Kitabı oku: «Amateure», sayfa 4

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Eine gewissenhafte innere Stimme fragte: Ist das so, oder willst du eine Konfrontation vermeiden, weil sie dich an Anne erinnert?

Sie sagte: »Was hat Sie zuerst zu der Annahme veranlasst, dass etwas nicht stimmt?«

»Dieses dumpfe Beben; der Boden unter meinen Füßen vibrierte, weil jemand den Korridor entlangrannte. Eine Tür knallte zu. Sehr laut.«

Ellen O’Neil hatte sich anders hingesetzt, als die Fragen in eine andere Richtung gingen, und Kate bemerkte, dass sie sich entspannte. »Wo genau waren Sie, als Sie das dumpfe Geräusch der Schritte hörten?«

»Direkt vor der Tür von Guys Büro.« Ellen setzte sich wieder gerade hin, als sie sich erinnerte, dass sie gerade in dem Moment aus Guys Fenster hinaus auf die grünen Berge und den Nebel über dem Ozean gesehen hatte.

»Und wo waren Sie, als Sie hörten, wie die Tür zuschlug?«

»Immer noch vor Guys Büro. Es war nur ein paar Sekunden später.«

»Ich verstehe. Was taten Sie dann?«

»Nichts. Das Geräusch kam aus der Richtung von Fergus Parkers Büro, also nahm ich an, seine Tür wäre zugeknallt worden, was mich nichts anging.«

»Aber haben Sie sich überhaupt nicht von der Stelle bewegt? Wo genau waren Sie zu dem Zeitpunkt? Sind Sie zurück zur Küche gegangen?«

Ellen konzentrierte sich. »Es könnte sein, dass ich einen Schritt in diese Richtung gegangen bin. Aber dann hörte ich das Geräusch von zersplitterndem Glas, und ich rannte den Korridor hinunter.«

»Rannte?«

»Ich hatte die Kaffeekanne in der Hand, aber ich lief so schnell ich konnte. Als ich zu seinem Büro kam, wurde ich langsamer.«

Mit voller Absicht starrte Kate sie ungläubig an. Dann sagte sie mit kalter Skepsis in der Stimme: »Sie beschlossen, dem Beben, den dumpfen Schritten und einer zuknallenden Tür nicht weiter nachzugehen, aber Sie rannten den Korridor entlang, weil Sie Glas splittern hörten?«

Diese eisblauen Augen – als würde sie einen aufspießen. Um Himmels willen, glaubt sie etwa, ich habe mir das ausgedacht? »Sehen Sie, es war ein so lautes Geräusch. Die Art, wie das Glas splitterte, klang irgendwie … ich weiß nicht, gewalttätig, so als würde etwas Schreckliches geschehen.«

»Es geschah etwas Schreckliches«, sagte Kate ruhig, die Gelegenheit nutzend. »Ein Mann starb. Miss O’Neil, haben Sie irgendetwas ausgelassen, haben Sie irgendetwas nicht erwähnt, das Sie im Korridor hörten oder sahen? Irgend etwas?«

Ellen zögerte. Die blauen Augen hielten sie fest, die Stimme klang zwingend. Aber wenn sie jetzt etwas sagte, würde das der Sache nur noch mehr Gewicht verleihen, und Guy war so freundlich zu ihr gewesen … »Das ist alles, woran ich mich im Moment erinnern kann«, sagte sie. »Aber ich werde noch einmal darüber – über alles noch einmal nachdenken.«

»Gut.« Die Gelegenheit war vorbei, aber die Antwort war zumindest hinhaltend gewesen. »Was geschah dann?«

Ellen O’Neil traten die Tränen in die Augen. Kate ließ sie reden, ohne sie zu unterbrechen. Sie machte sich keine Notizen. Ohne sich zu rühren, hörte sie zu, wie Ellen detailliert beschrieb, wie sie die Leiche entdeckt hatte; wie sie begriffen hatte, dass der Mörder überall im Büro sein könnte; wie sie im Empfangsraum vorgegangen war; wie die Wachleute heraufgekommen waren. Als Ellen O’Neil beschrieb, wie die Wachleute mit gezogener Pistole auf sie zugekommen waren und wie sie sich dann mit dem Fahrstuhl in Sicherheit gebracht hatten, brach ihre Stimme.

»Viele Leute – die meisten – hätten geschrien, wären voller Panik losgerannt, hätten es vielleicht – wahrscheinlich – geschafft, sich umbringen zu lassen.« Kate sprach langsam, blätterte die Seiten ihres Notizbuches um, strich sie glatt, um Ellen O’Neil Zeit zu geben, sich zu fassen. Sie war schon immer der Ansicht gewesen, dass ihr Mangel an Empfänglichkeit für Tränen ein Vorteil war, den sie gegenüber männlichen Kriminalbeamten hatte, die in Gegenwart einer schluchzenden Frau meistens ziemlich aufgelöst waren, während sie einen schluchzenden Mann mit kalter Verachtung behandelten. Tränen waren eine gesunde Reaktion, das war alles; sie beneidete jeden, ob Mann oder Frau, der zu etwas fähig war, wozu sie nicht in der Lage war. »In den meisten Fällen«, sagte sie, »wird sich ein Mörder um jeden Preis vor einer Entdeckung schützen. Sie haben die Art Geistesgegenwart bewiesen, die wir unseren PolizeibeamtInnen beibringen.«

Ellen errötete vor Freude über das Kompliment dieser strengen Frau und murmelte »Danke.« Dann starrte sie Kate Delafield an, die ihr Gesicht in den Händen vergrub, einen tiefen, zitternden Atemzug machte und sich dann mit den Händen durch das ergrauende Haar fuhr. Ob sie an irgendeiner Krankheit litt?

Wie eine Schwimmerin, die aus der Tiefe kommt und nach Luft ringt, tauchte Kate aus der tiefen Qual der Erinnerung auf – aus der Erinnerung an Annes erhitztes Gesicht, nachdem sie sich geliebt hatten. »Miss O’Neil.« Ihre Stimme schien in ihrem Brustkorb widerzuhallen. »Ich weiß, dass dies alles nicht leicht für Sie ist. Aber würden Sie mich durchs Büro begleiten und mir vorführen, was Sie eben beschrieben haben?«

»Natürlich«, sagte Ellen sanft.

Sie gingen in den Empfangsraum, durch die gegenüberliegende Tür in Ellens Büro und dann den Flur entlang. Ellen hielt vor Matt Bradfords Büro an. »Hier bin ich zuerst reingegangen.«

Ein beleibter Mann mit schütterem Haar, der kein Jackett trug und dessen gelockerte Krawatte von dem offenen Kragen seines weißen Hemdes herabhing, saß über den Schreibtisch gebeugt da und sah Blaupausen durch. Er blickte nicht auf. Kate nahm Ellens Arm und führte sie ein Stück weiter den Korridor hinunter.

»Miss O’Neil, war die Tür von Matt Bradfords Büro offen?«

»Ja, aber er war gestern nicht im Haus, die Tür stand den ganzen Tag offen.«

»Wissen Sie, warum er nicht da war?«

Ellen schüttelte den Kopf. Kate machte sich eine Notiz; sie würde Gail Freeman fragen.

»Dann habe ich hier hineingesehen.« Ellen öffnete die Tür zur Buchhaltung.

»Hallo, Cagney!«, kreischte Judy Markham.

Alle Tätigkeit kam zum Stillstand; ein Meer von Gesichtern wandte sich ihnen zu. Die Leute stießen sich gegenseitig an, zeigten auf sie. Ellen trat einen Schritt zurück und ließ die Tür zufallen.

»Lieber Himmel«, flüsterte sie.

Kate sagte ruhig: »Wer war das noch, der vorhergesagt hat, jeder könnte für zwanzig Minuten berühmt werden?«

»Andy Warhol«, antwortete Ellen automatisch, immer noch fassungslos.

»In spätestens zwei Tagen wird alles so sein wie immer. Versuchen Sie, sich deswegen keine Sorgen zu machen. Gehen wir weiter.«

Kate überprüfte einige Notizen, während sie langsam an den offenen Büros vorbeigingen und hineinsahen. Fred Grayson blickte auf und beugte sich wieder über seine Akten. Harley Burtons Büro war leer. Duane Fletcher hatte ihnen seinen breiten, gelbgekleideten Rücken zugewandt, die Hände hinter seinem kahlen Kopf verschränkt, die Füße auf den niedrigen Bücherschrank gelegt, und starrte aus dem Fenster. Gretchen Phillips telefonierte. Sie sprach mit leiser, ruhiger Stimme ins Telefon, während sie die Papierberge, die ihren Schreibtisch unter sich begruben, durchwühlte.

Billie Sullivan trottete an ihnen vorbei, die strähnigen, karottenroten Haare flatterten. Sie hatte ihrer aus einem Khakirock und einem flauschigen marineblauen Pullover bestehenden Kleidung ein neues Element hinzugefügt: ihre Beine wurden von gerippten grauen Legwarmers bedeckt.

»Das ist Billie Sullivan«, sagte Ellen und kicherte, als sie das Erstaunen auf Kate Delafields Gesicht sah.

»Ja, ich weiß.« Kate beobachtete Billie Sullivan, bis sie um die Ecke bog. »Unwirklich.«

Ellen dachte an das, was an diesem Tag geschehen war, und sagte ernst: »Gail will sie feuern.«

»Ja, das hat er mir gesagt«, sagte Kate nachdenklich. Ein Gespräch mit Billie Sullivan könnte interessant werden. Vielleicht zwei Gespräche – eins vor und eins nach der Kündigung.

Beim Konferenzraum sagte Ellen: »Bis hierher bin ich gekommen.«

Kate warf einen kurzen Blick auf den Korridor hinter sich, dann ging sie auf Fergus Parkers Büro zu, das am Ende des Flurs lag. Vor einem erleuchteten Schild mit der Aufschrift Ausgang blieb sie stehen. Sie öffnete die schwere Metalltür, die zum Treppenhaus führte, ließ sie zufallen, bremste den Schwung mit dem Fuß ab. Sie ging mit schnellen Schritten auf Fergus Parkers Büro zu, maß die Entfernung mit Schritten ab.

Die Tür des Waschraums der leitenden Angestellten wurde aufgestoßen, und Harley Burton kam mit großen Schritten in den Flur geeilt und krempelte dabei die Ärmel seines kreideweißen Hemdes herunter. Er nickte kurz, als er auf Kate zukam, sein dunkler, starrer Blick durchbohrte sie. Er ging weiter, auf sein Büro zu. Sie hörte Ellens gemurmelten Gruß und Harley Burtons barsche Erwiderung.

Sie gingen auf demselben Weg zurück. Ellen ging ungeduldig voran, an Gail Freeman vorbei, der gerade telefonierte und Kate spöttisch einen militärischen Gruß zuwarf. In der Küche rekonstruierte Ellen ihre Handlungen vom Morgen, goss sich Kaffee ein und ging dann mit dem Styroporbecher und einer halbgefüllten Kaffeekanne in den Korridor, auf Guy Adams’ Büro zu.

Ellen lächelte. Guy saß auf seinem Schreibtisch und redete emphatisch gestikulierend auf eine dünne junge Frau mit krauser Löwenmähne ein. Er erhob sich, als er Ellen erblickte, murmelte eine Entschuldigung und kam zu ihnen auf den Flur.

»Ellen, ist alles in Ordnung? Sind Sie okay?«

Anspannung in der Stimme, dachte Kate. Und wie er sie anstarrt …

»Kann ich etwas für Sie tun?« Seine Frage war an Kate gerichtet, aber sofort richtete sich sein Blick wieder auf Ellen O’Neil.

Vielleicht von Natur aus angespannt, dachte Kate. Und er scheint völlig hingerissen von ihr zu sein … »Ich werde Ihnen später einige Fragen stellen, Mr. Adams.« Als er nicht reagierte, fügte sie verabschiedend hinzu: »Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen würden.«

Gehorsam ging Guy Adams in sein Büro zurück, blieb aber an der Schwelle stehen und sah ihnen zu. Kate sagte: »Miss O’Neil, ich möchte, dass Sie mir sagen, ob das, was Sie jetzt hören werden, das ist, was Sie heute Morgen gehört haben.«

Ellen wandte sich Guys Büro zu, wie sie es am Morgen getan hatte, dann warf sie einen kurzen Blick auf Kate Delafield, die den Korridor herunterging, aufrecht und gepflegt in ihren grauen Hosen und der Cordjacke; ihr Gang war fest und entschlossen. »Ich habe in diese Richtung gesehen«, sagte sie leise zu Guy. »Soweit ich mich erinnere, war die Tür Ihres Büros geschlossen.«

Sie erforschte sein Gesicht; seine grünen Augen starrten sie stumpf an. Sie wandte sich ab und blickte den Flur hinunter. Vielleicht weiß er nicht, dass die Tür offen war, dachte sie; vielleicht erinnert er sich nicht einmal.

Kate war bei der Tür zum Empfangsraum angekommen. Sie öffnete sie weit und ließ sie los. Die durch eine Luftdruckbremse stoßgedämpfte Tür schloss sich mit würdevoller Langsamkeit und schnappte mit einem kräftigen Geräusch zu.

»Es war viel lauter«, rief Ellen.

Kate ging hinüber zu Fergus Parkers Büro, ergriff die Klinke, knallte die Tür heftig zu.

Ellen kam ein Stück den Korridor herunter. »Die Lautstärke stimmt, aber es war nicht ganz so nahe; eben hat der Boden unter meinen Füßen vibriert, und heute Morgen hat er das nicht getan, nur von den Schritten. Und außerdem stand diese Tür weit offen, als ich hier ankam.«

Kate dachte nach und zerrte geistesabwesend an dem Pistolenhalfter, das unter ihrer Jacke gegen ihre Hüfte scheuerte. »Vielleicht wollte der Mörder gerade herauskommen, als er Sie kommen sah und die Tür voller Panik zuknallte. Dann dachte er sich, dass Sie wahrscheinlich ohnehin hereinkommen würden, also öffnete er sie wieder, versteckte sich dahinter und wartete.«

Ellen O’Neil erschauderte, und Kate sagte schnell: »Dieses Szenario ist äußerst unwahrscheinlich. Er hätte keinen Grund gehabt, die Tür wieder zu öffnen. Es ist wahrscheinlicher, dass er hinter der geschlossenen Tür gewartet hätte.«

Ellen trank einen Schluck Kaffee, beruhigte sich und dachte nach. »Hmm, nein. Er könnte sich gedacht haben, dass er dann hilfloser wäre. Er hätte abwägen müssen, wann er am besten herauskommen könnte, und ich hätte ihn sehen und entkommen können, es hätte inzwischen noch jemand im Korridor sein und mir helfen können. Und so, wie Fergus Parker getötet wurde, weiß ich nicht, ob der Mörder überhaupt noch eine weitere Waffe bei sich hatte, es sei denn, er hätte irgendeine Art Knüppel gehabt.«

Kate, die anderer Meinung war, nickte voller Respekt für Ellens Logik. »Möglich. Aber ich bezweifle, dass ein Mörder nach einer solchen Tat so besonnen und mit so viel kühler Überlegung handeln würde. Sein Instinkt würde ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Weglaufen zwingen. Miss O’Neil, ich würde gern noch etwas ausprobieren. Würden Sie noch einmal dorthin zurückgehen, wo Sie eben standen?«

Sie wartete, bis Ellen sich wieder vor Guy Adams’ Büro aufgestellt hatte. Adams stand immer noch auf der Türschwelle und sah zu, seine kraushaarige Besucherin war gegangen. Kate bog um die Ecke, ging auf den Konferenzraum und auf die mit Ausgang markierte Tür zum Treppenhaus zu. Sie öffnete die Feuertür weit und ließ sie los. Die Tür gewann sehr schnell an Wucht und schlug mit dröhnendem Donnerhall ins Schloss.

»Das ist es! Das ist es!«, rief Ellen O’Neil.

Kate nahm eine Bewegung wahr; Gretchen Phillips streckte den Kopf aus ihrer Tür und verschwand ebenso schnell wieder in ihrem Büro. Als Kate um die Ecke bog, eilte Ellen unbeholfen auf sie zu, die Kaffeekanne unter den Arm geklemmt.

»Ich bin ganz sicher, dass es das war. Die Tür zum Treppenhaus also?«

»Richtig. Kommen Sie, lassen Sie mich die Kanne nehmen.« Kate lächelte. »Sie brauchen mir nicht zu zeigen, wie Sie sie fallen ließen.« Sie war erfreut, als Ellen O’Neil lachte.

»Dann ist der Mörder also die Treppen hinuntergerannt?«

»Wahrscheinlich. Ich nehme an, er ist in die Tiefgarage gelaufen.«

»Aber das sind sechzehn Stockwerke. Wie kann er das schnell genug geschafft haben? Rick und Mike haben gesagt –«

»Entschuldigen Sie.« Gail Freeman war zu ihnen getreten. »All die Infos, all die Akten, die Sie haben wollten, sind im Konferenzraum. Er ist abgeschlossen.« Er warf Kate einen Schlüssel zu, den sie geschickt mit ihrer freien Hand auffing. »Die Informationen sind vertraulich.«

Kate steckte den Schlüssel ein. »Ich werde dafür sorgen, dass angemessene Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.« Sie sah auf die Uhr. »Miss O’Neil, ich werde Ihnen noch weitere Fragen stellen müssen. Sagen wir, um halb zwei. Im Konferenzraum.« Sie wandte sich Gail Freeman zu. »Falls Inspektor Taylor nach mir fragen sollte, ich bin bei Mr. Grayson.« Ellen sah Kate Delafield bewundernd nach, bis sie um die Ecke verschwand.

Kapitel 4

Kate sah sich langsam um, erstaunt über die farblose Einrichtung des großen Eckbüros von Fred Grayson, dem Verkaufsdirektor von Modern Office Inc. Die prosaische, spießige Sitzgarnitur war mit beigefarbenem Cord bezogen. Ein einfacher Couchtisch aus Walnussholz war passend zu zwei Lampentischchen ausgesucht, die blassblauen Lampen passten ebenfalls dazu. Bücher standen in Dreier- oder Vierergruppen zwischen hölzernen Buchstützen. Fotografien drängten sich in kleinen Gruppen an den weit und riesig wirkenden Wänden zusammen. Ein winziger Tisch mit einem herunterhängenden Philodendron darauf war unentschlossen an einer Wand platziert worden. Eine Reihe scharfer, kürzlich entstandener Einkerbungen, die von den Tischbeinen herrührten, waren im Teppichboden zu erkennen. Auf dem Schrank hinter Fred Grayson, der an einem massiven Eichenschreibtisch saß, stand die sorgfältig in Positur gestellte Fotografie einer braunhaarigen Frau, die am äußersten Ende eines beigen Sofas saß. Neben ihr hockten steif drei Kinder, nach abnehmender Größe geordnet.

Fred Grayson zog an einem Zigarillo, wobei ein feiner Aschenregen auf seine dunkelgrüne Krawatte und seine Schreibunterlage fiel. »Ich bin reichlich überrascht, dass sie den Leuten hier erlauben, raus- und reinzulaufen. Sie lassen sie sogar zum Essen gehen.«

Kate nahm ihr Notizbuch heraus. »Wir haben keine Wahl. Wir können die Leute nicht einsperren, solange wir noch dabei sind, zu ermitteln und Hintergrundinformationen zu sammeln.«

Fred Grayson zog seine buschigen graubraunen Augenbrauen hoch. »So-o?«, sagte er. Er dehnte das Wort in zwei langgezogene Silben aus; die versteckte Beleidigung wirkte fast komisch.

»Alle Informationen, die Sie haben, könnten sehr wertvoll für uns sein«, sagte Kate ermunternd. »Sie könnten sogar zur Ergreifung des Mörders führen.«

Grayson rückte seine Hornbrille zurecht, zog an seinem Zigarillo und musterte sie abschätzend. »Die Frau meines Neffen ist auch bei der Polizei, vielleicht kennen Sie sie. Denise Grayson. Aus Pasadena. Sie ist bei der … äh … Verkehrspolizei.«

Eine Politesse, dachte Kate. »Ich glaube kaum. Mit denen hatte ich nie etwas zu tun. Allein bei der Kriminalpolizei sind wir fast siebentausend Leute.«

»Sicher.« Grayson nickte nachdrücklich. »Denise ist ein kleines Ding – ein kluges Mädchen, das gebe ich zu. Jetzt, wo die Politiker die Anforderungen so sehr gesenkt haben, redet sie immer öfter von einer Karriere bei der Polizei.«

Kate sah Grayson an und schwieg.

»Natürlich habe ich nicht Sie gemeint«, sagte Grayson hastig und wich ihrem Blick aus. »Zumindest sind Sie groß genug, eins vierundsiebzig, stimmt’s? Und Sie sehen aus, als könnten Sie sich ohne Weiteres behaupten. Nicht, dass ich selbst jemals diese Art von Hilfe brauchen würde, aber es würde mir überhaupt nicht gefallen, wenn eine von diesen neuen, eins sechzig großen Damen Polizistinnen versuchen würde, mir aus der Patsche zu helfen, wenn irgendwelche Schlägertypen mir ans Leder wollen.«

»Das würde sie sicher auch nicht versuchen«, sagte Kate milde und taxierte die breiten Schultern unter dem grüngestreiften Hemd, den hervortretenden Bizeps. »Jedes größere Polizeirevier hat heute speziell ausgebildete Teams für derartige Einsätze. Allerdings, wenn sie eingreifen würde, könnten Sie eine Überraschung erleben. Bei einem Kampf ist eher das Training entscheidend, nicht die Größe.«

»Eine viel zu gefährliche Arbeit für Frauen«, verkündete Fred Grayson.

Kate zuckte die Achseln. Sie würde nicht versuchen, ausgerechnet einen Typen wie Fred Grayson politisch aufzuklären, dazu war ihr jede Minute zu schade. Kühl bemerkte sie: »Die Vorstellung, dass Polizeiarbeit lebensgefährlich ist, wird durch Fernsehserien vermittelt. Die gesamte Polizei von Los Angeles gibt in einem Jahr nicht so viele Schüsse ab, wie bei einigen dieser Serien in fünfundvierzig Minuten fallen. Die Todesrate liegt bei vielen anderen Berufen weit höher. Im Bergbau. Auf dem Bau. Sogar in der Landwirtschaft.«

»In der Zeitung steht ständig was über Polizisten, die erschossen worden sind.«

»Fast immer aus dem Hinterhalt. Und dabei spielt es keine Rolle, ob man eins sechzig ist oder eins neunzig. Aber die Erkenntnis setzt sich zunehmend durch, dass die Anwesenheit von Frauen in manchen Situationen sehr nützlich ist.« Fred Grayson sah immer finsterer drein. Er hatte angedeutet, dass er etwas wusste; sie würde das Gespräch wieder auf dieses Thema lenken.

»Mein Neffe«, sagte Grayson mit schwerer Stimme, »wird nicht zulassen, dass Denise sich in eine derartige Lage bringt. Obwohl sie nur ein kleines Ding ist, sollte sie verdammt noch mal mehr Verstand haben.«

Kate wählte ihre Worte sorgfältig, sie entschied, sich hart am Rand der Heuchelei zu halten. »Solche Entscheidungen sollten von den Leuten getroffen werden, die sich am besten auskennen und direkt davon betroffen sind, finden Sie nicht?«

»Verdammt richtig.« Wieder rückte Fred Grayson seine Brille zurecht. »Bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, ich will niemanden diskriminieren.«

»Mr. Grayson«, sagte Kate ungeduldig und hielt inne, um ihre Stimme etwas zu mildern. »Wissen Sie etwas, das für diese Untersuchung von Belang sein könnte?«

»Wenn man heutzutage auch nur irgendwas sagt, brüllt sofort jemand ›Diskriminierung‹«, fuhr Grayson verbissen fort. »Man wird so leicht missverstanden, wissen Sie.« Er sah sie eindringlich an, die haselnussbraunen Augen eulenhaft hinter den dicken Brillengläsern. »Wenn man irgendjemandem eine verdammte Tatsache über irgendeine rassische Minderheit erzählt, brüllen die Leute gleich ›Vorurteil‹. Alles zetert los, beschimpft einen als ›Fanatiker‹.«

Kate verstand und lehnte sich bequem in ihrem Stuhl zurück. Sie widerstand dem Drang, das Fußgelenk auf ihr Knie zu legen. Das hier war ihr nur allzu bekannt. Sie lächelte. »Ich mag ja eine Frau sein, aber mir ist niemals etwas geschenkt worden. Alles, was ich habe, habe ich mir hart erarbeitet. Und es ist eine statistisch belegbare Tatsache, wer für die meisten Verbrechen in unserer schönen Stadt verantwortlich ist.«

Fred Grayson strahlte. »Bei Gott, es tut gut, jemanden zu treffen, der versteht. Jemanden, mit dem man reden kann, nicht einen von diesen Sensibelchen … Ich selbst halte sehr viel von Statistik, wissen Sie.«

»Jemand hat mir gerade letzte Woche bewiesen, was für ein Unsinn Statistik sei. Er hat gesagt, wenn die statistische Lebenserwartung eines Menschen fünfundsechzig Jahre beträgt, heißt das noch lange nicht, dass er am Tag nach seinem fünfundsechzigsten Geburtstag stirbt.« Kate lachte leise. Die Situation amüsierte sie.

Fred Graysons dicke Augenbrauen sahen fast wie zusammengewachsen aus, so heftig sträubte er sie. Er gestikulierte mit seiner Zigarre und verstreute Asche. »Die Leute wissen einen Scheißdreck über Statistik, sie argumentieren immer mit solchem Stuss. Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, aber …«

Kate, die bei dieser Vernehmung den Mann-Frau-Aspekt gerne hinter sich lassen wollte, unterbrach ihn. »Vergessen Sie Ihre Ausdrucksweise. Da können Sie sowieso nichts mehr sagen, was ich nicht schon kenne. Ich bin ganz andere Sachen gewöhnt.« Abrupt änderte sie das Gesprächsthema, fragte unverblümt: »Was haben Sie hier, fünf oder sechs Schwarze? Ein paar Latinos?«

»Die drei Bohnenfresser sind in Ordnung. Ruhig, kümmern sich um ihre eigenen Angelegenheiten, versuchen nicht, die Firma zu übernehmen. Aber die Nigger …« Er stieß eine enorme Rauchwolke aus und beobachtete Kate. »Verzeihen Sie, aber ich finde immer, man sollte Kaffern auch Kaffern nennen.«

Mit voller Absicht lächelte Kate. Grayson lachte, klatschte mehrmals schwer mit seiner dickfingrigen Hand auf den Schreibtisch. »Gut, mal jemanden zu treffen, der versteht«, wiederholte er. »Polizisten wissen eben, wie es in der wirklichen Welt aussieht. Hier im Büro sind fünf Nigger, zwei weitere sind im Außendienst. Der eine ist verdammt unverschämt, der tintenschwarze Bastard. Er arbeitet für Duane, im südöstlichen Bezirk. Kein weißer Mann, der etwas auf sich hält, würde je diesen Bezirk übernehmen. Gretchen hat auch einen, eine Fotz … eine Frau, Cassie Franklin.« Er sah bedeutungsvoll auf Kates Notizbuch. »Sie machen sich eine Menge Notizen, wie ich sehe. Wichtig, was ich Ihnen erzähle, was?«

»Gründliche Notizen sind bei einem Mordfall sehr wichtig. Sie wollen also sagen, dass Sie annehmen, die schwarzen Beschäftigten wären in den Fall verwickelt?«

»Kommen Sie, Fergus ist erstochen worden. Ihr Polizisten wisst doch, dass die schwarzen Affen Messer lieben. Nigger lieben es, Weiße aufzuschlitzen.«

Kate schlug eine neue Seite hinten in ihrem Notizbuch auf und notierte einige Wörter. Beim Aufblicken sah sie, dass Grayson sie mit Befriedigung betrachtete. Sie sagte: »Sie wissen, dass noch niemand aufgrund von Statistiken und bloßen Verdächtigungen verhaftet worden ist.«

»Sicher, ich bin ja nicht blöd. Ich habe einen Hauptverdächtigen für Sie. Den Hauptnigger.«

»Mr. Grayson, ich bin mit diesem Unternehmen und den hier Beschäftigten nicht so vertraut.«

Grayson sagte ungeduldig: »Der Typ, mit dem Sie im Flur gesprochen haben, der Nigger mit dem Frauennamen. Der Nigger, den sie in den verdammt falschen Job gedrängt haben.« Grayson stieß mit seinem Zigarillo gegen einen metallenen Aschenbecher, die Asche balancierte auf der Kante, fiel auf den Schreibtisch.

»Macht Gail Freeman seine Arbeit nicht gut?«

»Hören Sie zu. Ein Mann in meiner Position braucht eine Sekretärin. Bevor er kam, hatte ich eine Sekretärin. Dann hat er den Betrieb … reorganisiert.« Der Tonfall triefte vor ätzender Säure. »Er sagte, Helen sei nicht … produktiv.« Er packte den Aschenbecher. Funken sprühten auf den Schreibtisch, als er dem Zigarillo das Leben ausdrückte. »Also hat er sie in diesem verdammten Großraumbüro dahinten untergebracht. Muss mit weiß der Teufel wem zusammenarbeiten, Filipinos, Niggern. Eine Japse sagt ihr, was sie zu tun hat. Helen hasst es.«

»Wie unangenehm«, sagte Kate gleichmütig. »Aber welches Motiv könnte Freeman für den Mord an Fergus Parker gehabt haben?«

»Hass, schlicht und einfach Hass. Er hasste ihn wie die Pest. Der Nigger ist Philadelphia direkt unterstellt, wissen Sie. Also konnte Fergus ihn nicht feuern. Aber er machte dem Nigger das Leben zur Hölle. Erhob Einwände gegen alle größeren Anschaffungen, die er machen wollte, gegen alle Änderungen, die er im Büro vornahm. Aber diese Idioten dahinten im Osten, die wollen diese verdammten Computer, die lieben diese Textverarbeitung. Alles ist heutzutage im Computer. Ein Mann kann noch nicht einmal mehr ein Mädchen einen Aktenschrank aufmachen und ein verdammtes Stück Papier heraussuchen lassen. Verstehen Sie mich nicht falsch, Computer sind in Ordnung. Erstaunlich, würde ich sogar sagen. Aber es macht keinen Spaß mehr. Früher konnte man Bockmist bauen und es aussitzen. Wenn man richtig geraten hatte, stand man bei der Jahresabrechnung als Held da. Wenn man das heute macht, zückt irgendein beschissener Jüngling, der sich noch nicht mal rasiert, seinen Taschenrechner, und man steht da wie frische Pferdescheiße.«

»Ich ermittle in einem Mordfall«, unterbrach ihn Kate gelangweilt und verärgert. »Ich brauche ein angemessenes Motiv für Mord. Man bringt nicht einfach jemanden um, den man nicht ausstehen kann. Andernfalls«, fügte sie mit einem versteckten bösen Blick auf Fred Grayson hinzu, »wären die meisten von uns tot.«

»Ich wollte gerade darauf kommen«, sagte Grayson gekränkt. »Wir waren im Büro des Niggers, Fergus und ich. Es ging um den neusten Geistesblitz des Niggers. Er wollte eine Wand des Empfangsraums einreißen, damit diese Kriecher aus der Sekretariatsabteilung mehr Platz haben. Modulare Arbeitsbereiche, es ist wirklich nicht zu fassen. Wir brauchen einen Empfangsraum, um Himmels willen. Stellen Sie sich vor, unsere Kunden kommen, um Büroeinrichtungen zu kaufen, und wir haben diese winzig kleine Empfangshalle, nur weil unser kluger Junge …«

»Mr. Grayson«, sagte Kate kalt.

»Ich wollte Ihnen nur zeigen, wie er denkt, unser tüchtiger Innendienstleiter.« Grayson starrte sie wütend an, seine dicken Finger trommelten auf den Schreibtisch. Er kramte in einer Schublade, zog eine Packung Tiparillos heraus. »Rauchen Sie?«

»Seit Jahren nicht mehr. Meine … Ich habe das Rauchen aufgegeben.«

»Meine Frau ist deswegen immer hinter mir her. Ich rauche gelegentlich diese Dinger. Sie schmecken wie Scheiße. Aber wenn so jemand wie Fergus stirbt, er war erst achtundvierzig, das müssen Sie sich mal vorstellen …« Er holte einen Zigarillo hervor, betrachtete ihn, steckte ihn zwischen seine fleischigen Finger, kramte in einer anderen Schublade nach Streichhölzern.

Kate setzte sich anders hin, legte das Fußgelenk auf ihr Knie; mittlerweile war ihr ganz gleich, was Grayson davon halten würde. Sie dachte ärgerlich, dass Männer, die Macht hatten, andere immer durch kleinliche Tyranneien schikanierten, dass sie immer voll Arroganz davon ausgingen, dass ihre Zeit wertvoller war als die aller anderen.

»Die Geschichte ist eigentlich ganz witzig.« Grayson zog an seinem Zigarillo. »Wie ich schon sagte, wir waren im Büro des Hauptniggers; es gab eine Auseinandersetzung. Fergus warnte ihn davor, sich wieder an Guy zu wenden, wie er es gemacht hatte, als er gutes Geld für diesen Textverarbeitungsraum verschwendete, aber das ist eine andere Geschichte. Dann stand Fergus auf, wanderte im Zimmer herum und nahm das Familienfoto des Niggers in die Hand. ›Hübsche Frau‹, sagte Fergus, ›hübsche Töchter. Erinnert mich daran, wie ich zum ersten Mal mit einer Schwarzen ins Bett ging‹. Verstehen Sie? Fergus benahm sich absolut korrekt, er benutzte das korrekte Wort, sagte nicht das, was er normalerweise sagen würde, wie zum Beispiel – nun, Sie wissen schon. Also kann dieser Nigger keinen Anstoß nehmen, verstehen Sie, was ich meine?«

Kate, die in ihr Notizbuch schrieb, nickte.

»›Sie sah Marian ziemlich ähnlich‹, sagte Fergus. Marian ist Mrs. Nigger. ›Ihre Titten waren genauso groß‹, sagte Fergus. ›Hatte auch genau die gleiche Figur. Sie liebte es. Sagte, sie würde es einfach lieben, wenn ein weißer Mann es ihr machen würde.‹ Verstehen Sie, was Fergus vorhatte?«

»Ja«, sagte Kate.

»Dann sagte Fergus: ›Das ist Ihre ältere Tochter, stimmt’s? Pauline, heißt sie nicht Pauline?‹ Fergus hatte ein sehr gutes Namensgedächtnis. Und der Nigger nickt, sein Adamsapfel hüpft auf und ab, so heftig schluckt er, er starrt Fergus an, die Augen treten ihm fast aus den Höhlen. ›Ich hatte auch mal eine, die genau in Paulines Alter war, ‹ sagte Fergus. ›Ich hab’s ihr von hinten gegeben, so wie Hunde es machen. Sie sagte, bei einem weißen Mann hätte sie es so am liebsten‹.« Grayson brüllte vor Lachen. »Und Fergus redete immer weiter, stundenlang, ich will nicht alle Details erzählen, Sie können sich vorstellen, wie es war. Haben Sie jemals einen Nigger weiß werden sehen, Detective? Dieser Nigger war weiß unter seiner scheißfarbenen Haut. Dieser Nigger war völlig am Boden zerstört. Und Fergus schlenderte aus dem Raum, und ich folgte ihm, aber ich blieb ein bisschen zurück und sah kurz um die Ecke, und dieser Neger stand da, starr wie ein Laternenpfahl und sagte: ›Ich bringe ihn um, ich bringe ihn um, ich bringe ihn um … ‹«

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23 aralık 2023
Hacim:
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9783867549844
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