Kitabı oku: «Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1», sayfa 22
32. Kapitel
Draußen wartete Pirnero, um Juarez ein anderes Zimmer anzuweisen.
Als die beiden jetzt voreinanderstanden, sagte der Präsident zu dem alten Wirt:
»Pirnero, habt Ihr Familie?« – »Eine Tochter.« – »Keine Frau?« – »Nein.« – »Keinen Sohn?« – »Nein.« – »Wie alt seid Ihr?« – »Hm! Das weiß ich nicht genau; das steht in alten Kalendern, und die habe ich nicht mehr. Etwas über vierzig oder fünfzig oder sechzig; aber nicht viel!« – »Was soll denn einmal aus Eurem Geschäft werden, wenn Ihr sterbt?« – »Das bekommt Resedilla.« – »Und die versorgt es allein?«
Das war Wasser auf die Mühle des Alten. Er antwortete rasch:
»Das ist ja eben mein Leiden!« – »Was?« – »Die Geschichte mit dem Schwiegersohn.« – »Ah, gibt es denn da bereits eine Geschichte?« – »Leider nicht! Aber ich wollte, es gäbe eine. Aber das Mädchen will einmal nicht!« – »Nicht heiraten?« – »Erraten!« nickte Pirnero. – »So zwingt man sie.« – »Die zwingen? Sicher nicht! Was die einmal will, das setzt sie durch. Sie ist da ganz und gar wie ihr Vater, und das kommt von der Vererbung auf die Tochter, Señor, nämlich vom Vater aus, wohlverstanden!«
Der Präsident sah Pirnero pfiffig lachend an und entgegnete:
»Keine Faxen, Alter! Eure Tochter ist jedenfalls gescheiter als Ihr. Sagt einmal, habt Ihr nicht bemerkt, ob sie eine kleine Bekanntschaft hat?« – »Gar keine. Es müßte denn in neuer Zeit sein; aber der Bekannte paßt mir denn doch nicht, denn er spuckt zu viel. Der Geierschnabel spuckt ja wie ein Wollteufel!« – »Geierschnabel? Der berühmte Führer? Woher kennt Ihr den?« – »Er ist ja da!« – »Da? Hier bei Euch? Jetzt?« – »Ja. Heute ist er da. Er hat sogar mit gekämpft.« – »Den muß ich mir einmal ansehen. Er soll ein ganz närrischer Kauz sein.« – »Das ist er auch. Er spuckt nur Fenster und Bilder an. Zu sehen werdet Ihr ihn sehr bald bekommen, Señor, denn er will zu Euch.« – »Wer sagt das?« – »Er selbst.« – »So!« – »Wer weiß, was er hat.« – Also ihn liebt Eure Tochter?« – »Hm! Ich kann es eben nicht sagen. Mir gefällt er jedenfalls nicht. Aber ob ihr seine Spuckerei zusagt? Es ist alles möglich, denn die Frauen haben oft unbegreifliche Marotten. Ich werde ihr einmal auf den Zahn fühlen.« – »Das laßt fein bleiben! Also Ihr wäret nicht abgeneigt, einen Schwiegersohn zu haben?« – »Einen Schwiegersohn! Herrgott, Señor, das wäre mir ja ein Gaudium. Ein Schwiegersohn ist ja gerade meine Passion. In Pirna darf sich eine achtbare Familie ohne Schwiegersohn gar nicht sehen lassen!« – »Wo ist das?« – »Pirna? Das liegt in Sachsen, wo die vier Kreisdirektionen sind.« – »Dort scheint es vernünftige Menschen zu geben, besonders was die Schwiegersöhne betrifft. Aber ich will ein ernstes Wort mit Euch reden!« – »Immer redet ernsthaft, Señor; ich werde nicht lachen. Ein guter Diplomat weiß Scherz und Ernst voneinander zu unterscheiden.« – »Nun gut. Also, wenn Ihr einen Schwiegersohn hättet, so wäre das ein ganz anderes Ding. Ich könnte da … hm! Ja!« – »Was könntet Ihr, Señor? Bitte sagt es immer heraus! Als guter Politikus bin ich immer verschwiegen.« – »Nein, sagen kann ich es erst, wenn Ihr einen Schwiegersohn habt!« – »Alle Teufel! Wenn ich ihn doch nur schon hätte!« – »So schafft Euch schnell einen an!«
Es lag klar auf der Hand, daß der Präsident nur scherzte. Pirnero aber war ganz Feuer und Flamme geworden. Er antwortete:
»Wenn man nur vorher erfahren könnte, was Ihr mit dem Schwiegersohn anfangen wollt, den ich meiner Tochter zum Mann gebe.«
Juarez machte ein geheimnisvolles Gesicht und erwiderte in wichtigem Ton:
»Nun, Ihr wißt, daß ich die Franzosen schlage …« – »Gewiß.« – »Dann muß auch dieser Schattenkaiser fort; er kann sich nicht halten.« – »Ganz sicher.« – »Dann herrsche ich über das ganze Land. In diesem Fall liegt mir nur viel daran, einen guten Diplomaten hier in dieser Gegend zu haben, der einen Schwiegersohn besitzt, auf den … hm, nein, ich darf mich doch nicht verraten! Ich kann nur so viel sagen, daß ich es sehr gut mit Euch meine!« – »Aber wo zum Teufel auch sofort einen Schwiegersohn hernehmen? Fatal! Höchst fatal! Muß es denn gleich sein, Señor?« – »Viel Zeit hat es allerdings nicht, das könnt Ihr Euch denken.« – »Aber – hm! Könntet Ihr mir nicht einen oder zwei vorschlagen?« – »Das ist eine schwierige Sache.« – »Nun, ich habe ja doch die Wahl!« – »Also der Geierschnabel spuckt zu viel?« – »Fürchterlich! Nicht zum Aushalten! Den mag ich nicht!« – »Nun, wer verkehrt denn noch hier?« – »Hm! Da wäre der Schwarze Gerard!« – »Spuckt der auch?« – »Ganz und gar nicht.« – »Hat er sonst einen Fehler?« – »Nein. Er ist ein tüchtiger Kerl.« – »Nun?« – »Ich habe ihn schlecht behandelt. Er wohnte hier bei mir, ohne daß ich wußte, wer er war. Da habe ich ihn dumm und liederlich geheißen, ihn blamiert und darüber gezankt, daß er nur einen Julep trinkt. Trotzdem hat er mich bewacht und den französischen Kapitän fortgeschafft, der als Spion zu uns gekommen war.« – »Das beweist eben, daß Ihr kein großer Politikus seid.« – »Oh, in der Politik und als Diplomat bin ich groß; da stelle ich meinen Mann; aber die verfluchten Heiratsgeschichten machen einem zu schaffen, obgleich man in Pirna geboren ist Ich will doch lieber zehn Republiken und zwanzig Kaisertümer verwalten, als ein einziges Mädchen verheiraten. Ein Kaisertum oder eine Republik nimmt einem jeder ab, eine Tochter aber wird zum Ladenhüter, ehe man es sich versieht, und dann ist es nichts mit dem Schwiegersohn. Weshalb ist man von Pirna nach Mexiko gezogen, als um auch einmal Großvater zu werden.«
Juarez, der sonst so wortkarge, ernste Mann, liebte doch zuweilen einen kleinen Scherz. Diese Unterredung gab ihm Spaß. Er fragte daher:
»Also denkt Ihr nicht, daß der Schwarze Gerard Euch den Gefallen tun wird?« – »Der sicherlich nicht. Mit dem habe ich es leider verdorben. Oh, Señor, wenn Ihr doch ein gutes Wort für mich einlegen wolltet.« – »Hm! Das ist eine heikle Sache. Was gebt Ihr Eurer Tochter mit?« – »Sie bekommt alles, alles!« – »Glaubt Ihr denn, daß er sie leiden kann?« – »Erst dachte ich es, sie standen einmal im Flur, und er hatte ihre Hand in der seinigen. Es sah so aus, als ob sie miteinander geredet hätten.« – »Das ist doch kein sicheres Merkzeichen!« – »Ja. Aber dennoch fuhr ich in die Höhe und spektakelte sie an. Seit dieser Zeit ist es aus. Sie können einander nicht mehr ersehen. Sie gucken einander gar nicht mehr an. Heute hat er uns aber doch alle gerettet, obgleich er selbst den Tod schon auf den Lippen hatte. Ich habe ihm darum mein bestes Zimmer gegeben. Aber denkt Ihr, daß das Mädchen ein einziges Mal nach ihm gesehen hat?« – »Das ist allerdings sehr schlimm, doch will ich versuchen, ob vielleicht etwas zu machen ist.« – »Ja, Señor, tut mir den Gefallen!« bat Pirnero. »Ich bin sehr gern zu jedem Gegendienst bereit. Solltet Ihr einmal einen guten, zuverlässigen Diplomaten brauchen, so schickt zu mir. Ich werde Euch die schwierigsten Sachen auseinanderfitzen.« – »Gut! Aber sagt einmal, alter Pirnero, warum habt Ihr Euch denn von diesen Franzosen so überrumpeln lassen? Habt Ihr denn gar nicht an Gegenwehr gedacht?« – »Gegenwehr? Natürlich! Erst wollte ich in die Gewehrniederlage gehen, wo ich die Büchsen liegen habe, die zum Verkauf da sind. Aber dann überlegte ich mir, daß es wegen der paar Mann doch schade ist, ein neues Gewehr anzuschießen. Darauf wollte ich in meine Schlafkammer, wo ich meinen Stutzen hängen habe; aber an dem einen Lauf fehlt der Hahn, und am anderen Hahn der Lauf. Ich dachte nun, ein Speisemesser zu holen, die meinigen sind aber vorn rund, und da muß man ewig quetschen und drücken, ehe man sie jemanden in den Leib bringt. Eine Lanze habe ich zwar auch, spitz und scharf wie Gift, aber die wird als Wäschestange benützt, und ehe ich alle Hemden und Strümpfe heruntergebracht hätte, wären die Franzosen längst ausgekniffen gewesen, denn Angst hatten sie alle; das sah man ihnen an.« – »Ja, Ihr seid ein Mordskerl!« lachte Juarez. – »Aber den Grund habe ich noch nicht gesagt, Señor Juarez!« – »So sagt ihn mir also jetzt.« – »Nun, ich überlegte mir in der Geschwindigkeit diplomatisch, daß Hilfe kommen werde. Darum brauchte ich mich mit diesen Kerlen auch nicht herumzuärgern, und ich habe das anderen überlassen. Einem guten Diplomaten fällt es aber nicht ein, sich auf dem Schlachtfeld töten zu lassen. Er macht den Krieg, and das andere Volk führt ihn. Das ist diplomatisches Herkommen.«
Juarez war plötzlich ernst geworden.
»Ihr habt recht, Pirnero. Der ›Neffe des Onkels‹ in Paris hat uns den Krieg gemacht! Er ist der Diplomat. Und unser Volk muß sich infolgedessen hinschlachten lassen. Ich hatte Mexiko den Frieden gegeben und hätte ihm denselben erhalten. Man gehorchte mir, weil man mich liebte, achtete und fürchtete. Da kamen diese Landfriedensbrecher mit ihrer Macht. Jedes Volk hat das Recht sich selbst zu regieren. Dieses stand auf meiner Fahne geschrieben, und ich habe mit dieser Fahne fliehen müssen bis nach Paso del Norte, dem äußersten Winkel des Landes. Ein anderer hätte abgedankt. Ich nicht denn mein Recht ist stark genug, es mit dem französischen Usurpator aufzunehmen. Ich lasse daher meine Fahne wehen und werde wiederkommen, schneller, als ich gegangen bin, um sie in Mexiko, der Hauptstadt, aufzupflanzen, zum Zeichen, das jede Nation sich ihre Geschichte selbst machen darf und daß hier auf dem westlichen Kontinent es noch offene Augen gibt, die durch französisches Flitterwerk nicht geblendet werden können.«
Warum sprach der berühmte, charakterfeste Mann solche Worte zu dem einfachen Mann, der doch nur ein Ignorant genannt werden mußte?
Nun einfach, weil wes das Herz voll ist, des geht der Mund über, auch an einem nicht dazu geeigneten Ort. Juarez hatte die Last des Unglücks getragen, des unverschuldeten Unglücks. Er muß, will man unparteiisch sein, der bedeutendste Mann genannt werden, den bisher die rote Rasse hervorgebracht hat. Er hatte es treu und gut mit seinem Volk gemeint. War es ein Wunder, daß während seines unverschuldeten Exils sich Gedanken in ihm angesammelt hatten, die nun das Bestreben zeigten, nach außen hin zu explodieren?
