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Kitabı oku: «Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2», sayfa 8

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14. Kapitel

Nach dem Abendmahl begaben sich die Offiziere nach ihren Gemächern. Der eine Leutnant, ein junger Wüstling, legte sich in sein Fenster, um die von dem Wachtfeuer erleuchtete Szenerie zu genießen. Da erblickte er ein weißes Frauengewand, das aus den dunklen Bosketts des Blumengartens emporleuchtete.

»Eine Dame«, dachte er. »Wo Damen sind, da gibt es Abenteuer; da sucht man Liebe und Glück. Ich gehe hinunter.«

Der Mexikaner ist gewöhnt, mit jeder Dame zu tändeln; er findet niemals eine Zurechtweisung, und so machte sich Leutnant Pardero keine Bedenken, ein kleines Abenteuer zu suchen. Die Soldaten hatten den Blumengarten respektiert, sie waren nicht in denselben eingedrungen, und so kam es, daß sich die Dame ganz allein befand. Es war Karja, die Indianerin, die Schwester Büffelstirns.

Sie hatte sich im Garten ergangen, um der Vergangenheit zu gedenken. Sie dachte an Graf Alfonzo, den sie geliebt hatte, und wunderte sich, daß es möglich gewesen war, einem solchen Menschen ihr ganzes Herz zu schenken; jetzt haßte sie ihn. Sie dachte an Bärenherz, den tapferen Häuptling der Apachen, der sie geliebt hatte, und wunderte sich, daß es möglich gewesen war, einem solchen Krieger gegenüber kalt und gleichgültig zu bleiben; jetzt liebte sie ihn. Wie glücklich wäre sie gewesen, ihn einmal wiederzusehen. Aus diesem Sinnen erweckte sie ein leiser Schritt, der in ihrer Nähe erklang. Sie blickte auf und sah den Leutnant. Sie wollte sich entfernen, er aber trat ihr in den Weg und bat mit einer galanten Verbeugung:

»Entfliehen Sie mir nicht, Señorita! Es sollte mir leid tun, wenn ich Sie im Genuß dieser herrlichen Blumendüfte störte.«

Sie blickte ihn forschend an und fragte dann:

»Wen suchen Sie, Señor?«

Es war ziemlich dunkel, aber die Wachtfeuer warfen ihren Schein über die Planken herein, und bei diesem flackernden Licht erblickte er eine schlanke und doch volle Gestalt, die leicht bekleidet war, und ein dunkel gefärbtes Gesicht mit glühenden Augen und einem Lippenpaar, das zum sofortigen Genuß einlud.

»Ich suche niemand«, antwortete er. »Der Abend war so schön, und da trieb es mich in den Garten. Ist der Zutritt zu demselben verboten?« – »Den Gästen des Hauses steht alles offen.« – »Aber Sie werden durch meine Gegenwart gestört, schöne Señorita?« – »Karja läßt sich durch niemand stören«, sagte sie. »Es ist Raum für uns beide in dem Garten.«

Das war ein Wink, sich zu entfernen, aber der Leutnant tat so, als ob er ihn nicht verstanden habe, trat dem Mädchen einen Schritt näher und sagte:

»Karja heißen Sie. Wie kommen Sie auf diese Hazienda?« – »Señorita Emma ist meine Freundin.« – »Wer ist Señorita Emma?« – »Sie sahen sie noch nicht? Sie ist die Tochter von Señor Pedro Arbellez.« – »Haben Sie noch Verwandte hier?« fragte er als ein gewandter Verführer, der stets wissen muß, ob er die Rache eines Verwandten zu fürchten hat. – »Büffelstirn ist mein Bruder.« – »Ah«, sagte er, sehr unangenehm berührt, »Büffelstirn, der Häuptling der Mixtekas?« – »Ja«, antwortete sie in einem selbstbewußten Ton. – »Befindet er sich gegenwärtig auf der Hazienda?« – »Nein.« – »Aber er war doch gestern hier. Er ist mit Señor Sternau nach der Schlucht des Tigers gegangen und hat dort am Kampf mit teilgenommen?« – »Er ist ein freier Mann; er geht und kommt, wie es ihm gefällt, und sagt keinem Menschen, was er tut.« – »Ich habe viel Rühmliches von ihm gehört. Er ist der König der Ciboleros, der Büffeljäger, aber daß er eine so schöne Schwester hat, das wußte ich nicht.«

