Kitabı oku: «Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2», sayfa 7
»Weißt du, wem du dein Leben zu verdanken hast?« fragte er ihn. – »Ich weiß es. Ich hätte es unschuldigerweise verloren.« – »Schweig! Señor Verdoja hat sich auch weiter für dich verbürgt. Du willst nach Mexiko?« – »Ja.« – »Man soll dort nicht wissen, daß ich hier in El Oro war, aber man wird es durch dich erfahren. Ich darf dich also nicht von mir lassen.« – »Señor, ich werde schweigen!«
Der spätere Präsident machte eine verächtliche Handbewegung und sagte geringschätzig:
»Ein Weißer schweigt nie, nur ein Indianer weiß Herr seiner Zunge zu sein. Ein Weißer hält höchstens dann sein Wort, wenn er es beschworen hat.« – »So will ich schwören, Señor.« – »Gut, schwöre!«
Cortejo mußte die Hand erheben und beschwören, daß er von dem Zusammentreffen mit Juarez nichts verraten wolle. Erst jetzt schien der letztere ihm zu glauben.
»Jetzt kannst du gehen«, sagte er. »Nimm deine Leute mit und merke dir, daß du für sie verantwortlich bist!«
12. Kapitel
Einige Minuten später saß Cortejo zu Pferd und verließ El Oro auf der entgegengesetzten Seite, wo er gestern eingeritten war. Die Freischärler begleiteten ihn, denn es sollte ja niemand wissen, daß sie mit dem Hauptmann in Beziehung standen. Erst nach einiger Zeit trennten sie sich von Cortejo und suchten auf einem Umweg die Richtung nach der Hacienda del Erina zu gewinnen.
Sie waren bis jetzt unglücklich gewesen in ihren Absichten auf die Hazienda, jetzt aber brannten sie vor Begierde, sich für das Erlebte reichlich zu entschädigen.
Kurz nach Cortejos Abreise verkündigte der Ton einer Trompete den Aufbruch. Die Lanzenreiter bestiegen ihre Pferde. Juarez setzte sich mit den Offizieren an die Spitze, und dann flogen sie auf ihren halbwilden Tieren über die Ebene dahin wie die Windsbraut, der niemand widerstehen kann.
Es waren damals gar schlimme Zeiten für Mexiko. Es hatte sich längst vom Mutterland Spanien losgesagt und sich einen eigenen Herrscher gegeben, aber es hatte nicht die Kraft, ein selbständiger Staat zu sein. Ein Präsident verdrängte den anderen, die Finanzen befanden sich im schlechtesten Zustand, das Beamtentum war korrumpiert, es herrschte weder Treu und Glauben, noch Gehorsam im Land. Kein Militär wollte gehorchen, jeder Offizier wollte regieren, und jeder General wollte Präsident sein.
Wer an das Ruder kam, der suchte das Land schleunigst auszusaugen, denn er wußte, daß ihm nicht viel Zeit dazu übrigbleibe. Der Nachfolger tat ganz dasselbe, ebenso der Statthalter jeder einzelnen Provinz. Zuletzt wußte kein Untertan mehr, wem er zu gehorchen habe, und am wohlsten befanden sich die Hazienderos, die die entlegensten Gegenden bewohnten.
Mitten in diesem Wirrwarr war Juarez aufgetaucht und erlangte bald einen solchen Einfluß, daß er, obgleich er nichts weniger als Präsident war, sogar mit der Regierung der Vereinigten Staaten Traktate abschloß. Er war bald hier, bald dort, um für sich zu werben, um zu belohnen oder zu bestrafen, und ein solcher Zweck führte ihn auch heute nach der Hacienda Vandaqua.
Als die Lanzenreiter dort ankamen, erregte ihr Anblick allgemeinen Schreck. Juarez stieg vom Pferd und trat, gefolgt von einigen Offizieren, in das Haus. Der Besitzer desselben befand sich mit seiner Familie beim zweiten Frühstück, als der Fürchterliche bei ihm eintrat
»Kennst du mich?« fragte der Indianer streng. – »Nein«, antwortete der Haziendero. – »Ich bin Juarez.«
Bei diesen Worten erbleichte der Mann.
