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Kitabı oku: «Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2», sayfa 15

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24. Kapitel

Wenn man vom Rio Grande de City, welche Stadt am linken Ufer des Flusses liegt, stromaufwärts fährt, so trifft man am rechten Ufer bald auf den Ort Mier. Von da an aber legt der Strom eine Strecke von wohl fünfzehn deutschen Meilen zurück, ehe man nach Revilla und Bellevilla gelangt, wo der Sabinafluß in den Rio Grande fällt.

Auf dieser langen Strecke sieht man fast nur Wald an beiden Ufern stehen. Dieser Wald ist mit dichtem Buschwerk eingesäumt, aber in nur geringer Entfernung vom Fluß hört dasselbe auf, und der Hochwald erhebt seine riesigen Stämme wie gigantische Säulen gen Himmel.

Unter diesem Säulendach ist das Fortkommen selbst zu Pferde leicht, während das Ufergestrüpp die Schnelligkeit außerordentlich beeinträchtigt.

Im tiefen Schatten dieses Waldes ritt eine ansehnliche Reiterschar parallel mit dem Flußufer stromaufwärts. Sie waren alle sehr gut bewaffnet, aber ihre Pferde schienen ungewöhnlich angegriffen zu sein.

Zwei ritten an der Spitze. Der eine von ihnen war Pablo Cortejo, der lächerliche Prätendent der Präsidentschaft von Mexiko. Seine Züge waren düster, er schien sich in sehr schlechter Stimmung zu befinden. Auch jedem einzelnen seiner Leute sah man es an, daß sie die üble Laune ihres Anführers teilten. Dieser führte mit seinem Nachbar eine halblaute Unterhaltung, bei der sich mancher Fluch hören ließ.

»Verdammter Einfall, zwei Dampfer vorzuhängen!« sagte Cortejo. – »Das möchte noch sein, Señor«, meinte der andere. »Noch verdammter aber ist der Einfall, niemals an das Ufer zu legen. Wir hatten auf eine nächtliche Überrumpelung gerechnet. Damit aber ist es nichts!« – »Der Teufel hole diesen Engländer! Reiten wir von San Juano mit ihm um die Wette, treiben unsere Pferde fast in den Tod, und alles ohne Erfolg.«– »Wir können ihn nur durch List fangen, Señor.« – »Dein Vorschlag taugt auch nichts. Der Engländer legt doch nicht an.« – »Das soll er auch nicht. Er soll nur selbst an das Ufer kommen.« – »Er wird es nicht tun.« – »Das laßt nur meine Sorge sein, Señor.« – »Also du wolltest das wirklich wagen?« – »Ja; aber natürlich gegen die versprochene Belohnung.« – »Die sollst du haben. Wann kommen wir an den Ort?« – »In einer halben Stunde. Er ist ganz geeignet zu unserem Vorhaben. Ich bin einmal vorübergekommen und habe eine Nacht dort kampiert.« – »Deine Ansicht scheint mit nicht ganz unrichtig zu sein. Fangen wir den Engländer, so ist das andere auch unser. Aber ihn nur erst haben.« – »Wir bekommen ihn, Señor, ich bin überzeugt davon.«

Der Mann hatte die Zeit richtig bestimmt. Nach Verlauf einer halben Stunde erreichten sie eine Stelle, wo der Fluß eine sehr scharfe Krümmung machte. Die dadurch entstandene, in das Wasser hineinragende Halbinsel bestand, wie man sich denken kann, aus felsigem Boden und war nur mit einem niedrigen Pflanzenwuchs besetzt. Diese Stelle bot einen freien Ausblick über die ganze Breite des Flusses, konnte aber auch von diesem aus deutlich überblickt werden. Erst etwa fünfzig Schritt von dem Ufer begann der Wald. Was innerhalb desselben vorging, konnte man vom Fluß aus nicht sehen.

Hier im Wald machte die Truppe halt.

Unterdessen war Lord Lindsay in die Nähe dieser Stelle gelangt, ohne zu ahnen, daß auf dem rechten Ufer ihm eine so bedeutende Schar von Männern folge, die im Sinn hatten, ihm seine Ladung fortzunehmen.

Die Sonne stand ziemlich tief, als der vorderste Dampfer die Krümmung erreichte. Der Lord stand mit Geierschnabel neben dem Steuermann.

