Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 33
»Ihr irrt Euch da gewaltig; ich habe nicht aus Angst vor Eurem Messer ja gesagt.«
»So? Nicht? Warum denn?«
»Weil es Wahrheit ist. Ich freue mich wirklich darüber, daß ich Euch endlich wiedersehe.«
Trotz meines Lachens sagte ich dies nicht etwa ironisch oder höhnisch, sondern mit einem solchen Ausdrucke der Wahrheit, daß es ihn frappierte. Er fuhr mit dem Kopfe zurück, zog die Brauen empor, sah mich einige Augenblicke lang forschend an und sagte dann:
»Wie? Was? Höre ich recht? Haben die Hiebe, die du erhalten hast, dein Gehirn so erschüttert, daß du phantasierest? Du freust dich in Wirklichkeit?«
»Natürlich!« nickte ich.
»Alle Teufel! Ich möchte fast annehmen, daß dieser Kerl im Ernste spricht!«
»Es ist allerdings mein völliger Ernst!«
»Dann bist du freilich verrückt, vollständig verrückt!«
»Fällt mir nicht ein! Ich bin so bei Sinnen, wie ich es noch niemals besser gewesen bin.«
»Wirklich? Dann ist es Frechheit, eine so bodenlose, verdammte Frechheit, wie mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen ist! Mensch, ich schließe dich ebenso krumm wie Winnetou, oder ich hänge dich verkehrt da an den Baum, mit dem Kopfe nach unten, daß dir das Blut aus allen Löchern spritzt!«
»Das werdet Ihr bleiben lassen!«
»Bleiben lassen? Warum sollte ich es nicht tun? Was für einen Grund könnte ich dazu haben?«
»Einen, den Ihr so gut kennt, daß ich ihn Euch nicht zu sagen habe.«
»Oho! Ich weiß keinen solchen Grund!«
»Pshaw! Mich täuscht Ihr nicht. Hängt mich immer auf! Dann bin ich in zehn Minuten tot, und Ihr erfahrt nicht, was Ihr wissen wollt.«
Ich hatte das Richtige getroffen; das sah ich ihm an. Er blickte zu Warton hinüber, schüttelte den Kopf und sagte:
»Wir haben diesen Halunken für tot gehalten, aber er ist nicht einmal besinnungslos gewesen, denn er hat alle meine Fragen gehört, die ich an Winnetou richtete, ohne daß diese verdammte Rothaut mir eine einzige davon beantwortet hat.«
»Ihr irrt Euch abermals,« erklärte ich. »Ich war wirklich betäubt; aber Old Shatterhand hat Grütze genug im Kopfe, Euch zu durchschauen.«
»So? Nun, dann sag mir doch einmal, was das ist, was ich von euch wissen will!«
»Unsinn! Laßt diese Kinderei! Ihr werdet nichts erfahren. Ich sage Euch im Gegenteile, daß ich mich wirklich über das Zusammentreffen freue. Wir haben uns so lange vergeblich nach Euch gesehnt, daß diese Freude eine sehr aufrichtige und herzliche sein muß. Wir haben Euch ja endlich, endlich, endlich!«
Er starrte mich eine ganze Weile wie abwesend an, stieß dann einen Fluch aus, welcher nicht wiederzugeben ist, und schrie mich an:
»Schuft, sei froh darüber, daß ich dich für wahnsinnig halte! Denn wenn ich wüßte, daß du doch bei Sinnen seiest und mit Absicht und Überlegung so redetest, so würde ich dich durch tausend Martern überzeugen, daß ich nicht mit mir scherzen lasse. Ich will also nachsichtig mit dir sein und in Ruhe mit dir reden; aber falls du mir nicht offen und gutwillig antwortest, so hast du einen Tod zu erwarten, wie ihn noch kein Mensch gestorben ist.«
Er setzte sich vor mich hin, sah einige Zeit wie nachdenkend vor sich nieder und fuhr dann fort:
»Ihr beide haltet euch für außerordentlich gescheite Kerls, natürlich für die allergescheitesten im ganzen wilden Westen; aber wie dumm, wie unendlich dumm seid ihr in Wirklichkeit! Wie war damals dieser Winnetou hinter mir her! Hat er mich erwischt? Ein jeder Andere an seiner Stelle würde sich vor Scham darüber vor keinem Menschen wieder sehen lassen! Und jetzt! Wirst du eingestehen, daß ihr gestern abend meine Augen gesehen habt?«
»Ja,« nickte ich.