Er ergriff die Hand der Indianerin, um auf dieselbe einen Kuß zu drücken, aber ehe dies geschehen konnte, entzog sie sie ihm und sagte, sich abwendend:

»Gute Nacht, Señor.«

Jetzt hatte er sie im Profil vor sich. Gerade in diesem Augenblick flackerte eines der Wachtfeuer hoch auf, und diese Flamme beleuchtete hell die weichen, reinen Linien des dunklen Gesichts der schönen Indianerin. Der Leutnant trat hastig einen Schritt näher und versuchte, den Arm um ihre Taille zu legen.

»Fliehen Sie nicht, Señorita«, bat er, »ich bin ja nicht Ihr Feind!«

Sie schob seinen Arm von sich, aber so kurz die Berührung gewesen war, hatte er doch bemerkt, daß sie nach Art der Indianerinnen nur ein einziges Gewand trug, das hemdartig bis auf die Knöchel herabfließend ihren Körper umschloß.

Er faßte jetzt mit festem Griff ihre Hand und sagte:

»Ich lasse Sie nicht gehen, Señorita, ich liebe Sie!«

Sie ließ ihm ihre Hand, aber er fühlte, daß alle Wärme aus derselben wich.

»Sie lieben mich?« fragte sie. »Wie ist das möglich? Sie kennen mich ja nicht!« – »Ich kenne Sie nicht, meinen Sie? Sie irren. Die Liebe kommt wie der Blitz vom Himmel herab, wie die Sternschnuppe, die plötzlich leuchtet, so ist sie bei mir gekommen, und wen man liebt, den kennt man.« – »Ja, die Liebe der Weißen kommt wie der Blitz, der alles vernichtet, und wie die Sternschnuppe, die in einem einzigen Augenblick kommt und vergeht. Die Liebe der Weißen ist das Verderben, ist Untreue und Falschheit.«

Sie entzog ihm die Hand und wandte sich zum Gehen. Da legte er den Arm um sie und versuchte, sie an sich zu ziehen. Aber es war, als ob ihre Gestalt dadurch nur an Höhe und Kraft gewinne, und ihre schwarzen Augen glühten ihm entgegen, so wild und drohend wie die Augen eines Panthers.

»Was wollen Sie?« fragte sie im strengsten Ton. – »Was ich will?« fragte er. »Dich lieben, dich umarmen und küssen!«

Er zog sie näher an sich und bog sich zu ihr nieder, um sie zu küssen.

Da entzog sie sich ihm mit einer schlangengleichen Bewegung und sagte:

»Lassen Sie mich! Wer gibt Ihnen die Erlaubnis, mich zu berühren?« – »Meine Liebe gibt mir sie.«

Er faßte sie von neuem, er preßte sie an sich. Sie bog den Kopf zurück und versuchte, sich von ihm loszureißen.

»Weg, fort von mir!« sagte sie. »Sonst …« – »Was sonst?« fragte er. »Ich liebe dich, ich muß dich küssen um jeden Preis!«

Er hatte seinen Mund bereits an ihren Lippen, da gelang es ihr, sich den rechten Arm frei zu machen, und sofort stieß sie ihm die geballte Faust mit solcher Gewalt unter das Kinn, daß ihm der Kopf nach hinten flog, als ob er das Genick gebrochen hätte.

»Donnerwetter!« fluchte er. »Warte, du Teufel! Das sollst du mir entgelten!«

Er hatte sie unwillkürlich fahrenlassen und wollte sie nun wieder ergreifen, aber sie flog schnell über den Sandweg dahin, dem Eingang des Gartens zu. Er eilte ihr nach.