»O heilige Madonna!« rief er. – »Rufe die Madonna nicht, es ist vergebens; sie wird dir nicht helfen!« sagte Juarez finster. »Du bist ein Anhänger des Präsidenten?«
Der Mann erbleichte.
»Nein«, sagte er. – »Lüge nicht!« donnerte ihn der Indianer an. »Stehst du mit seinen Anhängern in Briefwechsel?« – »Nein.« – »Ich werde mich überzeugen. – Sucht!«
Das letzte Wort war an die Offiziere gerichtet. Diese winkten einige der Mannschaften herbei, und nun begann eine genaue Untersuchung des ganzen Hauses. Nach einiger Zeit kam einer der Offiziere mit einem Paket Briefe herbei, die er dem Indianer wortlos überreichte. Dieser nahm sie ebenso wortlos entgegen und las sie. Als der Haziendero die Briefe sah, war er totenbleich geworden. Jetzt hing sein Auge angstvoll am Gesicht Juarez‘. Die Seinen standen stumm in der Ecke und erwarteten klopfenden Herzens das Kommende. Endlich war Juarez fertig mit Lesen. Er erhob sich von seinem Sitz und fragte den Haziendero:
»Du hast diese Briefe empfangen?« – »Ja.« – »Und gelesen? Und beantwortet?« – »Ja.« – »Du hast vorhin gelogen, du bist ein Anhänger des Präsidenten. Du bist Mitglied einer Verschwörung gegen die Freiheit des Volkes. Hier hast du deinen Lohn!«
Damit zog er ein Pistol hervor, zielte und drückte ab. Der Haziendero stürzte, durch die Stirn getroffen, zu Boden. Ein lauter, vielstimmiger Schrei des Entsetzens erscholl. Er wurde ausgestoßen von den Verwandten des Gerichteten. Juarez aber wandte sich mit unerschütterlicher Ruhe und Kälte an diese:
»Schweigt! Auch ihr seid schuldig, aber ihr sollt nicht sterben. Ihr verlaßt das Haus. Ich konfisziere diese Hazienda mit allem, was dazugehört, als Eigentum des Staates. In einer Stunde müßt ihr fort sein. Ich gewähre euch Pferde, auf die ihr euer Eigentum packen könnt. Auch euer Geld dürft ihr mitnehmen. Jetzt fort aus meinen Augen!« – »Dürfen wir den Toten mitnehmen?« fragte jammernd die Frau. – »Ja. Jetzt aber packt euch!«
Die Leute nahmen ihren Toten auf, trugen ihn hinaus, und als die Stunde vergangen war, verließen sie tränenden Auges die Hazienda. Jetzt gab Juarez dieselbe seinen Soldaten frei, und es wurde geplündert, so lange etwas zu finden war. Dann schlachtete man einige Rinder und begann im Freien nach Herzenslust zu schmausen.
Juarez war unterdessen in dem Zimmer geblieben, während Verdoja die Plünderung beaufsichtigt hatte. Als er nun bei dem Indianer eintrat, sagte dieser:
»So müssen alle enden, die gegen das Wohl des Vaterlands sündigen. Verdoja, seid Ihr treu?«
Er richtete dabei einen wahren Tigerblick auf den Gefragten. Dieser antwortete ruhig:
»Ja, Señor; das wißt Ihr.« – »Gut. Ich werde Euch eine Aufgabe erteilen. Habt Ihr Mut?« – »Hm«, lächelte der Hauptmann. »Habt Ihr mich einmal erbleichen sehen?« – »Nein, und darum werdet Ihr es zu hohen Ehren bringen. Kennt Ihr die Provinz Chihuahua genau?« – »Ich bin dort geboren und habe an der Grenze meine Besitzungen.« – »Gut. Ihr werdet Euch nach der Hauptstadt gleichen Namens begeben und meine Interessen dort vertreten. Wir trennen uns heute. Zuerst aber begleitet Ihr mich nach der Hacienda del Erina.« – »Reise ich mit Militärbegleitung?« – »Ihr erhaltet eine Schwadron, mit der anderen kehre ich zurück. Vorwärts!«
Eine Minute später saßen sie zu Pferde und ritten, nur von einigen Lanzenreitern begleitet, fort. Einer der anwesenden Vaqueros mußte den Führer machen.