»Er wollte auf mich schießen?«
»Ja.«
»Ich sah es und verschwand natürlich auf der Stelle. Da ging er fort, um mich zu beschleichen. Giebst du auch das zu?«
»Warum nicht?«
»Mich beschleichen, hahahaha! Ich wußte doch, daß ich bemerkt worden war; das hätte sich ein jedes Kind gesagt. Mich dennoch beschleichen zu wollen, war eine Dummheit, die mit gar keiner andern zu vergleichen ist. Ihr habt dafür Prügel, ja wirklich Prügel verdient. Anstatt er mich, beschlich ich ihn und schlug ihn, als er kam, mit einem einzigen Kolbenhiebe nieder. Dann holte ich seine Decke, die er weggelegt hatte, nahm sie über und machte mich über dich her. Was dachtest du denn eigentlich, als du sahst, daß ich es war anstatt des Apachen?«
»Ich freute mich darüber.«
»Auch über die Hiebe, die du bekamst? jedenfalls nicht. Ihr habt euch übertölpeln lassen wie achtjährige Jungens, die man nicht auslachen, sondern nur bemitleiden kann. Nun befindet ihr euch so vollständig in unserer Gewalt, daß Rettung für euch absolut unmöglich ist, wenn mich nicht etwa eine milde Regung überläuft. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß ich mich zur Nachsicht geneigt fühle, aber nur in dem allereinzigen Falle, daß du mir aufrichtig Auskunft gibst. Schau diese drei Männer! Sie gehören zu mir; ich schickte sie euch in den Weg, um euch zu überlisten. Für was hältst du uns wohl jetzt?«
Wer und was er war, das ahnte ich nicht nur, sondern ich wußte es nun ganz genau; aber die Klugheit verbot mir, dies merken zu lassen; darum antwortete ich:
»Ein Schurke seid Ihr stets gewesen und seid es jedenfalls noch heut; mehr brauch ich nicht zu wissen.«
»Schön! Ich will dir eins sagen: Jetzt nehme ich diese Beleidigungen ruhig hin; ist dann unser Gespräch zu Ende, so kommt die Strafe; das schreib dir hinter die Ohren! Ich will dir zunächst sehr aufrichtig gestehen, daß wir allerdings lieber ernten als säen; das Säen ist so anstrengend, daß wir es andern Leuten überlassen; doch wo wir eine Ernte finden, die uns keine große Mühe macht, da greifen wir schnell zu, ohne viel darnach zu fragen, was diejenigen Leute dazu sagen, welche behaupten, daß das Feld ihnen gehöre. So haben wir es bisher gehalten, und so werden wir es auch weiter treiben, bis wir genug haben.«
»Wann wird dies wohl der Fall sein?«
»Vielleicht sehr bald. Es steht nämlich hier in der Nähe ein Feld in voller, reifer Frucht, welches wir abmähen wollen. Wenn uns das gelingt, so können wir sagen, daß wir unser Schaf ins Trockene gebracht haben.«
»Gratuliere!« sagte ich ironisch.
»Danke dir!« antwortete er ebenso. »Da du uns gratulierst und es also gut mit uns meinest, so nehme ich an, daß du uns gern behilflich sein wirst, dieses Feld zu finden.«
»Ach, ihr wißt also noch gar nicht, wo es liegt?«
»Nein. Wir wissen nur, daß es gar nicht weit von hier zu suchen ist.«
»Das ist unangenehm.«
»O nein, da wir den Ort von dir erfahren werden.«
»Hm, das bezweifle ich.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich weiß kein Feld, welches für euch paßt.«
»O doch!«
»Gewiß nicht!«
»Das denkst du nur. Ich werde deinem Gedächtnisse zu Hilfe kommen. Es handelt sich natürlich nicht um ein Feld im gewöhnlichen Sinne, sondern um ein Versteck, welches wir ausleeren möchten.«
»Was für ein Versteck?«
»Von Häuten, Fellen und dergleichen.«
»Hm! Und ich soll es kennen?«
»Ja.«
»Wahrscheinlich täuscht ihr euch da.«
»O nein. Ich weiß, woran ich bin. Du gibst doch wohl zu, daß ihr bei dem alten Comer am Turkey-River gewesen seid?«
»Ja.«
»Was wolltet ihr bei ihm?«
»Das war wohl nur so ein Besuch, wie man zuweilen ohne alle Absicht macht.«
»Versuche doch nicht, mich irre zu machen. Ich traf Corner, als ihr fort waret, und erfuhr von ihm, wen ihr bei ihm gesucht habt.«
»Nun, wen?«
»Einen Pedlar, welcher Burton heißt.«
»Das brauchte der Alte nicht zu sagen!«
»Nein; aber er hat es gesagt. Der Pedlar soll euch Felle, viele Felle abkaufen.«
»Uns?«
»Weniger euch, als vielmehr Old Firehand, der eine ganze Gesellschaft von Pelzjägern kommandiert und einen großen Vorrat von Fellen beisammen hat.«
»Alle Wetter, seid ihr gut unterrichtet!« »Nicht wahr?« lachte er schadenfroh, ohne meinen ironischen Ton zu beachten. »Ihr habt den Pedlar nicht gefunden, sondern nur einen Gehilfen von ihm und diesen mit euch genommen. Wir sind euch schnell nach, um euch und ihn festzunehmen; der Kerl aber, der, glaube ich, Rollins heißt, ist uns leider entwischt, während wir uns mit euch beschäftigen mußten.«
Gewohnt, alles, selbst das scheinbar Unbedeutendste, zu beobachten, entging es mir nicht, daß er bei dieser Versicherung einen Blick dorthin warf, wo wir gestern abend seine Augen gesehen hatten. Dieser Blick war ein unbeabsichtigter, unwillkürlicher, von ihm nicht genug bewachter; er fiel mir also auf. Gab es etwa dort in dem Gesträuch etwas, was mit dem, von dem er sprach, also mit Rollins, zusammenhing? Das mußte ich erfahren, aber ich hütete mich, mein Auge jetzt sogleich nach der betreffenden Stelle zu richten, weil ihm dies wahrscheinlich aufgefallen wäre. Er fuhr in seiner Rede fort:
»Es schadet das aber nichts, denn diesen Rollins brauchen wir nicht, wenn wir nur Euch haben. Ihr kennt Old Firehand?«
»Ja.«
»Und seinen Versteck?«
»Ja.«
»Ah! Freut mich ungemein, daß Ihr dies so bereitwillig zugebt!«
»Pshaw! Warum sollte ich etwas leugnen, was doch wahr ist?«
»Well! So nehme ich also an, daß Ihr mir keine große Plage machen werdet.«
»Nehmt Ihr das wirklich an?«
»Ja, denn Ihr werdet einsehen, daß es für Euch das Beste ist, uns alles mitzuteilen.«
»Inwiefern soll es das Beste sein?«
»Insofern, als Ihr Euch Euer Schicksal dadurch bedeutend erleichtert.«
»Welches Schicksal nennt Ihr denn eigentlich das unserige?«
»Den Tod. Ihr kennt mich, und ich kenne Euch; wir wissen ganz genau, wie wir miteinander stehen: Wer in die Gewalt des Andern gerät, der ist verloren, der muß sterben. Ich habe Euch erwischt, und so ist es also mit Euerm Leben zu Ende. Da ist aber nun die Frage, welches Ende? ich habe stets die feste Absicht gehabt, Euch langsam und mit Genuß zu Tode zu schinden; jetzt aber, da es sich um Old Firehands Versteck handelt, denke ich nicht mehr ganz so streng.«
»Sondern wie?«
»Ihr sagt mir, wo sich dieses Versteck befindet, und beschreibt es mir.«
»Und was bekommen wir dafür?«
»Einen schnellen schmerzlosen Tod, nämlich eine rasche Kugel durch den Kopf.«
»Sehr schön! Das ist zwar sehr gefühlvoll, aber nicht sehr klug von Euch.«
»Wieso?«
»Wir können, um einen schnellen, leichten Tod zu finden, Euch irgend einen Ort beschreiben, der aber gar nicht der richtige ist.«
»Da haltet Ihr mich für unvorsichtiger, als ich bin; ich weiß es schon so anzufassen, daß ich Beweise von Euch erhalte. Vorher will ich wissen, ob Ihr geneigt sein wollt, mir den Ort zu verraten.«
»Verraten, das ist das richtige Wort. Ihr werdet aber wissen, daß Old Shatterhand kein Verräter ist. Ich sehe, daß Winnetou Euch auch nicht zu Willen gewesen ist; vielleicht hat er Euch nicht eine einzige Antwort gegeben, denn er ist viel zu stolz, mit solchen Halunken, wie Ihr seid, zu reden. Ich aber habe mit Euch gesprochen, weil ich dabei eine gewisse Absicht verfolgte.«
»Absicht? Welche?«
Er blickte mir bei dieser Frage mit großer Spannung in das Gesicht.
»Das braucht Ihr nicht zu wissen; später werdet Ihr es ohne mich erfahren.«
Er hatte jetzt verhältnismäßig höflicher gesprochen und mich auch nicht mehr Du, sondern ihr genannt; nun fuhr er zornig auf:
»Du willst dich also auch weigern?«
»Ja.«
»Nichts sagen?«
»Kein Wort.«
»So schließen wir dich krumm wie Winnetou!«
»Tut es.«
»Und martern euch zu Tode.«
»Das wird Euch keinen Nutzen bringen.«
»Meinst du? Ich sage dir, daß wir das Versteck auf alle Fälle finden werden.«
»Höchstens durch einen blinden Zufall, aber dann zu spät; denn wenn wir nicht zur bestimmten Zeit zurückkehren, schöpft Old Firehand Verdacht und räumt das Versteck aus. In dieser Weise haben wir es mit ihm besprochen.«
Er blickte finster und nachdenklich vor sich nieder und spielte dabei mit seinem Messer, doch bedeutete diese Beschäftigung seiner Hände keine Gefahr für mich. Ich durchschaute ihn und seinen Doppelplan. Die erste Hälfte desselben war mißlungen; nun mußte er zur zweiten Hälfte desselben schreiten. Er gab sich Mühe, seine Verlegenheit zu verbergen, aber dies gelang ihm nicht ganz so, wie er es wünschte.
Die Sache lag so, daß er es auf unser Leben, aber auch auf die Reichtümer Old Firehands abgesehen hatte; die letzteren standen ihm höher als sein Haß gegen uns; um sie zu erlangen, war er jedenfalls bereit, uns laufen zu lassen, falls es nicht anders ging. Darum war es keineswegs das Gefühl der Sorge oder gar der Angst, mit dem ich nun seinen weiteren Entschließungen entgegensah. Da endlich erhob sich sein Gesicht wieder und er fragte:
»Du verrätst mir also nichts?«
»Nein.«
»Und wenn es euch sofort das Leben kostet?«
»Erst recht nicht, denn ein schneller Tod ist ja weit besser, als der qualvolle, der uns eigentlich erwarten soll.«
»Well! Ich werde dich zwingen. Wollen doch sehen, ob deine Glieder ebenso gefühllos sind wie diejenigen des Apachen.«
Er gab den drei Andern einen Wink; sie standen auf, faßten mich an und trugen mich dorthin, wo Winnetou lag. Dabei konnte ich für kurze Zeit bequem nach der Stelle sehen, an welcher wir gestern abend seine Augen erblickt hatten. Meine Ahnung war richtig: Dort lag ein Mensch versteckt. Um zu sehen, was mit mir geschah, schob er seinen Kopf ein Stück durch das Gezweig, und ich glaubte das Gesicht Rollins‘ zu erkennen.
Um es kurz zu machen, will ich nur sagen, daß ich auch krumm geschlossen wurde. So lag ich drei volle Stunden neben Winnetou, ohne daß wir ein leises Wort miteinander wechselten und unsern Peiniger einen Atemzug hören oder eine schmerzliche Miene sehen ließen. Von Viertelstunde zu Viertelstunde kam Santer und fragte, ob wir gestehen wollten; er bekam aber keine Antwort. Es galt, wer länger Geduld hatte, er oder wir. Ich wußte, daß Winnetou die Sachlage ebenso kannte und durchschaute wie ich.
Da, gegen Mittag, als Santer wieder einmal vergeblich gefragt hatte, setzte er sich zu seinen drei Gefährten und verhandelte leise mit ihnen. Nach kurzer Unterhaltung meinte er laut, so daß wir es hörten.
»Ich glaube auch, daß er sich noch in der Nähe versteckt hält, weil es ihm nicht gelungen ist, sein Pferd mit fortzunehmen. Durchsucht die Gegend doch einmal genau! Ich bleibe hier, um die Gefangenen zu bewachen.«
Er meinte Rollins. Daß er dies so laut sagte, ließ ihn durchschauen. Wenn man wirklich einen in der Nähe Versteckten fangen will, sagt man dies nicht so, daß er es hören kann oder gar hören muß. Die drei griffen zu ihren Waffen und entfernten sich. Da endlich flüsterte mir Winnetou leise zu:
»Ahnt mein Bruder, was geschehen wird?«
»Ja.«
»Sie werden Rollins fangen und herbeibringen.«
»Ganz gewiß. Man erwartet in ihm einen Gegner, und dann wird und muß es sich herausstellen, daß er ein guter Bekannter von Santer ist. Er wird für uns bitten – —«
»Und Santer wird uns nach dem notwendigen Zögern freigeben. Das wird genau so gemacht werden, wie in den großen schönen Häusern der Bleichgesichter, in denen man Theater spielt.«