Auch der Rittmeister hatte sein Fenster geöffnet, um dem Duft seiner Zigarette freien Abzug zu verschaffen. Er schritt sinnend in seinem Zimmer auf und ab und trat dabei einmal an das geöffnete Fenster. Sein blick fiel zufällig in den Garten hinab und wurde durch das weißglänzende Gewand gefesselt. Er strengte seine Augen mehr an und bemerkte, daß eine männliche Person neben der Frauengestalt stand.

»Donnerwetter, wer ist das?« fragte er sich. »Ist das die Hazienderita? Und wer ist der Kerl bei ihr? Wenn sie bereits eine Liebschaft hat, so darf ich mich nicht wundern, daß sie spröde gegen mich ist. Ich werde den Menschen kennenlernen.«

Er eilte nach der Tür und begab sich in den Garten hinab. Eben als er die Pforte desselben geöffnet hatte und im Begriff stand, einzutreten, kam die weiße Gestalt auf ihn zugeflogen, ohne ihn in der Eile der Flucht zu bemerken.

»Ah, Señorita«, sagte er.

Da erst gewahrte sie ihn und blieb stehen. Sofort hatte er sie erfaßt und wollte sie an sich drücken. Da holte sie aus und stieß ihm, gerade wie vorher dem Leutnant, die Faust an die Gurgel, so daß er sie fahren ließ und zurückflog.

»Alle Teufel!« rief er. »Wer ist diese Katze?«

In diesem Augenblick kam der Leutnant nachgesprungen und wollte, auch ohne ihn zu bemerken, an ihm vorüber.

»Leutnant Pardero!« sagte er. »Ihr seid es? Wohin so schnell?«

Bei diesem Zuruf blieb Pardero stehen und sagte:

»Ah, Kapitän, Sie sind es? Ist Ihnen diese kleine Hexe begegnet?« – »Allerdings. Ich habe sie nicht nur gesehen, sondern auch gefühlt!« – »Gefühlt?« fragte der Leutnant. – »Ja, leider!« lautete die Antwort. – »Sie sind wohl mit ihr zusammengestoßen?« – »Ja, das heißt, ihre Faust ist mit meiner Kehle zusammengestoßen.« – »Verdammt. So haben Sie sie küssen wollen, gerade wie ich?« – »Möglich! Gerade wie Sie? Ah, Sie verraten sich!« – »Meinetwegen!« – »Und wie schmeckte der Kuß?« – »Verteufelt gesalzen; ich hatte den Stoß viel eher als den Kuß!« – »Aber den Kuß doch auch?« – »Nein. Der Teufel mag küssen, wenn einem der Kopf ins Genick getrieben wird.« – »Gerade wie bei mir«, lachte der Rittmeister. – »Das tröstet mich!« lachte nun auch der Leutnant. – »Aber, Pardero, Sie gehen auf schlimmen Wegen. Vergilt man die Gastfreundschaft auf diese Weise?« – »Pah! Was hat denn Sie in den Garten getrieben?« – »Nur allein der schöne Abend.« – »Das machen Sie mir nicht weis. Ich wette, daß es Ihnen gerade so wie mir gegangen ist.« – »Nun, wie?« – »Sie sahen zum Fenster heraus…« – »Zugegeben.« – »Erblickten ein weißes Frauenkleid …« – »Auch das.« – »Gedachten sich einen Kuß zu holen oder etwas dergleichen…« – »Eingestanden.« – »Und gingen herab in den Garten.« – »Auch das hat Ihr bekannter Scharfsinn erraten.« – »So haben wir also ganz dieselbe Absicht gehabt und auch ganz denselben Erfolg errungen«, lachte der Leutnant.

Der Rittmeister war der Vorgesetzte, aber in Mexiko sind die Dienstverhältnisse andere als in Deutschland. Übrigens befanden sich beide jetzt nicht im Dienst, und, was die Hauptsache war, sie waren Freunde, sie kannten sich und pflegten sich bei ihren kleinen und großen Abenteuern zu unterstützen. Daher kam es, daß sie jetzt so ohne alle Reserve miteinander sprachen und einander auslachten.