Als sie die Hazienda erreichten, waren sie bereits bemerkt worden. Da die Bewohner derselben gewitzigt waren, so hatten sie das Tor verschlossen. Juarez selbst klopfte an.
»Wer ist draußen?« fragte Arbellez von innen. – »Soldaten! Öffnet!« – »Was wollt Ihr?« – »Alle Teufel, wollt Ihr öffnen oder nicht?«
Sternau, Helmers und Mariano standen neben dem Haziendero.
»Soll ich öffnen?« fragte dieser leise. – »Ja«, antwortete Sternau. »Es sind ja nur einige Reiter.«
Als das Tor offen war und Juarez in den Hof ritt, musterte er mit funkelndem Auge die Leute, die vor ihm standen.
»Warum gehorchtet Ihr nicht?« donnerte er. – »Wir kennen Euch nicht«, antwortete Arbellez. »Seid Ihr einer, dem man zu gehorchen hat, Señor?« – »Ich bin Juarez. Kennt Ihr meinen Namen?«
Arbellez verbeugte sich ohne alle Verlegenheit und antwortete:
»Wohl kenne ich ihn. Verzeiht, daß wir nicht sogleich öffneten. Tretet in mein Haus; Ihr seid uns willkommen.«
Er geleitete die beiden Gaste nach dem Salon, wo sie sich ohne Umstände niederließen. Trotz des freundlichen Empfangs hatte Juarez seine finstere Miene nicht verloren und fragte:
»Saht Ihr uns kommen?« – »Ja, Señor.« – »Und Ihr saht, daß wir Soldaten sind?« – »Ja, das sahen wir.« – »Und Ihr öffnetet trotzdem nicht? Das verdient Strafe!« – »Oh, Señor, der Präsident hat auch Soldaten. Diese würden mir nicht willkommen sein. Ich konnte doch nicht wissen, daß Sie es selbst waren.«
Juarez‘ Züge heiterten sich auf.
»Also, ich bin Euch wirklich willkommen.« – »Von Herzen.« – »Warum?« – »Weil Sie eine feste Hand haben, Señor, und diese fehlt unserem armen Land.« – »Ja. Diese feste Hand hat bereits mancher gefühlt. Vorhin wieder einer. Sagt, kennt Du die Hacienda Vandaqua?« – »Ich kenne sie genau.« – »Und alles, was dazu gehört?« – »Alles; ich bin ja der Nachbar.« – »Wieviel Pacht ist diese Besitzung wohl wert, Señor Arbellez?« – »Sie ist ja Eigentum, aber kein Pachtgut.« – »Beantwortet meine Frage!« sagte Juarez ungeduldig. – »Nun, wenn sie sich unter besseren Händen befände, könnte man zehntausend Duros zahlen, jetzt aber nicht.« – »Gut, so sollt Ihr sie für siebentausend Duros zur Pacht erhalten.«
Arbellez blickte den Indianer verwundert an.
»Señor, ich verstehe Euch nicht«, sagte er. – »Ich spreche deutlich genug. Ich denke, diese Pachtung liegt Euch bequem. Wollt Ihr sie oder nicht?« – »Ich habe keine Ahnung, daß die Hacienda Vandaqua zu verpachten ist!« – »Sie ist‘s. Ich habe sie für den Staat konfisziert und gebe sie Euch.« – »Und der Besitzer?« fragte Arbellez erschrocken. – »Er starb an meiner Kugel; er war ein Verräter. Seine Familie hat die Besitzung verlassen müssen. Entschließt Euch schnell, Señor!« – »Wenn es so steht, so sage ich ja. Aber …« – »Kein Aber! Holt Schreibzeug! Wir wollen diese Angelegenheit ordnen.«
Wie alles, was Juarez in die Hand nahm, so wurde auch diese Sache in fliegender Eile und doch ganz sorgfältig und ordnungsmäßig erledigt. Dann sagte er:
»Dieser Señor ist Hauptmann Verdoja. Er wird einige Tage bei Euch wohnen.«
Das war dem Haziendero überraschend, aber er ließ sich nichts merken, sondern hieß den Hauptmann willkommen. Juarez fuhr fort:
»Er hat eine Schwadron Reiter mit. Könnt Ihr diese verpflegen?« Arbellez bejahte diese Frage, obgleich er lieber nein gesagt hätte.