»Wie weit haben wir noch bis zur Mündung des Sabina?« fragte der erstere den Jäger. – »Wir werden sie morgen mittag erreichen und dann in den Sabina einbiegen. Wir fahren da allerdings einen Winkel. Wer den Weg kennt und ein gutes Pferd besitzt, kann den Ort, wo wir erwartet werden, in der kürzesten Zeit erreichen. Aber, sehen Sie, Mylord. Steht dort links an der kahlen, offenen Bank nicht ein Mann?« – »Allerdings«, antwortete der Gefragte. »Jetzt setzt er sich nieder.« – »O nein«, meinte der Steuermann. »Der war nicht niedergesetzt, sondern niedergesunken. Der Mann scheint verletzt zu sein.« – »Jetzt erhebt er sich wieder, aber nur höchst mühsam«, versetzte Geierschnabel. »Er winkt. Es scheint, wir sollen ihn mitnehmen.« – »Tun wir das«, bat Amy, die herbeigetreten war. »Wollen wir nicht ein Boot aussetzen, Papa?« – »Ich denke allerdings, daß wir dies tun sollten«, antwortete der Lord. »Wir dürfen einen Unglücklichen, der hilflos in der Wildnis liegt, den Beistand nicht verweigern.« – »Hören wir erst. Er ruft«, sagte Geierschnabel.

Sie sahen, daß der Mann die Hände an den Mund legte.

»Juarez!«

Nur dies eine Wort rief er herüber, und es schien die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen.

»Ein Bote des Präsidenten«, sagte der Lord. »Wir müssen ihn aufnehmen. Ich selbst werde mit an das Ufer gehen, um mit ihm zu sprechen.« – »Das werden Sie nicht tun, Mylord. Wir befinden uns hier im Urwald, und Sie dürfen sich nicht exponieren. Es genügt, ein Boot auszusetzen und den Mann zu holen. Und das werden wir jetzt sogleich tun.«

Der Steuermann gab den Befehl, und bald ruderten zwei Männer dem Ufer zu. Man sah von dem kleinen Dampfer aus, der unterdessen beigelegt hatte, was der zweite ebenso tat, daß die beiden Ruderer an das Ufer stiegen, das Boot befestigten und sich zu dem Mann begaben, der liegenblieb. Sie sprachen mit ihm, kehrten dann ohne ihn in das Boot zurück und kamen wieder herbeigerudert. Während der eine im Boot blieb, kam der andere an Bord gestiegen.

»Nun, warum bringt ihr ihn nicht mit?« fragte der Lord. – »Er ist vom Pferd gestürzt, hat sich dabei schwer verletzt. Er leidet fürchterliche Schmerzen, wenn man ihn anfaßt; darum bat er uns, ihn liegenzulassen; er sei tödlich verletzt und werde sowieso sterben müssen. Sein Pferd ist im Wald mit ihm durchgegangen und hat ihn an einen Baum geschleudert. Als er wieder zu sich gekommen war, hat er sich bis an das Ufer geschleppt.« – »Der arme Mann. Man muß ihn dennoch holen«, sagte Amy. – »Warum aber winkte er uns, wenn er unsere Hilfe von sich weist?« fragte Geierschnabel. – »Er ist ein Bote von Juarez. Er hat den Auftrag erhalten, sich am Fluß aufzustellen und Lord Lindsay zu erwarten, um ihm eine höchst wichtige Nachricht mitzuteilen«, antwortete der Mann. – »Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Juarez weiß, wo er uns zu erwarten hat. Sendet er uns wirklich einen Boten entgegen, so kann es nur sein, weil er das Rendezvous verändert hat oder Grund findet, uns vor irgendeiner Gefahr zu warnen. Übrigens, warum richtete der Mann da drüben seine Botschaft nicht an dich aus?« – »Er verlangt, Sir Lindsay selbst zu sprechen, weil die Botschaft zu wichtig sei, als daß er sie einem anderen sagen könne.« – »Das kommt mir verdächtig vor. Hast du sein Pferd gesehen?« – »Nein. Es war ja mit ihm durchgegangen.« – »Gab es keine Fußtapfen in der Nähe?« – »Man konnte nichts sehen. Der Boden ist felsig.« – »Den nahen Waldrand hast du nicht beobachtet?« – »Doch; aber es war nichts Verdächtiges zu bemerken.« – »Ich werde wohl hinüberfahren müssen«, meinte der Lord. – »Papa, bleibe da!« bat Amy. »Ich ahne, daß du dich dabei in Gefahr befindest.« – »Ich muß aber doch wissen, was Juarez mir sagen läßt.« – »Der Bote wird es auch einem anderen mitteilen.« – »Nein, das tut er nicht«, bemerkte der Bootsmann. »Er hat mir ausdrücklich aufgetragen, daß er es keinem anderen sagen darf.« – »So muß man noch einmal versuchen, ob er nicht mit herüberkommt.« – »Er kommt nicht. Er behauptet, im Sterben zu liegen. Jede Bewegung und jede Berührung verursachten ihm so ungeheure Schmerzen, daß ein Transport herüber ganz unmöglich ist.« – »Nun, so fahre ich hinüber«, erklärte der Lord. »Ich nehme eine bewaffnete Begleitung mit, so daß ich vollständig sicher bin.«

Geierschnabel spuckte höchst ungeduldig aus.

»Wissen Sie, Mylord, wie viele Leute dort hinter den Bäumen versteckt sein können?« fragte er. – »So gehe ich gar nicht an das Land. Ich kann ja vom Boot aus mit dem Mann sprechen.« – »Aber man kann Sie vom Wald aus mit einer Kugel töten.« – »Um Gottes willen, Papa, bleibe da!« bat Amy.

Da stieß Geierschnabel ein kurzes, lustiges Lachen aus, hustete einige Male, spuckte in den Fluß hinab und sagte:

»Ah, Mylord, da kommt mir ein allerliebster Gedanke. Ich selbst werde gehen.« – »Aber er wird Ihnen nichts sagen, da er mich verlangt.« – »Pah! Ich gebe mich für Sir Henry Lindsay aus.«

Der Lord machte ein verwundertes Gesicht und erwiderte lachend:

»Sie scherzen, Geierschnabel.« – »O nein. Es ist mein völliger Ernst. Der Kerl wird Sie doch nicht kennen?« – »Ich glaube nicht. Aber es wird ein Wagnis für Sie sein.« – »Ein Wagnis? O nein, es ist im Gegenteil ein Spaß, ein Gaudium für mich. Ich kalkuliere, daß ich den Lord nicht übel spielen werde.«

Er zog dabei eine äußerst spaßhafte Miene. Amy sah seine lange Nase, seine sehnige, ausgetrocknete Gestalt, seine bloße, behaarte Brust, seine zerrissene, weit um ihn herum schlotternde Kleidung und sagte heiter:

»Ja, ich glaube auch, daß Sie ein außerordentlicher Lord sein würden.« – »Nun, an der nötigen Gravität sollte es nicht fehlen«, antwortete der Jäger. »Wir sind von ganz gleicher Länge, Mylord. Haben Sie nicht vielleicht einen Anzug, wie man ihn in London oder New York trägt, bei sich?« – »Oh, mehrere.« – »Zylinderhut, Handschuhe, Krawatte und Augenglas, vielleicht auch einen Regenschirm?« – »Das versteht sich.« – »Nun, wollen Sie mir diese Kleinigkeiten nicht gütigst einmal borgen?«

Diese Frage rief eine schnelle und heitere Verhandlung hervor, deren Resultat war, daß Geierschnabel als Lord Lindsay an das Land gehen sollte.

Er begab sich mit dem Engländer nach dessen Kajüte und erschien in kurzer Zeit auf dem Verdeck, mit den erwähnten Kleidungsstücken angetan.

Amy machte Miene, in ein lautes Lachen auszubrechen, er aber gab ihr einen schnellen Wink und sagte in warnendem Ton:

»Still, Mylady! Das Lachen einer Dame dringt sehr weit. Man könnte es drüben am Ufer hören.« – »Aber man kann da doch nicht ernsthaft bleiben«, sagte sie, indem es ihr nur mit Mühe gelang, ihre Heiterkeit zu unterdrücken.

»Haben Sie keine Sorge! Die da drüben sollen sicherlich nicht über mich lachen.« – »Aber Sie sind unbewaffnet«, warnte Lindsay. – »Ich werde mein Messer und zwei Revolver zu mir stecken; das genügt.«

Er begab sich mit langen, wichtigen Schritten nach der Stelle, die er für sich reserviert hatte, und steckte die genannten Waffen in die Taschen.

Er bildete allerdings hier im Urwald eine höchst seltsame Figur. Ein Anzug von grauem Tuch, Gamaschen, Lackschuhe, grauer Zylinderhut, gelbe Handschuhe, Regenschirm und ein Zwicker auf der langen, ungeheuren Habichtsnase gaben ihm ein Aussehen, das selbst in einer großen, belebten Stadt, um wieviel mehr aber hier, im höchsten Grade auffallen mußte.

Als er wieder zurückgekehrt war, meinte er:

»Es sind jetzt zwei Fälle möglich. Entweder der Kerl da drüben ist wirklich ein Bote von Juarez, oder die ganze Geschichte ist eine Falle, die über Ihnen zuklappen sollte.« – »Ich hoffe das erstere«, meinte der Lord. – »Und ich vermute das zweite«, behauptete der Jäger. »Haben Sie recht, so bin ich bald wieder hier. Bestätigt sich aber meine Ahnung, so weiß ich allerdings noch nicht genau, wie das alles enden wird.« – »Was hätten wir in diesem Fall zu tun, Master Geierschnabel?« – »Sie hätten hier vor Anker liegenzubleiben, bis ich wiederkomme.« – »Und wenn Sie nicht wiederkommen?« – »So warten Sie bis übermorgen früh und dampfen vorsichtig weiter. Sie werden Juarez auf alle Fälle finden. Aber ich bitte Sie, strenge Wache zu halten. Nimmt man mich da drüben fest, so hat man die Absicht, sich Ihrer Ladung zu bemächtigen; man wird Sie also während der Nacht zu überfallen versuchen.« – »Wir werden nicht schlafen, sondern wachen.« – »Laden Sie Ihre Geschütze mit Kartätschen, und zwar sofort, aber so, daß man es drüben nicht bemerkt. Die Geschütze sind übrigens mit Wachsleinwand zugedeckt. Man wird also gar nicht merken, was vorgeht.« – »Aber Sie? Ich befürchte sehr Schlimmes für Sie!« – »Haben Sie ja keine Sorge. Mich hält man nicht fest. Selbst wenn man mich gefangennehmen will, werde ich entkommen. Ich eile dann zu Juarez.« – »Aber wie wollen Sie zu diesem gelangen?«

Der Gefragte schoß einen Strahl von Tabaksbrühe über Bord und antwortete:

»Zu Pferde natürlich.« – »Aber Sie haben ja kein Pferd.« – »Ich nicht, aber die da drüben. Übrigens kenne ich die Ecke, die zwischen hier und dem Sabinafluß liegt, sehr genau. Es ist jetzt noch ziemlich licht. Ehe es Nacht wird, erreiche ich die Prärie und bin, wenn das Pferd nur leidlich ist, mit Tagesanbruch bei Juarez. Derselbe wird dann jedenfalls sofort aufbrechen, um diese Kerle beim Schopf zu nehmen.« – »Aber wie soll ich wissen, ob man Sie feindlich behandelt oder ob Sie entkommen sind?« – »Die feindliche Behandlung werden Sie mit den Augen sehen, das Entkommen aber mit den Ohren hören. Sitze ich einmal auf dem Pferd, so werde ich ganz sicher nicht eingeholt. Ist Ihnen der Schrei des mexikanischen Geiers bekannt?« – »Ja, sehr gut.« – »Nun, wenn ich einen solchen Schrei ausstoße, so bin ich frei; beim zweiten sitze ich zu Pferde, und beim dritten bin ich in der festen Überzeugung, daß ich entkommen werde. Hören Sie dann aus der Ferne noch einen vierten Schrei, so ist dies ein Zeichen, daß ich mich zu Juarez unterwegs befinde.« – »Wir werden scharf aufpassen, Master.« – »Gut. Also kann das Abenteuer beginnen.«

Geierschnabel griff in die Tasche seiner funkelnagelneuen Stoffhosen, zog eine riesige Rolle Kautabak hervor und biß sich ein gehöriges Stück herunter.

»Aber, Sir, ein Lord kaut gewöhnlich nicht«, lachte Amy. – »Pah! Ein Lord kaut auch«, antwortete er. »Warum sollte sich gerade ein Lord den feinsten Lebensgenuß versagen? Alle Lords kauen, aber sie lassen es vielleicht den Damen gegenüber nicht merken.«

Mit diesen Worten nahm er den Regenschirm unter den Arm und sprang in das Boot, dann gab er den beiden Männern, die noch wartend im Boot saßen, das Zeichen, die Ruder einzulegen.

25. Kapitel

Das kleine Fahrzeug glitt schnell durch die Flut und erreichte in kurzer Zeit das Ufer.