»Ja. Dieser Santer ist natürlich kein Anderer als jener Pedlar, der sich jetzt Burton nennt, und Rollins hat uns ihm in die Hände führen müssen. Falls wir aber Old Firehands Versteck nicht verraten, müssen wir freigegeben werden, damit man uns heimlich folgen und es entdecken kann. Zu diesem Zwecke ist Rollins nicht hiergeblieben und soll nun scheinbar nachträglich noch ergriffen werden, um uns zur Freiheit zu verhelfen.«
»Mein Bruder denkt genau wie ich. Wenn Santer klug gewesen wäre, hätte er dies alles nicht nötig gehabt. Er konnte Rollins mit uns gehen lassen und dann von ihm erfahren, wo Old Firehand und natürlich auch wir zu finden sind.«
»Er hat voreilig gehandelt. Jedenfalls befand er sich bei den Okananda-Sioux, als sie Comers Settlement überfallen wollten. Er ist ihr Verbündeter, und Rollins, sein Gehilfe, machte den Spion. Als dieser hörte, wer wir waren, meldete er es Santer, und dieser beschloß, weil die Sioux uns nichts anhaben konnten, uns selbst zu überfallen. Rollins ritt mit uns; die drei andern Gehilfen mußten uns zu Fuße voran, und Santer selbst kam mit den Pferden hinterdrein. Dieser Plan wurde in der großen Freude, uns zu erwischen, viel zu schnell und gedankenlos entworfen. Diese Kerls haben dabei nicht in Berechnung gezogen, daß wir doch keine solchen Schurken sind, Old Firehands Versteck zu verraten. Da sie dies aber unbedingt finden und ausrauben wollen, müssen sie nun den begangenen Fehler dadurch gutmachen, daß sie uns wieder loslassen, um uns heimlich folgen zu können. Es ist sehr gut, daß wir diesem Rollins keine Beschreibung des Versteckes gegeben haben.«
Wir wechselten diese Mitteilungen, ohne die Lippen zu bewegen; Santer bemerkte also nicht, daß wir miteinander sprachen. Er saß übrigens halb von uns abgewendet und lauschte in den Wald hinein. Nach einiger Zeit ertönte da drin ein lauter Ruf und noch einer; eine zweite, eine dritte Stimme antwortete; dann folgte ein lauteres Geschrei, welches schnell näher kam, bis wir die drei Wartons aus dem Gebüsch treten sahen; sie hatten Rollins in der Mitte, der sich scheinbar sträubte, ihnen zu folgen.
»Bringt ihr ihn?« rief Santer ihnen entgegen, indem er aufsprang. »Habe ich es nicht gesagt, daß er sich noch in der Nähe befindet! Schafft den Kerl zu den beiden andern Gefangenen, und schließt ihn auch so krumm wie – —«
Er hielt mitten in der Rede inne, machte eine Bewegung größter Überraschung und fuhr dann, wie vor Freude stotternd, fort:
»Wa-wa-was? We-wer ist denn das? Sehe ich recht, oder ist‘s nur eine Ähnlichkeit?«
Rollins stellte sich ebenso freudig erstaunt, riß sich von den Dreien los, eilte auf ihn zu und rief:
»Mr. Santer, Ihr seid es! Ist‘s die Möglichkeit? O, nun ist alles gut; nun wird mir nichts geschehen!«
»Geschehen? Euch? Nein, Euch kann nichts geschehen, Mr. Rollins. Also ich täusche mich nicht; Ihr seid der Rollins, den ich fangen wollte! Wer hätte das gedacht, daß ihr mit diesem Manne identisch seid! Ihr befindet Euch also jetzt bei Burton, dem Pedlar?«
»Ja, Mr. Santer. Es ist mir bald gut, bald schlecht ergangen; jetzt aber bin ich zufrieden. Grad auf dem jetzigen Ritte stehe ich im Begriffe, ein ausgezeichnetes Geschäft zu machen, leider aber wurden wir gestern abend von – —«
Auch er brach seine Rede ab. Sie hatten sich wie gute Freunde, die sich lange nicht gesehen haben, in herzlicher Weise die Hände geschüttelt; jetzt machte er ein plötzlich betroffenes Gesicht, sah Santer wie verblüfft an und fuhr dann fort:
»Ja, wie ist es denn? Seid Ihr es etwa, der uns überfallen hat, Mr. Santer?«
»Allerdings.«
»Teufel! Ich werde von dem Manne, der mein bester Freund ist und mir verschiedene Male das Leben zu verdanken hat, angefallen! Was habt Ihr Euch dabei gedacht?«
»Gar nichts. Was konnte ich mir denken, da ich Euch nicht zu sehen bekommen habe? Ihr habt Euch doch schleunigst aus dem Staube gemacht.«
»Das ist freilich wahr. Ich hielt es für das Beste, zunächst mich in Sicherheit zu bringen, um dann diesen Gentlemen, zu denen ich gehöre, zur Flucht behilflich sein zu können. Darum bin ich nicht fort, sondern ich habe mich hier versteckt, um den geeigneten Augenblick abzuwarten. Aber was sehe ich! Sie sind gefesselt und noch dazu in einer solchen Weise? Das darf nicht sein; das kann ich unmöglich zugeben; ich werde sie losbinden!«
Er wendete sich uns zu, jedoch Santer ergriff ihn beim Arm und antwortete:
»Halt, was fällt Euch ein, Mr. Rollins! Diese Kerls sind meine ärgsten Todfeinde.«
»Aber meine Freunde!«
»Das geht mich nichts an. Ich habe eine Rechnung mit ihnen, die sie mit dem Leben bezahlen müssen; darum überfiel ich sie und nahm sie fest, freilich ohne zu ahnen, daß Ihr zu ihnen gehörtet.«
»Alle Wetter, ist das unangenehm! Eure Todfeinde? Und doch muß ich ihnen helfen! Ist es denn gar so viel, was Ihr gegen sie habt?«
»Mehr als genug, um ihnen zehnmal an den Hals zu gehen.«
»Aber bedenkt, wer sie sind!«
»Meint Ihr etwa, daß ich sie nicht kenne?«
»Winnetou und Old Shatterhand! Die bringt man nicht so mir nichts dir nichts um!«
»Grad weil es diese beiden sind, gibt es bei mir kein Erbarmen.«
»Ist das wirklich Euer Ernst, Mr. Santer?«
»Mein völligster und blutigster Ernst. Ich gebe Euch die Versicherung, daß sie verloren sind.«
»Selbst dann, wenn ich für sie bitte?«
»Auch dann.«
»Aber bedenkt, was Ihr mir zu verdanken habt. Ich habe Euch mehrere Male das Leben gerettet!«
»Das weiß ich sehr wohl und werde es Euch auch nicht vergessen, Mr. Rollins.«
»Wißt Ihr denn auch noch, was bei dem letzten Mal geschah?«
»Was?«
»Ihr schwurt mir zu, daß Ihr mir jeden Wunsch, jede Bitte erfüllen würdet.«
»Hm! Ich glaube, so sagte ich.«
»Wenn ich nun jetzt eine Bitte ausspreche?«
»Tut es nicht, denn in diesem Falle kann ich sie nicht erfüllen und möchte doch mein Wort nicht gern brechen. Hebt es lieber für später auf.«
»Das kann ich nicht. Ich habe hier Verpflichtungen, die mir heilig sind. Kommt also einmal her, Mr. Santer, und laßt mit Euch reden!«
Er nahm ihn beim Arme und zog ihn ein Stück fort, wo sie stehen blieben und, heftig gestikulierend, miteinander sprachen, ohne daß wir die Worte verstehen konnten. Sie führten die Spiegelfechterei so gut aus, daß sie uns wohl getäuscht hätten, wenn wir weniger fest überzeugt gewesen wären. Dann kam Rollins allein zu uns und sagte:
»Ich habe wenigstens die Erlaubnis bekommen, euch eure Lage etwas zu erleichtern, Mesch‘schurs. Ihr seht und hört, welche Mühe ich mir gebe. Hoffentlich gelingt es mir doch noch, euch ganz frei zu bekommen.«
Er lockerte unsere Fesseln so weit, daß wir nicht mehr krumm gebunden waren, und kehrte dann wieder zu Santer zurück, um seine scheinbare Fürbitte auf das lebhafteste fortzusetzen. Nach längerer Zeit kamen beide zu uns, und Santer redete uns an:
»Es ist, als ob der Teufel euch beschützen wolle. Ich habe diesem Gentleman hier einst ein Versprechen gegeben, welches ich halten muß. Er beruft sich jetzt darauf und läßt sich nicht davon abbringen. Ich will ihm zuliebe die größte Dummheit meines Lebens begehen und euch freigeben, aber alles, was ihr bei euch habt, also auch eure Waffen, sind mein Eigentum.«
Winnetou sagte kein Wort, und ich antwortete ebensowenig.
»Nun? Ihr könnt wohl vor Erstaunen über meinen Edelmut nicht sprechen?«
Als auch hierauf keine Antwort erfolgte, meinte Rollins:
»Natürlich sind sie sprachlos über diese Gnade. Ich werde sie losbinden.«
Er griff nach meinen Banden.
»Halt!« sagte ich. »Laßt diese Riemen so, wie sie sind, Mr. Rollins!«
»Seid Ihr des Teufels? Warum denn?«
»Entweder alles oder gar nichts.«
»Wie meint Ihr das?«
»Die Freiheit ohne unsere Waffen und alles unser Eigentum mögen wir nicht.«
»Ist das möglich? Ist das zu denken?«
»Andere mögen anders denken, als wir; Winnetou und ich aber gehen ohne das, was ihnen gehört, nicht von der Stelle. Lieber tot als hören zu müssen, daß wir von unsern Waffen lassen mußten.«
»Aber seid doch froh, daß – —«
»Schweigt!« unterbrach ich ihn. »Ihr kennt unsere Ansicht, die kein Mensch anders macht.«
»Tod und Hölle! Ich will euch retten und muß mich in dieser Weise abfahren lassen!«
Er zog Santer wieder mit sich fort, und zu der nun weiter folgenden Beratung wurden auch die Wartons zugezogen.