»Diese Leute werden gegen Abend hier eintreffen. Sorgt für sie und macht dann mit dem Hauptmann Eure Rechnung. Lebt wohl!«
Er erhob sich und schritt zur Tür hinaus. Verdoja folgte ihm. Sie ritten mit ihrer Begleitung im Galopp davon, die Bewohner der Hacienda del Erina in Verwunderung zurücklassend.
Weshalb hatte der Nachbar sterben müssen? Weshalb sollte gerade Pedro Arbellez der Pächter sein? Also dieser Mann war Juarez, der große Indianer, den ganz Mexiko fürchtete und zugleich liebte und haßte. Diejenigen, die diese Frage aussprachen, ahnten nicht, welche Folgen die Anordnungen des Parteigängers für sie haben würden.
Als dieser die Hacienda Vandaqua erreichte, fand er vor dem Haus alles aufgeschichtet, was die Lanzenreiter des Mitnehmens für wert gehalten hatten. Diese Beute wurde geteilt, und so wenig auf den Mann kam, es erregte bei den nicht an Luxus gewöhnten Leuten doch unendliche Freude.
Nun das vorüber war, erhielt Hauptmann Verdoja seine Instruktion. Sein Aufenthalt bei Arbellez hatte nur den Zweck, die Pferde ausruhen und kräftigen zu lassen, da der Weg hinüber nach Chihuahua ein sehr beschwerlicher ist. Verdoja sollte sich auf der Hacienda del Erina nicht zu lange verweilen und dann schnell seinen Bestimmungsort zu erreichen suchen, wo er im Interesse seines jetzigen Vorgesetzten zu wirken hatte. Beide sprachen lange Zeit heimlich und angelegentlich miteinander. Man sah es ihnen an, daß sie höchst wichtige Sachen besprachen; dann aber schieden sie mit einem einfachen Händedruck voneinander.
Juarez ließ aufsitzen und flog mit seiner Schwadron den Weg zurück, den er heute am Vormittag gekommen war. Er glich einem Rachegeist, der ebenso schnell verschwindet, wie er kommt, immer aber die blutige Spur seines Wirkens hinter sich läßt
13. Kapitel
Es wogt der Aufruhr durch die Gassen,
Die Höhen leuchten blutig rot;
Es geht durchs Land ein grimmig Hassen,
Und reiche Ernte hält der Tod.
Der Menschheit wild gewordne Scharen
Zieh‘n mordend durch den weiten Gau,
Und tausend tückische Gefahren
Wälzt die Empörung durch die Au‘.
Das stille Land wird zum Vulkane,
Der weithin sein Verderben speit.
Und die Elemente zum Orkane,
Zertrümmernd alles, weit und breit.
Es war bereits gegen die Zeit der Abenddämmerung, als donnernder Hufschlag das Nahen der Lanzenreiter verkündigte. Nur die Offiziere sollten in dem Haus wohnen, die Mannschaft mußte es sich unter dem freien Himmel so bequem wie möglich machen. Das ist in jenen Breiten nichts Ungewöhnliches und wird nichts weniger als hart empfunden. Die Pferde sind dort halb wild und bedürfen keiner Stallung, und die Menschen führen ein Leben, das es ihnen ganz gleichgültig macht ob sie in einem weichen Bett einer einfachen Hängematte oder auf harter Erde liegen.
Kapitän Verdoja wurde mit seinen Offizieren in den Salon geführt; dann trat nach dem Willkommenstrunk die alte Hermoyes ein, um die Herren nach ihren Zimmern zu führen. Emma Arbellez hatte das Krankenbett des Geliebten verlassen, um diese Zimmer noch einmal zu revidieren, ob sich alles in Ordnung befinde. Sie stand in dem Raum, der dem Kapitän zugewiesen wurde. Sie hörte seine Schritte; es war zu spät, sich zurückzuziehen.
Er öffnete die Tür, um einzutreten, da sah er sie in der Mitte des Zimmers stehen. Sie war vorher bereits schön gewesen, jetzt aber hatte die Sorge um den Geliebten ihren Zügen etwas Bewegt-Inniges aufgeprägt, das den Eindruck ihrer Erscheinung noch um ein Bedeutendes steigerte. Die Sonne sank soeben hinter dem Horizont hinab; ihre letzten Strahlen drangen durch das Fenster herein und umflossen die Gestalt des schönen Mädchens mit einem rosig goldenen Schein. Es war, als ob die Königin des Tages ihre schönsten Strahlen hereinsende, um auf die schwellenden Lippen der Holden einen Abschiedskuß zu drücken. Verdoja blieb überrascht stehen. Das war ein Bild, wie es die Hand des größten Künstlers nicht auf die Leinwand zu werfen vermochte. Er fühlte sich ergriffen und gepackt, aber nicht von jenem reinen, heiligen Gefühl, welches das Schöne liebt und zugleich ehrt, sondern von einer plötzlichen, leidenschaftlichen Empfindung, wie sie dem Herzen eines in Genußsucht und Frivolität versunkenen Menschen eigen ist.
Emma verbeugte sich errötend und bat mit lieblich klingender Stimme:
»Treten Sie näher, Señor! Sie befinden sich in Ihrer Wohnung.«
Er gehorchte dieser Aufforderung und verbeugte sich mit dem Anstand eines gewandten, im Umgang mit dem schönen Geschlecht erfahrenen Kavaliers.
»Ich bin entzückt, meine Wohnung durch die Anwesenheit der Schönheit geweiht zu sehen«, antwortete er, »und bitte um Ihre milde Verzeihung, daß ich diesen Weiheakt durch meine Dazwischenkunft profaniere.«
Sie hatte bereits im Begriff gestanden, ihm nach mexikanischer Sitte die Hand zum Willkommen entgegenzustrecken, jetzt aber zog sie dieselbe wieder zurück. Es lag in seinem Wesen, seinen Worten, in seinem Gesicht etwas, das sie feindselig berührte.
»O bitte, der ganze Weiheakt bestand nur darin, nachzusehen, ob genügend für Ihre Bequemlichkeit gesorgt sei«, sagte sie. – »Ah, so sind Sie also der Schutzgeist des Hauses! Vielleicht gar …?« – »Der Haziendero ist mein Vater«, sagte sie kurz. – »Ich danke, Madonna! Mein Name ist Verdoja; ich bin Hauptmann der Lanzenreiter und fühle mich in diesem Augenblick unendlich glücklich, Ihr kleines, reizendes Händchen küssen zu dürfen.«
Er hatte dabei ihre Hand ergriffen und drückte, ohne daß sie es so schnell zu verhindern vermochte, seine Lippen auf dieselbe. Sie zog die Hand wie erschreckt zurück.
»Erlauben Sie, daß ich Ihr Gebiet Ihnen überlasse«, sagte sie. »Sie werden der Ruhe und Erfrischung bedürfen.«
Sie machte Miene, sich der Tür zu nähern, er aber trat ihr mit einem schnellen Schritt in den Weg.
»Oh, ich bedarf der Ruhe gar nicht«, sagte er, »und mein eigentliches Gebiet ist die Liebe und die Anbetung der Schönheit. Lassen Sie sich nieder, Madonna. Ich sehe Sie erst seit einer Minute, aber ich schmachte danach, hier an Ihrer Seite bleiben zu dürfen.«
Emma geriet in sichtliche Verlegenheit. Dieser Mann war jedenfalls gewöhnt, mit den koketten Damen der Hauptstadt zu verkehren, sie aber fühlte sich einem so selbstbewußten Auftreten gegenüber fast waffenlos.
»O bitte, erlauben Sie!« bat sie. »Ich habe Pflichten zu erfüllen.«
Sein Auge bohrte sich flammend und verlangend in ihr Angesicht Sie antwortete:
»Die vornehmste Pflicht der Wirtin ist, sich dem Gast angenehm zu machen.« – »Und die Pflicht des Gastes ist es, aufmerksam gegen die Wirtin zu sein!« – »Das bin ich, wahrhaftig, das bin ich!« rief er. »Erlauben Sie mir Ihre Hand, und verlassen Sie mich jetzt noch nicht!«
Er griff nach ihrer Hand, sie aber brachte es fertig, in diesem Augenblick an ihm vorüberzuschlüpfen und die Tür zu erreichen.
»Adieu, Señor!« sagte sie, dieselbe öffnend. – »Halt!« rief er. »Ich lasse Sie nicht fort.«
Er griff nach ihr, aber schneller als seine Hand war, huschte sie hinaus und drückte die Tür hinter sich zu. Er stand da und starrte lange Zeit die Tür an.
»Donnerwetter!« meinte er. »Welch eine Schönheit! Es ist mir noch gar nicht so gegangen wie jetzt, daß ich gleich beim ersten Anblick so perfekt verliebt bin. Das wird ein reizendes Quartier. Wäre ich nicht bereits verheiratet so wäre ich vielleicht imstande, hier an dieser wunderbar hübschen Klippe zu scheitern. Aber mein muß sie werden.«
Emma war froh, glücklich entkommen zu sein. Die unlautere Begierde, mit der die Augen dieses wüsten Mannes auf ihr geruht hatten, erschreckte sie, und sie nahm sich vor, seine Nähe so viel wie möglich zu meiden. Sie begab sich von ihm direkt nach dem Krankenzimmer, wo jetzt ihr immerwährender Aufenthalt war.
Dort fand sie Sternau und Helmers, die neben dem Kranken saßen. Der Zustand desselben war ein befriedigender. Die Operation war vortrefflich gelungen, und das Wundfieber machte ihm noch nicht viel zu schaffen. Er besaß sein vollständiges Bewußtsein, wenigstens in diesem Augenblick, und sprach mit dem Arzt der ganz in der Nähe des Bettes saß. Als er die Geliebte bemerkte, breitete sich die Röte der Freude über sein blasses Gesicht.
»Komm her, Emma«, bat er. »Denke Dir, Herr Doktor Sternau behauptet, meine Heimat zu kennen.«
Emma wußte dies bereits, aber sie stellte sich, als ob es ihr neu sei.
»Ah«, sagte sie, »das ist ein sehr glückliches Zusammentreffen.« – »Ja. Meinen Bruder kennt er auch. Er hat ihn vor seiner Abreise gesehen.«
Dieser Bruder saß hinter dem Fenstervorhang; daß er da sei, durfte der Patient noch nicht wissen. Es war notwendig, jede Aufregung, mochte sie nun eine fröhliche oder traurige sein, von ihm fernzuhalten. Er war durch seinen krankhaften Zustand und die darauf folgende Operation so geschwächt, daß er fast stets im Schlaf oder in einem traumhaften Halbwachen lag, und so waren die hellen Augenblicke, wie der gegenwärtige, selten.
Dies zeigte sich auch jetzt. Kaum hatte sich Sternau erhoben und Emma an seiner Stelle Platz genommen, so ergriff der Kranke ihre Hand, lächelte ihr glücklich zu und schloß die Augen. Er pflegte mit ihrer Hand in der seinigen einzuschlafen. Dies tat er auch jetzt.
»Sie hegen keine Befürchtung mehr?« flüsterte da Emma Sternau zu. – »Nein. Diese stets wiederkehrende Ruhe, dieser gesunde Schlaf werden ihn körperlich und geistig schnell kräftigen. Wir haben nichts zu tun, als das Besserungsbestreben der Natur zu unterstützen, indem wir alles Störende von ihm fernhalten. Aber Sie selbst müssen sich auch die nötige Ruhe gönnen, sonst bringt uns die Heilung des einen die Erkrankung des anderen.« – »Oh, ich bin stark, Señor!« sagte sie. »Haben Sie um mich keine Sorge.«
Sternau ging und nahm Helmers mit sich. Sie begaben sich hinab vor das Haus, um das Lagerleben der Soldaten in Augenschein zu nehmen. Dort trafen sie auch Mariano, den die gleiche Absicht herbeigetrieben hatte.