»Wer war denn die Kleine?« fragte der Rittmeister. – »Sie heißt Karja und ist eine Indianerin.« – »Und so spröde. Sie schien reizend zu sein.« – »Außerordentlich. Man könnte dieses Mädchens wegen recht gut irgend jemand umbringen. Ich war ganz Feuer und Flamme.« – »Und sie ganz Eis und Schnee.« – »Leider. Aber ich hoffe, dieses Eis zum Schmelzen zu bringen.« – »Was tut sie denn hier in der Hazienda?« – »Sie scheint eine Gesellschafterin der Tochter des Hauses zu sein.« – »Der Tochter? Also von Señorita Emma?« – »Ja. Kennen Sie diese Emma?« – »Ja.« – »Caramba! Welch ein Glück! Ist sie schön?« – »Schöner noch als diese Karja, weit schöner!« – »Das will viel sagen. Vielleicht auch freundlicher?« – »Ich habe das nicht gefunden. Dieses Haus scheint sehr klösterlich gesinnte Bewohner zu haben. Ich werde Ihnen einen Vorschlag machen, Pardero.« – »Ich höre.« – »Sie wollen diese kleine Indianerin?« – »Um jeden Preis. Und sie diese kleine Señorita Emma?« – »Auch um jeden Preis. Helfen wir uns!« – »Versteht sich! Hier meine Hand.« – »Topp! Da gilt es zunächst zu erfahren, ob die Herzen dieser keuschen Dianen bereits engagiert sind. Es scheint so, nach der Kälte, die wir verspürt haben.« – »Vielleicht ist uns dieser Sternau zuvorgekommen. Er ist ein sehr schöner Mann, der wohl hundert Mädchen die Köpfe verdrehen könnte.« – »Ich meine dies nicht, eher erscheint mir dieser Mariano verdächtig. Haben Sie nicht bemerkt, daß ihn der Haziendero so auf eine stille, unauffällige, feine Weise auszuzeichnen sucht? Es ist fast, als ob er der Höhere von den dreien sei.« – »Ich hatte keine Veranlassung, so scharf zu beobachten. Erlauben Sie mir, schlafen zu gehen. Dieses Mädchen hat eine Faust wie ein indianischer Athlet; man sollte es ihren kleinen weichen Händchen gar nicht anfühlen. Mein Genick schmerzt und ist mir so steif geworden, als ob es aus Holz gedrechselt sei. Der Teufel hole die Liebe, die ihre Stärke und Innigkeit mit der Faust beweist.« – »So schlafen Sie aus, Leutnant. Morgen erneuern wir den Angriff, und ich denke doch, daß es uns gelingen wird, Bresche zu schießen. Gute Nacht!« – »Gute Nacht, Señor Verdoja.«

15. Kapitel

Pardero ging, der Rittmeister aber verweilte sich noch im Garten, bis seine Uhr die Nähe der zwölften Stunde zeigte. Dann tat er, als ob er die Runde mache, und versuchte dabei, unbeobachtet an die südliche Ecke der Umzäunung zu kommen. Dies war ja der Ort, wohin er den Briganten bestellt hatte.

Dieser war bereits eingetroffen, er hatte sich im tiefsten Schatten so eng niedergehockt, daß ihn niemand sehen konnte, auch der Rittmeister nicht.

»Señor!« flüsterte er, als Verdoja an ihm vorüberschleichen wollte. – »Ah, bist du es?« fragte der Angeredete, indem er stehenblieb. – »Ja, Sie sehen, daß ich pünktlich bin.« – »Das habe ich erwartet. Wo sind deine Gefährten?« – »In der Nähe.« – »Man wird sie doch nicht bemerken?« – »Tragen Sie keine Sorge. Nun, was haben Sie uns zu befehlen?« – »Kennst du diesen Sternau persönlich?« – »Nein.« – »Keiner von euch kennt ihn?« – »Keiner.« – »Das ist unbequem. Er reitet mit mir nach der Schlucht des Tigers.« – »Und wir sollen ihn dort erwarten?« – »Erwarten und niederschießen.« – »Das werden wir tun, bei der heiligen Mutter Gottes, wir werden es tun. Er hat unsere Kameraden getötet, er muß auch sterben, er und die anderen.« – »Aber ihr kennt ihn nicht. Ich weiß noch nicht, wer uns begleitet. Ich kann nicht allein mit ihm reiten und werde wohl einige meiner Leute mitnehmen. Vielleicht gehen noch andere mit. Welch ein Zeichen soll ich dir geben, um ihn zu erkennen?« – »Beschreiben Sie mir ihn!« – »Er ist wohl noch länger und stärker gebaut als ich und trägt einen blonden Vollbart. Was für Kleider er tragen und welch ein Pferd er reiten wird, das weiß ich heute natürlich noch nicht.« – »Nun gut, so wollen wir ein Zeichen bestimmen, an welchem ich ihn erkenne. Halten Sie sich womöglich stets an seiner rechten Seite.« – »Wird das genügen?« – »Vollständig. Aber was wird mit den anderen beiden?« – »Ich liefere sie euch bei einer anderen Gelegenheit. Hauptsache ist, daß du in jeder Mitternacht dich hier einfindest Wir können uns besprechen. Für jetzt aber trennen wir uns. Man könnte uns bemerken.«

Er ging, legte sich schlafen und schlief sehr ruhig; der soeben besprochene Mordanschlag lag ihm nicht im mindesten auf dem Gewissen.

Am anderen Morgen brachte er beim ersten Frühstück, das gemeinschaftlich eingenommen wurde, die Rede auf den beabsichtigten Ritt nach der Schlucht des Tigers. Er hielt es für zweckmäßig, den Morgen dazu zu verwenden, und Sternau erklärte sich bereit dazu. Die beiden Leutnants baten, mitkommen zu dürfen, was ihnen bereitwilligst zugestanden wurde. Von den anderen nahm keiner teil, da ihnen die Offiziere unsympathisch waren.

Das hatte der Rittmeister gewünscht. Sternau war der einzige Zivilist, der bei ihnen war, und so konnte keine Verwechslung vorkommen, die Kugel mußte ihn treffen. Als sie zu Pferd die Hazienda verließen, hatte der Deutsche nicht die entfernteste Ahnung, daß er dem Tod verfallen sei.

Sie ritten ganz denselben Weg, den Sternau mit Büffelstirn gegangen war. Er machte natürlich den Führer. Im Wald wurde abgestiegen, da man die Pferde stellenweise führen mußte. So näherten sie sich der Schlucht. Als man den Eingang zu derselben fast erreicht hatte, blieb Sternau stehen.

»Lassen wir die Pferde hier«, sagte er. »Sie mögen bis zu unserer Rückkehr weiden.«

Die anderen taten mit, und so schritt man ohne die Tiere weiter.

Sternau hatte keine andere Waffe als seinen Stutzen mit, nur das Messer stak ihm noch im Gürtel. Als sie den Eingang der Schlucht erreichten, blieb er plötzlich stehen und blickte nieder, um das Gras zu betrachten.

»Was suchen Sie?« fragte der Rittmeister. – »Hm, gehen wir weiter.«

Mehr sagte Sternau nicht, aber sein Auge haftete nur am Boden.

Als man die Schlucht erreichte, hielt sich der Rittmeister an seiner Seite. Er suchte mit seinen Blicken die beiden Seitenwände und die Ränder der Schlucht ab, jeden Augenblick konnte der tödliche Schuß fallen, es waren Minuten der peinlichsten Erwartung.

Auf der Sohle des Tales lagen die Toten, wie man sie bei der Plünderung hingeworfen hatte, man konnte bereits den Verwesungsgeruch verspüren.

»Also hier war es, Señor?« fragte der Rittmeister. – »Ja«, antwortete Sternau. – »Und diese Leichen sind Ihr Werk, außer zweien?« – »Man zählt solche Dinge nicht genau. Bemerken Sie, daß alle durch den Kopf getroffen sind?« – »Wirklich!«

Sie betrachteten die Leichen und sahen, daß eine jede ganz genau an demselben Punkt der Stirn getroffen war. Bei dieser Betrachtung gewahrten sie nicht, daß Sternau sich mehr bückte, als notwendig war, und daß er hinter ihren Körpern sehr sorgfältig Deckung suchte. Auch sahen sie nicht, daß seine Blicke verstohlen rechts und links an den Seiten der Schlucht emporblitzten.

