Kitabı oku: «2145 - Die Verfolgten», sayfa 5

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21. Allegra – bei Camden – 08.07.2145

Sie hat­te das Kaff zu Fuß ver­las­sen und da­nach zu­ge­se­hen, dass sie sich par­al­lel zu dem von ih­rem UniCom vor­ge­ge­be­nen Weg hielt, am Highway ent­lang. Zu­min­dest so lan­ge, bis der UniCom sich voll­stän­dig ent­la­den hat­te.

Und na­tür­lich gab es weit und breit kei­ne La­de­vor­rich­tung, ge­gen die sie das Gerät hal­ten konn­te, um wie­der an Strom zu kom­men.

Al­le­gra grins­te sar­kas­tisch. Sie hät­te ja ein paar nütz­li­che Din­ge aus ih­rem Ruck­sack neh­men kön­nen, be­vor sie ihn den An­grei­fern um die Ohren ge­pfef­fert hät­te. Jetzt hat­te sie nur noch einen UniCom oh­ne Ak­ku und ih­re ID.

Sehr nütz­lich.

Ir­gend­wo hat­te sie ge­le­sen, dass man Tau­trop­fen trin­ken konn­te. Und dass, wenn man lan­ge ge­nug hung­rig war, der Bauch auf­hör­te, zu schmer­zen. Aber sie hat­te kein funk­tio­nie­ren­des Gerät mehr, das sie fra­gen konn­te, wie lan­ge das dau­er­te.

22. Hendryk Richardson – Atlanta – 08.07.2145

Hen­dryk war mü­de und hat­te es satt, von sei­nem Vor­ge­setz­ten an­dau­ernd zur Mu­tan­ten­jagd ab­kom­man­diert zu wer­den. Wa­rum im­mer er? Er woll­te lie­ber In­nen­dienst leis­ten. Wie­so be­kam er kei­nen?

Nie­mand hass­te die­se ewi­gen Nacht­schich­ten mehr als Hen­dryk Richard­son. Ver­mut­lich hass­te nie­mand auf der Welt die gan­ze Sa­che mit dem Mi­li­tär so sehr wie er. Un­glück­li­cher­wei­se war er al­ler­dings der Sohn ei­nes großen Ge­ne­rals – der sei­nen Spröss­ling na­tür­lich auf die Mi­li­tär­schu­le schi­cken muss­te.

Hen­dryk wur­de nicht ge­fragt, er hat­te in die vä­ter­li­chen Fuß­stap­fen zu tre­ten. Dass er aber le­dig­lich da­zu taug­te, ab und zu ei­ne Sied­lung ab­schaum­frei zu hal­ten, ver­dross den al­ten Herrn nicht im Ge­rings­ten. Im Ge­gen­teil schmei­chel­te es ihm, sei­nen Ju­ni­or un­ter dem Kom­man­do des Prä­si­den­ten zu wis­sen.

Wow. Das viel ge­lob­te ›Mu­tan­ten­ver­nich­tungs­korps‹. Genau da­von hat­te Hen­dryk im­mer ge­träumt. Nicht.

Heu­te al­ler­dings schi­en sein Glücks­tag zu sein. Ei­ne auf­ge­reg­te Frau hat­te ge­mel­det, sie wä­re abends in die Kü­che ge­gan­gen, um ein Glas Was­ser zu trin­ken. Da­bei hät­te sie ne­ben dem Zi­ga­ret­ten­au­to­ma­ten ge­gen­über von ih­rem Haus einen Ju­gend­li­chen ge­se­hen, der so ähn­lich aus­sah wie der Jun­ge auf dem Fahn­dungs­fo­to. Al­so wür­de es we­nigs­tens schnell ge­hen.

Es war ja nicht so, als wür­den sol­che Nach­rich­ten nicht min­des­tens ein­mal pro Wo­che bei ih­nen ein­ge­hen und als könn­te die An­ga­be der Frau nicht auf so ziem­lich je­den Tee­na­ger pas­sen, der die Sperr­stun­de et­was aus­reiz­te. Aber die Hoff­nung starb zu­letzt.

Na­tür­lich muss­te er jetzt mit sei­nem Squad die­ser Ge­schich­te nach­ge­hen, so un­glaub­haft sie ihm auch er­schi­en. Das Coun­ty war groß. Wenn er der Jun­ge wä­re, wür­de er ver­su­chen, über die Gren­ze in den nächs­ten Ver­wal­tungs­be­reich ab­zu­hau­en und nicht aus­ge­rech­net nach At­lan­ta zu ge­hen. Das war zu däm­lich.

Hen­dryk wuss­te ge­nau, dass er für einen Mi­liz­sol­da­ten zu viel dach­te, aber er konn­te nicht an­ders. Am liebs­ten wä­re er Phi­lo­soph ge­wor­den oder ir­gen­det­was in der Rich­tung. Ethi­k­leh­rer er­schi­en ihm mo­men­tan be­son­ders ver­hei­ßungs­voll. Al­les, nur kei­ne Knirp­se ja­gen, die zu­fäl­lig der falschen Ras­se an­ge­hör­ten. An­de­ren Mör­dern jag­te man schließ­lich auch nicht mit ei­ner pa­ra­mi­li­tä­ri­schen Ein­heit hin­ter­her.

Ih­re Pa­trouil­le be­gann in der Nä­he des Zi­ga­ret­ten­au­to­ma­ten, ne­ben dem der Mu­tant an­geb­lich ge­sich­tet wor­den war. Sie schrit­ten ei­lig durch die nächt­lich lee­re Stadt und sa­hen hin und wie­der einen Mann oder ei­ne Frau im Schutz der Dun­kel­heit durch die Stra­ßen hu­schen. Hen­dryk fand es höchst an­ge­nehm, dass es heu­te nicht sei­ne Pf­licht war, ih­re Pa­pie­re zu kon­trol­lie­ren und sie zu ver­haf­ten. Sie al­le sa­hen we­sent­lich äl­ter aus als der Jun­ge, den er fin­den soll­te. Die­se Nacht wür­den an­de­re Pa­trouil­len sie kon­trol­lie­ren, nicht sei­ne.

Den­noch war er auf der Hut. Ei­ne al­te Frau, die sich beim An­blick der Mi­liz in einen dunklen Haus­ein­gang drück­te, igno­rier­te er. Eben­so das jun­ge Mäd­chen mit neon­blau­em Bob, das so laut In­za Nit­ty hör­te, dass er Loo­pa Moo­pa Bling King hät­te mit­sin­gen kön­nen. Der Jun­ge mit der Ras­ta-Schirm­müt­ze da­ge­gen …

»Halt! Mu­tan­ten­pa­trouil­le, Com­man­der Richard­son. ID vor­zei­gen. Sie sind we­gen des Über­tre­tens der Sperr­stun­de ver­haf­tet.«

Mit zit­tern­den Kni­en reich­te der Jun­ge ihm ei­ne Plas­tik­kar­te, die Hen­dryk prompt in den Le­se­schlitz an sei­nem Dienst-UniCom ein­führ­te. Das Gerät pieps­te kurz, ehe es deut­lich vor­zu­le­sen be­gann: »Echt­heit der ID be­stä­tigt. An­drew Gray, ge­bo­ren am 16. Ok­to­ber 2132 in Smyr­na, Ver­wal­tungs­ein­heit Ge­or­gia, Groß­raum Nord­ame­ri­ka, gül­tig bis zum 17. Ok­to­ber 2147, wohn­haft in At­lan­ta, 1.72m groß, rot­blond, brau­ne Au­gen, Ras­se ho­mo sa­pi­ens sa­pi­ens.«

»Er ist es nicht.«

»Nein, nein, ich bin es nicht, ich bit­te Sie, las­sen Sie mich nach Hau­se und tun Sie mir nichts!«

»Gray, du hast Glück. Wenn du nur ein paar Jah­re äl­ter wärst, hät­te ich dich ver­haf­tet. Ser­geant West­point, Ser­geant Tub­man …« Hen­dryk drück­te ein paar Knöp­fe. »Bringt ihn zu sei­nen El­tern, Au­burn Ave­nue Num­mer fünf. Wenn er noch mal nach Son­nen­un­ter­gang drau­ßen er­wi­scht wird, zah­len sie ei­ne fet­te Stra­fe, trich­tert ih­nen das ein.« Er nahm die ID aus dem Gerät und steck­te sie Gray zu. Der sah aus, als hät­te er eben ein Ge­s­penst ge­se­hen.

Gil­li­an West­point pack­te den Jun­gen grob am Arm und zerr­te ihn zu­sam­men mit Amy Tub­man fort.

Um ehr­lich zu sein war Hen­dryk mehr als froh, die zwei Mann­wei­ber nicht mehr bei sich zu ha­ben. Er fand die mus­ku­lö­sen, grim­mig drein­schau­en­den Frau­en gru­se­lig.

Lang­sam aber si­cher wur­den sei­ne Sol­da­ten je­doch un­ru­hig – es war nie­mand mehr un­ter­wegs, der ins Ras­ter pass­te, folg­lich hat­ten sie nichts zu tun. Und so wie er sie kann­te, konn­te sie das auf dum­me Ge­dan­ken brin­gen.

Bis­her hat­ten sie auf den Stra­ßen ge­sucht. Er muss­te … »Jungs, wir brin­gen den Wär­mes­can­ner zum Ein­satz. Der Mu­tant muss noch in At­lan­ta sein.«

Die Kör­per­tem­pe­ra­tur von Mu­tan­ten war be­son­ders nach Ein­bruch der Dun­kel­heit we­sent­lich nied­ri­ger als die ei­nes Men­schen. Sie wür­de auf dem Dis­play so­fort auf­fal­len und ei­ne Da­ten­bank konn­te ab­glei­chen, ob in den Häu­sern Mu­tan­ten ge­mel­det wa­ren – und wie vie­le. Es hat­te al­ler­dings sei­nen Grund, warum das Gerät nur im Not­fall be­nutzt wer­den durf­te. Nicht nur sei­ne Klo­big­keit und der müh­sa­me Auf- und Ab­bau, son­dern auch die schie­ren Kos­ten, die es pro Mi­nu­te Lauf­zeit ver­ur­sach­te. An al­len Ecken war das Bud­get ge­kürzt wor­den und er frag­te sich im­mer noch, warum.

Drei von Hen­dryks Män­nern be­gan­nen mit dem Auf­bau des Wär­mes­can­ners – das Gerät war nicht nur un­hand­lich, es muss­te auch zu­nächst mit Hil­fe ei­nes Stir­ling­mo­tors auf die nö­ti­ge Be­trieb­stem­pe­ra­tur her­un­ter­ge­kühlt wer­den, um selbst durch Wän­de hin­durch brauch­ba­re Er­geb­nis­se zu er­zie­len. Er äh­nel­te am ehe­s­ten ei­nem fern­ge­steu­er­ten Kühl­schrank auf Rä­dern.

Hen­dryk leg­te selbst Hand an. Sein Vor­ge­setz­ter wür­de ihm den Kopf wa­schen, dass er das teu­re Gerät für so ei­ne Lap­pa­lie wie einen ju­gend­li­chen Mu­tan­ten ein­setz­te, aber lie­ber das, als zu ver­sa­gen. Er schal­te­te das Gerät an und rich­te­te es auf das erst­bes­te Haus in sei­ner Sicht­wei­te – ei­nes der zwei­stö­cki­gen Ein­fa­mi­li­en­häu­ser, in de­nen noch Licht brann­te.

Zehn Mi­nu­ten brauch­te das Gerät, um ein­satz­be­reit zu sein, und Hen­dryk starr­te ner­vös auf das Dis­play an sei­nem UniCom. Hof­fent­lich war er in der Nä­he, der Wär­mes­can­ner wür­de sie bei ei­ner Ver­fol­gung zu sehr be­hin­dern.

Voll­tref­fer. Das Gerät zeig­te gleich zwei deut­lich un­ter­kühl­te mensch­li­che Sil­hou­et­ten in ei­nem Haus in der Nä­he. Und ei­ne da­von ge­hör­te laut Aus­wer­tungs­mo­dul mut­maß­lich ei­nem männ­li­chen Tee­na­ger.

Hen­dryk gab die Adres­se ein – und stell­te fest, dass der jun­ge Mann nicht dort ge­mel­det war. Die Frau wohn­te al­lein in dem Haus. Zeit für einen abend­li­chen Be­such. Und da­nach hof­fent­lich Fei­er­abend.

Er ließ den Scan­ner wie­der her­un­ter­fah­ren und ging vor­aus.

23. Ariane Faw – Atlanta – 08.07.2145

Der Jun­ge war wahn­sin­nig. Er hat­te di­gi­ta­le Spu­ren in sol­chem Aus­maß hin­ter­las­sen, dass es ein Wun­der war, wenn die Re­gie­rung ihm noch nicht auf den Fer­sen war. Aria­ne schlug sich die Hand vor die Stirn. So viel Ri­si­ko. Und das al­les nur, um …

»Ich muss wis­sen, wo ich her­kom­me. Wer mei­ne El­tern sind. Du hast mich als Kind ins Wai­sen­haus ge­bracht.« Er woll­te sich durch die Haa­re fah­ren, spür­te ih­re Kür­ze und zuck­te zu­sam­men.

»Das ha­be ich.«

»Dann weißt du, wer sie sind?«

»Ich …« Sie hat­te die Pf­licht, es ihm zu sa­gen. Aber hat­te sie auch das Recht da­zu? Fa­bri­cia hat­te sorg­sam al­le Spu­ren ver­nich­tet, die zu ihm füh­ren konn­ten und sie hat­te gu­te Grün­de da­für, aber der Jun­ge war oh­ne­hin in Ge­fahr. Das biss­chen In­for­ma­ti­on än­der­te nicht mehr viel. »Ich weiß tat­säch­lich, wer sie sind. Sie ist ei­ne Mu­tan­tin, und er ist …«

Es war un­na­tür­lich still. Kei­ne Ju­gend­li­chen, die sich trotz Sperr­stun­de vor ih­ren Fens­tern her­um­drück­ten. Kei­ne selbst­fah­ren­den Last­wa­gen. Aber sie war sich si­cher, ein Geräusch durch die Stil­le wahr­zu­neh­men, das nicht hier­her­ge­hör­te. Nur wel­ches?

Aria­ne spür­te auf ein­mal ei­ne drän­gen­de Un­ru­he. Ir­gen­det­was stimm­te nicht. »War­te.« Sie stand auf und schau­te aus dem Fens­ter. Gera­de recht­zei­tig, um zu se­hen, dass ei­ne Mi­liz­squad auf ihr Haus zu­steu­er­te.

Das war es al­so, was sie ge­hört hat­te. Den Stech­schritt.

Sie hat­te kei­ne Ah­nung, wie sie aus­ge­rech­net auf ihr Haus ka­men, aber das spiel­te kei­ne Rol­le. Nun muss­te sie han­deln – wo­zu hat­te sie ei­ne Hin­ter­tür?

»Avri­el, du musst jetzt fort. Und zwar schnell!«

»Wa­rum? Was ist denn pas­siert?« Er starr­te sie aus großen Au­gen an. »Ich muss es wis­sen!«

»Kei­ne Zeit. Du musst hier weg.« Sie woll­te ihn auf kei­nen Fall in Pa­nik ver­set­zen, schei­ter­te je­doch. »Du kannst doch ein Elek­tro­mo­tor­rad steu­ern?«

»Ähm, schon, ist mit Au­to­pi­lot nicht wei­ter schwie­rig, aber was hat das …«

»Schön. Dann gehst du jetzt da raus, ich ge­be dir mein Pad in ei­nem Ruck­sack mit. Über­gib es Fa­bri­cia in New Or­leans, sie wird dir al­les er­klä­ren.« Hoff­te Aria­ne zu­min­dest. Wäh­rend sie re­de­te, pack­te sie das Gerät in den Ruck­sack, leg­te ei­ni­ge Kon­ser­ven­do­sen da­zu und schob ihn re­gel­recht aus der Hin­ter­tür.

Es klopf­te. »Auf­ma­chen! Mu­tan­ten-Raz­zia!«

»Ich kom­me gleich! Muss mir nur erst was an­zie­hen! Ich ha­be näm­lich nichts an!«

Avri­el senk­te sei­ne Stim­me. »Und wie soll ich die­se Fa­bri­cia er­ken­nen?«

»Schwar­ze Haa­re, blaue Au­gen, Zopf. Frag nach ihr, so­bald du da bist.« Aria­nes Hän­de schwitz­ten. Kei­ne Zeit, zu trö­deln. »Du kannst nicht zu lan­ge an ei­nem Ort blei­ben, oh­ne dass man dich fin­det. Und jetzt fahr end­lich, be­eil dich!« Sie schubs­te ihn nach drau­ßen, schloss lei­se die Tür und lehn­te sich da­ge­gen, um zu lau­schen.

Es dau­er­te nur Se­kun­den – sie hör­te den Kies in ih­rem Hin­ter­hof knir­schen, das Elek­tro­mo­tor­rad selbst gab kei­nen Laut von sich, und wuss­te, dass Avri­el sich auf den Weg nach Süd­wes­ten ge­macht hat­te. Wuss­te er, dass New Or­leans vor Jah­ren schon von der Re­gie­rung auf­ge­ge­ben wor­den war? Oder dass sei­ne Chan­ce, dort auch an­zu­kom­men, eher ge­ring war? Aber wenn er hier­blieb, war sie bei null …

Es klopf­te er­neut an ih­rer Tür.

Aria­ne ver­wu­schel­te sich die Haa­re, öff­ne­te ei­ni­ge Knöp­fe an ih­rer Blu­se und klatsch­te sich Was­ser aus der Mi­ne­ral­was­ser­fla­sche auf Ge­sicht und Aus­schnitt. Dann erst mach­te sie auf. Sie sah im Halb­dun­kel hof­fent­lich heiß aus. Vi­el­leicht konn­te sie so wert­vol­le Zeit ge­win­nen – so­lan­ge sie mit ihr be­schäf­tigt wa­ren, wür­den sie nicht nach Avri­el su­chen.

Ei­ner der Sol­da­ten vor ih­rer Tür sah so­gar di­rekt sym­pa­thisch und ziem­lich un­glück­lich aus, als wür­de er den Job nicht all­zu ger­ne ma­chen.

»Wie kann ich euch denn hel­fen?« Sie lehn­te sich las­ziv ge­gen den Tür­rah­men.

»Wir … ähem … al­so …« Ihr Aus­se­hen hat­te ih­nen of­fen­bar die Spra­che ver­schla­gen und nur der trau­ri­ge Sol­dat gab ei­ne Ant­wort. »Wir su­chen nach ei­nem ge­fähr­li­chen Mu­tan­ten. Ha­ben Sie et­was Ver­däch­ti­ges be­merkt? Hat je­mand viel­leicht ver­sucht, in ihr Haus ein­zu­bre­chen? Ich … Vor­hin ha­ben wir zwei Per­so­nen in die­sem Haus fest­ge­stellt, aber jetzt sind nur noch Sie da.« So­fort wur­de er rot, als wür­de er sich schä­men, ei­ne so däm­li­che Fra­ge zu stel­len.

»Nein, ich ha­be kei­nen ge­fähr­li­chen Mu­tan­ten ge­se­hen.« Sie schmun­zel­te. »Nur mich selbst im Spie­gel, aber ich glau­be nicht, dass ich ge­fähr­lich bin. Wie sieht er denn aus?«

»Ma­dam, es gab ei­ne Rund­mail des Prä­si­den­ten, Sie müss­ten …«

Aria­ne fuhr ihm ins Wort. »Dann ho­le ich mein Pad und ru­fe mei­ne Nach­richt ab, das ha­be ich noch nicht ge­tan. Könnt ihr so lan­ge hier war­ten? Dann kann ich euch de­fi­ni­tiv sa­gen, ob ich ihn ge­se­hen ha­be.«

»Ma­dam, das ist ne­ben­säch­lich, wir wis­sen ge­nau, dass zwei Per­so…«

»Wollt ihr viel­leicht ei­ne Tas­se Tee oder Kaf­fee?« Aria­ne lä­chel­te im­mer noch. Sie muss­te Zeit schin­den, um je­den Preis. Wenn sie ihn un­ter­brach, konn­te das zwei Fol­gen ha­ben. Ent­we­der war er über­rum­pelt oder wür­de sie an­grei­fen. Bei­des half Avri­el.

Der Mann schüt­tel­te den Kopf. »Nein, ei­gent­lich nicht. Wir sind auf Pa­trouil­le und soll­ten noch heu­te Nacht den Mu­tan­ten fin­den und …«

»Hab dich nicht so, Com­man­der. Ist es nicht rei­zend von die­ser Frau, uns zu ent­loh­nen?« Der Sol­dat lä­chel­te zwei­deu­tig.

»Dann ver­dient euch die­sen … Lohn. Durch­sucht das Haus. So­fort.«

Aria­ne tri­um­phier­te in­ner­lich. Sie wür­den nichts fin­den. Nicht mehr.

24. Avriel Adamski – unterwegs – 09.07.2145

Wäh­rend er mit­ten in der Nacht über den men­schen­lee­ren Highway braus­te, dach­te Avri­el zum ers­ten Mal rich­tig nach. All die Ge­scheh­nis­se der letz­ten Ta­ge wir­bel­ten wirr durch sei­nen Kopf.

Va­len­ti­nes blut­über­ström­tes Ge­sicht tauch­te vor sei­nem in­ne­ren Au­ge auf. Al­les lief falsch, völ­lig falsch! Die­ser Abend … Er hat­te ihn ge­plant, hat­te schon vor Mo­na­ten den Ring ge­kauft, doch dann …

Aber er konn­te es nicht än­dern. Nichts von all­dem.

Statt­des­sen war er auf Aria­nes Mo­tor­rad un­ter­wegs nach New Or­leans, um ir­gend­ei­ner Frau, die er ge­nau­so we­nig kann­te wie Aria­ne, ein Pad zu brin­gen. Wie, zur Höl­le, soll­te er wis­sen, wer sie war? Die Stadt war be­stimmt rie­sig, da konn­ten fünf­zig Fa­bri­ci­as mit schwar­zen Haa­ren woh­nen.

Dann stutz­te er – New Or­leans. Die­se Stadt exis­tier­te doch gar nicht mehr! Sie war nach dem Hur­ri­kan Va­les­ka ir­gend­wann im letz­ten Jahr­hun­dert un­be­wohn­bar ge­wor­den und man hat­te al­le Be­woh­ner eva­ku­iert. Dass der Au­to­pi­lot das noch ein­ge­spei­chert hat­te, war merk­wür­dig.

In die­sem Mo­ment riss das Mo­tor­rad ihn aus sei­nen ver­wor­re­nen Ge­dan­ken.

»Hal­lo, un­be­nann­ter Fah­rer. Der Ak­ku ist fast leer. Au­to­pi­lot Jack steu­ert die nächs­te La­de­sta­ti­on an. Bit­te be­stä­ti­gen.«

»Ich be­stä­ti­ge.«

»Au­to­pi­lot Jack steu­ert die nächs­te La­de­sta­ti­on bei Cam­den, Ala­ba­ma an. Bit­te be­ach­ten Sie, dass Ge­büh­ren an­fal­len kön­nen. Die­se wer­den …«

Ge­nervt schal­te­te Avri­el das plap­pern­de Gerät auf stumm und nahm die Ab­fahrt zum Ge­län­de der La­de­sta­ti­on.

Au­ßer ihm war kein ein­zi­ger Mensch dort. Kein Wun­der, nach der Sperr­stun­de wa­ren nur noch selbst­fah­ren­de Last­wa­gen un­ter­wegs. Ei­ni­ge da­von – rie­si­ge Ma­schi­nen – stan­den fried­lich an­ge­dockt und tank­ten Ener­gie.

Nur ih­re Schein­wer­fer und das Licht aus den Fens­tern der voll­au­to­ma­ti­schen Selbst­be­die­nungs­be­trie­be be­leuch­te­ten die Sze­ne­rie.

Avri­el schob die Har­ley-Da­vid­son eStreet 2130 zu ei­ner der Dockings­ta­tio­nen. Da­bei fiel sein Blick auf die di­gi­ta­le Da­tums­an­zei­ge. 09.07., sein Ge­burts­tag. Er hat­te sei­nen Ge­burts­tag ver­ges­sen. Avri­els Herz mach­te einen schmerz­haf­ten Sprung – an sei­nem Sieb­zehn­ten woll­te er mit Va­len­ti­ne in ei­nem klei­nen Café sit­zen und nicht nur sei­nen Ge­burts­tag, son­dern auch ih­re Ver­lo­bung fei­ern.

Statt­des­sen hat­te er den Tag auf der Flucht ver­bracht und kei­nen Au­gen­blick dar­an ge­dacht …

Er schluck­te den Kloß im Hals her­un­ter und be­gab sich ins klei­ne Selbst­be­die­nungs­lo­kal, das zur La­de­sta­ti­on ge­hör­te. Ein Kaf­fee wür­de ihm jetzt gut­tun, er muss­te noch ei­ne hal­be Ewig­keit fah­ren.

Avri­el drück­te sei­ne Kar­te in den Be­zahl­schlitz am Kaf­fee­au­to­ma­ten, ent­nahm den vor sei­nen Au­gen ge­druck­ten Plas­tik­be­cher mit dem Heiß­ge­tränk und nahm einen Schluck. So­fort fühl­te er war­me Kraft durch sei­ne Adern strö­men, dreh­te sich zur Glas­tür und … ver­schluck­te sich am brü­hend hei­ßen Kaf­fee.

So­fort ließ er den Be­cher ste­hen und rann­te hin­aus. »Hey! Hey, hau ab, das ist meins!«

Die er­tapp­te Ge­stalt schrie er­schro­cken auf und rutsch­te un­ge­schickt vom Mo­tor­rad ab. Ehe sie sich auf­rap­peln konn­te, stand Avri­el auch schon vor ihr und schnitt ihr den Weg ab.

»Aus dem Weg!« Ein wü­ten­des, zer­kratz­tes Mäd­chen­ge­sicht blick­te mit trot­zi­gen, ker­zen­flam­men­blau­en Au­gen zu ihm auf. »Wird’s bald?« Die Neon­be­leuch­tung of­fen­bar­te deut­lich die Angst in ih­ren Zü­gen.

»Bist du be­scheu­ert? Klaust mir fast mein Mo­tor­rad und dann soll ich dich da­mit weg­fah­ren las­sen? Ich …« Bei­na­he hät­te er ge­sagt, er wür­de die Po­li­zei ru­fen. Aber das war das Letz­te, was er jetzt tun durf­te. Un­schlüs­sig biss er sich auf die Un­ter­lip­pe.

In­zwi­schen war sie auf­ge­stan­den und hat­te sich die schwar­zen Haa­re aus dem Ge­sicht ge­stri­chen. »Was? Rufst du die Bul­len? Oh­ne mich!« Sie sprang zur Sei­te, doch Avri­el pack­te sie am Arm und hielt sie fest. Auch wenn sie ver­such­te, mög­lichst frech und ar­ro­gant drein­zu­schau­en, blitz­te blan­ke Furcht in ih­ren Au­gen. »Du tust das nicht! Oder?« Auf ein­mal wirk­te sie sehr un­si­cher.

Im­mer noch stand er un­schlüs­sig da und hielt ih­ren Arm fest. Was mach­te man in sol­chen Si­tua­tio­nen?

»Sag bloß, du haust auch ab?«

»De­fi­ni­tiv nicht!« Sei­ne Stim­me klang hö­her als nö­tig.

»Wa­rum tust du’s dann nicht?«

»Kann dir egal sein!« Am En­de rief sie noch die Po­li­zei. Und dann wä­re es aus mit ihm. An­de­rer­seits … dann wä­re sie auch dran, und so däm­lich konn­te kei­ner sein.

»Wenn ja … nimmst du mich mit?«

Avri­el war so über­rascht, dass er ih­ren Arm losließ. Das Mäd­chen mach­te kei­ne An­stal­ten mehr weg­zu­lau­fen.

»Al­so, was ist? Nimmst du mich mit? Wo­hin geht’s über­haupt?«

»Ähm … al­so … das … al­so …«

»Nun sag schon. Vi­el­leicht ha­ben wir den glei­chen Weg.«

Das glaub­te Avri­el zwar nicht, aber ihm fiel auch auf die Schnel­le kein an­de­res Ziel ein, das er ihr nen­nen könn­te. »Nach New Or­leans.«

»Dann ha­ben wir so­wie­so den glei­chen Weg. Die Er­zie­he­rin hat ge­sagt, ich soll mich dort­hin durch­schla­gen.«

»Wer? Wa­rum ge­nau dort­hin?«

Das Mäd­chen senk­te die Stim­me. »Weil da sol­che wie ich sein sol­len. Und … wie du.«

»Wie kommst du …?«

»Nein, lass den Quatsch. Wir wis­sen bei­de, dass ich recht ha­be.«

»Schon gut.« Er nick­te. »Dann sitz mei­net­we­gen hin­ten. Aber we­he, du ver­suchst noch mal, das Mo­tor­rad zu klau­en.«

»Bin ich be­scheu­ert? Au­ßer­dem siehst du, wie gut ich das kann.« Sie grins­te schief. »Wie heißt du ei­gent­lich?«

»Avri­el Adam­ski.«

»Jetzt ver­arschst du mich.«

»Wa­rum soll­te ich?«

»Ich hei­ße Al­le­gra. Zu­fäl­lig auch Adam­ski.«

»Jetzt ver­arschst du mich! Zeig dei­nen Aus­weis her.« Wann nah­men die selt­sa­men Er­eig­nis­se ein En­de?

»Zeig du erst dei­nen!«

»Nein!«

»Dann eben gleich­zei­tig.« Ehe Avri­el rea­gie­ren konn­te, zog Al­le­gra be­reits ih­re ID aus der Ta­sche und ihm blink­ten sein Nach­na­me und sein Ge­burts­tag ent­ge­gen.

Lang­sam zog er sei­ne ID her­vor und hielt sie ihr hin.

»Nee jetzt … Oder?« Auf ein­mal war Al­le­gra ganz klein­laut ge­wor­den. »Kann es sein, dass du mein Bru­der bist?«

»Du spinnst doch …« Er schau­te sie von der Sei­te an. Mit ih­ren schwar­zen Haa­ren und den blau­en Au­gen sah sie ihm kein biss­chen ähn­lich, aber das muss­te nichts hei­ßen.

»Nein … Im Wai­sen­haus hat man mir ge­sagt, dass wir zu zweit ge­we­sen sind. Im­mer, wenn ich nicht ge­spurt ha­be, hieß es, man wür­de mich auch noch weg­schi­cken, zu mei­nem Bru­der, dem klei­nen Schrei­ba­by, nach Gor­don Ci­ty.«

»Da hab ich ge­wohnt …« Lang­sam si­cker­te die Er­kennt­nis in sein Ge­hirn, dass er sei­ne Schwes­ter vor sich hat­te. Ei­ne ech­te, le­ben­di­ge Per­son und … ei­ne Mu­tan­tin. Er schlang die Ar­me um Al­le­gra, als woll­te er sie zer­quet­schen.

Keu­chend und prus­tend zerr­te sie an sei­nen Ar­men. »Hör auf … du drückst mir die Luft ab …« Sie hus­te­te, als er sie end­lich losließ.

»Sor­ry. Das ist nur … ich dach­te …«

»Lass ste­cken, du.« Al­le­gra grins­te und rieb sich die Rip­pen. »Ist dein Mo­tor­rad auf­ge­la­den? Wir soll­ten wei­ter …«

»Soll­ten wir.« Er zwang sich zu schwei­gen. Auf ein­mal gab es so viel, wor­über er mit ihr re­den woll­te! Das war schließ­lich sei­ne Schwes­ter, er woll­te so viel über sie wis­sen, muss­te ihr so viel er­zäh­len! »Kannst du fah­ren?«

»Kann ich. Wir kön­nen uns ab­wech­seln. Und in den Pau­sen muss ich dir un­be­dingt ganz viel er­zäh­len.« Of­fen­bar ging es ihr wie ihm.

Als Avri­el wie­der aufs Mo­tor­rad stieg und war­te­te, bis auch Al­le­gra si­cher saß, muss­te er grin­sen. Die Freu­de über die Schwes­ter ver­trieb für kur­ze Zeit al­les Trü­be aus sei­nen Ge­dan­ken.

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312 s. 4 illüstrasyon
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9783742709752
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