Die Lanzenreiter waren beschäftigt, Holz zu ihren Lagerfeuern herbeizuschaffen. Sie trugen, während die Pferde frei zur Weide gingen, die Sättel zusammen, die als Kopfkissen zu dienen hatten. Arbellez hatte ihnen einen Stier zur Verfügung gestellt, den sie geschlachtet hatten und jetzt bereits zerstückten. Alles das gab ein lebhaftes, bewegtes Bild, dem die Männer eine ganze Weile zuschauten.
Dann kam die Zeit des Nachtmahls. Sie begaben sich nach dem Speisesalon, wo sich auch bald die Offiziere einstellten. Der erste Blick des Hauptmanns oder Rittmeisters flog in der Runde herum, um zu sehen, ob Emma anwesend sei. Verdoja fühlte sich enttäuscht, als er bemerkte, daß sie nicht zugegen war. Die alte, gute Hermoyes mußte ihre Stelle vertreten.
Arbellez stellte die Gäste einander vor. Die mexikanischen Offiziere verhielten sich höflich, aber zurückhaltend gegen die Fremden. So feine Caballeros wie sie brauchten um die Gunst eines Deutschen nicht zu buhlen.
Verdoja beobachtete Sternau, Helmers und Mariano; das waren also die Männer, deren Tod ihm einen Länderbesitz im Wert von über eine Million einzubringen hatte. Sein Auge glitt über Mariano und Helmers schnell fort und blieb auf Sternau haften. Die mächtige Gestalt desselben imponierte ihm. Mit diesem Mann war nicht leicht anzubinden, der war ja ein Riese, stärker als Verdoja selbst. Und welches Selbstbewußtsein in jeder seiner Bewegungen und in jedem der wenigen Worte, die er sprach! Der Rittmeister nahm sich vor, bei diesem Mann sein Heil nur in der List zu suchen.
Im Lauf der Unterhaltung während der Tafel machte Arbellez eine Bemerkung, die der Rittmeister sofort aufgriff.
»Es ist uns nicht nur eine Freude, sondern auch eine Beruhigung, Sie hier zu sehen, Señores«, sagte der Haziendero. »Noch gestern erst drohte uns eine große Gefahr.«
Verdoja kannte diese Gefahr aus seiner Unterredung mit Cortejo, aber er tat doch so, als ob er gar nichts davon wisse.
»Eine Gefahr? Welche war es?« fragte er. – »Wir sollten überfallen werden«, antwortete Arbellez. – »Nicht möglich! Von wem?« – »Von einer Schar von Freibeutern oder Briganten.« – »Dann muß diese Schar eine bedeutende gewesen sein.« – »Über dreißig Mann.« – »Alle Wetter! Wenn sich solche Banden zusammentun, so ist es notwendig, die Zügel fester anzuziehen. Galt es Ihrer Hazienda, oder hatte man es nur auf Personen abgesehen?« – »Eigentlich wohl das letztere, aber da diese Personen sich in meinem Haus in Sicherheit befanden, so plante man, dasselbe zu überfallen, zu zerstören und alles zu töten.« – »Teufel! Darf man erfahren, welche Personen das sind?« – »Gewiß. Es sind die Señores Sternau, Mariano und Helmers.« – »Sonderbar! Wie haben Sie sich der Spitzbuben erwehrt?« – »Unser Señor Sternau hat sie alle niedergeschossen.«
Der Rittmeister blickte überrascht zu dem Genannten hinüber, und auch die anderen Offiziere lächelten überlegen und ungläubig.
»Die ganze Bande?« fragte Verdoja. – »Nur einige wenige ausgenommen.« – »Und das hat Señor Sternau ganz allein fertiggebracht?« – »Ja. Er hatte nur einen Begleiter mit, der vielleicht zwei der Feinde erschossen hat, die anderen kommen alle auf Señor Sternaus Rechnung.« – »Das klingt unglaublich. Dreißig Mann sollten sich so ohne alle Gegenwehr von einem einzigen Mann niederschießen lassen? Ihr irrt!« – »Es ist wahr«, sagte der Haziendero begeistert. »Lassen Sie es sich erzählen.«
Da warf Sternau einen ernsten Blick auf Arbellez und sagte:
»Bitte, lassen wir das. Was geschah, ist keine Heldentat.« – »Es ist eine Heldentat, dreißig Mann zu töten«, sagte der Rittmeister, »und ich hoffe, Señor, daß Sie nichts dagegen haben, daß wir uns diese interessante Tatsache erzählen lassen.«
Sternau zuckte die Schultern und ergab sich in das Unvermeidliche. Pedro Arbellez machte den Berichterstatter, und er erzählte so lebendig, daß die Offiziere mit ihren Blicken bis zu seinem letzten Wort an seinem Mund hingen.
»Kaum glaublich!« rief der Rittmeister. »Señor Sternau, ich gratuliere Ihnen zu einer solchen Tat.« – »Danke«, sagte dieser ziemlich kühl. – »Solche Tapferkeit ist nicht zu verwundern«, meinte Arbellez. »Haben Sie einmal von dem Indianerhäuptling Büffelstirn gehört, Señor Verdoja?« – »Ja. Er ist der König der Büffeljäger.« – »Und kennen Sie vielleicht einen nördlichen Jäger, den man den Fürsten des Felsens nennt?« – »Ja. Er ist der stärkste und verwegenste Jäger, den es geben soll.« – »Nun, Señor Sternau ist dieser Jäger, und Büffelstirn war sein Begleiter nach der Schlucht des Tigers.«
Die Offiziere stießen einen Ruf der Überraschung aus. Sie hatten nicht geahnt, daß sie sich einem so berühmten Mann gegenüber befanden.
»Ist dies wahr, Señor Sternau?« fragte der Rittmeister. – »Ja«, antwortete dieser, »obgleich es mir lieb wäre, meine Person nicht in dieser Weise in den Vordergrund gedrängt zu sehen.«
Verdoja war ein kluger Kombinist. Er sagte sich, dieser Mariano ist die Hauptperson des Geheimnisses, und wenn sich dieser Fürst des Felsens seiner annimmt, so muß das Geheimnis ein wertvolles sein. Er beschloß kurz zu handeln und fragte daher:
»Aber wie kommt es, daß man es gerade auf diese drei Señores abgesehen hat?« – »Das kann ich Ihnen erklären«, antwortete der Haziendero.
Aber ehe er seine Erklärung beginnen konnte, fiel Sternau ein.
»Das ist eine Privatangelegenheit, von der ich nicht glaube, daß sie Señor Verdoja interessieren wird. Brechen wir ab.«
Arbellez nahm diese verdiente Zurechtweisung schweigend entgegen, der Rittmeister gab sich aber nicht zufrieden, sondern fragte:
»Liegt die Schlucht des Tigers weit von hier?« – »Sie ist in einer Stunde zu erreichen«, antwortete Sternau. – »Ich bin begierig, diesen Ort zu sehen. Würden Sie vielleicht die Güte haben, mich oder uns dorthin zu begleiten, Señor Sternau?« – »Ich stehe zur Verfügung«, antwortete der Gefragte.
Über das Gesicht des Rittmeisters glitt ein Zug der Befriedigung, den er nicht sofort zu beherrschen vermochte. Sternau, gewöhnt, selbst auf das Geringste zu achten, bemerkte dies, es fiel ihm auf; es kam ihm vor, als sei der Rittmeister aus irgendeinem Grund froh, diese Zusage der Begleitung zu erhalten. Er wurde aufmerksam und mißtrauisch, ließ sich aber nichts merken.
»Und wann können wir reiten?« fragte Verdoja. – »Ganz wann es Ihnen beliebt, Señor«, antwortete Sternau. – »So werde ich mir erlauben, Ihnen die Stunde mitzuteilen.«
Damit war dieser Gedanke abgetan und wurde im weiteren Verlauf des Gesprächs auch nicht wieder berührt.