»Das ist viel«, meinte der Rittmeister. »Sie sind wirklich ein großer Schütze, Señor. Man hat noch nie gehört, daß ein einziger Mann in der Zeit von zwei Minuten gegen dreißig Feinde erschießt.«

Sternau zuckte geringschätzig die Schultern.

»Ja, so ein Henrystutzen ist eine fürchterliche Waffe«, entgegnete er. »Aber es gehört auch etwas dazu, diese Waffe im geeigneten Augenblick zu gebrauchen. Dreißig sichtbare Feinde sind leichter zu erlegen als ein unsichtbarer.« – »Ein solcher dürfte wohl gar nicht zu erlegen sein«, meinte Leutnant Pardero. – »Ein guter Schütze erlegt auch ihn«, lächelte Sternau, indem er sich noch immer hinter den Körpern der anderen hielt. – »Das ist unmöglich!« versetzte der Rittmeister. – »Soll ich Ihnen die Möglichkeit beweisen?« – »Tun Sie es«, meinte der Leutnant neugierig. – »So frage ich Sie, ob Sie glauben, daß sich hier ein einziger Feind befindet.« – »Wer sollte das sein, und wo sollte er stecken?«

Sternau lächelte überlegen und erwiderte:

»Und dennoch lauert man mir hier auf, um mich zu erschießen.«

Er hatte bei diesen Worten seinen Stutzen schon längst von der Schulter genommen und hielt ihn unter dem Arm. Der Rittmeister erschrak. Woher wußte Sternau; daß man sein Leben bedrohte?

»Sie belieben zu scherzen, Señor Sternau«, sagte der Offizier. – »Ich werde Ihnen beweisen, daß es ernst ist.«

Mit diesen Worten riß Sternau den Stutzen empor, zielte und drückte zweimal ab. Ein mehrmaliger Schrei erscholl vom Rand der Schlucht herunter. Sternau aber sprang nach der Seite dieses Randes hinüber und schnellte dann in mächtigen Sätzen, von den Büschen gedeckt, dem Ausgang der Schlucht zu, hinter dem er verschwand. Von seinem ersten Schuß an bis zu diesem Augenblick war nicht eine Minute vergangen.

»Was war das?« rief Pardero. – »Er hat einen Menschen getötet«, antwortete der andere Leutnant. – »Ein fürchterlicher Kerl!« stieß der Rittmeister hervor.

Er konnte nichts anderes sagen.

»Wir stehen in Gefahr, wir müssen uns zurückziehen«, rief Pardero.

Sie retirierten nun nach dem Eingang der Schlucht und warteten. Nach einer Weile ertönten ganz oben noch zwei Schüsse, dann blieb es längere Zeit still. So verging wohl eine Viertelstunde, da raschelte es hart neben ihnen in den Büschen, so daß sie erschrocken hinblicken und zu den Waffen griffen.

»Fürchten Sie sich nicht, Señores«, klang es ihnen entgegen. »Ich bin es.«

Es war Sternau, der hervortrat.

»Señor, was war das, was haben Sie getan?« fragte der Leutnant. – »Geschossen habe ich«, lachte der Gefragte. – »Das wissen wir. Aber warum?« – »Aus Notwehr, denn ich war es, der erschossen werden sollte.« – »Unmöglich! Wer sollte das sein! Woher wissen Sie das?« – »Meine Augen sagten es mir.« – »Und wir haben nichts bemerkt.« – »Das ist Ihnen nicht zu verdenken, denn Sie sind keine Präriemänner. Der Herr Rittmeister bemerkte, daß ich vorhin das Gras betrachtete. Ich sah die Fußspuren von Menschen, die vor einer Viertelstunde hier waren, sie führten da rechts empor. Hier, blicken Sie her, sie sind noch zu sehen.«

Er deutete auf den Boden nieder. Die Offiziere gaben sich alle Mühe, konnten aber nicht das mindeste erkennen.

»Ja, es gehört ein geübtes Auge dazu«, lachte Sternau. »Nun weiter! Weil die Spuren rechts nach der Höhe führen, suchte ich nach unserem Eintritt in die Schlucht den Rand derselben ab, und da bemerkte ich denn einige Männerköpfe, die, hinter dem dort stehenden Buschwerk versteckt, uns beobachteten. Sie konnten nicht sehen, daß ich sie beobachtete, da meine Augen sich im Schatten meiner Hutkrempe befanden.« – »Wie konnten Sie wissen, daß es Feinde waren?« fragte der Rittmeister. – »Weil sie ihre Büchsen durch die Sträucher steckten, als wir in die Schlucht eindrangen. Ich sah ganz deutlich zwei Läufe auf uns gerichtet« – »Caramba!« fluchte Leutnant Pardero, der keine Ahnung von dem Zusammenhang hatte. »Das konnte auch uns gelten anstatt Ihnen.« – »Nein, das galt mir. Ich weiß, daß ich Veranlassung habe, auf meiner Hut zu sein, darum versteckte ich mich, je weiter wir gingen, immer hinter dem Körper des Herrn Rittmeisters. Wer mich schießen wollte, mußte erst ihn treffen.«

Der Rittmeister sperrte den Mund auf.

»Donnerwetter«, meinte er endlich, »so bin eigentlich ich es gewesen, der sich in Lebensgefahr befunden hat.« – »Allerdings«, lachte Sternau. »Es ist mir dabei sehr auffällig, daß diese Männer den Schild, als der Sie mir dienten, so sorgfältig respektiert haben.«

Diese Bemerkung verursachte dem Rittmeister doch einiges Bedenken. Ahnte dieser Sternau vielleicht den Zusammenhang?

Letzterer fuhr fort:

»Übrigens wurde es mir sehr leicht, mich zu decken, die Büchsen blickten von rechts herab, und der Herr Rittmeister hatte die Güte, sich mit einer gewissen Anstrengung stets auch an meiner rechten Seite zu halten.«

Der Rittmeister erbleichte. Jetzt war kein Zweifel übrig, daß er durchschaut war. Sternau ahnte, wer an dem Überfall Schuld trug. Er fuhr fort:

»Sie sahen die Gewehre nicht. Ich aber weiß ganz genau, in welcher Richtung von der Mündung einer Büchse der Kopf des Zielenden zu suchen ist. Als ich meine beiden Schüsse abfeuerte, traf ich zwei Männer gerade in den Kopf. In demselben Augenblick aber fuhren neben ihnen noch zwei Büchsen durch die Sträucher, darum sprang ich nach rechts hinüber, wo ich Deckung fand, und eilte dem Ausgang zu. Die Burschen hatten ihre Position sehr schlecht gewählt, sie verdienen Ohrfeigen für ihre Dummheit.« – »Und wo gingen Sie dann hin?« fragte der Rittmeister. – »Ich pirschte mich so eilig wie möglich hinauf, um den Leuten in den Rücken zu kommen. Aber als ich an den Ort gelangte, waren sie so klug gewesen, sich davonzumachen. Ich hörte noch von weitem die Büsche knacken und schickte ihnen aufs Geratewohl zwei Kugeln nach.« – »Und die Toten?« – »Sie liegen oben. Wollen Sie sie sehen?« – »Ja.« – »So kommen Sie. Ihre Kameraden haben ihnen nur die Waffen und das Geld abgenommen, das übrige werden wir noch finden.«

Sie folgten dem mutigen Mann am Rand der Schlucht empor und fanden dort oben wirklich zwei Männer liegen, die beide durch den Kopf geschossen waren. Der Rittmeister erkannte mit Befriedigung, daß der Anführer, mit dem er um Mitternacht gesprochen hatte, und den er heute um dieselbe Zeit wieder erwartete, nicht dabei war.

»Señor, Sie wagten viel, als Sie die Gewehre auf sich gerichtet sahen und dennoch mit uns gingen«, sagte der zweite Leutnant. – »Ich wagte wenig. Aber diese Toten wagten viel, daß sie mich ihre Läufe sehen ließen, ehe sie zum Schuß kamen. Ein erfahrener Westmann tut das nie.« – »Was tun wir mit den Leichen?« – »Nichts, sie mögen bei den anderen liegen, zu denen sie gehören. Ich irre mich wohl nicht, wenn ich annehme, daß diese beiden Menschen gestern mit einem gewissen Cortejo in El Oro gewesen sind. Sie selbst kamen ja wohl von dort her?«

Sternau sagte dies in einem scheinbar gleichgültigen Ton, aber der Rittmeister hörte aus demselben doch die Spur einer Anklage heraus.

»Ja, ein gewisser Cortejo kam zu Juarez, als wir gerade zur Tafel saßen«, entgegnete der zweite Leutnant unbefangen und ahnungslos.

Der Rittmeister warf ihm einen wütenden Blick zu, der aber nicht bemerkt wurde.

»Waren Leute bei ihm?« fragte Sternau. – »Ja. Fünf oder sechs.« – »Gehörten diese beiden hier zu ihnen?« – »Ich habe sie nicht so genau angesehen, aber es ist mir so, als hätte ich sie bemerkt. Der Herr Rittmeister kann vielleicht nähere Auskunft erteilen.« – »Warum der Herr Rittmeister?« – »Weil jener Cortejo bei ihm geherbergt hat.«

Ein zweiter wütender Blick traf den Sprecher, wurde aber von ihm ebensowenig bemerkt wie der erste. Nur Sternau fing ihn auf, ließ sich aber nichts merken und sagte ruhig:

»Ich glaube nicht, daß ich von Señor Verdoja Auskunft erhalten werde. Übrigens ist ja die Sache abgemacht. Diese beiden Kerle haben ihren Lohn und mögen nun da verwesen, wo ihre Kameraden verfaulen.«

Er stieß die Leichen über den Rand der Schlucht so daß sie den steilen Abhang hinabstürzten und unten halb zerschmettert liegenblieben. Nun kehrten die vier Männer nach dem Ort zurück, wo sie ihre Pferde stehengelassen hatten. Sie fanden dieselben ruhig weidend, stiegen auf und traten den Heimritt an. Während des Rittes wurde von Sternau kein Wort gesprochen; auch der Rittmeister verhielt sich vollständig schweigsam, und nur die beiden Leutnants plauderten halblaut miteinander. Sternau war der Gegenstand des Gesprächs. Sein Mut, seine Geistesgegenwart und Geschicklichkeit wurden von ihnen mit Bewunderung besprochen, und noch waren sie keine Stunde lang zu Hause, so wußten sämtliche Soldaten von dem Abenteuer, das ihre Offiziere mit dem kühnen Deutschen erlebt hatten.

Die Bewohner der Hazienda erfuhren es natürlich auch, und es wurde von ihnen auf verschiedene Weise aufgenommen. Während der eine nur das Verhalten Sternaus pries, hob der andere hervor, daß man sich nun wohl sicher fühlen könne, und ein dritter bedauerte, daß nur zwei getötet worden seien und nicht auch die anderen mit.

Da Sternau sich von dem Rittmeister beobachtet wußte, so hielt er sich von allem Verkehr fern und machte auch während der Mittagsmahlzeit über sein heutiges Erlebnis nur einige allgemeine Bemerkungen. Als aber am Nachmittag Verdoja einen Spazierritt unternahm, ließ er den Haziendero und die Freunde zu sich kommen und teilte ihnen seinen Verdacht mit.

Sie glaubten anfangs, daß er sich getäuscht habe, schenkten später aber doch seinen Gründen einigermaßen Glauben und beschlossen, den Rittmeister genau zu beobachten und sich möglichst vor ihm in acht zu nehmen.

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30 ağustos 2016
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