Kitabı oku: «Immanuel Kant: Der Mann und das Werk», sayfa 11

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Zweites Kapitel
Zweite Periode der Magisterzeit (1762—70)

Äußeres Leben: Der "galante" Magister
Wendung durch Rousseau 1762

Um das Jahr 1762 tritt eine Wendung in Kants innerem Leben ein, von der uns deutlich hur eine bedeutsame Randbemerkung von seiner Hand in dem Handexemplar seiner 'Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen' Kunde gibt. Erinnern wir uns jenes merkwürdigen Briefes an Lindner (1759), der tiefe Unbefriedigtheit über die Menschen, von denen er umgeben ist, mit innerem Stolz auf seinen Gelehrtenberuf verband. Diesen von Pedanterie entfernten Stolz des Geistesaristokraten drückt in einfachen, aber unnachahmlich schönen Worten die erste Hälfte der neuen Niederschrift aus: "Ich bin selbst aus Neigung ein Forscher. Ich fühle den ganzen Durst nach Erkenntnis und die begierige Unruhe, darin weiterzukommen, oder auch die Zufriedenheit bei jedem Fortschritte. Es war eine Zeit, da ich glaubte, dies alles könnte die Ehre der Menschheit machen, und ich verachtete den Pöbel, der von nichts weiß." Dann aber nennt er den Namen des Mannes, der einen völligen Umschwung in seinem Wesen bewirkt hat: "Rousseau hat mich zurecht gebracht." Jener "verblendete Vorzug verschwindet. Ich lerne die Menschen ehren und würde mich viel unnützer finden als die gemeinen Arbeiter, wenn ich nicht glaubte, dass diese Betrachtung allen übrigen einen Wert geben könne, die Rechte der Menschheit herzustellen."

Jahr und Tag dieser Wendung vermögen wir nicht, wie es bei Goethe oder Schüler so oft möglich ist, mit Bestimmtheit festzustellen. Wahrscheinlich war es 1762. Vermutlich hat zwar Kant, der ja überhaupt ein starker Leser war, auch schon Rousseaus erste Schriften aus den 50er Jahren bald nach ihrem Erscheinen gelesen. Eine solche Kenntnis scheinen z. B. die beiden Briefe Hamanns an Kant aus dem Jahre 1759 (S. 91 f.) vorauszusetzen. Aber einen nachhaltigen Eindruck haben sie damals schwerlich auf ihn gemacht. Noch das Universitätsprogramm 'Über den Optimismus' (Herbst 1759) verrät, wenn es auch gelegentlich das "bündige Urteil" des gemeinen Verstandes über die subtilen Irrtümer der Schulgelehrsamkeit setzt, nichts von Rousseauschem Einfluß, sondern geht in den Geleisen Leibnizens. Nun aber brachte im Sommer 1762 Kants späterer Hauswirt, der rührige Buchhändler Kanter, den in Frankreich auf den Scheiterhaufen gekommenen Contrat social aus Holland mit nach Königsberg, und Ende Juli wurde dort jeden Tag die Ankunft des Emile erwartet. Im Hochsommer 1762 also muß das Ungewöhnliche und Vielerzählte sich zugetragen haben, dass Magister Kant, von der Lektüre des soeben erschienenen Emile gefesselt, einige Tage lang seinen regelmäßigen Spaziergang aufgab.30

Verkehr mit höheren Offizieren

Es ist doch wohl nicht ganz zufällig, es kann mindestens mit jener Wendung zum Allgemein-Menschlichen in Zusammenhang stehen, dass gerade in die 60er Jahre eine nach Zahl und Art bedeutende Erweiterung seines geselligen Verkehrs fällt. In Königsberg herrschte ein reges, gesellschaftliches Leben. Kant aber kam jetzt in die vornehmsten Häuser der Stadt. Dazu gehörten zunächst die höheren Militärs. König Friedrich hat es bekanntlich der Provinz, obwohl er selbst nur mangelhaft für ihre Verteidigung gesorgt hatte, zeitlebens nicht verziehen, dass sie die russische Fremdherrschaft so lange geduldet; er hat sie seitdem nicht wieder besucht. Anders die Offizierkorps der zurückgekehrten preußischen Regimenter der (vgl. Kap. 1) starken Garnison. Sie werden sich im Gegenteil, nach den jahrelangen Strapazen des Feldlagers, in den Mauern der lebhaften und volkreichen Stadt besonders wohl gefühlt haben. Mindestens ein Teil von ihnen fühlte aber auch das Bedürfnis nach geistiger Weiterbildung, die durch die rauhe Kriegszeit unterbunden gewesen war. Gefördert wurde dies Streben durch einzelne verständnisvolle Vorgesetzte. So Heß der Chef des Dragonerregiments von Rohr, General (von) Meyer, gleich im ersten Winter nach dem Kriege (1763/64) von dem durch seine Vorlesungen und Schriften jetzt schon in weiten Kreisen seiner Vaterstadt berühmt gewordenen und dabei auch in den äußeren Umgangsformen gewandten Magister sich und seinen Offizieren besondere Vorträge über Physische Geographie und Mathematik halten, Kant wurde zu diesen Vorlesungen in der Equipage des Generals abgeholt und speiste fast täglich bei ihm. Zu österreichischen Internierten dagegen wird wohl der spätere k. k. Oberstleutnant Freiherr von Dillon gehört haben, der noch nach 27 Jahren, als er an der türkisch-ungarischen Grenze stand, sich der "vielen, sehr angenehmen Stunden" erinnert, die er 1762 in Kants Gesellschaft zugebracht, wo "bei den Herren G. und L., ja in unseren Klubs tausend geistreiche Scherze hervorgekommen, ohne (sc. die) gelehrte Unterhaltungen zu berühren, so für einen jungen Menschen, wie ich damals war, höchst dienlich gewesen" (Brief an Kant vom 2. Juni 1789).

Wichtiger für die Zukunft wurde eine andere Bekanntschaft aus dem Hause des Generals: die des jungen Friedrich Leopold Freiherrn von Schroetter, der als blutjunger Dragonerleutnant (geb. 1743) noch mehrere Schlachten des siebenjährigen Krieges mitgemacht hatte und nun die Muße des Friedens dazu benutzte, seinen geistigen Horizont zu vertiefen: eine schöne, männliche Erscheinung mit gebräuntem Antlitz, dunklem Haar und feurigen Augen, energischen Gangs, leicht leidenschaftlich im Ausdruck, dabei doch weich von Gemüt und empfänglich für die Reize der Poesie, der Freundschaft und der Natur. Er trat später in den königlichen Zivüdienst und ist erst Oberpräsident der Kammern von West- und Ostpreußen, dann Provinzialminister von Preußen geworden und als solcher an der Stein-Hardenbergischen Gesetzgebung beteiligt gewesen. Kant blieb in dauernder Verbindung mit ihm und kam durch ihn auch in Beziehungen zu dem Vater und dem jüngeren Bruder Karl Wilhelm, der Jurist und 1803 Kanzler des "Königreiches", d. h. der Provinz Preußen wurde. – Auch General Meyer selbst, der 1775 starb, hörte gern auf den Rat und die Empfehlung Kants, den er hoch verehrte, so dass mancher junge Mann letzterem sein Fortkommen verdankte. – Ein anderer höherer Offizier, der mit Kant gern verkehrte, war der Husarengeneral Daniel Friedrich von L o s s o w, der ihn öfters auf sein Gut bei Goldap im Oberland einlud, sich von ihm ein Fernrohr oder passende Brillengläser dorthin besorgen und bei Besetzungen von Feldprediger- u. a. Stellen des Philosophen Empfehlungen stark in die Wagschale fallen ließ. Von Goldap sind die drei erhaltenen Briefe Lossows an Kant (aus den Jahren 1770, 1774 und 1777) datiert. Auch hat ihn Kant während der Herbstferien 1765 einmal dort besucht, sehnte sich aber aus dem schönen Masurenlande bald wieder nach Hause zurück.

Seine Würde wußte der Sohn des einfachen Sattlers auch in den Kreisen der adligen Offiziere wohl zu wahren. Das bezeugt vor allem der hochachtungsvolle Ton in den Briefen Lossows und einzelne Anekdoten, die über diesen Verkehr erzählt werden. Eine bloß mündlich überlieferte zeigt seine liebenswürdige Menschenfreundlichkeit. Als er einmal bei einem hohen Offizier zu Gaste war, sah er, wie ein junger Leutnant etwas Rotwein vergoß und darüber seinem Vorgesetzten gegenüber sehr verlegen wurde. Kant, der sich mit letzterem über militärische Dinge unterhielt, goß daher eine gehörige Quantität Rotwein auf das weiße Tischtuch und zeichnete mit roten Strichen die Bewegungen der feindlichen Truppen usw. auf, nur um dem jungen Untergebenen über seine Verlegenheit fortzuhelfen. Imponieren ließ er sich selbstverständlich durch bloßen Rang und Titel nicht; er verurteilte z. B. auch das damals außerhalb der militärischen Kreise kaum vorkommende Duell, wenn er es auch als einen Rest mittelalterlicher Barbarei bei einer noch unausgebildeten Verfassung und Gesetzgebung begriff. Ja, in seiner anthropologischen Vorlesung sprach er es offen aus: der beim Militärstand erforderte "Mechanismus" sei so groß, dass die "wirklichen Genies aus dem Dienste gehen", ein Satz, den ja zu seinen Lebzeiten so berühmte Beispiele, wie der junge Schiller und Heinrich von Kleist, letzterer gerade infolge seiner Beschäftigung mit Kants Philosophie, erhärtet haben. Und einen Magister Penzel, der preußischen Werbern in die Hände gefallen und in ein Königsberger Regiment gesteckt worden war, nannte er gegenüber dessen zeitweisem Gönner Hamann einen "niederträchtigen" Menschen, weil er als gebildeter Mann "seinen Soldatenstand" – allerdings den eines Gemeinen – "bis jetzt so ruhig ertrage".

Verkehr mit Kaufleuten

Auch mit den Spitzen der Zivilbehörden stand unser Philosoph in Verkehr. So ist z. B. durch einen Brief Hamanns an Lindner bezeugt, dass Kant sich für des letzteren Berufung nach Königsberg gelegentlich seiner "häufigen Besuche" bei v. B. Exc. (d. h. vermutlich dem Regierungspräsidenten von Braxein) einsetzen wolle (Weber, Neue Hamanniana, S. 51).

Enger und intensiver aber war des Philosophen Verkehr mit einer Reihe von Königsberger Kaufleuten. Am nächsten von allen stand ihm Joseph Green, der schon in jungen Jahren aus England herübergekommen war und das von ihm begründete Handelsgeschäft zu hoher Blüte gebracht hatte. Noch heute steht sein in englischem Stile erbautes, jetzt der Stadt Königsberg gehöriges Landhaus auf einem bewaldeten Hügel bei dem Kirchdorfe Juditten, der Geburtsstätte Gottscheds und beliebtem Ausflugsort noch der heutigen Königsberger. Er war Kant in der Grundsatzmäßigkeit der Lebensführung verwandt, ja noch überlegen, bis zum Spleenmäßigen. Bekannt ist die hübsche Geschichte, wie der Philosoph einst mit ihm eine Spazierfahrt nach der Oberförsterei Moditten für den folgenden Vormittag um acht Uhr verabredet hatte. Green, der bei solchen Gelegenheiten schon um drei Viertel mit der Uhr in der Hand in der Stube herumging, mit der fünfzigsten Minute seinen Hut aufsetzte, in der fünfundfünfzigsten seinen Stock nahm und mit dem ersten Glockenschlage den Wagen öffnete, fuhr, als er Kant nicht erblickte, ohne diesen fort und hielt, obwohl er ihm nach zwei Minuten auf der Krämerbrücke begegnete, trotz dessen lebhafter Gebärde nicht an, weil das gegen die Abrede und gegen seine Regel war. Der pedantische Engländer, der wie Kant Junggeselle geblieben ist, soll das Musterbild zu dem "Mann nach der Uhr" in Hippels gleichnamigem Lustspiel gewesen sein. Schon 1766 wird er von Scheffner als Kants Freund erwähnt, desgleichen 1768 von dem ebenfalls mit ihm befreundeten Hamann, der bereits 1770 die Übersetzung einer Schrift 'Über die Gicht' ausdrücklich Green als "dem Freunde unseres Kant" widmete. Darum kann auch die bekannte Erzählung Jachmanns nicht stimmen, wonach Green und Kant sich erst bei einem gelegentlich des nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1776—1783) zwischen ihnen entstandenen heftigen Wortwechsel kennengelernt und Freunde geworden wären. Nach Jachmann wäre die Freundschaft zwischen beiden so eng gewesen, dass der Philosoph, wie er ihm selbst versichert habe, "in seiner Kritik der reinen Vernunft keinen Satz (!) niedergeschrieben, den er nicht zuvor seinem Green vorgetragen und von dessen unbefangenem und an kein System gebundenem Verstände hätte beurteilen lassen". Neben anderen Sonderlingseigenschaften besaß Green auch die, dass er nicht bloß gänzlich unmusikalisch war, sondern nicht einmal einen musikalischen Ton von einem sonstigen Geräusch, und Poesie von Prosa an nichts anderem als der verschiedenen Silbenstellung unterscheiden konnte. Das erzählte Kant selbst nach des Freundes Tode in einem Briefe (an Hellwag, 3. Januar 1791), in welchem er "den engl. Kaufmann Hr. Green" ausdrücklich "meinen besten Freund" nennt.

Wohl durch Green lernte er auch dessen Sozius Robert Motherby kennen, der schon als 14 jähriger um 1750 aus Hüll nach der Pregelstadt gekommen war. Seine noch heute in Königsberg lebenden Nachkommen nehmen ihn als den einen Helden jenes Wortgefechts, das beinah zu einem Zweikampf geführt hätte, in Anspruch. Allein auch ihn bezeichnet der Philosoph bereits in einem Briefe vom 28. März 1776 als seinen "sehr werten Freund". Vor allem aber war Motherby nach Jachmanns ausdrücklichem Bericht nicht Hauptbeteiligter, sondern bloß "Augenzeuge" jenes Vorfalls; gerade er habe ihm oft versichert, dass Kant, bei seinem Eintreten für die Freiheitsrechte der Amerikaner ihm und allen Anwesenden "wie von einer himmlischen Kraft begeistert erschienen wäre und ihr Herz auf immer an sich gefesselt hätte". Auch die Geschichte mit der allzu pünktlichen Wagenfahrt erzählt die Familienüberlieferung der Motherby von ihrem Ahnen; allein sie paßt besser zu dem, was auch sonst von der Grillenhaftigkeit des alten Junggesellen Green berichtet wird, als zu dem taktvollen Wesen des überdies im Lebensalter um zwölf Jahre hinter Kant zurückstehenden Motherby. Von der Fortsetzung beider Freundschaften bis ins Alter hinein wird noch zu reden sein.

Durch beide Freunde wurde der Philosoph ferner mit dem ebenfalls eingewanderten schottischen Kaufmann Hay bekannt, der neben seinem Beruf eine gründliche klassische Bildung besaß; weiter mit dem Inhaber der französischen Handelsfirma Toussaint und Laval, mit denen Motherby durch seine Gemahlin, eine geborene Toussaint, verschwägert war. Den Kommerzienrat Toussaint empfiehlt Kant 1796 dem Elberfelder Kaufmann Plücker, der ihn wegen eines Königsberger Handelshauses um Rat gefragt, bei seiner eigenen "Unkunde" in Geschäften, als "wichtigen und wohldenkenden Mann", durch den er ihm auch weitere Briefe zugehen lassen könne. Er selbst hatte bis 1798, wie sein Testament vom 26. Februar d. J. zeigt, sein ganzes bewegliches Vermögen – damals in beinahe 43 000 Gulden bestehend – zu sechs Prozent bei der Firma Green, Motherby & Comp. angelegt.

Natürlich verkehrte er daneben auch mit deutschen Kaufleuten: so mit dem gleichfalls seiner Bildung wegen hochgeachteten Hüge, dessen durch seinen schönen Park berühmtes Gut Prilacken zwischen Königsberg und Pillau er öfters besucht hat. Weiter mit dem aus Pillau stammenden Kaufmann und späteren "Bancodirektor" W. L. Ruffmann (geb. 1737, gest. 1794), in dessen Haus, als er jung verheiratet war (um 1766), auch Hippel verkehrte. Von Ruffmann, der ihn in kaufmännischen Angelegenheiten gleichfalls beriet, stammte der einzige Bilderschmuck in Kants Wohnung: ein Porträt Rousseaus.

Ob und wieweit der nähere und entferntere Umgang mit allen diesen Kaufherren in Kants Magisterjahre zurückreicht, läßt sich im einzelnen nicht mehr genau nachweisen, ist ja auch unerheblich. Sicher verkehrte er aber schon in den 6oer Jahren, und zwar ziemlich intim, in einem der vornehmsten Kaufmannshäuser der Stadt, dem des Geheimen Kommerzienrats Johann Conrad Jacobi. In diesem Hause hatte sich eine von den Königsbergern als die "Gelehrte Gesellschaft" bezeichneter privater Zirkel gebildet, dessen Hauptmitglieder, außer dem Ehepaar Jacobi selbst, der Oberstleutnant von Lettow, eine Baronin von Thile, Magister Kant und Münzmeister Göschen bildeten, während die außerordentlichen oder gelegentlichen Teilnehmer, wie Hippel, zahlreich waren. Kants Fürsprache bei dem einflußreichen Kaufherrn verdankte u. a. Hamann seine Anstellung als Sécrétaire-Traducteur beim Akzise-Amt. Den Hauptanziehungspunkt dieses Patrizierhauses jedoch bildete, vielleicht auch für Kant, die bewunderte und elegante Frau des Hauses, Maria Charlotta geb. Schwink. Damit kommen wir auf ein besonderes, bisher noch wenig durchforschtes Kapitel: Kant und die Frauen .

Kant und die Frauen

Die Frauen haben keine bestimmende oder auch nur bedeutende Rolle im Leben unseres Denkers gespielt, geschweige denn, dass sie sein Schaffen befruchtet hätten, wie es bei anderen großen Menschen seines Zeitalters: bei Goethe, Schiller, Herder, und von Philosophen bis zu einem gewissen Grade doch auch bei Fichte und Schelling der Fall war. Er ist Junggeselle geblieben wie Plato und Leibniz, Descartes und Hobbes, Locke und Hume. Aber er ist anderseits doch kein galliger Feind des weiblichen Geschlechtes gewesen, wie Schopenhauer, oder vollkommen gleichgültig dagegen, wie Winckelmann. Er beschäftigt sich in seinen populären Schriften, besonders den anthropologischen Vorlesungen und den Entwürfen dazu, sogar recht häufig mit "dem Frauenzimmer". Welche Erlebnisse bestimmten ihn dazu?

Das schöne Verhältnis zwischen ihm und seiner Mutter, die er nie vergaß, haben wir schon kennengelernt. Zu den Schwestern bestanden keine näheren Beziehungen. Sie wurden – wie es noch heute öfters in ärmeren Familien zu gehen pflegt —, damit die Brüder studieren konnten, hintangesetzt, mußten sich als Dienstmädchen verdingen und haben später Handwerker geheiratet. Dass er während seiner Studienzeit Liebesaffären nachgegangen, ist bei seinem Temperament, seinen Neigungen und seiner finanziellen Dürftigkeit wohl völlig ausgeschlossen. Einen gewissen Ton uns heute etwas altfränkisch anmutender Galanterie allerdings hat er sich wohl schon auf der Universität angewöhnt, von der er noch später rühmte, dass sie dem jungen Manne "Schliff" verleihe. So schreibt er, gelegentlich einer leichten Polemik gegen die gelehrte Marquise von Chastelet in seiner Erstlingsschrift: "Die Anmerkung, die ich hier mache, würde gegen eine jede andere Person ihres Geschlechtes das Ansehen eines ungesitteten Betragens und einer gewissen Aufführung, die man pedantisch nennt, an sich haben; allein der Vorzug des Verstandes und der Wissenschaft an derjenigen Person, von der ich rede, der sie über alle übrige ihres Geschlechtes und auch über einen großen Teil des andern hinweg setzet, beraubet sie zugleich desjenigen, was das eigentliche Vorrecht des schönen Teiles der Menschen ist, nämlich der Schmeichelei und der Lobsprüche, die dieselbe zum Grunde haben" (a. a. O., § 113a, II). Aus seinen Hauslehrerjahren in Judtschen und Gr. Amsdorf wissen wir nichts. Anders wäre es, wenn die Nachrichten über seine dritte Hauslehrerstelle bei der Gräfin Keyserling zu Rautenburg eine festere Grundlage hätten. Denn es existiert in der Tat eine von der Gräfin hergestellte, ansprechende Kreidezeichnung unseres Philosophen, die ihn so jugendlich wie sonst kein Büd, d. h. etwa dreißigjährig, darstellt,31 während sie selbst damals (um 1753/54) 24—25 Jahre zählte. Und sie, die mit 25 Jahren ein philosophisches Werk Gottscheds ins Französische übersetzte, könnte zu diesen Studien durch ihren philosophischen Hauslehrer angeregt worden sein. Doch das beruht alles auf bloßen Vermutungen. Ebenso lassen sich aus dem Verschen, das er am 16. Juli 1757 einem unbekannten Freunde ins Stammbuch schrieb:

Großen Herren und schönen Frauen

Soll man wohl dienen, doch wenig trauen

keine anderen Schlüsse ziehen, als dass er jedenfalls kein abgesagter Feind des weiblichen Geschlechts gewesen ist.

Etwas festeren Boden betreten wir erst mit den 60er Jahren. Zwar aus seinem bekannten, mehr als fünf Druckseiten zählenden Briefe vom 10. August 1763 an eine der "gnädigen Dames aus dem von mir äußerst verehrten Schulkeimschen Hause", denen er durch Borowski das Trostschreiben an Frau von Funk (s. 88 f.) hatte zugehen lassen, und der er nun auf ihren Wunsch einen ausführlichen Bericht über die angeblichen Geistererscheinungen Swedenborgs übersandte, das 23 jährige Fräulein Charlotte von Knobloch, läßt sich auch nur auf seine liebenswürdige Galanterie gegen Damen überhaupt schließen: wenn er von "der Ehre und dem Vergnügen" spricht, "dem Befehl einer Dame" nachzukommen, "die die Zierde ihres Geschlechts ist", durch die Abstattung eines Berichts, der freilich "von ganz anderer Art" sei, "als diejenigen gewöhnlich sein müssen, denen es erlaubt sein soll, mit allen Grazien umgeben, in das Zimmer der Schönen einzudringen". Höchstens noch darauf, dass er dem Bildungsstreben junger Damen gern entgegen kam, wie er denn der nämlichen ältesten Tochter des Generals von Knobloch auch Wielands "Erinnerungen an eine Freundin" zuschickte, wofür sie sich ihm noch nach Jahren dankbar erwies. Denn nachdem sie bereits seit acht Jahren die Gattin eines Hauptmanns von Klingspor und Mutter von vier Kindern geworden war, dankt sie in einem zwar fürchterlich unorthographischen, aber von naturwüchsigem Gefühl zeugenden Briefe (1772), in dem sie den "hochedelgeborenen, hochgelehrten Herrn Professor und werten Freund" um Besorgung eines Hofmeisters bittet, für seine "Gütige Absicht, ein Junges Frauenzimmer durch angenehmen Unterhalt zu Bilden"; obwohl "bei denen möresten Menschen eine Lange Abwesenheit die Freundschaft erkalten Läst", sei sie "von der angenehmen gewißheit geschmeychelt, das Sie mein Freund sind: so wie Sie es ehe mahls waren" (Ak. Ausg. X, S. 122 f.).

Das beste Bild von Kants damaligen – und im wesentlichen sich gleich gebliebenen – Anschauungen über das weibliche Geschlecht gibt uns der dritte Abschnitt der 'Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen' (1764). Der 40 jährige Verfasser hebt hier die Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern sehr stark hervor, zum Teil allerdings infolge seines Themas, das den Gegensatz zwischen dem Erhabenen und Schönen in diesem Abschnitt auch auf die Charakteristik der Geschlechter anwendet. Das "Frauenzimmer" hat ein angeborenes stärkeres Gefühl für das Schöne und Zierliche, Hebt Scherz und Heiterkeit, Sittsamkeit und feinen Anstand, zieht das Schöne dem Nützlichen vor, hat einen "schönen" (wie wir einen "tiefen") Verstand. Er macht sich etwas lustig über gelehrte Frauen, sei es, dass sie sich den Kopf mit Griechisch oder mit Mathematik und Mechanik oder mit Schlachten und Festungen oder mit abstrakten Spekulationen anfüllen. Ihre Wissenschaft ist vielmehr "der Mensch, und unter den Menschen der Mann"; ihre Weltweisheit "nicht Vernünfteln, sondern Empfinden". Dem entsprechen auch seine, gewiß nicht ohne Einfluß von Rousseaus Emile zustande gekommenen, Ideen über Mädchenunterricht: Erweiterung des moralischen Gefühls sei für sie wichtiger als die des Gedächtnisses; das wird dann an Beispielen aus dem geschichtlichen, geographischen und Kunstunterricht erläutert. Übrigens hält unser Philosoph das weibliche Geschlecht im ganzen so hoch, dass er ihm sogar vorzugsweise diejenige Art von Sittlichkeit zuspricht, die später Schiller unter dem Begriff der Anmut oder sittlichen Schönheit im Gegensatz zur Würde verstanden hat. "Sie werden das Böse vermeiden, nicht weil es unrecht, sondern weil es häßlich ist, und tugendhafte Handlungen bedeuten bei ihnen solche, die sittlich schön sind. Nichts von Sollen, nichts von Müssen, nichts von Schuldigkeit." Und sein Schlußurteil faßt er dahin zusammen: der Mann soll durch seine Neigung noch mehr veredelt, die Frau durch die ihre noch mehr verschönt werden.

30.Auf diese Bemerkung beschränkt sich Borowski, Kants ältester Biograph, während Jachmann und Wasianski überhaupt nichts davon erwähnen. Daraus hat sich dann mit der Zeit die bekannte Legende gebildet, die sich neuerdings selbst in Kühnemanns "Herder" (1912) zu dem "ungeheuren" Ereignis verdichtet hat, dass Kant, "die Normaluhr Königsbergs", "eines Tages im Jahre 1762 abends um 7 Uhr nicht auf seinem Spaziergang gesehen wurde".
31.Veröffentlicht mit einem ausführlichen Begleitartikel von Emil Fromm, Kantstudien II, S. 145—160.
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18+
Litres'teki yayın tarihi:
13 kasım 2024
Hacim:
901 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9788027226443
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