleicht hoffen, daß Rosa ein freundliches Lebenszeichen von Ihnen erhält. Sobald ich nur einigen Erfolg habe, wird Ihnen derselbe gemeldet von Ihrem ergebenen Karl Sternau.«

Dies war der Begleitbrief. Nun begann sie die Einlage zu lesen. Sie erfuhr daraus alles, was sich seit ihrer Abreise von Rodriganda ereignet hatte, auch die Vermählung ihrer Freundin mit Sternau, und dies brachte sie dann wieder auf die trüben Gedanken über das unerklärliche Verschwinden ihres Geliebten.

Wie oft hatte sie an diesen gedacht, und nun erfuhr sie, daß er als Gefangener mitgeschleppt werde, hinaus in die weite Welt, hinaus auf das unendliche Weltmeer! Warum? Was hatte er verbrochen? Warum besaß er so grausame Feinde? Würde es Sternau, diesem braven, starken, kühnen Mann, gelingen, ihn zu befreien? Amy saß und sann und merkte gar nicht, daß ihr dabei eine Träne um die andere aus den schönen Augen perlte.

Da wurde sie aus ihrem trüben Sinnen gestört. Die Dienerin erschien und meldete ihr Señorita Josefa Cortejo.

Sie wischte schnell die verräterischen Tränen fort und hatte noch nicht Zeit, die Briefe wegzulegen, als bereits die Angemeldete erschien.

Die beiden Damen hatten sich in einer Tertulia kennengelernt. Unter einer Tertulia versteht man in Mexiko eine gesellige Zusammenkunft von Herren und Damen, die nur den Zweck der Unterhaltung hat. Bei dieser Gelegenheit war Josefa Cortejo ihr vorgestellt worden und hatte sich nicht wieder von ihrer Seite fortbringen lassen.

Josefa Cortejo mit den unangenehmen Eulenaugen war Miß Amy Lindsay gleich im ersten Moment widerwärtig; sie hatte sie daher auch gar nicht aufmunternd behandelt, war aber von ihr bei ähnlichen Zusammenkünften immer wieder von neuem aufgesucht worden, und gestern hatte Señorita Josefa sogar um die Erlaubnis gebeten, Miß Amy besuchen zu dürfen. Amy konnte diese Bitte nicht abschlagen, ohne ganz und gar unhöflich zu sein, und die Folge war der jetzige Besuch.

Als die Angemeldete eintrat, erhob sie Amy mit einem Lächeln, das zwar höflich, aber nicht sehr freundlich war. Diese Josefa war förmlich zudringlich, trotzdem Amy sich nicht einmal erkundigt hatte, wer oder was ihr Vater eigentlich sei. Sie pflegte das bei Personen, die ihr gleichgültig oder gar unsympathisch waren, niemals zu tun.

»Sie verzeihen, beste Miß, daß ich störe«, sagte Josefa mit einer Verneigung, die verbindlich sein sollte, zu der aber ihre Gestalt nicht die nötige Eleganz besaß. – »O bitte, ich heiße Sie willkommen«, lautete die kühle Antwort.

Als ihr ein Sitz angewiesen war, fuhr Josefa fort:

»Ich würde von der mir gestern gewährten Erlaubnis so baldigst keinen Gebrauch gemacht haben, wenn mir nicht ein Besuch meines Vaters die Gelegenheit dazu geboten hätte. Er befindet sich gegenwärtig bei Don Lindsay.« – »Ach, Ihr Vater ist bei dem meinigen?« fragte Amy verwundert – »Ja. In einer Geschäftsangelegenheit, die mein Vater mit dem Ihrigen als dem Vertreter Englands zu besprechen hat. Ich schloß mich ihm an, weil ich mich freue, die Bekanntschaft einer Dame von wirklicher Distinktion gemacht zu haben. Man ist in dieser Beziehung hier nur auf sich selbst angewiesen.«

Amy warf einen verwunderten Blick auf die Besucherin; diese kam ihr doch gar nicht so vornehm und distinguiert vor.

»Ich denke doch, daß Mexiko sehr viele hervorragende Familien zählt«, bemerkte sie. – »Hm, vielleicht«, entgegnete Josefa mit einem widerwärtigen Naserümpfen. »Hervorragende allerdings, aber doch nicht wirklich vornehme. Ich als Braut des reichsten Grundbesitzers Mexikos habe in der Wahl meiner Freundinnen vorsichtig zu sein.«

Soeben erschien die Dienerin und brachte die in Mexiko gebräuchliche Schokolade. Als sie sich wieder entfernt hatte, setzte Amy das Gespräch mit der Frage fort:

»Sie sind verlobt?« – »Öffentlich noch nicht, da diplomatische Gründe zu berücksichtigen sind.« – »Ach, Ihr Verlobter ist Diplomat?« – »Eigentlich nicht«, antwortete Josefa mit einiger Verlegenheit, »aber ich durfte diesen Ausdruck gebrauchen, da meinem Erwählten drüben im Vaterland eine bedeutende Zukunft offensteht, die er gerade jetzt im Begriff steht, anzutreten.« – »Dann gratuliere ich.« – »Ich danke, Miß Lindsay. Sie haben von dem Grafen de Rodriganda gehört?« – »Von dem Grafen de Rodriganda?« fragte Amy überrascht. – »Ja. Der Name scheint Sie zu frappieren.«

Amy hatte sich schnell gefaßt und antwortete:

»Ich habe eine Freundin dieses Namens.« – »Eine Spanierin?« – »Ja. Rosa de Rodriganda y Sevilla. Ihr Vater war der Graf Emanuel de Rodriganda.«

Die Eulenaugen Josefas zogen sich zusammen wie die eines Raubtiers. Sie fragte: »Wo lernten Sie Rosa kennen?« – »In Madrid. Später besuchte ich sie auf Rodriganda.« – »Wann?«

Dieses »Wann« war in einem förmlich inquisitorischen Ton ausgesprochen worden. Er berührte Amy unangenehm, und darum gab sie unwillkürlich nicht die Zeit an, sondern sagte nur:

»Einige Zeit nach unserem ersten Zusammentreffen.« – »Wann war dies, Miß?«

Der Ton dieser Frage war streng. Amy war keine Politikerin, auch kein polizeiliches Talent, aber sie hatte soeben brieflich von Sternau erfahren, was vorgegangen war, und so kam ihr der Gedanke, hier vorsichtig sein zu müssen. Darum erlaubte sie sich eine kleine Unwahrheit, indem sie antwortete:

»Vor ungefähr sechs Monaten.« – »Es muß später gewesen sein«, behauptete Josefa zudringlich.

Amy errötete, aber nicht vor Scham, sondern vor Ärger über den Ton, in dem dieses Mädchen zu sprechen sich erlaubte.

»Woraus schließen Sie das?« fragte sie kurz. – »Weil Sie vorhin von jener Rosa sagten, ihr Vater war Graf Emanuel.« – »Vor sechs Monaten ist er es noch gewesen. Ich erfuhr erst später, daß er tot sei.« – »Wann?« – »Heute.« – »Heute? Ah, Miß Lindsay, von wem?« – »Von einem Freund.« – »Und wer ist dieser Freund?«

Das war Amy denn doch zu viel. Sie erhob sich und sagte mit ihrem kühlsten Ton:

»Señorita, rechnet man es hier in Mexiko zu den Höflichkeiten, sich in einer so – polizeilichen Weise nach Privatverhältnissen zu erkundigen?«

Das Mädchen mit den Eulenaugen ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Es antwortete:

»Man rechnet es hier zu den Beweisen der Teilnahme.« – »So nehmen auch Sie es als Teilnahme, wenn ich frage, wer Sie sind?« – »Ich wurde Ihnen vorgestellt, Miß.« – »Einfach als Señorita Josefa.« – »Mein Name ist Cortejo.« – »Das erfuhr ich allerdings nachträglich. Aber wer ist Señor oder Don Cortejo?« – »Er ist Sekretär des Grafen Ferdinando gewesen und ist dasselbe heute noch bei Graf Alfonzo.« – »Sekretär? Also Schreiber!« entgegnete Amy, indem sie einen Schritt zurücktrat. »Wissen Sie, was ein englischer Lord bedeutet?« – »Ganz genau.«

Da blitzten die schönen Augen Amys erzürnt auf, sie trat wieder einen Schritt näher und sagte:

»Und Sie wissen, daß mein Vater ein solcher ist?« – »Ja, Miß Amy.« – »Und Sie, die Tochter eines Schreibers, wagten es, sich mir vorstellen zu lassen und mich zu besuchen? Aber das mag sein, das erlaube ich dem einfachsten Mädchen, wenn ich es leiden kann. Aber Sie wagen es, mich auszufragen wie ein spanischer Alkalde eine Zigeunerin? Was fällt Ihnen ein? Bitte, verlassen Sie meine Wohnung.«

Josefa wurde kreidebleich. Sie griff nach ihrer Mantille, die sie abgelegt hatte, und fragte:

»Das ist Ihr Ernst, Miß?« – »Ja, mein voller Ernst. Ist Ihr Vater mit Gasparino Cortejo in Rodriganda verwandt?« – »Ja, sie sind Brüder und außerdem die innigsten Freunde.« – »So ist meine Antipathie gegen Sie doch begründet gewesen. Ich habe Sie stets nur mit Widerwillen sehen können. Ihr Oheim Gasparino ist ein Bösewicht, dem man das Handwerk legen wird. Er macht Grafen und Gräfinnen wahnsinnig; er läßt Menschen verschwinden, um sie über das Meer zu versenden, der … ah, gehen Sie! Ich mag Sie nicht mehr sehen.«

Amy wandte sich und verließ das Zimmer, Josefa stand allein, fast steif vor Überraschung und Wut. Der Grimm wirkte wie ein Starrkrampf auf ihre Glieder, aber endlich bewegte sie sich doch, ballte die Fäuste, erhob sie drohend gegen die Tür, hinter der Amy verschwunden war, und knirschte:

»Das sollst du mir büßen, du stolzes Weib! Und zwar bald!«

Als sie das Zimmer verlassen hatte, kehrte Amy zurück. Sie war durch die Unterredung mit der Mexikanerin zornig aufgeregt, beruhigte sich aber bald wieder, als sie schaukelnd in der Hängematte lag und an ihre Freundin Rosa dachte, die jetzt so glücklich verheiratet war.

Nach einiger Zeit trat die Dienerin abermals ein und meldete den Lord. Lindsay befolgte auch seiner Tochter gegenüber die Höflichkeit, sich bei ihr stets anmelden zu lassen. Sie ging ihm entgegen und empfing ihn mit einem Kuß.

»Wie gut, daß du kommst, Pa!« sagte sie.

Pa ist die Abkürzung für Papa, ebenso wie man Mama in Ma abkürzt. Diese Zärtlichkeitsform wird besonders häufig in Amerika, aber auch in England angewandt.

»Hast du mich erwartet?« fragte er. – »Nein; doch wird deine Gegenwart mich wieder aufheitern. Ich habe mich sehr geärgert.« – »Du?« fragte er lächelnd. »Worüber?« – »Über diese Josefa Cortejo.« – »Ihr Vater war bei mir. Er sagte mir, daß seine Tochter bei dir sei. Ist sie deine Freundin?« – »Nein. Sie wollte es sein; sie ist mir verhaßt, diese Tochter eines – Schreibers.«

Der Lord machte eine Gebärde komischen Erstaunens.

»Wie kommt es denn, daß meine gute Amy plötzlich so stolz geworden ist?« fragte er. – »Stolz? Stolz bin ich nicht, aber leiden kann ich sie nicht. Sie drängte sich stets an mich heran, ließ sich nicht zurückweisen, machte mir heute sogar einen Besuch und wagte es dabei, mich nach ganz privaten Dingen auszufragen wie ein Schulmeister!« – »Was tatest du?« – »Ich wies ihr die Tür.« – »Ganz so, wie ich es mit ihrem Vater getan habe«, sagte der Lord. – »Du hast ihn fortgejagt?« – »Ja.« – »Warum?« – »Er wollte mich betrügen. Er hat gehört, daß ich die Absicht habe, mich in Mexiko anzukaufen; da bot er mir kürzlich eine große Besitzung an, die im Norden liegt, eine Hazienda, ›Del Erina‹ heißt sie, und ein gewisser Pedro Arbellez sollte dort Inspektor sein. Heute kam er wieder, um meinen Bescheid zu hören.« – »Und da hast du ihn fortgejagt?« – »Ja, denn ich habe unterdessen erfahren, daß die Hazienda diesem Arbellez gehört; Cortejo hat gar nicht das Recht, sie im Auftrag des Grafen Rodriganda zu verkaufen.« – »Sie hat dem Grafen Rodriganda gehört?« – »Ja, und dieser hat sie Arbellez geschenkt. Aber, weshalb ich zu dir komme: du reist gern?«

Amy horchte auf.

»Ja, das weißt du doch«, antwortete sie. – »Du hast bereits sehr weite Reisen ganz allein unternommen; ich weiß, daß ich um dich keine Sorge zu tragen brauche, jetzt aber kann ich mich doch nicht so leicht entschließen.« – »Hast du eine Reise für mich, Pa?« – »Ja. Ich habe dem Gouverneur von Jamaika sehr wichtige Depeschen zu überbringen, die einen solchen Wert haben, daß ich sie gar nicht fremden Händen anvertrauen darf. Es liegt ein Kriegsschiff im Hafen von Verakruz, das sie überbringen soll, aber ich darf sie dem Offizier desselben nicht geben, denn er ist kein Diplomat. Ich weiß kein anderes Mittel, als dich zu senden. Zwar hat eine Dame eigentlich keinen Zutritt auf einem Orlogschiff, aber man muß hier eine Ausnahme machen, wenn ich es wünsche.«

Da sprang Amy auf.

»Vater, ich reise! Überlaß diese Sendung getrost mir!« – »Gut«, nickte er. »Ich vertraue dir und dachte nur, dir beschwerlich zu fallen. Aber ich sehe, daß du eine echte Engländerin bist, die sich vor einem solchen Ausflug nicht fürchtet. Doch ist die Angelegenheit eine dringende. Wann kannst du fertig sein?« – »Bereits morgen früh.« – »So mach dich bereit. Ich werde dich bis nach Verakruz begleiten und auf das Schiff bringen. Der Gouverneur von Jamaika ist mein Freund, an den ich dir einen Privatbrief mitgebe. Er wird dich hoch willkommen heißen, darauf kannst du dich verlassen.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
440 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain