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Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 2

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Seine langen, dürren Füße steckten in stiefelartigen Futteralen, welche je aus einem einzigen Stücke Pferdeleders geschnitten waren. Über dieselben hatte er wahrhaft riesige Sporen angeschnallt, deren Räder aus mexikanischen silbernen Pesostücken bestanden.

Neben ihm an der Erde lag ein Sattel mit vollständigem Zaumzeuge, und dabei lehnte eine jener ellenlangen Kentuckybüchsen, welche jetzt nur noch äußerst selten zu sehen sind, weil sie den Hinterladern weichen mußten. Seine sonstige Bewaffnung bestand aus einem Bowiemesser und zwei großen Revolvern, deren Griffe aus seinem Gürtel ragten. Dieser letztere bestand aus einem Lederschlauche von der Form einer sogenannten »Geldkatze«, welcher rundum mit handtellergroßen Skalphäuten besetzt war. Da diese Skalpe nicht auf den Köpfen von Bleichgesichtern gesessen hatten, so war zu vermuten, daß sie von ihrem jetzigen Besitzer den von ihm besiegten Indianern abgenommen worden waren.

Der Boardkeeper brachte mir das bestellte Bier. Als ich das Glas an die Lippen setzen wollte, hielt der Jäger mir das seinige entgegen und sagte:

»Halt! Nicht so eilig, Boy! Wollen vorher anstoßen. Ich habe gehört, daß dies drüben in Eurem Vaterlande Sitte ist.«

»Ja, doch nur unter guten Bekannten,« antwortete ich, indem ich zögerte, seiner Aufforderung nachzukommen.

»Ziert Euch nicht! jetzt sitzen wir beisammen und haben es gar nicht nötig, uns, wenn auch nur in Gedanken, die Hälse zu brechen. Also stoßt an! Ich bin kein Spion oder Bauernfänger, und Ihr könnt es getrost für eine Viertelstunde mit mir versuchen.«

Das klang anders als vorhin; ich berührte also sein Glas mit dem meinigen und sagte:

»Für was ich Euch zu halten habe, das weiß ich, Sir. Wenn Ihr wirklich Old Death seid, so brauche ich nicht zu befürchten, mich in schlechter Gesellschaft zu befinden.«

»Ihr kennt mich also? Nun, dann brauche ich nicht von mir zu reden. Sprechen wir also von Euch! Warum seid Ihr denn eigentlich in die Staaten gekommen?«

»Aus demselben Grunde, welcher jeden andern herbeiführt – um mein Glück zu machen.«

»Glaube es! Da drüben im alten Europa denken die Leute eben, daß man hier nur die Tasche aufzumachen habe, um die blanken Dollars hineinfliegen zu sehen. Wenn es einmal Einem glückt, so schreiben alle Zeitungen von ihm; von den Tausenden aber, welche im Kampfe mit den Wogen des Lebens untersinken und spurlos verschwinden, spricht kein Mensch. Habt Ihr denn das Glück gefunden, oder befindet Ihr Euch wenigstens auf seiner Fährte?«

»Ich denke, das letztere bejahen zu können.«

»So schaut nur scharf aus, und laßt Euch die Spur nicht wieder entgehen! Ich weiß am besten, wie schwer es ist, eine solche Fährte festzuhalten. Vielleicht habt Ihr gehört, daß ich ein Scout bin, der es mit jedem andern Westmanne aufzunehmen vermag, und dennoch bin ich bisher dem Glücke vergeblich nachgelaufen. Hundertmal habe ich geglaubt, nur zugreifen zu brauchen, aber sobald ich die Hand ausstreckte, verschwand es wie ein Castle in the air, welches nur in der Einbildung des Menschen existiert.«

Er hatte das in trübern Tone gesprochen und blickte dann still vor sich nieder. Als ich keine Bemerkung zu seinen Worten machte, sah er nach einer Weile wieder auf und meinte:

»Ihr könnt nicht wissen, wie ich zu solchen Reden komme. Die Erklärung ist sehr einfach. Es greift mir immer ein wenig an das Herz, wenn ich einen Deutschen, zumal einen jungen Deutschen sehe, von dem ich mir sagen muß, daß er wohl auch – untergehen werde. Ihr müßt nämlich wissen, daß meine Mutter eine Deutsche war. Von ihr lernte ich ihre Muttersprache, und wenn es Euch beliebt, können wir also deutsch sprechen. Sie hat mich bei ihrem Tode auf den Punkt gesetzt, von welchem aus ich das Glück vor mir liegen sah. Ich aber hielt mich für klüger und lief in falscher Richtung davon. Master, seid gescheiter als ich! Es ist Euch anzusehen, daß es Euch grad so gehen kann wie mir.«

»Wirklich? Wieso?«

»Ihr seid zu fein; Ihr duftet nach Wohlgerüchen. Wenn ein Indianer Eure Frisur sähe, so würde er vor Schreck tot hinfallen. An Eurem Anzuge gibt es kein Fleckchen und kein Stäubchen. Das ist nicht das Richtige, um im Westen sein Glück zu machen.«

»Ich habe keineswegs die Absicht, es grad hier zu suchen.«

»So! Wollt Ihr wohl die Güte haben, mir zu sagen, welchem Stande oder Fache Ihr angehört?«

»Ich habe studiert.«

Ich sagte das mit einem gewissen Stolze. Er aber sah mir mit leichtem Lächeln – das bei seinen Totenkopfzügen wie ein höhnisches Grinsen erschien – in das Gesicht, schüttelte den Kopf und sagte:

»Studiert! O wehe! Darauf bildet Ihr Euch jedenfalls viel ein? Und doch sind grad Leute Eurer Sorte am wenigsten befähigt, ihr Glück zu machen. Ich habe das oft genug erfahren. Habt Ihr eine Anstellung?«

»Ja, in New York.«

»Was für eine?«

Es war ein so eigener Ton, in welchem er seine Fragen stellte, daß es fast unmöglich war, ihm die Antwort zu verweigern. Da ich ihm die Wahrheit nicht sagen durfte, erklärte ich ihm:

»Ich bin engagiert von einem Bankier, in dessen Auftrag ich mich hier befinde.«

»Bankier? Ah! Dann freilich ist Euer Weg ein viel ebenerer, als ich gedacht habe. Haltet diese Stelle fest, Sir! Nicht jeder Studierte findet seine Stellung bei einem amerikanischen Geldmanne. Und sogar in New York? Da genießt Ihr bei Eurer Jugend ein bedeutendes Vertrauen. Man sendet von New York nach dem Süden nur einen, auf den man sich verlassen kann. Freut mich sehr, daß ich mich in Euch geirrt habe, Sir! So ist‘s jedenfalls ein Geldgeschäft, welches Ihr abzuwickeln habt?«

»Etwas Aehnliches.«

»So! Hm!«

Er ließ abermals einen seiner scharf forschenden Blicke über mich hingleiten, lächelte grinsend wie vorher und fuhr fort:

»Aber ich glaube, den eigentlichen Grund Eurer Anwesenheit erraten zu können.«

»Das bezweifle ich.«

»Habe nichts dagegen, will Euch aber einen guten Rat erteilen. Wenn Ihr nicht merken lassen wollt, daß Ihr hierher gekommen seid, jemand zu suchen, so nehmt Eure Augen besser in acht. Ihr habt Euch alle hier im Lokale Anwesenden auffällig genau angesehen, und Euer Blick hängt beständig an den Fenstern, um die Vorübergehenden zu beobachten. Ihr sucht also jemand. Habe ich es erraten?«

»Ja, Master. Ich habe die Absicht, einem zu begegnen, dessen Wohnung ich nicht kenne.«

»So wendet Euch an die Hotels!«

»War vergeblich, und ebenso vergeblich die Bemühung der Polizei.«

Da ging jenes freundlich sein sollende Grinsen wieder über sein Gesicht; er kicherte vor sich hin, schlug mir mit dem Finger ein Schnippchen und sagte.

»Master, Ihr seid trotzdem ein Greenhorn, ein echtes, richtiges Greenhorn. Nehmt es mir nicht übel; aber es ist wirklich so.«

In diesem Augenblicke sah ich freilich ein, daß ich zu viel gesagt hatte. Er bestätigte diese meine Ansicht, indem er fortfuhr:

»Ihr kommt hierher in einer Angelegenheit, welche »etwas einem Geldgeschäfte Ähnliches« ist, wie Ihr mir sagtet. Der Mann, auf welchen sich diese Sache bezieht, wird in Eurem Auftrage von der Polizei gesucht. Ihr selbst lauft in den Straßen und Bierhäusern herum, um ihn zu finden – ich müßte nicht Old Death sein, wenn ich nun nicht wüßte, wen ich vor mir habe.«

»Nun wen, Sir?«

»Einen Detektive, einen Privatpolizisten, welcher eine Aufgabe zu lösen hat, welche mehr familiärer als krimineller Natur ist.«

Dieser Mann war wirklich ein Muster von Scharfsinnigkeit. Sollte ich zugeben, daß er ganz richtig vermutet habe? Nein. Darum antwortete ich:

»Euern Scharfblick in Ehren, Sir; aber dieses Mal dürftet Ihr Euch doch verrechnet haben.«

»Glaube es nicht!«

»O gewiß!«

»Well! Es ist Eure Sache, ob Ihr es zugeben wollt oder nicht. Ich kann und mag Euch nicht zwingen. Aber wenn Ihr nicht wollt, daß man Euch durchschaue, dürft Ihr Euch nicht so durchsichtig verhalten. Es handelt sich um eine Geldsache. Man hat die Aufgabe einem Greenhorn anvertraut; man will also schonend verfahren; folglich ist der Betreffende ein guter Bekannter oder gar ein Glied der Familie des Geschädigten. Etwas Kriminelles ist doch dabei, sonst würde die hiesige Polizei Euch nicht ihre Hilfe zugesagt haben. Vermutlich hat der Betreffende einen Verführer, welcher sich bei ihm befindet und ihn ausnützen will. Ja, ja, schaut mich nur an, Sir! Ihr wundert Euch über meine Phantasie? Nun, ein guter Westmann konstruiert sich aus zwei Fußstapfen einen ganzen langen Weg von hier bis meinetwegen ins Kanada hinein, und es ist gar selten, daß er sich dabei irrt.«

»Ihr entwickelt allerdings eine außerordentliche Einbildungskraft, Master.«

»Pshaw! Leugnet meinetwegen immerfort! Mir macht es keinen Schaden. Ich bin hier leidlich bekannt und hätte Euch wohl einen guten Rat geben können. Doch wenn Ihr meint, auf eigenem Weg schneller zum Ziele zu gelangen, so ist das zwar recht lobenswert von Euch, ob aber klug, das möchte ich bezweifeln.«

Er stand auf und zog einen alten Lederbeutel aus der Tasche, um sein Bier zu bezahlen. Ich glaubte, ihm durch mein Mißtrauen wehe getan zu haben, und sagte, um das wieder gut zu machen:

»Es gibt Geschäfte, in welche man keinen andern, am allerwenigsten aber einen Fremden, blicken lassen darf. Ich habe keineswegs die Absicht gehabt, Euch zu beleidigen und denke.«

»Ay, ay!« unterbrach er mich, indem er ein Geldstück auf den Tisch legte. »Von einer Beleidigung ist keine Rede. Ich habe es gut mit Euch gemeint, denn Ihr habt etwas an Euch, was mein Wohlwollen erweckte.«

»Vielleicht begegnen wir uns wieder!«

»Schwerlich. Ich gehe heut hinüber ins Texas und will nach Mexiko hinein. Es ist wohl nicht anzunehmen, daß Euer Spaziergang dieselbe Richtung haben werde, und so – fare well, Sir! Und denkt bei Gelegenheit daran, daß ich Euch ein Greenhorn genannt habe! Von Old Death dürft Ihr das ruhig hinnehmen, denn er verbindet nicht die Absicht der Beleidigung damit, und es kann keinem Neulinge Schaden bringen, wenn er ein klein wenig bescheiden von sich denkt.«

Er setzte den breitkrempigen Sombrero auf, welcher über ihm an der Wand gehangen hatte, nahm Sattel und Zaumzeug auf den Rücken, griff nach seinem Gewehre und ging. Aber als er drei Schritte gemacht hatte, wendete er sich schnell wieder um, kam noch einmal zurück und raunte mir zu:

»Nichts für ungut, Sir! Ich habe nämlich auch – studiert und denke heute noch mit großem Vergnügen dran, was für ein eingebildeter Dummkopf ich damals gewesen bin. Good bye!«

Jetzt verließ er das Lokal, ohne sich nochmals umzudrehen. Ich sah ihm nach, bis seine auffällige und von den Passanten belächelte Gestalt in der Menschenmenge verschwand. Gern hätte ich ihm gezürnt. Ich gab mir ordentlich Mühe, bös auf ihn zu sein, und brachte es doch nicht fertig. Sein Äußeres hatte eine Art von Mitleid in mir erweckt; seine Worte waren rauh, aber seine Stimme hatte dabei sanft und eindringlich wohlmeinend geklungen. Es war ihr anzuhören gewesen, daß er es ernsthaft gut mit mir meine. Er hatte mir trotz seiner Häßlichkeit gefallen, aber ihn darum in meine Absichten einzuweihen, das wäre nicht nur unvorsichtig, sondern sogar leichtsinnig gewesen, obgleich allerdings anzunehmen war, daß er mir vielleicht einen guten Wink geben konnte. Das Wort Greenhorn hatte ich ihm nicht übelgenommen; ich war durch Sam Hawkens so an dasselbe gewöhnt worden, daß es mich nicht beleidigen konnte. Ebensowenig hatte ich es für nötig gehalten, ihm zu sagen, daß ich schon einmal im Westen gewesen war.

Ich legte den Ellbogen auf den Tisch, den Kopf in die Hand und blickte sinnend vor mir nieder. Da wurde die Tür geöffnet, und der, welcher hereintrat, war kein anderer als – Gibson.

Er blieb am Eingange stehen und musterte die Anwesenden. Als ich annahm, daß sein Blick auf mich fallen müsse, wendete ich mich um, der Türe den Rücken zukehrend. Es gab keinen leeren Platz außer demjenigen, welchen Old Death inne gehabt hatte. Gibson mußte also zu mir kommen, um sich bei mir niederzusetzen. Ich freute mich bereits im stillen über den Schreck, welchen mein Anblick ihm einjagen würde.

Aber er kam nicht. Ich hörte das Geräusch der sich wieder in ihren Angeln drehenden Türe und drehte mich schnell um. Wahrhaftig, er hatte mich erkannt; er floh. Ich sah ihn hinaustreten und schnellen Schrittes davoneilen. Im Nu hatte ich den Hut, auf dem Kopf, warf dem Boardkeeper eine Bezahlung zu und schoß hinaus. Da, rechts, lief er, sichtlich bemüht, hinter einer dichten Menschengruppe zu verschwinden. Er drehte sich um, sah mich und verdoppelte seine Schritte. Ich folgte mit gleicher Schnelligkeit. Als ich an der Gruppe vorüber war, sah ich ihn in einer Seitengasse verschwinden. Ich erreichte diese eben, als er am Ende derselben um die Ecke bog. Vorher aber drehte er sich abermals um, zog den Hut und schwenkte denselben gegen mich. Das ärgerte mich natürlich, und ich fiel, ohne zu fragen, ob die Passanten über mich lachen würden, in scharfen Trab. Kein Polizist war zu sehen. Privatpersonen um Hilfe zu bitten, wäre vergeblich gewesen; es hätte mir keiner beigestanden.

Als ich die Ecke erreichte, befand ich mich auf einem kleinen Platze. Mir zu beiden Seiten standen geschlossene Reihen kleiner Häuser; gegenüber erblickte ich Villen in prächtigen Gärten. Menschen gab es genug auf dem Platze; aber Gibson bemerkte ich nicht. Er war verschwunden.

An der Türe eines Barbierladens lehnte ein Schwarzer. Er schien schon lange dagestanden zu haben; der Flüchtige mußte ihm unbedingt aufgefallen sein. Ich trat zu ihm, zog höflich den Hut und fragte ihn, ob er nicht einen weißen Gentleman flüchtig aus der Gasse habe kommen sehen. Er fletschte mir seine langen, gelben Zähne lachend entgegen und antwortete:

»Yes, Sir! Habe ihn schon. Lief sehr schnell, sehr. Ist da hinein.«

Er deutete nach einer der kleinen Villen. Ich dankte ihm und beeilte mich, das Häuschen zu erreichen. Die eiserne Pforte des Gartens, in welchem es stand, war verschlossen, und ich klingelte wohl fünf Minuten lang, bevor mir ein Mann, wieder ein Neger, öffnete. Ihm trug ich mein Anliegen vor; er schlug indessen die Türe vor meiner Nase zu und meinte:

»Erst Massa fragen. Ohne Erlaubnis von Massa ich nicht aufmachen.«

Er ging, und ich stand wenigstens zehn Minuten lang wie auf Kohlen. Endlich kehrte er mit dem Bescheide zurück:

»Nicht aufmachen darf. Massa verboten. Kein Mann heut hereingekommen. Türe zugeschlossen stets. ihr also schnell fortgehen, denn wenn etwa über Zaun springen, dann Massa sein Hausrecht brauchen und mit Revolver schießen.«

Da stand ich nun! Was sollte ich tun? Mit Gewalt eindringen durfte ich nicht; ich war überzeugt, daß in diesem Falle der Besitzer wirklich auf mich geschossen hätte; denn der Amerikaner versteht in Beziehung auf sein Heim keinen Spaß. Es blieb mir nichts anderes übrig, als zur Polizei zu gehen.

Als ich höchst ergrimmt über den Platz zurückschritt, kam ein junge auf mich zugelaufen. Er hatte einen Zettel in der Hand.

»Sir, Sir!« rief er. »Wartet einmal! Ihr sollt mir zehn Cents für diesen Zettel geben.«

»Von wem ist er denn?«

»Von einem Gentleman, welcher eben da drüben« – er deutete nicht nach der Villa, sondern in grad entgegengesetzte Richtung – »aus dem Hause kam. Er zeigte Euch mir und schrieb mir die Zeilen auf. Zehn Cents, so bekommt Ihr sie!«

Ich gab ihm das Geld und erhielt den Zettel. Der junge sprang von dannen. Auf dem verwünschten Papiere, welches aus einem Notizbuche gerissen war, stand:

»Mein werter Master Dutchman.

Seid Ihr etwa meinetwegen nach New Orleans gekommen? Ich vermute das, weil Ihr mir folgt. Ich habe Euch für albern gehalten; für so dumm, mich fangen zu wollen, aber doch nicht. Wer nicht mehr als nur ein halbes Lot Gehirn besitzt, der darf sich so etwas nicht unterfangen. Kehrt getrost nach New York zurück, und grüßt Master Ohlert von mir. Ich habe dafür gesorgt, daß er mich nicht vergißt, und hoffe, daß auch Ihr zuweilen an unsere heutige Begegnung denkt, welche freilich nicht sehr ruhmvoll für Euch abgelaufen ist.

Gibson.«

Man kann sich denken, welches Entzücken ich empfand, als ich diese liebenswürdige Epistel las. Ich knillte den Zettel zusammen, steckte ihn in die Tasche und ging weiter. Es war möglich, daß ich von ihm heimlich beobachtet wurde, und ich wollte dem Menschen nicht die Genugtuung bereiten, mich in Verlegenheit zu sehen.

Dabei blickte ich forschend über den Platz. Gibson war nicht zu sehen. Der Neger war vom Barbierladen verschwunden; den jungen konnte ich ebenfalls nicht entdecken und ihn nach Gibson fragen. Er hatte jedenfalls die Weisung erhalten, sich schnell davonzumachen.

Während ich wegen des Einlasses in die Villa kapitulierte, hatte Gibson Zeit gefunden, mir in aller Gemütlichkeit einen Brief von dreiundzwanzig Zeilen zu schreiben. Der Neger hatte mich genarrt; Gibson lachte mich ohne Zweifel aus, und der junge hatte eine Miene gemacht, aus welcher ich ersehen mußte, daß er wußte, ich sei einer, der geprellt werden solle.

Ich befand mich in einer ärgerlichen Stimmung, denn ich war blamiert, im höchsten Grade blamiert, und durfte nicht einmal auf der Polizei erwähnen, daß ich Gibson begegnet sei. Ich ging also still davon.

Ohne den freien Platz wieder zu betreten, durchsuchte ich die in denselben einmündenden Gassen, natürlich ohne den blassen Schimmer eines Erfolges, denn es verstand sich ganz von selbst, daß Gibson ein für ihn so gefährliches Stadtviertel schleunigst verlassen hatte. Es war sogar zu vermuten, daß er die erste Gelegenheit, aus New Orleans zu kommen, benutzen werde.

Auf letzteren Gedanken kam ich trotz meines nur »ein halbes Lot« wiegenden Gehirnes und begab mich infolgedessen nach dem Platze, an welchem die an jenem Tage abgebenden Schiffe lagen. Zwei in Zivil gekleidete Polizisten unterstützten mich – auch vergeblich. Der Ärger, so übertölpelt worden zu sein, ließ mich nicht ruhen, und ich durchwanderte, in alle möglichen Restaurants und Tavernen blickend, bis in die späte Nacht hinein die Straßen. Dann, als ich mich gar zu ermüdet fühlte, ging ich nach meinem Lodging-House und legte mich nieder.

Der Traum versetzte mich in ein Irrenhaus. Hunderte von Wahnsinnigen, welche sich für Dichter hielten, streckten mir ihre dickleibigen Manuskripte entgegen, welche ich durchlesen sollte. Natürlich waren es lauter Tragödien, welche einen verrückten Dichter zum Haupthelden hatten. Ich mußte lesen und lesen, denn Gibson stand mit dem Revolver neben mir und drohte, mich sofort zu erschießen, wenn ich nur einen Augenblick pausiere. Ich las und las, daß mir der Schweiß von der Stirne lief. Um denselben abzutrocknen, zog ich mein Taschentuch, hielt eine Sekunde lang inne und -wurde von Gibson erschossen!

Das Krachen des Schusses weckte mich, denn es war nicht ein vermeintliches, sondern ein wirkliches Krachen gewesen. Ich hatte mich vor Aufregung im Bette hin und her geworfen und in der Absicht, Gibson den Revolver aus der Hand zu schmettern, die Lampe von dem Kammerdiener, einem kleinen, hart am Bette stehenden Tischchen, geschlagen. Sie wurde mir am Morgen mit nur acht Dollars angerechnet.

Vollständig in Schweiß gebadet, erwachte ich. Ich trank meinen Tee und fuhr dann hinaus nach dem herrlichen See Pontchartrain, wo ich ein Bad nahm, welches mich erfrischte. Dann begab ich mich von neuem auf die Suche. Dabei kam ich wieder an die deutsche Bierstube, in welcher ich gestern Old Death getroffen hatte. Ich ging hinein, und zwar ohne alle Ahnung, hier eine Spur finden zu können. Das Lokal war in diesem Augenblicke nicht so gefüllt wie am vergangenen Tage. Gestern war keine Zeitung zu bekommen gewesen; heut lagen mehrere Blätter unbenutzt auf dem Tische, und ich ergriff das erste beste, die bereits damals in New Orleans erscheinende »Deutsche Zeitung«, welche noch heute existiert, wenn sie auch wahrscheinlich inzwischen nach amerikanischem Muster den Verleger und Redakteur viele Male gewechselt hat.

Ohne die Absicht, das Blatt wirklich durchzustudieren, schlug ich es auf, und das erste, was mir auffiel, war ein Gedicht. Gedichte lese ich bei der Durchsicht einer Zeitung entweder zuletzt oder lieber gar nicht. Die Überschrift glich der Kapitelüberschrift eines Schauerromans. Das stieß mich ab. Sie lautete: »Die fürchterlichste Nacht«. Schon wollte ich die Seite umwenden, als mein Auge auf die beiden Buchstaben fiel, mit denen das Gedicht unterzeichnet war: »W.O.« Das waren ja die Anfangsbuchstaben des Namens William Ohlert! Der Name hatte mir so lange Zeit und so unausgesetzt im Sinne gelegen, daß es nicht wundernehmen kann, wenn ich ihn in Beziehung zu diesen Buchstaben brachte. Ohlert junior hielt sich ja für einen Dichter. Sollte er seinen Aufenthalt in New Orleans dazu benutzt haben, eine Reimerei an das Publikum zu bringen? Vielleicht war die Veröffentlichung so schnell erfolgt, weil er die Aufnahme bezahlt hatte. Bewahrheitete sich meine Vermutung, so konnte ich durch dieses Gedicht auf die Spur der Gesuchten gebracht werden. Ich las also:

Die fürchterlichste Nacht.

Kennst du die Nacht, die auf die Erde sinkt

Bei hohlem Wind und schwerem Regenfall,

Die Nacht, in der kein Stern vom Himmel blinkt,

Kein Aug‘ durchdringt des Wetters dichten Wall?

So finster diese Nacht, sie hat doch einen Morgen;

O lege dich zur Ruh, und schlafe ohne Sorgen.

Kennst du die Nacht, die auf das Leben sinkt,

Wenn dich der Tod aufs letzte Lager streckt

Und nah der Ruf der Ewigkeit erklingt,

Daß dir der Puls in allen Adern schreckt?

So finster diese Nacht, sie hat doch einen Morgen;

O lege dich zur Ruh, und schlafe ohne Sorgen!

Kennst du die Nacht, die auf den Geist dir sinkt,

Daß er vergebens nach Erlösung schreit,

Die schlangengleich sich um die Seele schlingt

Und tausend Teufel ins Gehirn dir speit?

O halte fern dich ihr in wachen Sorgen,

Denn diese Nacht allein hat keinen Morgen!

Ich gestehe, daß die Lektüre des Gedichtes mich tief ergriff. Mochte man es für literarisch wertlos erklären, es enthielt doch den Entsetzensschrei eines begabten Menschen, welcher vergebens gegen die finstern Gewalten des Wahnsinns ankämpft und fühlt, daß er ihnen rettungslos verfallen müsse. Doch schnell überwand ich meine Rührung, denn ich mußte handeln. Ich hatte die Überzeugung, daß William Ohlert der Verfasser dieses Gedichtes sei, suchte im Directory nach der Adresse des Herausgebers der Zeitung und begab mich hin.

Expedition und Redaktion befanden sich in demselben Hause. In der ersteren kaufte ich mir ein Exemplar und ließ mich sodann bei der Redaktion melden, wo ich erfuhr, daß ich sehr richtig vermutet hatte. Ein gewisser William Ohlert hatte das Gedicht am Tage vorher persönlich gebracht und um schleunige Aufnahme gebeten. Da das Verhalten des Redakteurs ein ablehnendes gewesen war, so hatte der Dichter zehn Dollars deponiert und die Bedingung gestellt, daß es in der heutigen Nummer erscheine und ihm die Revision zuzuschicken sei. Sein Benehmen sei ein sehr anständiges gewesen, doch habe er ein wenig verstört drein geschaut und wiederholt erklärt, daß das Gedicht mit seinem Herzblute geschrieben sei – übrigens eine Redensart, deren sich begabte und unbegabte Dichter und Schriftsteller gern zu bedienen pflegen. Wegen der Zusendung der Revision hatte er seine Adresse angeben müssen, und ich erfuhr dieselbe natürlich. Er wohnte oder hatte gewohnt in einem als fein und teuer bekannten Privatkosthause in einer Straße des neueren Stadtteils.

Dorthin verfügte ich mich, nachdem ich mich in meiner Wohnung unkenntlich gemacht hatte, was mir nach meiner Ansicht sehr gut gelang. Dann holte ich mir zwei Polizisten, welche sich vor der Türe des gedachten Hauses aufstellen sollten, während ich mich im Innern befand.

Ich war so ziemlich überzeugt, daß mir die Festnahme des gesuchten Spitzbuben und seines Opfers gelingen werde, und in ziemlich gehobener Stimmung zog ich die Hausglocke, über welcher auf einem Messingschilde zu lesen war:

»First class pension for Ladies and Gentlemen«. Ich befand mich also am richtigen Orte. Haus und Geschäft waren Eigentum einer Dame. Der Portier öffnete, fragte mich nach meinem Begehr und erhielt den Auftrag, mich bei der Dame zu melden; auch übergab ich ihm eine Visitenkarte, welche auf einen andern Namen lautete als den meinigen. Ich wurde in das Parlour geführt und hatte nicht lange auf die Lady zu warten.

Sie war eine fein gekleidete, behäbig aussehende Dame von ungefähr fünfzig Jahren. Wie es schien, hatte sie einen kleinen Rest von schwarzem Blute in ihren Adern, wie ihr gekräuseltes Haar und eine leichte Färbung ihrer Nägel vermuten ließen. Sie machte den Eindruck einer Frau von Gemüt und empfing mich mit großer Höflichkeit.

Ich stellte mich ihr als den Feuilletonredakteur der »Deutschen Zeitung« vor, zeigte ihr das betreffende Blatt und gab an, daß ich den Verfasser dieses Gedichtes sprechen müsse; dasselbe habe solchen Anklang gefunden, daß ich ihm Honorar und neue Aufträge bringe.

Sie hörte mir ruhig zu, betrachtete mich aufmerksam und sagte dann:

»Also ein Gedicht hat der Herr bei Ihnen drucken lassen? Wie hübsch! Schade, daß ich nicht Deutsch verstehe, sonst würde ich Sie bitten, es mir vorzulesen. Ist es gut?«

»Ausgezeichnet! Ich hatte bereits die Ehre, Ihnen zu sagen, daß es sehr gefallen habe.«

»Das ist mir von größtem Interesse. Dieser Herr hat den Eindruck eines fein gebildeten Mannes, eines wahrhaften Gentleman auf mich gemacht. Leider sprach er nicht viel und verkehrte mit niemand. Er ist nur ein einziges Mal ausgegangen, jedenfalls als er Ihnen das Gedicht brachte.«

»Wirklich? Ich entnahm aus der kurzen Unterhaltung, welche ich mit ihm hatte, daß er hier Gelder erhoben habe. Er muß also öfters ausgegangen sein.«

»So ist es während meiner Abwesenheit vom Hause geschehen, vielleicht auch hat sein Sekretär diese geschäftlichen Dinge abgemacht.«

»Er hat einen Sekretär? Davon sprach er nicht. Er muß also ein wohlsituierter Herr sein.«

»Gewiß! Er zahlte gut und speiste auf das feinste. Sein Sekretär, Master Clinton, führte die Kasse.«

»Clinton! Ah, wenn dieser Sekretär Clinton heißt, so muß ich ihn im Klub getroffen haben. Er stammt aus New York oder kommt wenigstens von dort und ist ein vorzüglicher Gesellschafter. Wir trafen uns gestern zur Mittagszeit.«

»Das stimmt,« fiel sie ein. »Da war er ausgegangen.«

»Und fanden,« fuhr ich fort, »ein solches Wohlgefallen aneinander, daß er mir seine Photographie verehrte. Die meinige hatte ich nicht bei mir, mußte sie ihm aber bestimmt versprechen, da wir uns heute wieder treffen wollen. Hier ist sie.« Und ich zeigte ihr Gibsons Bild, welches ich immer bei mir trug.

»Richtig, das ist der Sekretär,« sagte sie, als sie einen Blick darauf geworfen hatte. »Leider werden Sie ihn nicht so bald wieder sehen, und von Master Ohlert werden Sie kein weiteres Gedicht erhalten können; sie sind beide abgereist.«

Ich erschrak, faßte mich indessen schnell und sagte:

»Das tut mir sehr leid. Der Einfall, abzureisen, muß ihnen ganz plötzlich gekommen sein?«

»Allerdings. Es ist das eine sehr, sehr rührende Geschichte. Master Ohlert freilich sprach nicht davon, denn niemand greift in die eigenen Wunden, aber sein Sekretär hat sie mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt. Sie müssen nämlich wissen, daß ich mich stets des besonderen Vertrauens derjenigen erfreue, welche zeitweilig bei mir wohnen.«

»Das glaube ich Ihnen. Ihre feinen Manieren, Ihre zarten Umgangsformen lassen das als ganz natürlich erscheinen,« flunkerte ich mit der größten Unverfrorenheit.

»O bitte!« meinte sie, trotz der Unbeholfenheit dieser Adulation geschmeichelt. »Die Geschichte hat mich fast zu Thränen gerührt, und ich freue mich, daß es dem unglücklichen jungen Manne gelungen ist, noch zur rechten Zeit zu entkommen.«

»Entkommen? Das klingt ja genau so, als ob er verfolgt werde!«

»Es ist auch wirklich der Fall.«

»Ah! Wie interessant! Ein so hochbegabter, genialer Dichter, und verfolgt! in meiner Eigenschaft als Redakteur, gewissermaßen also als Kollege des Unglücklichen, brenne ich vor Verlangen, etwas Näheres zu hören. Die Zeitungen repräsentieren eine bedeutende Macht. Vielleicht wäre es mir möglich, mich seiner in einem Artikel anzunehmen. Wie schade, daß Ihnen diese interessante Geschichte nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt worden ist!«

Ihre Wangen röteten sich. Sie zog ein nicht ganz reines Taschentuch, um es im Falle des Bedürfnisses sofort bei der Hand zu haben, und sagte:

»Was diese Diskretion betrifft, Sir, so fühle ich mich jetzt nicht mehr zu ihr verpflichtet, da die Herren abgereist sind. Ich weiß, daß man das Zeitungswesen eine Großmacht nennt, und würde ganz glücklich sein, wenn Sie dem armen Dichter zu seinem Rechte helfen könnten.«

»Was in meinen Kräften steht, soll ja ganz gern geschehen; nur müßte ich von den betreffenden Verhältnissen unterrichtet sein.«

Ich muß gestehen, daß es mir Mühe kostete, meine Aufregung zu verbergen.

»Das werden Sie, denn mein Herz gebietet mir, Ihnen alles mitzuteilen. Es handelt sich nämlich um eine ebenso treue, wie unglückliche Liebe.«

»Das habe ich mir gedacht, denn eine unglückliche Liebe ist das größte, herzzerreißendste, überwältigendste Leiden, welches ich kenne.«

Natürlich hatte ich von Liebe noch nicht die blasse Ahnung.

»Wie sympathisch Sie mir mit diesem Ausspruche sind, Sir! Haben auch Sie dieses Leiden empfunden?«

»Noch nicht.«

»So sind Sie ein glücklicher Mann. Ich habe es ausgekostet bis fast zum Sterben. Meine Mutter war eine Mulattin. Ich verlobte mich mit dem Sohne eines französischen Pflanzers, also mit einem Kreolen. Unser Glück wurde zerrissen, weil der Vater meines Bräutigams keine Coloured-Lady in seine Familie aufnehmen wollte. Wie sehr muß ich also mit dem bedauernswerten Dichter sympathisieren, da er aus demselben Grunde unglücklich werden soll!«

»So liebt er eine Farbige?«

»Ja, eine Mulattin. Der Vater hat ihm diese Liebe verboten und sich schlauerweise in den Besitz eines Reverses gesetzt, in welchem die Dame unterschrieben hat, daß sie auf das Glück der Vereinigung mit William Ohlert verzichte.«

»Welch ein Rabenvater!« rief ich erbittert aus, was mir einen wohlwollenden Blick von der Dame eintrug.

Sie nahm sich das, was Gibson ihr weisgemacht hatte, mächtig zu Herzen. Gewiß hatte die sprachselige Lady ihm von ihrer einstigen unglücklichen Liebe erzählt, und er war mit einem Märchen bereit gewesen, durch welches es ihm gelang, ihr Mitgefühl zu erregen und die Plötzlichkeit seiner Abreise zu erklären. Die Mitteilung, daß er sich jetzt Clinton nenne, war mir natürlich von der größten Wichtigkeit.

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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