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Kitabı oku: «Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1», sayfa 22

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32. Kapitel

Otto stieg eine Strecke von Rheinswalden aus, um unter dem Schutz des Waldes nach dem Vorwerk zu gelangen und dabei Frau Helmers die erfreuliche Botschaft zu bringen, daß er sich an Bord der Jacht befunden und mit ihrem Mann bei dieser Gelegenheit gesprochen habe. Die anderen setzten ihre Fahrt nach dem Schloß fort.

Dort angekommen, fanden sie den Hauptmann unter dem Portal stehend, um die Gäste zu empfangen. Die beiden Damen Sternau, Mutter und Tochter, waren nicht zugegen, sie befanden sich in der Küche, um die Vorbereitungen zum ersten, gastlichen Mahl zu treffen.

Es war ganz außerordentlich, welch ein befriedigendes Aussehen der Herzog hatte. Sein Befinden war ein höchst günstiges. Er fühlte sich in einer gehobenen, glücklichen Stimmung, durch welche seine Kräfte ganz ihre alte Spannkraft wiedererhalten hatten.

»Willkommen auf Rheinswalden!« rief der Hauptmann, indem er an die Wagen herantrat, um beim Öffnen derselben behilflich zu sein. »Der Herr Baron von Haldenberg?« – »Zu dienen«, antwortete der Herzog schnell, um Rosa keine Zeit zu einer Antwort zu lassen, durch welche sein Inkognito bereits jetzt hätte verraten werden können. »Und hier meine Tochter Flora, Herr Hauptmann!«

Der Hauptmann machte seine tiefste Verbeugung, indem er im stillen dachte: Alle Teufel, das ist ein hübsches Frauenzimmer! Die hat Augen wie eine Prinzessin!

»Und hier, wer ist das, Herr Hauptmann?« fragte Rosa, indem sie auf ihren neben ihr sitzenden Vater zeigte. – »Dieser Herr, hm, den kenne ich nicht.«

Da wandte sich der Wahnsinnige zu ihm hin und sagte:

»Ich bin der gute, treue Alimpo.« – »Donnerwetter!« rief da der Oberförster, indem er geradezu erschrocken zurückwich. »Das sind ja die Worte – die verteufelten Worte – oh, ich hoffe, ich meine, ich denke – hm, Donnerwetter!« – »Nun, was meinen Sie?« fragte Rosa. – »Etwa gar eine Überraschung?« – »Allerdings.« – »Himmelelement! Etwa gar Ihr Vater, der Herr Graf de Rodriganda?« – »Ja, er ist es«, antwortete Rosa, aus dem Wagen steigend. »Denken Sie sich meine Überraschung, meine Freude.« – »Holla! Hurra! Hosianna! Halleluja! Donner und Doria! Der Herr Graf ist da! Ludwig, Kurt, Heinrich, Wilhelm, wo steckt ihr denn, ihr Halunken? Wollt ihr wohl sofort kommen, um Seine Erlaucht, den Grafen Emanuel aus dem Wagen zu heben, ihr Faulpelze!«

Die gerufenen Jägerburschen eilten herbei und hoben den Kranken zur Erde, wo sich Rosa sofort wieder ihm anschloß, um ihn nach dem Empfangssaal zu führen. Dort wiederholte sich üblicherweise die Vorstellung, und dann konnte der Oberförster sich nicht enthalten, seiner riesigen Neugierde Ausdruck zu geben.

»Aber Baron, wie kommen Sie zu dem Grafen?« fragte er.

Der Gefragte erzählte ihm den Hergang kurz, nannte aber den Sohn des Hauptmanns nicht mit Namen, sondern bezeichnete ihn einfach als einen Freund des Doktors Sternau.

»Alle Wetter, das war ein sehr glückliches Zusammentreffen!« meinte der Oberförster. »Wenn dieser Freund nicht gewesen wäre, so hätten wir den Grafen heute nicht hier.« – »Allerdings. Und außerdem kämen Sie und wir alle um ein freudiges Ereignis, von dem Sie baldigst hören werden.« – »Was ist es?« – »Gedulden Sie sich nur eine kurze Zeit, Herr von Rodenstein! Sie werden dann alles erfahren.« – »Ja, ja. Ich bin zwar nicht sehr geduldig geartet, aber hier sehe ich doch ein, daß Sie ermüdet sind und sich wohl ein wenig auszuruhen haben. Erlauben Sie mir, Ihnen und Fräulein Flora Ihre Zimmer anzuweisen. Unsere Rosa wird für ihren Papa einstweilen selber sorgen.«

Er führte die beiden nach den für sie bestimmten Räumen, wo sie dienende Kräfte vorfanden, die ihrer bereits warteten; dann trug er Sorge, daß das Mahl bereitstehe, weshalb er sich in die Küche begab.

»Sie sind da!« meldete er den beiden Damen. »Und Graf Rodriganda dazu.« – »Graf Rodriganda?« fragte Frau Sternau erstaunt »Welcher?« – »Der Wahnsinnige.«

Jetzt herrschte auch hier großes Erstaunen, doch sorgte der Hauptmann dafür, daß trotzdem nichts versäumt wurde. Rosa hatte sich mit ihrem unglücklichen Vater zuerst im Speisesaal eingefunden. Die beiden Damen Sternau servierten. Sie unterhielten sich mit dem Hauptmann, als Flora mit ihrem Vater eintrat. Frau Sternau warf einen forschenden Blick auf die beiden und erkannte trotz der Länge der Jahre und trotz der Veränderungen, die inzwischen mit dem Herzog vorgegangen waren, diesen sofort.

»Herzog Eusebio von Olsunna!« rief sie, vor Schreck erbleichend. – »Der Herzog von Olsunna?« fragte Rodenstein. »Nein, Frau Sternau, dieser Herr ist der Baron von Haldenberg und diese Dame seine Tochter.« – »Verzeihung!« fiel da der Herzog ein. »Mein Name ist allerdings nicht Haldenberg, sondern Olsunna. Es gab einen Grund, meinen Namen für kurze Zeit zu verändern, doch ich hoffe, daß dies von Ihnen entschuldigt wird.« – »Donnerwetter! Ein Herzog! Ja, das habe ich der jungen Dame, Ihrer Tochter, gleich angesehen! Sie sieht aus wie eine Prinzessin!« rief der Hauptmann, indem ihm vor Erstaunen der Mund geöffnet blieb.

Unterdessen war Flora bereits zu Frau Sternau getreten. Sie streckte derselben herzlich die Hände entgegen und sagte: »Wir erkennen einander nicht, denn es ist eine lange Zeit her, daß ich die Señorita Wilhelmi einst so lieb gewann und ich so viel nach ihr geweint habe. Ich bin Ihre kleine Flora Olsunna, Frau Sternau. Wollen wir so gute Freunde sein wie damals? Ich bitte recht herzlich darum!«

Diesem Entgegenkommen konnte der Schreck der Damen nicht widerstehen. Die Blässe wich von ihren Wangen, eine schimmernde Feuchtigkeit breitete sich über ihre Augen, und in ihrer Stimme war ein leises Vibrieren zu hören, als sie die angebotenen Hände nahm und antwortete:

»Eine solche Dame ist aus meiner kleinen Floritta geworden? Seien Sie herzlichst gegrüßt, Hoheit! Warum sollte ich Ihnen die Gesinnungen meines Herzens nicht bewahrt haben? Sie sind mir hochwillkommen!«

Während Flora nun auch zu Fräulein Sternau trat, näherte sich der Herzog der Mutter derselben.

»Señora«, sagte er spanisch, um von dem Hauptmann nicht verstanden zu werden, »ich habe einst schwer an Ihnen gesündigt. Ich war lange Zeit dem Tod nahe und konnte doch nicht sterben, bevor ich meiner großen Schuld ledig war. Wollen Sie mir verzeihen? Tun Sie es um meiner Tochter willen.«

Es war ein tiefer, ernster, inhaltsreicher Blick, den sie auf ihn warf. Es sprach sich darin alles Elend, alle Sorge von damals aus, aber es glänzte aus demselben auch die unentwegte Güte und Großmut des weiblichen Herzens. Sie nahm die Hand an, die er ihr dargeboten hatte, und erwiderte:

»Durchlaucht, ich verzeihe Ihnen.«

Es waren nur wenige Worte, die sie sprach, aber der Herzog hörte und verstand, daß sie in Wahrheit und ohne Heuchelei alles enthielten, was er sich gewünscht hatte. Darum versetzte er:

»Ich danke Ihnen! Vielleicht geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen zu zeigen, wie tief meine Reue ist und wie ernstlich mein Bestreben, meine damalige Schuld an Ihnen zu sühnen.«

Während der Tafel herrschte zunächst, wie dies ja gewöhnlich zu geschehen pflegt, ein etwas befangener Ton, der aber später ein ungezwungener, herzlicher wurde. Der Herzog beobachtete Frau Sternau und fand, daß sie trotz ihrer Jahre noch immer einen großen Teil jener Schönheit bewahrt hatte, die damals so verhängnisvoll für sie geworden war. Auch sie warf öfters einen forschenden Blick auf ihn und gewahrte, daß er jetzt einen ganz anderen Eindruck auf sie mache als früher. Das Herz des Weibes ist schwach gegen den Eindruck des Leidens, und die Spuren seiner schweren Krankheit erweckten eine Teilnahme in ihr; die sie diesem Mann gegenüber gar nicht für möglich gehalten hätte.

Und wenn sie dann Flora betrachtete, so ging ihr das Herz auf. Ja, das war die Dame, die zu werden das Kind bereits damals versprochen hatte, das war ein Charakter ganz ohne Falsch und Tadel. Sie fühlte sich auf das innigste zu ihr hingezogen und freute sich daher herzlich, als sie sah, daß Flora sich ihr anschloß, als man nach der Tafel sich eine Zeitlang im Garten erging.

Hier näherten sich die Seelen der beiden Frauen einander mit offener Herzlichkeit. Sie fühlten, daß sie einander nahestehen, nahe bleiben und sich lieben müßten, und Flora schlang schließlich den Arm um die Taille ihrer einstigen Erzieherin und sagte:

»Meine liebe Frau Sternau, Papa wird Ihnen eine große Bitte vortragen. Werden Sie dieselbe erfüllen?« – »Ja, wenn ich kann«, antwortete die Gefragte. – »Vielleicht werden Sie können, oh, ich wünsche es von ganzem Herzen.« – »Welche Bitte wird es sein?«

Nach einem kurzen, nachdenklichen Zögern antwortete Flora:

»Ich bin nicht beauftragt, es Ihnen zu sagen, aber es ist besser, ich bereite Sie darauf vor. Papa will Sie bitten – Herzogin von Olsunna zu werden.«

Das war ein unvermittelt ausgesprochenes Wort. Es traf mit seiner ganzen Schwere die, an welche es gerichtet war. Frau Sternau trat mehrere Schritte zurück und sagte ganz erschrocken:

»Herzogin von Olsunna? Ich?« – »Ja, meine liebe, liebe Señora Wilhemi«, antwortete Flora, sie schmeichelnd bei ihrem Mädchennamen rufend. »Sie sollen Herzogin von Olsunna werden und also meine Mama. Oh, wie unendlich würde es mich freuen, wenn Sie diese Bitte meines Vaters erfüllen wollten!« – »Unmöglich! Unmöglich! Ich träume! Was will der Herzog mit einem so ungeheuerlichen Antrag bezwecken?«

Da zog Flora die früher so schwergeprüfte Frau näher an sich und entgegnete:

»Ich soll die Schwester meines Bruders sein dürfen, meines Bruders, nach dem ich mich so innig sehne. Karl Sternau soll Don Carlos von Olsunna werden, damit alles vergessen werde, was früher geschehen ist.«

Da errötete Frau Sternau so tief wie das jüngste Mädchen. Wer sie jetzt gesehen hätte, dem wäre es wohl beigekommen, daß sie einst ein sehr schönes Mädchen gewesen sein müsse.

»Mein Gott«, sagte sie, »der Herzog hat geplaudert. Sie wissen …?« – »Daß Ihr Sohn mein Bruder ist? Ja, das weiß ich. Als Papa zum Sterben darniederlag, hat er es mir mitgeteilt, und ich bin mit großer Freude darauf eingegangen, mir diesen Bruder aufzusuchen und zu gewinnen.« – »Das freut mich um Ihretwillen, mich aber drückt es unendlich nieder, denn ich weiß nicht, ob der Herzog Ihnen alles erzählt hat.«

Flora ahnte die Gedanken der Sprecherin und antwortete darum schnell:

»Alles, alles hat er mir gesagt, seine ganze, schwere Schuld hat er mir eingestanden. Auf Ihnen liegt nicht die geringste Spur eines Vorwurfs. Dennoch würden Sie ihm verzeihen, wenn Sie wüßten, wie schwer er bereut!« – »Ich habe ihm verziehen«, erklang es mit milder Stimme. – »Ich danke Ihnen! Er hat nach Ihnen und nach seinem Sohn geforscht, eine lange Zeit, er hat sich alle Mühe gegeben, Sie aufzufinden, doch vergeblich, bis Herr von Rodenstein zu uns kam und uns sagte, wo Sie sich befänden. O bitte, weisen Sie den Vater nicht zurück! Gräfin Rosa ist eine herrliche Frau, Sie hat Ihrem Sohn aus reiner Liebe ihre Hand gegeben, sie hat so unendlich viel gelitten, sie ist es wert, Herzogin von Olsunna zu werden.« – »Verzeihen Sie mir, mein liebes Kind, daß ich nicht sogleich zur Entscheidung komme. Es handelt sich hier um einen so ungewöhnlichen, ja außerordentlichen Schritt, daß man dabei nicht stürmisch sein kann. Ich will Ihnen gestehen, daß ich meinem Gemahl nicht jene heiße, glühende Liebe entgegengebracht habe, die auch nach seinem Tod mein ganzes Herz mit Trauer um sein Andenken erfüllen müßte, ich will auch gestehen, daß ich Ihrem Vater nicht mehr zürne, daß sein Anerbieten einer anderen unwiderstehlich verlockend vorkommen würde und daß ich um meines Sohnes, ja auch um Ihretwillen, auf einen so ehrenvollen Vorschlag eingehen müßte, aber geben Sie mir Zeit, gewähren Sie mir Sammlung. Es ist eine glanzvolle Zukunft, die mir entgegenwinkt, aber ich glaube nicht, daß sie mir den Frieden zu ersetzen vermag, den ich hier in der Stille und Einsamkeit gefunden habe und den ich um keinen noch so hohen Preis verlieren oder verkaufen möchte.« – »Ich weiß das. Ich weiß, daß Sie uns ein großes Opfer bringen. Auch für mich hat der trügerische Glanz, der lügenhafte Schimmer, von dem Sie sprachen, keinen Wert. Sie sollen Ihren lieben Frieden uns nicht zum Opfer bringen, denn wir wünschen nichts sehnlicher, als Ihre Einsamkeit zu teilen. Vater ist nur durch die Kunst Ihres Sohnes, meines geliebten Bruders, gerettet worden. Er ist vom Tod erstanden und wünscht, seine Tage nur der Liebe der Seinigen widmen zu dürfen. Karl, sein Sohn, würde dies billigen, und auch ich bin herzlich gern bereit, mich Ihnen anzuschließen.« – »Auch Sie? Sie dürfen Ihrer reichbevorzugten Stellung nicht entsagen. Sie sind berufen, an der Seite eines hochgestellten Mannes die Würden zu vertreten, die ein Attribut des hohen Standes sind, in dem Sie geboren wurden.« – »Oh, ich habe bereits entsagt, ich habe mir bereits den Mann gewählt, der mein Glück ist und der dasselbe Glück aus meiner Hand empfangen wird. Es ist kein Herzog, kein Fürst, es ist ein – einfacher Maler.« – »Ein Maler! Ist‘s möglich! Und Ihr Vater …?« – »Er billigt meine Wahl, er hat sie gebilligt unter der Voraussetzung, daß Sie seinem Sohn erlauben, der Erbe seiner Reichtümer und Würden zu sein. Sie sehen, daß es nur von Ihnen abhängt, auch mich glücklich zu machen.« – »Sie legen da eine schwere Verantwortung auf mich, mein liebes Kind«, entgegnete Frau Sternau nachdenklich. – »Ja, aber mit dieser Verantwortung lege ich auch die Macht und den Einfluß in Karls Hände, die Feinde der Rodrigandas, die nun auch die unsrigen sind, niederzuschmettern.« – »Das ist allerdings sehr zu beherzigen. Darf ich vielleicht wissen, wer der Maler ist, dem Sie mit Ihrem Herzen ein so köstliches Geschenk gemacht haben?« – »Sehr gern! Meine Mama wird ja meine beste Freundin und Vertraute sein, es soll ihr keine Falte meines Herzens verborgen bleiben. Überdies werden Sie ja recht bald erfahren, wer er ist. Er heißt Rodenstein.«

»Rodenstein?« fragte Frau Sternau überrascht. »Doch nicht etwa …?« – »Ja, Sie raten richtig. Es ist Otto von Rodenstein.« – »Der Sohn des Herrn Hauptmanns?« – »Ja.« – »Mein Gott, welch eine Schickung! Welch eine Fügung des Himmels! Wahrlich, die Wege des Herrn sind wunderbar! Wie oft hat dieses unglückselige Zerwürfnis meine ganze, vollste Teilnahme erregt. Herr Otto trägt nicht die mindeste Schuld daran, ich kenne ihn genau, ich liebe ihn sehr, er ist Ihrer Liebe in jeder Beziehung vollständig würdig. Die Starrheit seines Vaters hat ihn schwer darniedergebeugt, nun schickt der gütige Gott Sie als Engel, der die Versöhnung bringt, ich danke ihm von ganzem Herzen.« – »Und ich bin so unendlich glücklich, auserlesen zu sein, den Frieden bringen zu dürfen. Sie sehen, wir Frauen haben den herrlichen Beruf, die Liebe und Versöhnung ausstreuen zu dürfen. Auch Sie sind dazu berufen, und ich bitte Sie mit aller Inständigkeit, Papa nicht zurückzuweisen. Sie erblicken gewiß in dem allen die weisen, allgütigen Fügungen des Himmels. Gott will nicht, daß der Sünder untergehe und verderbe. Seien Sie der Dolmetsch, der Vermittler der Vorsehung, und lassen Sie meinen armen, guten Papa die Vergebung finden, nach der er sich so innig gesehnt hat. Wir alle werden es Ihnen danken, solange wir atmen. Ihr Sohn hat ja mit seinem außerordentlichen Scharfblick sogleich erkannt, daß das Leiden meines Vaters keine körperliche Ursache hat, sondern eine Folge des Leides ist, das seine Seele belastet.«

Flora, die herzogliche Prinzessin, stand so innig und demütig bittend vor ihrer einstigen Erzieherin, in ihren Augen, die von Tränen überströmten, lag ein so inniger Ausdruck heißen Flehens, daß Frau Sternau sich tiefergriffen fühlte und auch ihren Tränen nicht gebieten konnte.

»Seien Sie getrost, mein gutes Kind!« sagte sie. »Ich werde mit Gott zu Rate gehen, und er wird alles zum Besten lenken. Lassen Sie uns jetzt schweigen. Was so tief die Seele bewegt, darf auch nur im Heiligtum des Herzens zur Klarheit gelangen.«

Die beiden Frauen umschlangen sich und setzten in dieser herzlichen Vereinigung nun still und wortlos den begonnenen Spaziergang fort.

Es war gewiß, daß der Herzog keinen besseren Anwalt, keinen glücklicheren Fürsprecher haben konnte, als seine Tochter.

33. Kapitel

Unterdessen schritt der Hauptmann an der Seite des Herzogs im Gespräch dahin. Er fühlte sich hoch geehrt, einen solchen Mann als Gast bei sich sehen zu dürfen, und war ganz entzückt von dem einfachen, anspruchslosen Wesen desselben. Man begab sich in die Stallungen und besichtigte die Wirtschaftsräume, man ging sogar ein Stück in den Wald hinein. Dabei fand der brave, wenn auch etwas schroffe Hauptmann Gelegenheit, sich auszusprechen, und als er dann später in sein Zimmer zurückkehrte, fühlte er sich so glücklich wie noch selten in seinem Leben, und der bei ihm eintretende Gehilfe Ludwig Straubenberger, der eine dienstliche Meldung zu machen beabsichtigte, fand den Oberförster in einer ganz selten guten Laune. Ja, dieser ließ sich sogar so weit herab, daß er fragte:

»Wie gefallen dir unsere Gäste, Ludwig?« – »Zu Befehl, Herr Hauptmann, ganz ausgezeichnet dahier.« – »Der fremde Herr?« – »Der Baron, ein feiner Kerl!« – »Baron? Pah, ein Herzog ist er.« – »Ein Herzog? Donnerwetter!« rief der brave Ludwig ganz erstaunt.

»Ja, ein Herzog. Er ist nur inkognito gekommen, wie es bei solchen hohen Herrschaften Mode ist.« – »Eine hübsche Mode, Herr Hauptmann! Unsereiner bringt kein Inkognito fertig.« – »Ich wollte es mir auch sehr verbeten haben, daß du einmal so inkognito zu mir kämest! Und seine Tochter – Was sagst du zu ihr?« – »Hm!« schmunzelte der Gehilfe, daß ihm die Backen breit wurden. – »Was denn, hm?« – »Ein ganz famoses Frauenzimmer! Fast so schön wie unsere liebe Gräfin, Frau Sternau, dahier!« – »Dummheit! Sie ist ebenso schön wie sie. Die Schönheiten sind nämlich ganz und gar verschieden. Man teilt sie in verschiedene Kompanien, Bataillone, Regimenter und Divisionen ein. Es gibt schwarze, braune und blonde Schönheiten, es gibt auch große und kleine, dicke und dünne Schönheiten, es gibt endlich feurige und schmachtende, zärtliche und zurückhaltende, stolze und bescheidene Schönheiten, es gibt Rosen und Veilchen, Himmelschlüssel und Disteln, Klatschrosen und Vergißmeinnicht unter den Schönheiten, es gibt endlich echte und künstliche, süße und saure Schönheiten.« – »Brrr!« – »Ja, brrr! Du hast recht. Wir wollen beide Gott danken, daß wir von diesen sauren nichts zu kosten haben! Aber diese herzogliche Prinzessin hat es mir wahrhaftig angetan. Hätte ich einen Sohn, und wäre ich ein Herzog, so …«

Er stockte mitten in der Rede. Es war bei ihm seit langer Zeit nicht vorgekommen, daß er das Wort Sohn ausgesprochen hatte, jetzt war es ihm doch entschlüpft, und halb zornig, halb verlegen darüber, fuhr er den Gehilfen an:

»Nun, was stehst du noch da? Wir sind fertig. Oder denkst du etwa, daß ich meinen Vortrag über die Schönheiten gerade dir gehalten habe? Ich dachte, du wärst längst hinaus. Pack dich!« – »Zu Befehl, Herr Hauptmann!«

Der brave Ludwig ging. Er war diesen Ton bei seinem Herrn längst gewöhnt und nahm sich dergleichen Schroffheiten nicht zu Herzen. Draußen auf dem Korridor traf er auf die schöne Prinzessin, von der soeben die Rede gewesen war. Er stellte sich an die Wand, um sie vorüber zu lassen, aber sie blieb bei ihm stehen und fragte:

»Wie ich beim Diner sah, haben Sie die Bedienung bei Tafel?« – »Ja«, antwortete er. – »Heute abend beim Souper auch wieder?« – »Ja.« – »Können Sie schweigen?« – »Ganz fürchterlich dahier!« beteuerte Ludwig mit Nachdruck. – »Nun, so will ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen. Herr Otto von Rodenstein befindet sich hier in Rheinswalden …« – »Donnerw – Sapperm – Herrjeh, wollte ich sagen! Entschuldigen Sie dahier! Aber der junge Herr darf ja gar nicht nach Rheinswalden!« – »Leider! Aber ich hoffe, daß sich dies heute noch ändern wird. Er befindet sich jetzt drüben bei Frau Helmers. Wenn ich Ihnen heute abend beim Souper einen Wink gebe, so springen Sie eiligst hinüber, um ihn zu holen. Lassen Sie dann die Tür nur angelehnt, so wird er unsere Unterhaltung hören und wissen, wann er einzutreten hat. Wollen Sie das tun?« – »Das versteht sich dahier ganz von selbst«, versicherte Ludwig.

Flora nickte ihm freundlich zu und ging weiter. Er blickte ihr lange nach und brummte dann vor sich hin:

»Ja, ja, der Herr Hauptmann hat ganz recht, diese Herzogin hat es auch mir angetan. Wäre mein Vater nicht ein Holzhacker, sondern ein Herzog gewesen dahier, so wüßte ich, was ich täte. Wollen täte sie mich schon, denn ich bin kein unebener Kerl, und sie hat mich ganz freundlich angelacht. So eine könnte manchmal auch ein bißchen sauer sein, die macht man bald wieder süß! Also der junge Herr ist da! Hm! Das wird einen schönen Skandal geben; aber ich tue ihr doch den Gefallen und hole ihn. Für so eine holte ich meinetwegen den Teufel bei den Ohren herbei, besonders wenn sie einen so zärtlich anblickt, wie mich eben!«

Es gab zwischen den Bewohnern des Schlosses und ihren Gästen so viel zu erzählen, daß der Nachmittag sehr schnell verging. Zur Abwechslung mußte der kleine Kurt Helmers erscheinen, um seine Künste zu zeigen. So kam der Abend heran und mit ihm das Souper, bei dem man recht munter war. Der Herzog fühlte sich fast gar nicht mehr als Patient; eine frohe Nachricht hatte ihm seine frühere Spannkraft fast ganz zurückgegeben. Flora hatte ihm nämlich ihre Unterredung mit Frau Sternau mitgeteilt; kurz vor dem Souper hatte eine ähnliche Unterredung stattgefunden, sie war zwar nur sehr kurz gewesen, aber Frau Sternau hatte angedeutet, daß sie entschlossen sei, dem Glück so vieler nicht entgegenzutreten. Auch das hatte der Herzog natürlich sofort erfahren, und er beschloß nun, den alten Hauptmann durch einen Handstreich zu überrumpeln, um jede Abweisung von vornherein abzuschneiden.

Die während des Essens auf ihn mild und versöhnlich gerichteten Augen der einstigen Gouvernante, der sanfte Ton ihrer Stimme hatten ihm Mut gemacht. Er war heiter gestimmt, und als von seiner Krankheit die Rede war und von der Hoffnung, da er hier in Rheinswalden vollständig genesen werde, da sagte er:

»Gerade deshalb hat mich der Herr Doktor Sternau hergeschickt, und ich danke ihm herzlich dafür; aber es gibt noch einen zweiten Grund meines Kommens, er bezieht sich auf Sie, Herr Hauptmann.« »Auf mich?« fragte dieser. »Darf ich ihn erfahren, Durchlaucht?« – »Freilich! Meine Tochter steht nämlich im Begriff, sich zu vermählen, und da ich dann einsam sein werde, habe ich, um diesem zu entgehen, mich entschlossen, denselben Schritt zu tun wie sie.« – »Sich zu vermählen?« fragte der Hauptmann. – »Ja«, antwortete der Herzog.

Frau Sternau wußte, was nun kommen werde, und gab sich alle Mühe, ihre Bewegung zu verbergen. Flora aber gab Ludwig den betreffenden Wink, worauf er sofort aus dem Speisesaal verschwand.

»Zwar bin ich nicht mehr jung«, fuhr Olsunna fort, »und habe mich von meinem Leiden noch nicht ganz erholt, doch hoffe ich, bald wieder rüstig zu sein und dann die Befähigung zu besitzen, jenes heitere Glück genießen und geben zu können, das auf gegenseitiger Achtung und freundlicher Zuneigung beruht. Ich habe auch bereits gewählt, nicht eine Spanierin, sondern eine Deutsche, die auch zu dem Kreis Ihrer Bekannten zählt, Herr Hauptmann.« – »Ah, wirklich? Wer ist es?« fragte dieser, vor Erstaunen gar nicht überlegend, daß er mit seiner Frage eine große Indiskretion begehe. – »Ich werde es Ihnen nachher mitteilen. Sie wissen, daß es Gepflogenheit ist, sich in solchen Angelegenheiten an einen Fremden zu wenden, der das Amt eines Freiwerbers übernimmt Ich hoffe, Sie glauben meiner aufrichtigen Versicherung, daß ich Sie als meinen Freund betrachte, und so kenne ich keinen geeigneteren Herrn, mich ihm anzuvertrauen, als Sie, mein bester Herr Hauptmann. Wollen Sie die Werbung für mich übernehmen?«

Der Oberförster machte ein Gesicht wie noch nie in seinem ganzen Leben. Er saß mit weit geöffnetem Mund da, er war ganz perplex. Er sollte den Freiwerber für einen Herzog machen! Er, der einfache Hauptmann außer Dienst! Welche Ehre! Sein Selbstgefühl dehnte sich ins Unendliche und gab ihm die Fassung zurück. Er sprang rasch auf und rief eifrig:

»Mit allergrößtem Vergnügen, Durchlaucht! Ich werde meine Sache so schön machen, wie kein anderer; ich werfe mich in die feinste Gala; befehlen Sie über mich! Und der Teufel soll das Frauenzimmer holen, das es wagt, Sie nicht zu mögen!«

Alle, sogar Frau Sternau, lachten über diese drastische Äußerung, zu welcher der Hauptmann sich von seinem Eifer hatte hinreißen lassen.

»Einer besonderen Galauniform bedarf es nicht mein bester Herr von Rodenstein«, sagte der Herzog. »Die Dame, die ich meine, ist sehr anspruchslos; Sie können Ihres Amtes gerade in demselben Kostüm walten, das Sie gegenwärtig tragen. Darf ich Ihnen die Zeit angeben, wann ich die Werbung von Ihnen getan wünsche?« – »Jawohl, jawohl! Ich bin in jedem Augenblick bereit!« – »Nun gut, so haben Sie die Güte, sofort zu beginnen.« – »Sofort? Wie meinen Sie das, Exzellenz?« – »Ich meine, daß Sie jetzt, in dieser Minute, die betreffende Dame fragen sollen, ob sie mich mit ihrer Hand und dadurch uns alle beglücken will.« – »Jetzt! In dieser Minute! Die betreffende Dame!« rief der Hauptmann ganz verwirrt. »Das klingt ja, als ob die Dame sich hier befände.« – »Allerdings befindet sie sich hier. Flora, du sitzt neben dem Herrn Hauptmann; sage ihm den Namen.«

Flora beugte sich zum Ohr des Hauptmanns hinüber und flüsterte ihm den Namen ins Ohr. Da machte dieser ein Gesicht, als ob er eine Ohrfeige erhalten habe, streckte die Hände wie abwehrend von sich und sagte:

»Sie scherzen, Durchlaucht! Aber ich sage Ihnen, meine brave Frau Sternau ist nicht die Dame, mit der ich spaßen möchte!«

Doch Olsunna antwortete ernst:

»Sie haben recht. Ich scherze keineswegs. Frau Sternau war in Spanien, sie ist eine Bekannte von mir. Ich habe sie geliebt, als sie noch eine Señorita Wilhelmi war, und dieser Liebe gebe ich jetzt Ausdruck, indem ich ihr meine Hand antrage. Mein Rang kommt hier gar nicht in Betracht, ich trete in das stille Leben zurück und erkläre den Herrn Doktor Sternau für meinen Sohn, der mein Nachfolger und der Träger aller meiner Ehren werden soll.«

Diese Erklärung war für Rosa und Fräulein Sternau fast ebenso überraschend wie für den Hauptmann.

»Das ist entweder ganz toll oder die reine Wahrheit!« rief der letztere. – »Es ist die reine Wahrheit; tun Sie also jetzt Ihre Pflicht, Herr Hauptmann!«

Dieser befand sich noch immer in einer großen Verlegenheit. Die ganze Sache war ihm so ungeheuerlich, daß er nicht daran glauben konnte. Wollte man ihn narren? War es vielleicht in Spanien erlaubt, solche Scherze zu treiben? Aber der Ton des Herzogs war ein so ernster, fast befehlender. Es war ja alles möglich. Hatte doch auch Gräfin Rosa den Doktor Sternau zum Mann genommen! Es mußte gesprochen werden, es mochte daraus werden, was, nur wolle; darum nahm er eine möglichst würdevolle Haltung an und sagte, zu Frau Sternau gewandt:

»Meine liebe Frau Sternau, ich weiß allerdings nichts, woran ich eigentlich bin, aber Sie haben ja selbst gehört, daß ich nicht anders kann. Seine Durchlaucht, der Herzog Eusebio von Olsunna gibt mir den ehrenvollen Auftrag, Sie um Ihre Hand für ihn zu bitten. Weiß Gott, diese Hand ist brav; sie ist ebensoviel wert wie die Hand einer Hofdame! Sie wissen besser als ich, ob es im Scherz gemeint ist. Ist es aber wirklich Ernst so wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen Glück zu dieser Verbindung und ersuche Sie, mir eine klare und offene Antwort zu geben!«

Da stand die Befragte auf, reichte ihre Linke dem Oberförster und ihre Rechte dem Herzog und antwortete:

»Mein bester Herr Hauptmann, es ist wirklich ernst gemeint. Ich danke Ihnen herzlich und erkläre, daß ich bereit bin, die Gemahlin eines Herzogs zu werden, nicht des Glanzes wegen, sondern um dererwillen, die ich liebe und welche diese Verbindung wünschen.«

Da sprang Flora auf sie zu und schloß sie in ihre Arme.

»O Mutter, jetzt habe ich eine Mutter, die ich lieben kann! Wie glücklich machst du deine Tochter!«

Das hagere Gesicht des Herzogs glänzte vor Freude.

Rosa konnte das alles noch nicht so recht verstehen, auch Fräulein Sternau ging es so, doch traten beide herbei, um den Verlobten ihre Glückwünsche darzubringen.

An der Tür stand Ludwig wieder.

»Ist dies Komödie oder Wahrheit?« brummte er. »Unsere Frau Sternau eine Herzogin dahier! Das hätte ich ihr doch nicht angesehen! Wie sich so eine Frau doch verstellen kann, vielleicht war sie auch bloß inkognito auf Rheinswalden!«

Und hinter der Tür lauschte einer, dem das Herz in banger Erwartung stürmisch klopfte – Otto von Rodenstein. Er wußte, daß jetzt die Entscheidung kommen werde, und wünschte nichts sehnlicher, als daß sie bald vorüber sei.

Der Hauptmann begriff jetzt endlich, daß man keinen Scherz getrieben habe; er konnte zwar das ungeheure Glück nicht begreifen, das seiner Wirtschafterin widerfuhr, aber er blieb nicht zurück und brachte nun auch seine Gratulation an. Dann fügte er hinzu:

»Durchlaucht, Sie nehmen mir da eine Dame fort, die mir nie zu ersetzen sein wird. Und das schlimmste ist, daß nun auch Fräulein Sternau nicht mehr wird bei mir bleiben wollen.« – »Tragen Sie keine Sorge!« antwortete Olsunna. »Ich glaube heute nicht, daß wir uns auf weite Entfernungen und längere Zeit trennen werden, doch werde ich sofort für einen Ersatz sorgen, von dem ich hoffe, daß er Ihnen genügend sein wird.« – »Eine neue Haushälterin?« fragte der Hauptmann zweifelnd. – »Ja, und auch noch etwas viel besseres. Sie haben die Ihnen von mir anvertraute Werbung übernommen, Herr Hauptmann, ich bin Ihnen dafür zu Dank verpflichtet, und der angemessenste Gegendienst, den ich Ihnen dafür zu leisten vermag, ist der, daß ich nun meinerseits bei Ihnen als Freiwerber auftrete.« – »Bei mir?« fragte Rodenstein erstaunt. – »Ja, mein Bester!« – »Ich habe keine Tochter!« – »Aber einen Sohn, und ich hoffe, daß ich keine schlimmere Antwort erhalte, als Sie Ihnen von meiner jetzigen Braut gegeben worden ist!« – »Bitte, Durchlaucht, schweigen wir!« sagte da der Hauptmann streng. »Dies ist ein Thema, von dem ich befohlen habe, daß es bei mir niemals berührt werden soll!« – »Sie werden mir erlauben, nicht zu den Untertanen zu gehören, denen Sie diesen Befehl gegeben haben. Und ferner werden Sie als derjenige, dessen Gast ich bin, die Höflichkeit besitzen, mich anzuhören!«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
440 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain