Kitabı oku: «Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern», sayfa 6

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3. Widerspruchsrecht bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

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Noch eindringlicher als bei § 99 BetrVG stellt sich die Korruptionsgefahr beim ähnlich konzipierten Kündigungswiderspruchsrecht des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG dar. Zwar hindert der Kündigungswiderspruch des Betriebsrats die Kündigung als solche rechtlich nicht, jedoch hat er einen prozessualen Weiterbeschäftigungsanspruch zur Folge, den zu vermeiden im hohen Arbeitgeberinteresse liegt, wie später zu zeigen ist. Doch zunächst zu den Voraussetzungen des § 102 BetrVG:

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Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Ihm sind vom Arbeitgeber die Kündigungsgründe mitzuteilen. Sodann kann der Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG Bedenken gegen eine ordentliche Kündigung binnen einer Woche oder gegen eine außerordentliche Kündigung gemäß S. 3 binnen drei Tagen schriftlich mitteilen, wobei er zuvor gemäß Abs. 2 S. 4 den betroffenen Arbeitnehmer anhören soll, soweit dies erforderlich erscheint. Auch hier wird die Zustimmung gemäß § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG fingiert, wenn der Betriebsrat nicht innerhalb der Fristen Bedenken geltend macht. Bei der Geltendmachung von bloßen Bedenken kann der Betriebsrat sämtliche Gründe anführen, die für den Arbeitnehmer sprechen. Dies kann dem Arbeitnehmer in einem möglichen Kündigungsschutzprozess indirekt nutzen, indem es seine Stellung stärkt.[63]

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Macht der Betriebsrat seine Bedenken allerdings in der Form des Kündigungswiderspruchs gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG geltend, so ist er dabei an die Gründe der Ziffern 1 bis 5 des Absatzes 3 gebunden: So kann der Betriebsrat beispielsweise der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (Nr. 1) oder die beabsichtigte Kündigung gegen eine Richtlinie gemäß § 95 BetrVG über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt (Nr. 2).

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Nach der erwähnten Untersuchung des Max-Planck-Instituts zum Kündigungsschutzrecht wurden nur in sechs Prozent der Kündigungen Bedenken erhoben, ein ausdrücklicher Widerspruch erfolgte lediglich gegen acht Prozent der Kündigungen. Hatte der Betriebsrat aber der Kündigung widersprochen, so nahm der Betriebsrat in fast jedem dritten Fall von der Kündigung Abstand.[64]

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Aus Arbeitnehmersicht muss es vor diesem Hintergrund irritieren, dass demgegenüber in über sechzig Prozent der Kündigungen der Betriebsrat ausdrücklich zustimmte, ohne dass dies, wie oben dargestellt, im Rahmen des § 102 BetrVG überhaupt notwendig gewesen wäre. Gut jede vierte Kündigung wurde sogar von einem Betriebsratsmitglied mit unterschrieben.[65]

a) Vorläufiger Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG

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Als Folge eines Kündigungswiderspruchs seitens des Betriebsrats ergibt sich für den dennoch gekündigten Arbeitnehmer ein vorläufiger Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen von der Erhebung der Kündigungsschutzklage bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.[66] Dieser Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist ein gesetzlicher Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG, der durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage auflösend bedingt ist.[67] Er dient der Verbesserung der Effektivität des gesetzlichen Kündigungsschutzes, indem der Arbeitnehmer durch die Weiterbeschäftigung während des (manchmal Monate oder gar Jahre andauernden) Kündigungsschutzprozesses in den Betrieb integriert bleibt und ihm das Arbeitsentgelt als wirtschaftliche Existenzgrundlage während dieser Zeit erhalten bleibt. So wird verhindert, dass trotz einer unwirksamen Kündigung Fakten geschaffen werden, weil der Arbeitnehmer gezwungen ist, sich noch während des Kündigungsschutzverfahrens eine neue Arbeitsstelle zu suchen.[68] Selbst wenn die Wirksamkeit der Kündigung in letzter Instanz bestätigt werden sollte, kann der Arbeitnehmer den in dieser Zeit weiter gezahlten Lohn voll behalten. Auch wenn das Arbeitsgericht gemäß § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG den Arbeitgeber auf seinen Antrag hin ausnahmsweise aus den dort genannten Gründen[69] von seiner Weiterbeschäftigungspflicht entbindet, darf der Arbeitnehmer die bis zum Erlass der die Entbindung aussprechenden einstweiligen Verfügung gezahlte Vergütung behalten.[70]

b) Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch

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Legt der Betriebsrat keinen Widerspruch zugunsten des Arbeitnehmers ein, so bleibt ihm nur der vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch.[71] Dieser wird aus dem Arbeitsvertrag und dem hieraus resultierenden Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers anhand der Grundsätze von Treu und Glauben hergeleitet.[72] Die Grundsätze von Treu und Glauben erfordern eine Güterabwägung, so dass sich die Entscheidung darüber, zu wessen Lasten sich die Ungewissheit des Kündigungsschutzprozesses auswirkt, danach richtet, ob die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung die des Arbeitnehmers an einer Weiterbeschäftigung überwiegen, oder ob es umgekehrt ist. Außer im Fall der offensichtlich unwirksamen Kündigung wird das Arbeitgeberinteresse grundsätzlich über das des Arbeitnehmers gestellt, so dass dieser nur dann einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses hat, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schützenswerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Weiterbeschäftigung nicht entgegenstehen.[73] Von der Unwirksamkeit der Kündigung ist regelmäßig erst nach einem stattgebenden erstinstanzlichen Urteil auszugehen.[74] Sollte in der nächsten Instanz aber ein die Wirksamkeit der Kündigung bestätigendes Urteil ergehen, entfällt der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch wieder. Da hier kein gesetzlicher Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG besteht, entfällt bei Klageabweisung der Rechtsgrund für die Weiterbeschäftigung, weswegen der Arbeitnehmer in dieser Zeit ohne Rechtsgrund weiter beschäftigt worden ist. Damit hat die Rückabwicklung der wechselseitig empfangenen Leistungen nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung gemäß §§ 812 ff. BGB zu erfolgen.[75] Nach dem Saldierungsprinzip hat der Arbeitgeber den Wert der Arbeitsleistung gemäß § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen. Da dieser aber während der Dauer der erzwungenen Weiterbeschäftigung unter dem der tatsächlich gewährten Vergütung liegen kann, hat der Arbeitnehmer u.U. einen Teil der Vergütung zurückzugeben.[76]

c) Vergleich zwischen vorläufigem und allgemeinem Weiterbeschäftigungsanspruch

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Es zeigt sich also, dass der vorläufige Weiterbeschäftigungsanspruch für den Arbeitnehmer deutlich günstiger ist als der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch.

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Während die Weiterbeschäftigung nach dem Widerspruch des Betriebsrats die Regel darstellt, die nur ausnahmsweise bei Glaubhaftmachung der entsprechenden Gründe vom Arbeitgeber außer Kraft gesetzt werden kann, ist es beim allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch umgekehrt: Hier hat der Arbeitnehmer grundsätzlich bis zum Erlass des Urteils erster Instanz keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Er wird in diesem Fall häufig nicht auf den Abschluss der Instanz warten können und durch Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses Fakten schaffen müssen.

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Für den Arbeitgeber hingegen stellt die Pflicht, den gekündigten Arbeitnehmer selbst bei einer letztlich wirksamen Kündigung bis zur Rechtskraft des dies feststellenden Urteils weiterbeschäftigen zu müssen, eine erhebliche wirtschaftliche Belastung dar. Zudem beeinflusst es u.U. die Erfolgsaussichten des Arbeitgebers im Kündigungsschutzverfahren nachteilig, denn durch eine tatsächliche Weiterbeschäftigung verlieren personen-, verhaltens- und betriebsbedingte Kündigungsgründe an Bedeutung.[77]

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Damit gehen von einem Widerspruch des Betriebsrats im Kündigungsschutzverfahren bedeutende rechtliche und wirtschaftliche Folgen für beide Seiten aus – für den Arbeitnehmer positive, für den Arbeitgeber negative.[78]

d) Fehlende Transparenz und Korruptionsgefahr

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Zugunsten der Arbeitgeberseite begrüßt es Haas daher, dass die Betriebsräte von ihrem Widerspruchsrecht zurückhaltenden Gebrauch machen.[79] Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber jedenfalls einem mutwilligen Widerspruch des Betriebsrats bereits durch § 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG einen Riegel vorgeschoben hat, wonach der Arbeitgeber von seiner Weiterbeschäftigungspflicht entbunden werden kann, wenn der Widerspruch offensichtlich unbegründet war, ist offen, was unter einem zurückhaltendem Gebrauch machen vom Widerspruchsrecht zu verstehen sein soll. Aus Arbeitnehmersicht hat jedenfalls das Lob der Arbeitgeberseite für die Zurückhaltung der Betriebsräte einen fragwürdigen Beigeschmack. Geht die Zurückhaltung gar soweit, dass der Verzicht auf einen Kündigungswiderspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr nachvollziehbar ist, so wird der zweite Teil dieser Arbeit erweisen, ob dieses Verhalten sogar strafrechtliche Relevanz aufweist.

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Unter Korruptionsgesichtspunkten ist jedenfalls auch hier, wie bereits bei § 99 BetrVG, darauf hinzuweisen, dass nur zugunsten der Arbeitgeberseite die Nachvollziehbarkeit des Kündigungswiderspruchs durch das Begründungserfordernis gewährleistet wird. Demgegenüber besteht zum Nachteil des betroffenen Arbeitnehmers jedoch keinerlei Transparenz, wenn er sich die Frage stellt, warum der Betriebsrat keinen Widerspruch gegen seine Kündigung eingelegt hat.

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Der Grund für dieses Informationsgefälle besteht wohl auch hier in dem Umstand, dass der Gesetzgeber diese Situation gar nicht bedacht hat, weil er von der Grundannahme ausging, dass der Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung in seinem vorausgesetzten Bestreben, dem Arbeitnehmer zu helfen, nur zu beschränken und keineswegs zu bestärken oder gar zur Hilfestellung zu verpflichten ist. Die Situation, dass der Betriebsrat keinen Widerspruch einlegen würde, obwohl ein solcher begründet wäre, hat der Gesetzgeber daher offenbar nicht für regelungsbedürftig gehalten, denn Konfliktpotential sah er nur zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, nicht aber zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmer. Daher hielt er es auch nur im Konflikt zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat für notwendig, mit Hilfe der (nach h. M. abschließend normierten)[80] Widerspruchsgründe zugunsten des Arbeitgebers eine Begrenzung des Widerspruchsrechts auf diejenigen Fälle zu schaffen, in denen die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegen könnte. Aufgrund dessen fehlt es an einem Begründungserfordernis, wenn der nicht bedachte Fall eintritt, dass der Betriebsrat zu Lasten des Arbeitnehmers eine arbeitgeberfreundliche Entscheidung trifft. Es wird dem Betriebsrat daher leichter gemacht, sich durch ein Unterlassen des Kündigungswiderspruchs ohne jeden Begründungsaufwand auf die Seite des Arbeitgebers zu stellen, als zugunsten des Arbeitnehmers der Kündigung zu widersprechen. Auch hierdurch mag sich erklären lassen, dass in der weit überwiegenden Anzahl der Kündigungen kein Widerspruch erfolgt.[81] Dass der Betriebsrat nicht ernsthaft befürchten muss, wegen eines pflichtwidrig unterlassenen Widerspruchs vom Arbeitnehmer zur Verantwortung gezogen zu werden, dürfte ein solches Unterlassen noch befördern, denn hier gilt das oben zur Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen gemäß § 99 BetrVG Gesagte entsprechend. Ebenso wie dort kann der Betriebsrat auch bei der Ausübung seines Widerspruchsrechts gemäß § 102 BetrVG in keiner Weise durch den betroffenen Arbeitnehmer kontrolliert oder gar von ihm zum Widerspruch bewegt werden. Im Hinblick auf etwaige Sanktionen ist auch hier der Antrag gemäß § 23 Abs. 2 BetrVG das Äußerste,[82] obwohl die Folgen eines ausgebliebenen Widerspruchs trotz vorliegender Widerspruchsgründe für den Arbeitnehmer von erheblicher, u.U. existenzieller, Bedeutung sein können.

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Diese umfassende Freiheit von Kontrolle im Hinblick auf seine Entscheidung begünstigt auch hier die Gefahr von Koppelungsgeschäften zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer.

4. Das Zustimmungserfordernis gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG

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Während der Kündigungswiderspruch die Wirksamkeit der Kündigung nicht beeinflusst, sondern nur ihre Folgen abmildern kann, wird die Verantwortung des Betriebsrats nochmals erhöht, wenn eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat existiert, die sogar die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Kündigungen von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig macht, § 102 Abs. 6 BetrVG.[83]

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Da sich Betriebsrat und Arbeitgeber im Vorfeld der Kündigung über diese einigen, entfallen folgerichtig die Anhörung des Betriebsrats gemäß Abs. 1, die Möglichkeit eines Kündigungswiderspruchs durch den Betriebsrat gemäß Abs. 3 und auch ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gemäß Abs. 5.[84]

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Zudem können in der Betriebsvereinbarung ganz andere Maßstäbe für die Unzulässigkeit einer Kündigung vereinbart werden, als Abs. 3 für den Kündigungswiderspruch vorgibt.[85] Allerdings haben die frei vereinbarten Maßstäbe die Grundgedanken der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG und die Verpflichtung des § 75 BetrVG zur Gewährleistung der Behandlung der Betriebsangehörigen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu beachten.[86]

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Nur dann, wenn der Betriebsrat mit dem Kündigungsvorhaben des Arbeitgebers nicht einverstanden ist, wird die Einigungsstelle bzw. das Arbeitsgericht angerufen, allerdings nur zwecks Herbeiführung von Einigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Die Gesichtspunkte des Kündigungsschutzgesetzes sind in diesem Verfahrensstadium nicht zu erörtern; sie werden erst in einem möglichen Kündigungsschutzprozess relevant.[87]

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Wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich über die Kündigung einig sind, kann der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes erheben.[88]

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Durch das Zustimmungserfordernis gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG wird der Einfluss des Betriebsrats auf die Aussprache einer Kündigung des Arbeitgebers noch einmal wesentlich erhöht. Auf den ersten Blick ist dies auch für den Arbeitnehmer vorteilhaft: Ohne die Zustimmung des Betriebsrats kann der Arbeitgeber zunächst nicht wirksam kündigen. Das Arbeitsverhältnis wird bis zu einer Einigung der Betriebsparteien fortgesetzt. Die damit angenommene Stärkung von Arbeitnehmerrechten setzt jedoch voraus, dass der Betriebsrat tatsächlich gegenüber dem Arbeitgeber unabhängig für die Rechte des Arbeitnehmers eintritt. Aber welche Rechte dies zukünftig sein sollen oder welche Umstände einer Kündigung entgegenstehen sollen, vereinbaren Arbeitgeber und Betriebsrat in ihrer Betriebsvereinbarung gemeinsam, § 77 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Die Bipolarität des Arbeitsverhältnisses, in welchem Arbeitgeber und Arbeitnehmer, letzterer grundsätzlich unterstützt vom Betriebsrat, sich gegenüberstehen, wird so im Kündigungsfall aufgegeben: Nicht mehr der Arbeitgeber allein, sondern Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam stehen dem von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer einmütig gegenüber. Ob zuvor zwischen den beiden Betriebsparteien kontroverse Gespräche geführt worden sind und warum es letztlich zur Einigung kam, kann der Arbeitnehmer nicht nachvollziehen. Gegen die Erteilung der Zustimmung kann der betroffene Arbeitnehmer nicht vorgehen.[89] Er wird erst im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Herbeiführung der Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG[90] gehört[91] – in einer Konstellation also, die für die vorliegende Untersuchung nicht einschlägig ist, weil sie Uneinigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Kündigung voraussetzt.

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Das Ziel des Arbeitgebers dürfte es jedoch sein, Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu erzielen, da es für ihn regelmäßig von hoher wirtschaftlicher Relevanz ist, sich möglichst schnell und unkompliziert von einem Arbeitnehmer zu trennen. Ob zur Erlangung dieser Einigkeit nur die in der Betriebsvereinbarung niedergelegten Maßstäbe herangezogen worden sind, oder ob sachfremde Anreize eine Rolle gespielt haben, entzieht sich demgegenüber jeder Kontrolle von außen. Wieder geht das Betriebsverfassungsrecht ohne die Einrichtung von Kontrollinstanzen davon aus, dass die Betriebsratsmitglieder vorrangig die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers zum Maßstab ihrer Entscheidung machen. Ob ein solcher Vertrauensbeweis sachgerecht ist angesichts der Macht, die dem Betriebsrat gerade durch das Zustimmungserfordernis gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG eingeräumt wird, darf bezweifelt werden. Und wenngleich dem Arbeitnehmer die Führung eines Kündigungsschutzprozesses natürlich unbenommen bleibt, so darf man auch hier die psychologische Wirkung der Betriebsratszustimmung nicht unterschätzen. Eine einhellig von Betriebsrat und Arbeitgeber vertretene Kündigung dürfte die Prozessbereitschaft des Arbeitnehmers erheblich schmälern, insbesondere weil bei einer Zustimmung des Betriebsrats auch der gesetzliche Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG entfällt.

5. Druckkündigung gemäß § 104 BetrVG

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Auch im Rahmen der sogenannten Druckkündigung sind die vorgerichtlichen Einflussmöglichkeiten des betroffenen Arbeitnehmers gemessen an den Befugnissen des Betriebsrats gering. Gemäß § 104 BetrVG kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, dass ein Arbeitnehmer, der den Betriebsfrieden wiederholt und ernstlich stört, entlassen oder versetzt wird. Weigert sich der Arbeitgeber, so kann der Betriebsrat gemäß § 104 S. 2 BetrVG das Arbeitsgericht anrufen, das den Arbeitgeber ggf. unter Zwangsgeldandrohung zur Entlassung des störenden Arbeitnehmers anhält. In einem Kündigungsschutzverfahren kann die Druckkündigung sogar in Ausnahmefällen verhaltensbedingte Kündigungsgründe ersetzten: Sofern der, beispielsweise mit Streikandrohungen verbundene, Druck von Seiten des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft auf den Arbeitgeber zu groß wird, läge ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor. Dies gilt selbst dann, wenn die gegen den Arbeitnehmer vorgebrachten Gründe nicht den Tatsachen entsprechen – vorausgesetzt, die Drohsituation erreicht ein für den Arbeitgeber wirtschaftlich nicht mehr hinnehmbares Maß und kann nur mit der Kündigung beendet werden.[92] Der zu Unrecht bezichtigte Arbeitnehmer wird im Verfahren gemäß § 104 BetrVG nur dann vom Gericht angehört, wenn der Betriebsrat mit seinem Verlangen beim Arbeitgeber nicht durchdringen konnte.[93] Kommt es zur Anrufung des Arbeitsgerichts jedoch nicht, weil der Arbeitgeber nachgibt, so hat er keine Möglichkeit, gegen den Willen von Betriebsrat und Arbeitgeber vor der Kündigung oder Versetzung seinen Standpunkt zu vertreten oder auch nur zu erfahren, was ihm vorgeworfen wird. Er wird erst und nur dann gehört, wenn er Kündigungsschutzklage erhebt. Zwar wird dem zu Unrecht Gekündigten in der Kommentarliteratur ein deliktischer Schadensersatzanspruch zugebilligt, der gegen jedes Betriebsratsmitglied und auch sonst gegen jeden Dritten gerichtet ist, der sich an der Ausübung des rechtswidrigen Drucks auf den Arbeitgeber beteiligt hat.[94] In seinen arbeitsrechtlichen Abwehrmöglichkeiten ist der Arbeitnehmer jedoch auf das Kündigungsschutzverfahren beschränkt. Die Kündigung als solche kann er nicht verhindern. Die Anrufung des Arbeitsgerichtes durch ihn ist im Vorfeld nicht vorgesehen. Erneut fällt auf, dass dem Betriebsrat erhebliche Macht über Arbeitnehmer eingeräumt ist, ohne dass dieser Machtfülle eine Rechenschaftspflicht gegenüber stände.

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