Der scheinbar verunglückte Mexikaner hatte diesen Augenblick mit größter Ungeduld erwartet. Seine Augen funkelten mordlustig, und er murmelte:

»Ah, endlich. Aber diese Engländer sind doch verflucht alberne Kerle. Sogar hier im Urwald können sie ihre Mucken nicht lassen; der Spleen bringt sie noch alle um den Verstand. Teufel! Hat der Kerl eine lange Nase!«

Geierschnabel stieg an das Ufer und kam, während seine beiden Ruderer im Boot zurückblieben, langsam auf den an der Erde Liegenden zugeschritten. Er hatte den Bootsleuten befohlen, sofort zu fliehen, wenn sich etwas Feindseliges zeigen sollte. Er verzichtete also in diesem Fall von vornherein darauf, sich in das Boot und mit demselben zu retten.

Der Kranke tat, als ob er sich nur mit Mühe auf den Ellbogen erheben könne.

»O Señor, welche Schmerzen habe ich zu leiden!« stöhnte er.

Geierschnabel ließ den Klemmer bis vor auf die Nasenspitze rutschen, betrachtete sich den Mann mit einem sehr schiefen Blick, stieß ihn mit dem Ende seines Regenschirms leise an und sagte in schnarrendem Ton:

»Schmerzen? Where? Tut weh?« – »Natürlich!« – »Ah! Miserabel! Sehr miserabel! Wie heißt?« – »Ich?« – »Yes.« – »Frederico.« – »Was bist?« – »Vaquero.« – »Bote von Juarez?« – »Ja.« – »Welche Botschaft?«

Der Mexikaner zog ein Gesicht und stöhnte, als ob er die fürchterlichsten Qualen zu ertragen habe. Dies gab Geierschnabel Zeit, die Umgebung zu mustern.

Es gab keine auffälligen Spuren in der Nähe, und auch am Rand des Waldes war nichts Verdächtiges zu bemerken. Endlich antwortete der Mann:

»Sind Sie denn auch Lord Lindsay?« – »Ich bin Lindsay. Was hast du zu sagen?« – »Juarez ist bereits unterwegs. Er läßt Sie bitten, an dieser Stelle anzulegen und ihn hier zu erwarten.« – »Ah! Wonderful! Wo ist er?« – »Er kommt den Fluß herab.« – »Wo aufgebrochen?« – »In El Paso del Norte vor zwei Wochen. In kürzerer Zeit kann die Fahrt nicht gemacht werden.« – »Schön! Gut! Werde aber doch weiterfahren. Kommt Juarez auf dem Fluß herab, werde ich ihn treffen. Gute Nacht.«

Er drehte sich gravitätisch um und tat, als wolle er sich wieder an das Ufer zurückbegeben. Da aber schnellte der Mann plötzlich empor und umschlang ihn von hinten.

»Bleiben Sie, Mylord, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!« rief er.

Geierschnabel hätte wohl Kraft und Gewandtheit genug besessen, sich dieses Menschen zu erwehren; aber er zog ein anderes Verhalten vor. Er blieb ganz steif stehen, als ob der Schreck ihn gelähmt hätte, und rief:

»Zounds! Zum Henker, was ist das?« – »Sie sind mein Gefangener!« antwortete der Mann.

Da sperrte der Engländer den Mund eine Weile auf und fragte:

»Ah! Täuschung! Nicht krank?« – »Nein«, lachte der Mexikaner. – »Nicht mit dem Pferd gestürzt?« – »Nein.« – »Spitzbube! Warum?« – »Um Sie zu fangen, Mylord!«

Er warf dabei einen höchst verächtlichen Blick auf den Engländer, der so verblüfft und feig war, gar nicht an Gegenwehr zu denken.

»Warum fangen?« fragte Geierschnabel. – »Ihrer schönen Ladung wegen, die sich dort in den Booten befindet.« – »Meine Leute werden mich befreien!« – »Oh, glauben Sie das nicht. Dort sehen Sie, daß Ihre beiden Ruderer bereits die Flucht ergreifen. Und da, blicken Sie sich um.«

Die Bootsleute hatten sich, wie ihnen ja geheißen worden war, sofort zurückgezogen, als sie bemerkten, daß Geierschnabel sich freiwillig überrumpeln ließ. Und als dieser sich jetzt umdrehte, sah er eine Schar Reiter aus dem Wald hervorbrechen. In zwei Sekunden war er von ihnen umzingelt.

Er machte ein höchst erstauntes Gesicht und nestelte in größer Verlegenheit an seinem Regenschirm herum. Die Reiter sprangen alle von den Pferden. Cortejo näherte sich dem Gefangenen, machte aber, als er demselben gegenüberstand, ein höchst enttäuschtes Gesicht.