»Das hat mein Bruder recht gemacht,« flüsterte mir Winnetou zu. »Es ist gewiß, daß sie uns den Willen tun werden, denn sie meinen, daß sie später doch alles bekommen.«
Auch ich war davon überzeugt. Freilich mußte sich Santer noch längere Zeit scheinbar sträuben, endlich -kamen sie alle herbei, und er erklärte:
»Ihr habt heut ein unmenschliches Glück. Mein Wort zwingt mich, etwas zu tun, was sonst Wahnsinn sein würde. Ihr werdet mich auslachen, aber ich schwöre es euch zu, daß ich es bin, der zuletzt lachen wird; das werdet ihr noch eher einsehen, als ihr jetzt für möglich haltet! Hört also jetzt, was wir ausgemacht haben!«
Er hielt inne, um dem, was zu folgen hatte, Nachdruck zu geben, und fuhr dann fort:
»Ich lasse euch für diesmal frei, und ihr behaltet alles, was euch gehört; aber ihr werdet bis zum Abend hier an diese Bäume gebunden, damit ihr uns nicht eher als von morgen früh an verfolgen könnt. Wir reiten jetzt fort, dorthin, woher wir gekommen sind, und nehmen Mr. Rollins mit, damit er euch nicht vor der Zeit losmachen kann. Wir lassen ihn aber so zurückkehren, daß er hier bei euch eintrifft, wenn es dunkel geworden ist. Ihm habt ihr euer Leben zu verdanken; seht, daß ihr quitt mit ihm werdet!«
Weiter sprach niemand. Wir wurden an zwei nebeneinander stehende Bäume befestigt; nachher band man unsere Pferde in der Nähe an, und hierauf wurde alles, was man uns abgenommen hatte, neben uns hingelegt. Wie froh war ich, daß sich die Waffen dabei befanden! Als dies geschehen war, ritten die fünf Kerle fort.
Wir blieben wohl eine Stunde lang still, nur beschäftigt, mit unsern Sinnen jedes Geräusch aufzunehmen und zu bestimmen. Dann sagte der Apache:
»Sie sind noch hier, um uns, wenn wir aufbrechen, gleich folgen zu können. Um nicht gesehen zu werden, lassen sie uns erst am Abend frei. Wir müssen Santer haben. Wie denkt mein Bruder, daß wir ihn am sichersten fangen?«
»Jedenfalls nicht so, daß wir ihn bis zu Old Firehand locken.«
»Nein. Er darf das Versteck gar nicht kennen lernen. Wir reiten die ganze Nacht hindurch und würden also am Abend in der »Festung« ankommen; wir halten aber eher an. Rollins wird, hinter uns herreitend, ihnen heimlich Zeichen zurücklassen, denen sie folgen. Wenn die Zeit gekommen ist, machen wir ihn unschädlich und reiten eine kleine Strecke zurück, um sie auf unserer Fährte zu erwarten. Ist mein Bruder Shatterhand mit diesem Plane einverstanden?«
»Ja, er ist der beste, den es gibt. Santer ist überzeugt, uns zu bekommen, wir aber bekommen ihn.«
»Howgh!«
Er sagte nur dies eine Wort, aber in demselben klang eine tiefe, unendliche Befriedigung darüber, daß der so lange und vergeblich Gesuchte nun endlich, endlich in seine Hand gegeben sein sollte.
Der Tag kroch wie eine Schnecke dem Abende zu, aber es wurde schließlich doch finster, und da hörten wir auch bald den Hufschlag eines Pferdes. Rollins kam, stieg ab und machte uns von den Fesseln los. Es versteht sich ganz von selbst, daß er dabei nicht unterließ, sich als unser Retter in das hellste Licht zu stellen und uns weiszumachen, wie weit er mit unserm Todfeinde noch geritten sei. Wir taten, als ob wir ihm glaubten, und versicherten ihn unserer größten Dankbarkeit, hüteten uns aber sehr, dabei in überschwengliche Ausdrücke zu verfallen. Dann saßen wir auf und ritten langsam davon.
Er hielt sich selbstverständlich hinter uns. Wir hörten, daß er, um gute Spuren zu hinterlassen, sein Pferd öfters tänzeln ließ. Als dann der sichelförmige Mond am Himmel stand, konnten wir beobachten, daß er von Zeit zu Zeit zurückblieb, um einen Zweig abzureißen und auf den Weg zu werfen, oder sonst irgend ein Zeichen zurückzulassen.
Am Morgen wurde eine kurze Rast gemacht und zu Mittag wieder; diese letztere aber war länger, wohl drei Stunden lang. Wir wollten Santer, der erst am Morgen hatte folgen können, möglichst heranlassen. Hierauf ritten wir noch zwei Stunden weiter, bis wir ungefähr ebenso weit noch bis zur »Festung« hatten. Nun war es Zeit, uns mit Rollins auseinanderzusetzen. Wir hielten an und stiegen ab. Das mußte ihm auffallen, und er fragte, indem er auch aus dem Sattel sprang:
»Warum anhalten, Mesch‘schurs? Das ist nun heut zum drittenmal. Es kann doch nicht mehr weit zu Old Firehand sein. Wollen wir diese Strecke nicht vollends zurücklegen, anstatt hier noch ein Nachtlager zu machen?«
Winnetou, der sonst so Schweigsame, antwortete:
»Zu Old Firehand dürfen keine Schurken.«
»Schurken? Wie meint das der Häuptling der Apachen?«
»Ich meine, daß du einer bist.«
»Ich? Seit wann ist Winnetou so ungerecht und undankbar, seinen Lebensretter zu beschimpfen?«
»Lebensretter? Hast du wirklich geglaubt, Old Shatterhand und mich zu täuschen? Wir wissen alles, alles: Santer ist Burton, der Pedlar, und du bist sein Spion. Du hast ihnen während des ganzen Rittes Zeichen hinterlassen, damit sie uns und Old Firehands Versteck finden sollen. Du willst uns an Santer ausliefern und sagst, daß du unser Lebensretter seist. Wir haben dich beobachtet, ohne daß du es ahntest; nun aber ist unsere und auch deine Zeit gekommen; Santer mahnte uns, mit dir quitt zu werden; gut, wir rechnen mit dir ab!«
Er streckte die Hand nach Rollins aus. Dieser begriff die Situation schnell, wich zurück und schwang sich blitzschnell in den Sattel, um zu fliehen; ebenso schnell hatte ich sein Pferd beim Zügel und noch viel, viel schneller schwang sich Winnetou hinter ihm auf, um ihn beim Genick zu nehmen. Rollins sah in mir, weil ich sein Pferd hielt, den gefährlicheren Feind, zog sein Doppelpistol hervor, richtete es auf mich und drückte ab. Ich bückte mich nieder und zugleich griff Winnetou nach der Waffe; die beiden Schüsse gingen los, doch ohne mich zu treffen; einen Augenblick später flog Rollins, von Winnetou herabgeschleudert, vom Pferde; noch eine halbe Minute, und er war entwaffnet, gebunden und geknebelt. Wir befestigten ihn mit den Riemen, mit denen wir gefesselt gewesen waren, einstweilen an einen Baum und banden sein Pferd in der Nähe an. Später, nach der Überwältigung Santers, wollten wir ihn hier abholen. Dann stiegen wir wieder auf und ritten eine Strecke zurück, nicht auf unserer Spur, sondern parallel mit derselben, bis wir ein vorspringendes Gebüsch erreichten, an dessen anderer Seite unsere Fährte vorüberführte und wo Santer also vorbei mußte. In dieses Gesträuch führten wir unsere Pferde und setzten uns nieder, um auf die zu warten, die es auf uns abgesehen hatten.
Sie mußten aus Westen kommen; nach dorthin streckte sich eine kleine, offene Prairie, so daß wir Santer also sehen konnten, ehe er unsern Hinterhalt erreichte. Nach unserer Berechnung konnte er nicht sehr weit hinter uns sein. Es war noch anderthalb Stunden Tag, und bis dahin, wahrscheinlich aber noch viel eher, mußte er uns eingeholt haben.
Wir saßen still nebeneinander, ohne ein Wort zu sprechen. Wie wir uns kannten und verstanden, war es nicht nötig, uns zu besprechen, in welcher Weise der Überfall auszuführen sei. Wir hatten unsere Lassos losgeschnallt; Santer und die drei Wartons waren uns sicher.
Aber es verging eine Viertelstunde, eine zweite und eine dritte, ohne daß unsere Erwartung sich erfüllte. Beinahe war die volle Stunde vorüber, da bemerkte ich drüben, auf der Südseite der erwähnten kleinen Prairie, einen sich sehr schnell vorwärts bewegenden Gegenstand, und zu gleicher Zeit sagte Winnetou, indem er nach derselben Gegend deutete: