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4 Begründungen, Ziele und Zielgruppen von Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeit agiert an der Schnittstelle von Jugendhilfe und Schule und stellt die intensivste Form der Kooperation zwischen beiden Institutionen dar. Dabei bestehen zwischen Jugendhilfe und Schule sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. Zu den Gemeinsamkeiten zählen die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen, ein pädagogischer Auftrag und wachsende pädagogische Anforderungen. Unterschiede gibt es unter anderem in den Funktionen, in den inhaltlichen Schwerpunkten, in den methodischen Zugängen und im Grad der Freiwilligkeit der Teilnahme. Für die anvisierte Klärung der Begründungen, Ziele und Zielgruppen von Schulsozialarbeit ist daher ein genauerer Blick auf die verschiedenen Funktionen und das Verhältnis von Jugendhilfe und Schule hilfreich (Prüß/Bettmer 1996; Thimm 1999).

4.1 Funktion und Verhältnis von Jugendhilfe und Schule

Betrachtet man in einem ersten Schritt die Jugendhilfe, dann ist hierunter ein komplexes System von der Gesellschaft bereitgestellten Leistungen, Diensten und Einrichtungen außerhalb von Elternhaus, Schule und Ausbildung zu verstehen, die der Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen sowie ihrer individuellen und sozialen Entwicklung dienen sollen (Jordan/Sengling 1994). Kennzeichnend für die Jugendhilfe war lange Zeit eine auf Kontrolle und Eingriff setzende „Sozialdisziplinierung“ im Rahmen eines umfassenden Fürsorge- und Ordnungsstaates (BMJFFG 1990, 75). Diese ist spätestens mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII/KJHG) von 1990/1991 zugunsten einer starken präventiven, partizipatorischen und freiwilligen (Dienstleistungs-)Orientierung weitgehend aufgegeben worden. Dem § 1 Abs. 3 des SGB VIII/KJHG zufolge soll die Jugendhilfe insbesondere

„1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, 2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.“

Als Zielgruppe der Jugendhilfe gelten daher nicht nur benachteiligte junge Menschen, sondern alle Kinder und Jugendlichen, die Eltern und auch die LehrerInnen. Zur Umsetzung des sozialpädagogischen Anspruches wird in der Jugendhilfe inzwischen eine große Vielfalt an Leistungen, eine umfangreiche sozialpädagogische Infrastruktur und ein hohes Maß an Datenschutz im Interesse der Adressaten sichergestellt (Münder 1996, 34 ff.).

Die zentrale Funktion der Jugendhilfe – als einem untergeordneten System der Sozialen Arbeit – besteht letztlich darin, Integrationsarbeit in die Gesellschaft zu leisten (Merten 1997). Der gesellschaftliche Auftrag der Jugendhilfe – dies ist für die Schulsozialarbeit übertragbar – ist dabei jedoch ambivalent. Einerseits soll die Jugendhilfe (bzw. die Schulsozialarbeit) Personen unterstützen und fördern, andererseits hat sie gesellschaftliche Erwartungen in Bezug auf die Einhaltung bestehender Normen durchzusetzen. Die sozialpädagogischen Fachkräfte stehen so vor einem doppelten Mandat von Hilfe und Kontrolle.

Betrachtet man in einem zweiten Schritt die Schule, so ist zunächst anzuerkennen, dass sie nicht nur ein Ort zur zielgerichteten Organisation von Lernprozessen ist (Fend 1981; Oelerich 1996 und 1998; Tillmann 1999; Olk et al. 2000), sondern stattdessen – staatlich und gesellschaftlich legitimiert – mehrere unterschiedliche und bei genauerer Betrachtung konfliktträchtige Funktionen ausübt. So lassen sich eine Qualifikations-, eine Selektions- und eine Integrationsfunktion unterscheiden (Fend 1981, 15 ff.): Unter der Qualifikationsfunktion kann die Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen für die konkrete Arbeit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verstanden werden. Die Selektionsfunktion umfasst die Weitergabe der vorherrschenden sozialen Positionen innerhalb einer Gesellschaft von einer Generation zur nächsten. Die Integrationsfunktion schließlich dient – mittels einer Reproduktion herrschender Normen, Werte und Interpretationsmuster – einer Sicherung der gegenwärtigen Machtverhältnisse. Alle drei Funktionen von Schule beinhalten strukturelle Störquellen:

Die Ausübung der Qualifikationsfunktion durch die Schule stößt durch die starke Zukunftsorientierung schnell an Grenzen. Zum Ersten ist die Zukunftsorientierung der Schule – erkennbar unter anderem am geringen unmittelbaren Nutzen der vermittelten Inhalte – nur bedingt passfähig zu den oftmals gegenwartsorientierten Kindern und Jugendlichen. Verschärfend kommt zum Zweiten hinzu, dass Schulabschlüsse in einer äußerst angespannten Ausbildungs- und Arbeitsmarktlage nur einen begrenzten Tauschwert haben und SchülerInnen bewusst ist, dass gute Schulleistungen zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für eine gelingende Einmündung auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind. Zum Dritten nimmt Schule die Kinder und Jugendlichen fast ausschließlich in ihrer „Schülerrolle“ wahr, während ihre gesamte Lebenslage als Kinder und Jugendliche („Kindsein“ bzw. „Jugendlichersein“) in der Regel nicht beachtet wird (Oelerich 1996 und 1998). Durch die starke Leistungsorientierung, die kognitive Wissensvermittlung und die begrenzte, standardisierte Wahrnehmung von SchülerInnen werden deren lebensweltliche Voraussetzungen und Bezüge im schulischen Alltag oftmals weitgehend ausgeblendet.

Die Selektionsfunktion von Schule, die bemerkenswerter Weise in Bildungsdiskussionen häufig außer Acht gelassen wird, führt – trotz aller rhetorischen und praktischen Bemühungen um eine Schule des Wohlfühlens – zu einer alltäglichen Konkurrenzsituation im schulischen Raum, denn Selektion gehört funktional zur Schule dazu. Ein Teil der SchülerInnen stößt daher – und nicht nur aus persönlichen Gründen – bei schulischen Anforderungen und Belastungen an Grenzen und muss schulisches Versagen und eine Ausgrenzung im schulischen Kontext individuell erleben und verarbeiten. Dies gilt besonders für jene SchülerInnen, die nur auf eine eingeschränkte schulische Vorbereitung und Unterstützung der Eltern zurückgreifen können, über ein geringes Selbstwertgefühl und unzureichende Bewältigungsressourcen und -strategien verfügen und möglicherweise mit überhöhten Elternerwartungen konfrontiert sind. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Einfluss von Schule nicht auf die unmittelbare Schulzeit beschränkt ist, sondern mit schulischen Leistungsanforderungen, Zeitabläufen und Beurteilungen bis in die alltägliche Lebensgestaltung, das Lebensgefühl und die Identitätsentwicklung von Kindern und Jugendlichen wirkt (Oelerich 1996).

Auch die an sich positiv besetzte Integrationsfunktion von Schule beinhaltet bei genauer Betrachtung strukturelle Probleme. Schule setzt bei ihrer Norm- und Wertevermittlung mittels klarer Regeln und Rollenerwartungen soziale Kompetenzen voraus, über die zumindest ein Teil der SchülerInnen aufgrund sozialer Benachteiligungen nicht verfügt. Da im schulischen Raum eine umfassende soziale Kontrolle stattfindet und praktisch kein Raum für eine Privatsphäre bleibt, müssen die SchülerInnen in einem für die eigenständige Identitätsentwicklung an sich sehr wichtigen Lebensabschnitt, sehr große Anpassungsleistungen vollbringen. Besonders für SchülerInnen, die – aus welchen Gründen auch immer – wiederholt gegen bestehende Normen und Werte verstoßen, besteht sehr schnell die Gefahr einer Etikettierung als auffällige SchülerInnen mit einer entsprechenden Verfestigung des Verhaltens und schulischen Sanktionierungen.

Für beide Institutionen, also die Jugendhilfe und die Schule, erscheint es nun im Rahmen der Schulsozialarbeit bedeutsam, wie sie angesichts der ihnen gesellschaftlich zugewiesenen Funktionen mit dem Spannungsverhältnis von Integration und Differenzierung umgehen (Raab et al. 1987, 14 ff.). Dies gilt besonders für die Schule. So zeigt sich, dass sich die Schule sehr stark auf ihre Qualifikations- und Selektionsfunktion konzentriert und die Integrationsfunktion vernachlässigt. Demgegenüber hat die Jugendhilfe oftmals nur den außerschulischen Freizeit- bzw. Problembereich im Blick und blendet den komplexen Auftrag von Schule und das schulische Erleben von Jugendlichen aus (Raab et al. 1987; Prüß/Bettmer 1996; Olk et al. 2000).

4.2 Begründungsmuster für Schulsozialarbeit

Grundlegend für die Einrichtung von Schulsozialarbeitsprojekten und die fachliche Auseinandersetzung mit dem Arbeitsfeld ist die Beantwortung der Frage, warum es überhaupt Schulsozialarbeit geben soll. Analytisch lassen sich die Einzelbegründungen dabei zu alltagspraktischen Begründungsmustern auf der einen Seite und theoretischen Begründungsmustern auf der anderen Seite zusammenfassen und dort weiter ausdifferenzieren. Alltagspraktische Begründungsmuster stützen sich auf einen tatsächlichen oder wahrgenommenen, aktuellen Problemdruck in einer bestimmten Region, beinhalten sehr konkrete, defizitorientierte Ziel- und Lösungsvorstellungen, beeinflussen maßgeblich politische Entscheidungsprozesse zur Schulsozialarbeit mit und sind insofern zumindest für die Institutionalisierung von Schulsozialarbeit äußerst wirksam. Theoretische Begründungsmuster hingegen setzen sich am strukturellen Spannungsfeld von Schule und Jugendhilfe sowie gestützt auf abgesicherte empirische Befunde und theoretische Konzepte mit projektübergreifenden und längerfristigen fachlich-konzeptionellen Begründungen zur Schulsozialarbeit auseinander.

Die alltagspraktischen Begründungsmuster, auf die in einem ersten Schritt eingegangen werden soll, stellen eine pragmatische Grundlage für die Institutionalisierung von Schulsozialarbeit vor dem Hintergrund eines tatsächlichen bzw. wahrgenommenen Handlungsdrucks dar. Sie bieten in der Regel sehr anschauliche und nachvollziehbare Begründungen für den Einsatz von Schulsozialarbeit und erleichtern die Etablierung und Erfolgsprüfung von Projekten der Schulsozialarbeit. Anhand der Förderpolitik, der Presseveröffentlichungen in Zeitungen und im Internet sowie der Berichte von wissenschaftlichen Begleitungen lassen sich zwei alltagspraktische Begründungsmuster für Schulsozialarbeit herauskristallisieren.

Zum einen wird der Einsatz von SchulsozialarbeiterInnen in der Praxis sehr häufig anlassbezogen mit dem Abbau von Verhaltensauffälligkeiten und des schuldevianten Verhaltens von SchülerInnen begründet. Im Mittelpunkt dieses Begründungsmusters stehen meist sehr detaillierte und schülerbezogene Zielvorstellungen, wie die Verringerung von Gewalt und Mobbing, die Reduzierung von Schulverweigerung und Schulbummelei, die Verbesserung des Lern- und Sozialverhaltens sowie der Abbau von Schwierigkeiten beim Übergang von der Schule in die Ausbildung. Als nachteilig wirkt sich bei diesem Begründungsmuster oft die (meist kurzfristige) Instrumentalisierung der Schulsozialarbeit im Sinne eines Legitimationsnachweises für politisches Handeln, die fehlende langfristige Absicherung und konzeptionelle Begründung der Schulsozialarbeit, die Vernachlässigung des Kooperationsgedankens, die Förderung hierarchischer Kooperationsmodelle zwischen Jugendhilfe und Schule, die Stigmatisierung von SchülerInnen sowie die strukturelle Überforderung der Schulsozialarbeit mit der Lösung gesellschaftlicher Probleme aus.

Zum anderen wird die Einführung von Schulsozialarbeit im Rahmen eines alltagspraktischen Begründungsmusters häufig mit der Absicherung der Freizeitangebote und Nachmittagsbetreuung legitimiert (z. B. im Rahmen von Ganztagsangeboten). Die Schulsozialarbeit erhält dadurch einen klaren Auftrag und einen großen Gestaltungsspielraum. Bei einem solchen Begründungsmuster besteht jedoch die Gefahr, additive Kooperationsmodelle zwischen Jugendhilfe und Schule zu fördern, der Schulsozialarbeit eine Lückenbüßerfunktion für den außerunterrichtlichen Bereich zuzuweisen sowie Potenziale und Kompetenzen der SchulsozialarbeiterInnen strukturell zu vernachlässigen (Tab. 6).

Tab. 6: Alltagspraktische Begründungsmuster zur Schulsozialarbeit


BegründungsmusterBegründungen
1. Abbau von Verhaltensauffälligkeiten und des schuldevianten Verhaltens Schule ist zeitlich nicht in der Lage, sich um die zunehmenden auffälligen und abweichenden SchülerInnen zu kümmern (z. B. Gewalt und Mobbing, schlechtes Sozialverhalten, Schulverweigerung) Schule bedarf hier einer Unterstützung
2. Absicherung der Freizeitangebote sowie der Ganztags- und Nachmittagsbetreuung für die Freizeitangebote und Nachmittagsbetreuung benötigt die Schule eine Unterstützung (z. B. Ganztagsbetreuung)

Auf die theoretischen Begründungsmuster zur Schulsozialarbeit soll nunmehr im zweiten Schritt eingegangen werden.

Zwar werden regelmäßig in Veröffentlichungen und Berichten Begründungen für Schulsozialarbeit geliefert und detailliert auf eine stärkere gegenseitige Öffnung von Jugendhilfe und Schule hingewiesen, darüber hinausgehende theoretische Auseinandersetzungen und vor allem Systematisierungen sind jedoch eher selten. Hervorhebenswert sind die Systematisierungsversuche von Salustowicz zu den Argumentationsansätzen für Schulsozialarbeit (1986), von Raab et al. zu den länderspezifischen Organisationsformen zur Schulsozialarbeit (1987), von Olk et al. zu verschiedenen Projekttypen von Schulsozialarbeit (2000) und von Maykus zu Begründungen der Schulsozialarbeit in der Fachliteratur (2001). Gestützt auf diese Systematisierungsversuche und weitere fachliche Einzelbegründungen zur Schulsozialarbeit aus der aktuellen Fachliteratur (Baier 2011a und b; Spies/Pötter 2011; Drilling 2009; Bönsch 2004; Seithe 2002a; Helsper 2001; Hollenstein 2000c; Olk/Speck 2000; Terhart 2000), lassen sich insgesamt fünf theoretische Begründungsmuster für Schulsozialarbeit erkennen. Hierzu zählen 1) ein sozialisations- und modernisierungstheoretisches, 2) ein bildungstheoretisches, 3) ein schultheoretisches, 4) ein transformationstheoretisches und 5) ein rollen- und professionstheoretisches (Tab. 7).

Tab. 7: Theoretische Begründungsmuster zur Schulsozialarbeit


BegründungsmusterBegründungen
1. Sozialisations- und modernisierungstheoretisches Begründungsmusterdefizitäre Sozialisationsbedingungen und stärkere Belastungen und Probleme für Kinder und Jugendliche (Adressatenbezug – Kompetenzförderung, Hilfen zur Lebensbewältigung und Schulerfolg)
2. Bildungstheoretisches Begründungsmustersoziale Benachteiligung sowie fehlende Abstimmung im Bildungs- und Sozialsystem (Bildungsbezug – Abbau von Benachteiligungen, Förderung der subjektiven Aneignung von Welt und der Lebenskompetenzen)
3. Schultheoretisches Begründungsmusterveränderte Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen haben Auswirkungen auf die Institution Schule (Institutionenbezug – Funktionstüchtigkeit von Schule sowie Schulreform und -entwicklung)
4. Transformationstheoretisches BegründungsmusterVerunsicherungen, Risiken sowie abweichende Verhaltensweisen und Probleme bei Kindern und Jugendlichen durch Transformationsprozesse (Gesellschaftsbezug)
5. Rollen- und professionstheoretisches BegründungsmusterLehrer können sozialpädagogische Rolle nicht übernehmen, da Probleme mit Wissen, Zeit, Widersprüchen und Rolle (Professionsbezug)

Zu berücksichtigen ist, dass sich in den Fachbeiträgen vielfach mehrere Begründungsmuster vermischen, die im Folgenden analytisch getrennt werden.

1 Ausgangspunkt des sozialisations- und modernisierungstheoretischen Begründungsmusters, auf das in der Fachliteratur oft explizit oder implizit zurückgegriffen wird, sind gesellschaftliche Veränderungen in Familie, Freizeit, Schule und Beruf, die – je nach Sichtweise – zu schwierigen, problematischen oder defizitären Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen führen (Drilling 2009; Speck 2006a; Schwendemann/Krauseneck 2001; Maykus 2001; Hollenstein 2000c). Verwiesen wird meist auf außerschulische und schulische Probleme und Belastungen von Jugendlichen. Aus diesen Veränderungen wird ein Bedarf für Schulsozialarbeit abgeleitet. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang Veränderungen in den Familienstrukturen (z. B. viele Scheidungen, Alleinerziehende), die Möglichkeiten und Risiken der gestiegenen Individualisierung, die zunehmende Einschränkung jugendlicher Lebensräume (z. B. in Jugendeinrichtungen, im öffentlichen Raum), der gestiegene Leistungsdruck in der Schule, die Grenzen schulischer Erziehungsmöglichkeiten, die wachsende Arbeitslosigkeit von Eltern mit ihren sozialisatorischen Folgen sowie die gestiegene berufliche Unsicherheit für eine beträchtliche Zahl von Jugendlichen.

„Schule und Soziale Arbeit stehen vor sich verändernden Lebenswelten, in deren Folge eine zunehmende Zahl von Individuen aus ihren Bindungs- und Versorgungsstrukturen herausgelöst werden. Schule und Soziale Arbeit erleben eine steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen, die auf diese Belastungen mit Schulversagen und Schulverdrossenheit reagieren und deren Eltern in ihren Erziehungsanstrengungen Unterstützung brauchen. Schule und Soziale Arbeit sind auf der Suche nach schlüssigen Konzepten, die sie befähigen, zum Wohle der Schülerinnen und Schüler zu agieren statt nur zu reagieren“ (Drilling 2009, 10 f.).

Die Befunde weisen auf einen Unterstützungsbedarf hinsichtlich der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung, der schulischen und außerschulischen Lebensbewältigung sowie der sozialen Kompetenzentwicklung der Kinder und Jugendlichen hin. In diesem Zusammenhang ist nicht zu vernachlässigen, dass Schule per se nur geringe Bezüge zur außerschulischen Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen aufweist, die Kinder und Jugendlichen vorwiegend in ihrer Schülerrolle wahrnimmt und systemintern nur eine begrenzte Unterstützung bei der Bewältigung außerschulischer, aber auch schulischer Herausforderungen und Belastungen bereitstellt bzw. angesichts ihrer Selektionsfunktion bereitstellen kann (Oelerich 1996 und 1998). Bedeutsam erscheint daher, dass sich eine tragfähige Begründung von Schulsozialarbeit nicht allein auf modernisierungsbedingte Sozialisationskonflikte stützt, sondern die klassischen Probleme der Schulsozialisation ebenso im Blick hat (Hollenstein 2000c, 81).

Noch einen deutlichen Schritt weiter in der sozialisations- und modernisierungstheoretischen Begründung von Schulsozialarbeit kann man gehen, wenn man die Schulsozialarbeit vorrangig mit der notwendigen Förderung der schulischen Entwicklung benachteiligter und beeinträchtigter SchülerInnen begründet. So betont Hermann Rademacker (2002), der Wegbereiter der Schulsozialarbeit in Deutschland, zum einen die Vorteile einer auf den Ort Schule bezogenen Jugendsozialarbeit (z. B. Sichtbarwerden von Benachteiligungen und Beeinträchtigungen, zunehmende Bedeutung des Schulerfolgs, gute und wenig aufwendige Kontaktmöglichkeiten zu Jugendlichen, Kooperationsnotwendigkeit mit Schule) und leitet aus der hohen biografischen Bedeutung eines erfolgreichen Schulabschlusses zum anderen das zentrale Ziel von Schulsozialarbeit ab.

„Ob von Schulsozialarbeit die Rede sein kann oder nicht, entscheidet sich […] vor allem daran, ob ihre Angebote und Leistungen sich vorrangig an sozial benachteiligte oder individuell beeinträchtigte Kinder und Jugendliche richten, deren Schulerfolgschancen erkennbar und massiv beeinträchtigt sind. […] Das Ziel von Leistungen der Jugendhilfe für schulpflichtige Kinder und Jugendliche dieser Zielgruppe muss es sein, deren Schulerfolgschancen zu verbessern. […] Sozialarbeiter und Sozialpädagogen wissen um die Bedeutung und den Stellenwert von Bildung für das Gelingen der sozialen Integration von Kindern und Jugendlichen und sehen deshalb die Sicherung von Schulerfolgen auch als wesentliches Ziel ihrer Arbeit“ (Rademacker 2002, 11, 23, 26).

Zusammenfassend betrachtet, geht es im sozialisations- und modernisierungstheoretischen Begründungsmuster letztlich darum, mit Hilfe der Schulsozialarbeit Kinder und Jugendliche in ihrer Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten, in ihrer schulischen und außerschulischen Lebensbewältigung zu unterstützen sowie in ihren sozialen Kompetenzen zu fördern bzw. durch die Verbesserung der Schulerfolgschancen die soziale Integration von Kindern und Jugendlichen langfristig zu erhöhen (Böhnisch 1993, 72 ff.). Bedeutsam für die Tragfähigkeit dieses Begründungsmusters von Schulsozialarbeit ist außerdem, dass – neben den sich verändernden Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen in sich modernisierenden Gesellschaften – die klassischen Probleme der Schulsozialisation von Kindern und Jugendlichen sowie die spezifische Lebenslage „Schülersein“ im Mittelpunkt stehen (Hollenstein 2000c; Oelerich 1998).

Die fachlichen Vorteile des Begründungsmusters sind darin zu sehen, dass Kinder und Jugendliche mit ihren alltäglichen Herausforderungen und lebensweltlichen Bezügen – und nicht allein in ihrer Schülerrolle – wahrgenommen werden, die Schulsozialarbeit eine klare Legitimation durch den Verweis auf bestehende Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und Belastungen erhält, die Schulsozialarbeit über einen klaren sozialpädagogischen Auftrag verfügt und bei einer Anerkennung schulischer und klassischer Sozialisationsherausforderungen komplexe sozialpädagogische Ansätze möglich sind.

Als Nachteile des sozialisations- und modernisierungstheoretischen Begründungsmusters können der kompensatorische und unter Umständen defizitorientierte Ansatz von Schulsozialarbeit sowie die aus dem Begründungsmuster möglicherweise erwachsenden, überhöhten Erwartungen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme bewertet werden. Der möglichen Kritik, dass auch andere kostengünstigere Angebote der Jugendhilfe auf die Sozialisations- und Modernisierungsanforderungen von Kindern und Jugendlichen reagieren könnten, kann entgegengehalten werden, dass der Ort Schule für die Jugendhilfe zahlreiche Vorteile bietet und eine sehr enge Kooperation mit schulischen PartnerInnen aufgrund der hohen biografischen Bedeutung von Schule wichtig erscheint.

2 Das bildungstheoretische Begründungsmuster erlangte im Zuge der internationalen Vergleichsstudien (z. B. PISA) und des Ganztagsausbaus eine zunehmende Bedeutung (Walther 2011). Das bildungstheoretische Begründungsmuster geht von Organisationsmängeln im Bildungs- und Sozialsystem aus. Entscheidende Kritikpunkte sind die starke soziale Ungleichheit und Selektion im Bildungssystem, die hohe Zahlen an Schulverweigerern, „RisikoschülerInnen“ und SchülerInnen ohne Abschluss, die mangelnde Förderung und Begleitung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen sowie die unzureichende Abstimmung zwischen den Systemen (BJK 2002a und 2002b; BJK/Sachverständigenkommission/AGJ 2002). Baier (2011b) weist mit Blick auf Gerechtigkeitskonzepte und die UN-Kinderrechtskonvention darauf hin, dass Kinder und Jugendliche ein Recht auf Bildung, Nicht-Diskriminierung und Beteiligung haben und leitet daraus die Begründung für Schulsozialarbeit ab:

„Grundlegend für eine Orientierung an sozialer Gerechtigkeit bzw. für die Rollenübernahme von Schulsozialarbeit als Anwältin sozialer Gerechtigkeit ist zunächst die Besonderheit herauszustellen, dass sich Schulsozialarbeit durch diese Positionierung damit primär einem Ziel, und nicht bedingungslos einer bestimmten Personengruppe (z. B. als Anwältin für Kinder und Jugendliche) gegenüber verpflichtet. Die Orientierung am Ziel, für Gerechtigkeit einzutreten, ermöglicht es, im Einzelfall fachliche Positionierungen zu finden und schützt die Schulsozialarbeit zudem davor, unhinterfragt parteiisch für eine bestimmte Personengruppe zu handeln oder deren Erwartungen als Arbeitsaufträge unhinterfragt zu übernehmen und somit möglicherweise ein diffuses Handlungsbild – je nach Auftragslage – abzugeben“ (Baier 2011b, 87).

Die fachpolitischen Forderungen richten sich auf eine stärkere Orientierung an den Lebenslagen und -biographien von Kindern und Jugendlichen im Bildungssystem, einen Abbau von Bildungsbenachteiligungen und Selektionsmechanismen im Bildungssystem, eine Umsetzung eines erweiterten Bildungsverständnisses (formale, nonformale und informelle Bildung) mit einer Aufwertung außerschulischer Lernorte und -gelegenheiten sowie einen Aufbau eines abgestimmten Gesamtsystems von Bildung, Betreuung und Erziehung (Baier 2011a und b; Rauschenbach 2009; Olk/Speck 2009; Coelen/Otto 2008; Speck 2006a; BMFSFJ 2005; die Beiträge in Deinet/Reutlinger 2004; Coelen 2004; Otto/Coelen 2004; Seithe 2002a; Hornstein 2002; Münchmeier et al. 2002). Der Schnittstelle Jugendhilfe und Schule kommt in den bildungstheoretischen Überlegungen eine zentrale Bedeutung zu, um Bildungsbenachteiligungen abzubauen sowie die subjektive Aneignung von Welt und von Lebenskompetenzen zu fördern (BMFSFJ 2005). Die Vorteile des bildungstheoretischen Begründungsmusters sind a) in der kritischen Auseinandersetzung mit der sozialen Ungleichheit und Selektion im Schulsystem, b) der Aufwertung der nonformalen und informellen Bildung sowie c) in der Verknüpfung schul- und sozialpädagogischer Interessenlagen und Strukturen zu sehen. Der entscheidende Nachteil des Begründungsmusters besteht darin, dass der Bildungsbegriff in Theorie und Praxis stark schulisch geprägt ist und insofern die sozialpädagogische Verortung, Ausdifferenzierung und Schwerpunktsetzung unter Umständen kaum zum Tragen kommt. Zudem ist offen, ob sich aus dem Begründungsmuster nicht zunächst eine Veränderung des Schulsystems ergibt und, ob sich zwangsläufig eine dauerhafte Präsenz der sozialpädagogischen Expertise am Ort Schule ergibt.

3 Das schultheoretische Begründungsmuster verfügte besonders in den 1970er Jahren und Anfang der 1980er Jahre über eine sehr hohe Attraktivität (Abels/Peltzer-Gall 1976; Helbrecht-Jordan 1978; Raab/Rademacker 1981 und 1982). Letztlich existierte die (vergebliche) Hoffnung, mit Schulsozialarbeit die wachsenden Anforderungen des reformierten Schulsystems und die steigenden sozialen Probleme in den Gesamt- und Hauptschulen zu bewältigen (Salustowicz 1986). Von dieser optimistischen Vorstellung hat man sich zwar in den 1990er und 2000er Jahren verabschiedet, förderliche bzw. sogar reformerische Wirkungen auf das System Schule versprechen sich einige ExpertInnen aus dem Bereich der Bildungs- und Jugendhilfebereich allerdings mehr oder weniger deutlich auch weiterhin als Ziel von Schulsozialarbeit.

Beim schultheoretischen Begründungsmuster werden ebenso wie beim sozialisations- und modernisierungstheoretischen Begründungsmuster veränderte Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen anerkannt, die in die Schule hineingetragen werden und zu komplexen Herausforderungen für Schule und LehrerInnen führen. Im Gegensatz zum sozialisations- und modernisierungstheoretischen Begründungsmuster werden sich jedoch von der Schulsozialarbeit zunächst nicht adressatenbezogene Wirkungen versprochen, sondern Wirkungen für das System Schule, die dann wieder den SchülerInnen einen Nutzen bringen sollen. Das schultheoretische Begründungsmuster liefert insofern weniger eine schultheoretische Begründung für Schulsozialarbeit im engeren Sinne, sondern vielmehr eine schulbezogene Begründung für Schulsozialarbeit, die als schultheoretische Begründung im weiteren Sinne verstanden werden kann. Es lassen sich zwei gegensätzliche Einzelbegründungen voneinander unterscheiden.

In einer ersten Begründung soll Schulsozialarbeit angesichts veränderter Sozialisationsbedingungen und gestiegener Anforderungen an Schule und LehrerInnen einen Beitrag zum „Funktionieren“ der Institution Schule leisten. Im Sinne dieser Förderung der Funktionstüchtigkeit von Schule begründet Bönsch (2004, 129 ff.) sehr differenziert die Kooperation von Jugendhilfe und Schule damit, dass Schule a) das „notwendige Auffangnetz“ für schwierige Lebenssituationen von jungen Menschen nicht allein spannen kann, b) bei den heutigen, komplexen Erziehungsaufgaben „quantitativ, aber auch qualitativ“ an Grenzen stößt, c) selbst binnenstrukturelle Probleme produziert, d) die Ausweitung der Ganztagsschule „in quantitativer und qualitativer Sicht“ nicht allein leisten kann und e) für eine Öffnung nach außen einer „Assistenz“ bedarf. Sein Verständnis von Schulsozialarbeit fasst Bönsch (2004) so zusammen:

„Sie ist zu definieren als sozialpädagogische Arbeit, die unterrichtsergänzend/-stützend, lernfördernd und sozialintegrativ die Pädagogik des Unterrichts begleitet“ (Bönsch 2004, 131).

In einer stark schulpädagogischen Sichtweise geht es hier vor allem darum, dass mit Hilfe von Schulsozialarbeit die komplexen Herausforderungen von Schule bewältigt werden, sodass diese ihren gesellschaftlichen Auftrag überhaupt wahrnehmen kann. Im Mittelpunkt des Interesses steht häufig die sozialpädagogische Arbeit mit verhaltensauffälligen, gefährdeten und benachteiligten Jugendlichen und zum Teil deren Eltern, wobei der Schulsozialarbeit im Vergleich zur Schule ein eher untergeordneter Status – im Sinne einer unterstützenden Assistenz – zukommt.

Die zweite „schultheoretische“ Begründung, die in der Regel von ExpertInnen aus dem Bereich der Sozialen Arbeit vertreten wird, zielt hingegen darauf ab, dass Schulsozialarbeit schulische Reformen und Prozesse der Schulentwicklung anregen oder unterstützen soll. Akzente eines solchen schulkritischen Verständnisses von Schulsozialarbeit findet man in fast allen sozialpädagogischen Beiträgen und Fachpublikationen zur Schulsozialarbeit (Rademacker 1994a; Wulfers 1996; Glanzer 1997; Nieslony 1998); in einer zugespitzten Form beispielsweise bei Liebau (1995):

„Heute liegen hinter Lernproblemen von Schülerinnen und Schülern zumeist massive Lebensprobleme. Wenn die Lehrer-Schule diese Lebensprobleme von Kindern und Jugendlichen nicht von sich aus in den Mittelpunkt stellt, wenn sie sich nicht von sich aus zu einer Schule als Lebens- und Erfahrungsraum erweitert, dann kann es durchaus hilfreich sein, den Schülern Advokaten an die Seite zu stellen, die dieses Interesse wahrnehmen und artikulieren“ (Liebau 1995, 212 f.).

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