»Wer sind Sie?« fragte er den Engländer barsch. – »Oh, wer sind Sie?« fragte dieser in einer sehr steifen Haltung. – »Ich frage, wer Sie sind!« gebot Cortejo streng. – »Und ich, wer Sie sind!« antwortete Geierschnabel. »Ich bin ein Englishman, hochfeine Bildung, exquisite Familie, antworte erst nach Ihnen.« – »Nun gut! Mein Name ist Cortejo.«

Der Engländer machte ein höchst verwundertes Gesicht was aber bei ihm keine Verstellung war, und fragte:

»Cortejo? Ah, Pablo?« – »So heiße ich«, sagte der Gefragte in stolzem Ton. – »Thunderstorm! Das ist einzig!«

Auch dieser Ausruf kam aus einem sehr aufrichtigen Herzen. Er war auf das höchste überrascht, Cortejo hier zu sehen, und freute sich zu gleicher Zeit darüber. Denn er sagte sich, welche Genugtuung Juarez empfinden werde, diesen Mann in seine Hände zu bekommen.

»Einzig, nicht wahr?« lachte Cortejo. »Das habt Ihr nicht erwartet. Aber nun sagt mir auch, wer Ihr seid, Señor.« – »Ich heiße Lindsay«, antwortete der Gefragte. – »Lindsay? Ah, das ist eine Lüge!« – »Wer wagt das zu sagen?« – »Ich; ich kenne Lord Lindsay sehr gut. Ihr seid es nicht!«

Geierschnabel erschrak, doch faßte er sich schnell. Einen Mann wie ihn konnte so etwas nicht aus der Fassung bringen. Er spitzte den Mund, spritzte einen langen, dünnen Strahl von Tabakssaft hart an der Nase Cortejos vorbei und antwortete kaltblütig:

»Nein, das bin ich nicht.«

Cortejo war mit dem Kopf zurückgefahren. Er sagte in zornigem Ton:

»Nehmt Euch in acht, wenn Ihr ausspuckt, Señor.« – »Tue es auch. Treffe nur, wen ich will«, antwortete der andere ruhig. – »Nun, so hoffe ich, daß nicht ich es bin, den Ihr treffen wollt.« – »Kann ich dennoch machen.« – »Das will ich mir sehr verbitten. Also Ihr seid Lord Henry Lindsay nicht?« – »Nein.« – »Aber warum gab Ihr Euch für Lindsay aus?« – »Weil ich es bin.«

Geierschnabel brachte mit seiner Ruhe Cortejo doch einigermaßen aus der Fassung. Er rief:

»Zum Teufel, wie habe ich das zu verstehen? Ihr seid es nicht und seid es doch?«

Geierschnabel fragte, ohne eine Miene zu verziehen:

»Einmal in Altengland gewesen?« – »Nein.« – »Ah, dann kein Wunder, daß nicht wissen. Lord nur ältester Sohn, spätere Söhne nicht Lord.« – »So sind Sie der spätere Sohn eines Lindsay?« – »Yes.« – »Wie ist Ihr Vorname?« – »Sir David Lindsay.« – »Hm; ist es so? Aber Sie sehen Ihrem Bruder ganz und gar nicht ähnlich.«

Geierschnabel spuckte hart am Gesicht des Sprechers vorüber und antwortete:

»Nonsens, Unsinn!« – »Wollen Sie dies leugnen?« – »Yes!« nickte er. – »Sie leugnen, Ihrem Bruder nicht ähnlich zu sehen?« – »Leugne dies allerdings sehr.« – »Inwiefern? Warum?« – »Pah! Haben unrecht. Nicht ich bin Bruder unähnlich, sondern er sieht nicht aus wie ich.«

Cortejo fand zunächst zu dieser Art von Auffassung gar keine Antwort. Er wäre am allerliebsten mit einer Grobheit herausgeplatzt, aber die Sicherheit und Furchtlosigkeit des Engländers imponierten ihm. Er sagte daher nach einer kurzen Pause:

»Aber ich erwarte doch Ihren Bruder.« – »Lord Henry?« – »Ja.« – »Warum ihn erwarten?« – »Ich erfuhr, daß er es sei, der die Ladung begleiten werde.« – »Irrung; ich bin es!« – »Miß Amy sollte bei ihm sein.« – »War bei ihm.« – »Wer ist die Dame, die man von hier aus auf dem Verdeck sieht?« – »Eben Miß Amy.« – »Aber wo ist ihr Vater?« – »Bereits bei Juarez.« – »Ah! Also ist er bereits voran! Wo befindet sich Juarez?« – »Weiß nur, daß er in El Paso del Norte ist.« – »Und wie weit soll Ihre Ladung gehen?« – »Bis Fort Guadeloupe.«

Da ging ein höhnisches, siegesgewisses Lächeln über das Gesicht Cortejos.

»So weit wird sie allerdings wohl nicht kommen.« – »Wie weit sonst?« – »Sie werden sie nur bis hierher bringen. Sie werden hier landen und mir alles übergeben.«

Der Engländer warf einen Blick im Kreis herum. Dieser Blick schien außerordentlich gleichgültig, fast geistesabwesend zu sein, und dennoch besaß er eine verborgene Schärfe, mit der der Jäger sämtliche Pferde musterte. In diesem Augenblick wußte er bereits, welches Tieres er sich bemächtigen werde.

»Ihnen übergeben?« fragte er dann. »Warum Ihnen?« – »Weil ich alles sehr notwendig brauche, was Sie bei sich führen.« – »Ah, sehr notwendig? Kann aber leider nichts verkaufen. Gar nichts.« – »Oh, Señor, um das Verkaufen handelt es sich gar nicht. Ich werde vielmehr die ganze Ladung mitsamt den Dampfern und Booten geschenkt erhalten.« – »Geschenkt? Ich verschenke nichts.« – »O doch, denn ich werde Sie dazu zwingen!« – »Zwingen?« fragte der Engländer mit der gleichgültigsten Miene.

Dabei zuckte er die Achseln, spitzte den Mund und spritzte einen gewaltigen Strahl von Tabaksbrühe so kunstgerecht aus, daß dieser Saft den oberen Teil von Cortejos Hut traf und dann von der breiten Krempe desselben herabtropfte.

»Donnerwetter!« rief der Getroffene. »Was fällt Ihnen ein! Wißt Ihr, was das für eine Beleidigung ist?« – »Gehen Sie weg!« sagte Geierschnabel ruhig. »Bin Englishman. Gentleman kann spucken, wohin will. Wer nicht will sein getroffen, kann ausweichen.« – »Ah! Diese Mode werden wir Ihnen abgewöhnen! Sie haben jetzt zu erklären, daß Sie die Ladung mir übergeben wollen!« – »Tue es nicht.« – »Ich zwinge Sie! Sie sind mein Gefangener!« – »Pschtsichchchchchch!« fuhr Cortejo ein neuer Strahl gerade an der Nase vorüber. Geierschnabel aber nestelte abermals an seinem Regenschirm herum und sagte:

»Gefangen? Weiß gar nichts davon!« – »So sage ich es Ihnen hiermit.« – »Ah! Interessant! Sehr interessant! Habe längst einmal gefangen sein wollen!« – »Nun, dann ist Ihr Wunsch ja in Erfüllung gegangen. Sie haben jetzt Ihren Leuten zu befehlen, daß sie nicht weiterfahren.« – »Gut! Werde es tun!«

Der Jäger sagte dies in einem Ton, als sei er ganz und gar mit dem Mexikaner einverstanden. Er nahm den Regenschirm unter den Arm, legte die beiden Hände an den Mund und rief so laut, daß man es sehr deutlich auf dem Dampfer verstehen konnte, über das Wasser hinüber:

»Hier halten bleiben! Pablo Cortejo ist es!«

Der Genannte faßte ihn am Arm und riß ihn zurück.

»Alle Teufel! Was fällt Ihnen ein! Wozu brauchen diese Leute denn zu wissen, wer ich bin?« – »Warum haben Sie es mir denn gesagt?« fragte der Engländer höchst gleichmütig. – »Doch nicht, damit Sie es weiterbrüllen. Übrigens meinte ich nicht bloß, daß die Boote hier halten sollen. Ich meine vielmehr, sie sollen hier anlegen, um ausgeladen zu werden.«

Der Engländer schüttelte langsam den Kopf und erwiderte im treuherzigsten Ton:

»Das werden sie nicht tun; ich verbiete es ihnen.« – »Das werden wir Ihnen zu wehren wissen! Wie viele Leute haben Sie bei sich?« – »Weiß nicht!« – »Das werden Sie doch wissen.« – »Vergesse zuweilen etwas. Fällt mir später wieder ein.« – »Nun, wir werden es ja leicht erfahren. Jetzt befehlen Sie, daß die Dampfer anlegen.« – »Fällt mir nicht ein!«

Da legte Cortejo Geierschnabel die Hand auf die Schulter und sagte in drohendem Ton:

»Señor Lindsay, die Boote müssen am Ufer liegen, noch bevor es dunkel wird. Wenn Sie den betreffenden Befehl nicht sofort erteilen, werde ich Sie zu zwingen wissen!« – »Zwingen? Ah! Womit?«

Geierschnabel hatte den Regenschirm noch immer unter dem Arm und steckte jetzt die beiden Hände gleichmütig in die Hosentaschen. Es sah aus, als ob er ganz und gar keinen Begriff von der Gefährlichkeit seiner Lage habe, so unbefangen war seine Miene.

»Mit Hieben!« antwortete Cortejo. – »Hiebe? Was heißt das?« – »Ich lasse Ihnen fünfzig Hiebe aufzählen!« – »Fünfzig? Nur?« – »Señor, Sie sind verrückt!« – »Well! Sie aber auch!« – »Wenn Ihnen fünfzig zu wenig sind, so lasse ich Sie, um Ihnen einen Gefallen zu tun, so lange prügeln, bis Sie den betreffenden Befehl geben.«

Geierschnabel zog beide Achseln empor und machte ein ganz unbeschreiblich verächtliches Gesicht.

»Prügeln? Mich, einen Englishman?« fragte er. – »Ja. Sie mögen tausendmal ein Englishman und zehnmal der Sohn und Bruder eines Lords sein, ich werde Sie dennoch peitschen lassen, wenn Sie nicht sofort gehorchen!« – »Versuchen Sie es!« – »Absteigen!« kommandierte der Mexikaner.

Er sah nicht, was für ein Blick jetzt aus dem Auge des vermeintlichen Engländers zu einer prachtvollen Rotschimmelstute hinüberglitt, deren Reiter eben aus dem Sattel stieg. Er sah auch nicht, daß der Engländer die Hände schon halb aus den Taschen zog und in jeder einen Revolver hatte. Er drohte demselben vielmehr:

»Sie werden jetzt vor meinen Augen geschlagen werden wie ein gewöhnlicher Wasserträger, wenn Sie nicht sofort gehorchen.« – »Dies ist Ihr Ernst?« fragte Geierschnabel. – »Natürlich!« – »Ah! Sie drohen wirklich einem Englishman?« – »Wie Sie sehen.« – »Und wollen mich wirklich vor Ihren Augen schlagen lassen?« – »Ja, vor meinen Augen.« – »Nun, wir wollen sehen, ob Ihre Augen das wirklich erleben werden.«

Nach diesen letzten Worten folgte eine Szene, die sich gar nicht beschreiben läßt.

Geierschnabel hatte im Nu den Regenschirm zwischen die Zähne genommen. Es fiel diesem kühnen Mann nicht ein, selbst bei der Gefahr, der er sich preisgab, den Schirm zu opfern. Im nächsten Augenblick hatte er seine beiden Revolver gezogen und stieß die Läufe derselben mit aller Gewalt in die Augen Cortejos. Gleich darauf erfolgten in rasender Aufeinanderfolge seine Schüsse, und ein jeder derselben warf einen Mann zu Boden.

Cortejo lag an der Erde und konnte nicht sehen. Er stampfte mit Händen und Füßen um sich herum und brüllte wie ein Jaguar. Seine Leute waren eine Minute lang ganz fassungslos. Einen so plötzlichen Angriff hatte man diesem spleenbehafteten Engländer unmöglich zutrauen können. Aber diese an und für sich so kurze Zeit genügte für diesen vollständig.

Als er den letzten Schuß seiner Revolver abgegeben hatte, stieß er den lautschrillenden Schrei des Geiers aus. Im nächsten Moment bereits ertönte der zweite Schrei, denn Geierschnabel saß auf dem Rotschimmel. Er drückte demselben die Fersen in die Weichen, und die Stute flog dem Wald entgegen. Am Rand desselben drehte er sich noch einmal um, und als er bemerkte, daß die Mexikaner noch immer ganz starr am Platz hielten, ahmte er zum dritten Mal den Ruf des Raubvogels nach. Dann war er zwischen den säulenartigen Baumstämmen verschwunden.

Erst jetzt rafften sich die Mexikaner auf.

»Ihm nach! Ihm nach!« brüllten sie.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
340 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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