Er reichte dem Wirt die Hand und sagte mit einer scherzhaften Wendung:
»Ihr seht, Señor Pirnero, daß nicht alle Diplomaten glücklich sind. Laßt Euch aber davon nicht abhalten, ein guter Politikus zu sein, denn wenn man es wirklich ehrlich meint trägt man doch stets noch den Sieg davon.« – »Ja, wir werden siegen!« rief der Wirt. »Ihr in Mexiko und ich mit meiner Heiratsgeschichte! Wir werden siegen, denn Ihr nehmt Euch meiner und ich nehme mich Eurer an; darauf könnt Ihr Euch verlassen!« – »Gut so! Nun geht. Sendet mir Essen und Trinken, und wenn meine Beamten nach mir fragen, so sagt ihnen, in welchem Zimmer ich bin.«
33. Kapitel
Der Wirt eilte hinab, als ob er Flügel hätte. Resedilla mußte in die Küche, um für den Präsidenten zu sorgen, während ihr Vater das Äußere übernahm. Erst gegen Abend wurde ihnen beiden freie Zeit geboten, da alle hinauseilten, um die Trauerfeierlichkeiten der Apachen mit anzusehen, die in dieser Weise noch niemals beobachtet worden waren.
Da saß der Alte an seinem Fenster und trank einen Julep als Herzstärkung. Resedilla ging ab und zu, um das Trinkgeschirr zu ordnen.
Eben stand sie wieder in seiner Nähe, um einige Gläser fortzunehmen; da sagte er:
»Resedilla!« – »Vater?« antwortete sie. – »Weißt du vielleicht, was ein Gouverneur ist?« – »Ja.« – »Nun, was?« – »Der oberste Regent eines mexikanischen Staates.« – »Das hast du gut gesagt, meine Tochter! Aber weißt du auch, daß ein Gouverneur ein sehr feiner Diplomat und gewiegter Politikus sein muß?« – »Das läßt sich denken!« – »Und daß nur die Männer solche Ämter erhalten, die als tüchtige Diplomaten gelten?« – »Natürlich!« – »Nun also; sieh mich einmal an!«
Pirnero machte dabei eine sehr ernste, feierliche Miene, und Resedilla blickte ihn sehr neugierig an.
»Nun?« fragte er. »Wie sehe ich aus? Wie komme ich dir in diesem wichtigen Augenblick vor?«
Resedilla kannte seine Schwäche sehr genau, darum antwortete sie, das Richtige ahnend:
»Wie ein großer Diplomat, Vater.« – »Wirklich? Ja? Nun siehst du, Resedilla, du hast dich jetzt als eine Diplomatin erwiesen. Diesen diplomatischen Scharfblick hast du von mir, infolge der Vererbung vom Vater auf die Tochter. Aber höre weiter! Was würdest du zum Beispiel zu dem Staat Chihuahua sagen?« – »Hm!« brummte sie mit einem möglichst wichtigen Gesicht, da sie doch unmöglich wissen konnte, auf welches Ziel im Monde er loszusteuern im Begriff stand. – »Oder zu dem Staat Coahuila?« – »Hm!« – »Diese beiden Staaten liegen mir natürlich am bequemsten, da ich meine Besitzungen im Norden des Landes habe. Einer von beiden ist mir gewiß!« – »Gewiß? Als was?« – »Als was? Nun, als untertäniges Gebiet. Kannst du noch dein Französisch?« – »Ja.« – »Das ist gut. Du wirst mir von jetzt an täglich einige Stunden Unterricht geben.«
Jetzt ahnte sie beinahe, welche Ungeheuerlichkeit zum Vorschein kommen werde.
»Französischen Unterricht? Wozu?« – »Hast du denn noch nicht gehört, daß die hohen Diplomaten in französischer Sprache miteinander verkehren?« – »Freilich!« – »Nun, der Gouverneur eines Staates gehört unter diese hohen Leute!« – »Willst du damit sagen, daß du Gouverneur werden willst?« – Ja«, antwortete er mit ungeheurer Würde.
Das war Resedilla doch zu viel. Sie sah dem Vater mit unbegrenztem Erstaunen in das Gesicht; er hielt das für den Ausdruck der Bewunderung.
»Ja, ich bin aus Pirna«, sagte er mit Emphase. »Man wird mir dort nach meinem Tode ein Denkmal setzen, unten von Erz und darauf einen riesigen Adler von Sandstein. Und darunter wird stehen: ›Dieser Vogel ist Elias Pirnero‹, weiter nichts. Denn bei großen Männern ist kein großer Sermon nötig.« – »Wer sagte dir denn, daß du Gouverneur werden sollst?« – »Der Präsident Juarez.« – »Wann?« – »Vorhin vor kurzer Zeit«
Dies mußte natürlich auf einem riesigen Mißverständnis beruhen; darum fragte Resedilla:
»Hat er es deutlich und genau gesagt?« – »Wo denkst du hin! Ein Diplomat sagt niemals etwas deutlich. Er sagte nur immer. Hm! Wenn … Ja … Und ob! Ja, das sagte er.« – »Und daraus hast du entnommen, daß du Gouverneur wirst?« – »Natürlich. Ein Diplomat versteht den anderen auf alle Fälle.« – »Das möchte ich doch bezweifeln.« – »Bezweifle es bei anderen, aber nur bei mir nicht; das bitte ich mir aus. Die Bedingung hat er mir sogar ganz von der Leber weg und geradeheraus gesagt. Es war eine sehr vorteilhafte: Ich soll mir schleunigst einen Schwiegersohn anschaffen.«
Resedilla konnte kaum das Lachen unterdrücken, aber sie bezwang sich und fragte:
»So muß also ein Gouverneur unbedingt einen Schwiegersohn haben?« – »Natürlich. Dumme Frage. Als Stellvertreter natürlich. Wenn der Gouverneur nach Paris, Petersburg oder Rom reist, um sich einen Orden zu holen, muß ein Stellvertreter im Land bleiben, der die Schreibstube besorgt. Und dazu hat ein Schwiegersohn jedenfalls das beste Talent.«
Jetzt konnte Resedilla sich nicht mehr halten.
»Ich denke, er soll Dachsparren annageln?« lachte sie. – »Oh, in einem Staat wird zuweilen auch ein Sparren locker, oft auch mehrere. Übrigens hat mir der Präsident die Sache außerordentlich leichtgemacht, indem er mir ganz offen gesagt hat, wen er sich als Schwiegersohn wünscht, als meinen Schwiegersohn natürlich.«
Resedilla errötete. Die Sache lag jedenfalls auch hier anders, als sie von ihrem Vater dargestellt wurde, doch war sie wirklich neugierig, den Namen des Glücklichen zu erfahren. Sie hütete sich jedoch sehr, eine darauf bezügliche Frage auszusprechen.
»Nun, willst du es nicht wissen?« fragte er. – »Es würde doch nichts nützen«, antwortete sie. – »Nichts nützen? Ah, sieh einmal an! Du willst ihn wohl nicht nehmen?« – »Hm!« – »Was denn hm? Ich habe lange genug Geduld mit dir gehabt, jetzt aber geht meine Güte zu Ende. In Pirna nehmen alle Mädchen Schwiegersöhne, die dem Vater gefallen. Dies befördert die Forterbung auf die Tochter hinüber. Ich werde es als Gouverneur hier auch so einführen. Von heute an hast du deinen Bräutigam. Weigerst du dich, ihn zu nehmen, so adoptiere ich mir ein anderes Mädchen als eheliches Kind und erkläre dich für meine Stieftochter. Bin ich dann als Gouverneur Großvater, so bist du die Stieftante meiner leiblichen Enkel. Das wird deine Strafe sein!«
Resedilla schüttelte so zuversichtlich den Kopf, als glaube sie ganz und gar nicht an die Ausführung dieses Planes, und fragte in weiblicher Schlauheit:
»Ob ich ihn will, ist am Ende nicht die Hauptsache. Aber, will er mich denn?«
Der Alte fuhr sich langsam in die Haare, räusperte sich ein wenig und sagte:
»Ja, das ist allerdings die Hauptsache. Wie denkst du darüber?« – »Oh, mich hat noch keiner gewollt, Vater!« – »Wirklich nicht?« fragte er forschend. – »Kein einziger.« – »So! Hast du denn schon den einen oder den anderen gefragt?« – »Das nicht. Aber wenn mich einer hätte haben wollen, so hätte er mir es gesagt.« – »Unsinn! Du hast keinen nahekommen lassen. Übrigens habe ich eine Sorge bei dieser Geschichte, eine große, sehr große Sorge.« – »Darf ich sie erfahren, Vater?« – »Natürlich. Du mußt sie sogar erfahren. Sage mir einmal, Resedilla, hast du etwa ein Auge auf den Geierschnabel geworfen, he?« – »Auf den Geierschnabel?« fragte sie fast erschrocken. – »Ja, der die ganze Welt für einen Spucknapf hält und einem nur immer gerade neben der Nase vorüberschießt?« – »Wie kommst du denn auf diesen Gedanken?« – »Hm! Du weißt ja, daß ich ein Diplomat bin.«
Da lachte Resedilla hell und fröhlich auf und entgegnete:
»Da mache dir nur keine Sorge. Dieser Mensch ist mir unausstehlich.« – »Das erleichtert mir das Herz gewaltig. Ein Mensch, der ein Heiratsbüro in der Dämmerstunde für eine Zündhölzerfabrik in der Morgenstunde ansieht, hat nicht das geringste Talent zum Schwiegersohn eines Diplomaten. Der hingegen, den ich meine, und den auch Juarez will, ist ein tüchtiger Kerl. Rate, wer es ist!« – »Das läßt sich schwer erraten. Sage lieber gleich, wen du meinst« – »Hm! Wenn ich nur die vielen Dummheiten nicht gemacht hätte! Ich habe ihn ja ganz und gar nicht als Schwiegersohn behandelt. Denke dir nur! Ist es denn eigentlich möglich, so einem Kerl vorzuwerfen, daß er Rehgeißen für andere trägt?«
Jetzt war es Resedilla mit einem Male klar, wen der Vater meinte. Sie erglühte bis in den Nacken und wandte sich ab, um ihre Verlegenheit zu verbergen.
»Errätst du es nun?« fragte er. »Ich meine den Schwarzen Gerard.«
Resedilla klirrte ganz verdächtig mit den Gläsern und zögerte, zu antworten.
»Nun?« sagte er. »Kannst du ihn etwa nicht leiden?«
Da nahm sie sich zusammen und antwortete:
»Ich habe dir ja gesagt, was in dieser Angelegenheit die Hauptsache ist.« – »Ob er dich haben mag? Ja, das wohl! Aber es hat mir geschienen, als ob du nichts von ihm wissen magst. Du hast ihn in letzter Zeit ja gar nicht angesehen, und heute, da er uns so beigestanden hat, hast du dich noch nicht ein einziges Mal um ihn bekümmert.«
Resedilla stand an dem anderen Tisch, kehrte dem Vater den Rücken zu und antwortete nicht.
»Nun, verteidige dich!« mahnte er.
Da erklang ein eigentümlicher, tiefer Ton durch das Zimmer, ein Ton, als wenn jemand etwas aus dem Herzen gewaltsam Emporsteigendes mit aller Anstrengung hinunterdrücken wolle. Dieser Laut kam aus Resedillas Brust, und dann brach sie plötzlich in ein heftiges, lautes Schluchzen aus, das sie nun nicht mehr zu beherrschen vermochte. Sie hielt die Hände an die Augen und verließ unter lautem Weinen das Zimmer.
Pirnero blickte ihr erschrocken nach, bis sie hinter der Tür verschwand.
»Sapperlot, was war denn das!« sagte er sich. »Das war ja ein Jammer und Elend, wie es in Pirna gar nicht Mode ist. Sie will nichts von ihm wissen, das steht nun bombenfest. Das arme Kind! Soll ich sie denn wirklich an einen hängen, dem sie nicht gut ist? Nein! Lieber mag die Gouverneursgeschichte zum Teufel gehen! Kind bleibt Kind. Mein Mädchen steht mir näher als der Staat, und wegen eines Ordens aus Rom oder Konstantinopel opfere ich mein Kind nicht. Der Teufel hole die Politik. Man ist zum Genie geboren und richtet doch Unheil an. Ich werde es ihr sagen, daß sie den Kerl, den Schwarzen Gerard, gar nicht anzusehen braucht.«
Er erhob sich wirklich, um nach der Küche zu gehen, kam aber nicht weit, so mußte er diesen Gang unterbrechen, denn es trat einer ein, von dem vorhin die Rede war: Geierschnabel, der Yankeejäger. Sein Gewand war mit Blut befleckt, ein deutliches Zeichen, daß er sich wacker an dem Kampf beteiligt hatte. Er hatte ganz das Aussehen eines Mannes, der die Gefahr nicht gescheut, sondern sich tüchtig mit den Feinden herumgebalgt hat. Pirnero blieb stehen und betrachtete ihn vom Kopf bis zum Fuß.
»Herrgott, wie sehr Ihr aus!« rief er.
Der Amerikaner warf ihm einen nicht sehr höflichen Blick zu und antwortete:
»Ich kalkuliere, daß ich anders aussehe, als wie einer, der in der Stube blieb, während um unsere Köpfe die Kugeln pfiffen. Ihr versteht mich doch, Master?«
Da warf sich Pirnero in die Brust, stellte sich stolz vor ihn hin und sagte:
»Ah, Ihr meint mich? Habe ich etwa nicht auch gekämpft?« – »Man hat nichts gesehen.« – »Da irrt Ihr Euch bedeutend. Der blutigste Teil der Schlacht wurde in meinem Haus gekämpft. Da flogen die Kugeln wie die Mücken umher.« – »Habt Ihr etwa mit zugeschlagen?« – »Ich? Als Feldherr?« fragte Pirnero erstaunt. – »Alle Teufel! Ihr wart der Feldherr?« lachte der Jäger. – »Natürlich. Das versteht sich.« – »Oh, das ist allerdings etwas anderes, Master. Verzeiht, daß ich dies nicht gewußt habe. Gebt einen Julep, damit ich meine Hochachtung für Euer Feldherrntalent gehörig bespülen und beträufeln kann.« – »Den Julep sollt Ihr haben, aber Eure Hochachtung brauche ich nicht. Ich bin als Diplomatist und kriegerischer Schlachtenkenner bekannt genug, als daß ich noch extra auf Eure Bewunderung angewiesen wäre. Das mögt Ihr Euch nur merken.«
Dabei schritt Pirnero mit stolz erhobenem Haupt nach dem Schenktisch, um den Schnaps zu holen, und fragte dann, als er denselben vor den Gast hingesetzt hatte:
»Wie kommt es überhaupt, daß Ihr bei mir seid?«
Der Gefragte blickte den Wirt verwundert an und antwortete:
»Ich komme des Julep wegen, rechne ich.« – »Aber gerade jetzt.«
Der Amerikaner spitzte die Lippen, wandte sich ihm zu, spuckte ihm so nahe an der Nase vorüber, daß Pirnero erschrocken zurückwich, und fragte:
»Warum gerade jetzt nicht?« – »Ich denke, jetzt befindet sich alles draußen bei den Indianern.« – »Pah! Ich habe Indianer genug gesehen, so lange ich lebe.« – »Aber diese Zeremonie nicht wie heute.« – »Mit Zeremonie oder ohne Zeremonie, ich schätze, der Indianer bleibt auf alle Fälle ein Indianer. Warum geht Ihr nicht selbst hinaus, um Euch die Sache anzusehen?« – »Darf ein guter Feldherr den Mittelpunkt des Kampfplatzes verlassen?« – »Hm«, brummte der Amerikaner vergnügt. »Wen meint Ihr denn eigentlich mit dem ›Feldherrn‹? Euch oder den Präsidenten Juarez?« – »Uns alle beide. Auch Präsident Juarez tut seine Pflicht, indem es ihm ganz und gar nicht eingefallen ist, hinaus zu den Indianern zu gehen.« – »So ist er da?« – »Ja, droben in seinem Zimmer.« – »Ich habe mit ihm zu sprechen. Wollt Ihr mir sagen, wo das Zimmer ist?« – »Ich werde Euch führen. Folgt mir, Señor Geierschnabel.«
Pirnero war wirklich so höflich, den Jäger hinaufzuführen.
Droben klopfte er an die Tür, hinter der er den Präsidenten gelassen hatte; aber es ließ sich keine Antwort hören, und als er vorsichtig öffnete, fand er das Zimmer leer. Er schüttelte mißbilligend den Kopf.
»Sollte er doch zu den Indianern gegangen sein?« sagte er. »Dann wäre ich ja der einzige, der seinen Posten nicht verlassen hat. Da drüben höre ich Stimmen. Ich glaube, diejenige des Präsidenten ist mit dabei.« – »Wer ist da drüben?« – »Da liegt der Graf Rodriganda, der fast erschlagen worden ist Ich werde klopfen.« – »Dürft Ihr denn stören?« – »O gewiß. Ich stehe mit Juarez auf einem so vertrauten Fuß, daß wir beide aufeinander gar keine Rücksicht zu nehmen brauchen.«
Pirnero trat wirklich an die betreffende Tür und klopfte an. Nun wurde dieselbe von Mariano geöffnet, der nach dem Begehr der beiden fragte.