Kitabı oku: «Von der Schönheit, Frau zu sein», sayfa 3
3. Kapitel
Was ist Weiblichkeit? Die Geschichte der Frau
Eine Frau, die grundsätzlich gesund und im Einklang mit ihrer Weiblichkeit ist, trägt natürlicherweise das Gefühl in sich, im Leben aufgehoben und versorgt zu sein. Mit der aktiven Kraft ihres Herzens verströmt sie mühelos ihre Liebe in die Welt. Sie fühlt sich kraftvoll und kreativ, gelassen und entspannt. Ihren Körper erlebt sie als eine Quelle der Lust und Freude. Im Einklang mit der Weisheit ihres Herzens findet sie ihren ganz individuellen Weg durch das Leben. Sie ist versöhnt mit den Licht- und Schattenaspekten des Lebens und ruht in ihrer Mitte. In der Gemeinschaft mit anderen Frauen findet sie Unterstützung und Nahrung für ihre weiblichen Bedürfnisse. Sie hat eine liebende, respektvolle Beziehung zu den Männern.
Wer von meinen Leserinnen all dies empfindet und verkörpert, darf dieses Buch nun getrost beiseitelegen und entspannt mit ihrem Leben fortfahren …
Für alle anderen wird es nun hoffentlich richtig interessant!
Warum ist es für viele – ich wage sogar zu behaupten, die überwiegende Zahl der Frauen – so ganz anders? Warum fühlen sich die meisten Frauen immer wieder so erschöpft, ausgebrannt, gestresst, unerfüllt, traurig, verbittert, kraftlos und einsam?
Die Geschichte, die dazu geführt hat, ist vielschichtig, und es lohnt sich, einen Blick auf die unterschiedlichen Ebenen zu werfen, die zu dieser Entwicklung geführt haben.
Kulturgeschichtliche Aspekte
Zunächst einen Blick auf unsere Kulturgeschichte.
Wir können die Zeit im Prinzip zurückdrehen bis zu Adam und Eva. Hier geschah gar Entsetzliches, wenn man die Geschichte im wörtlichen Sinn versteht. Evas Neugierde führte dazu, dass der Mensch aus dem Paradies verstoßen wurde. Diese Geschichte und ihre buchstäbliche Überlieferung hatten zur Folge, dass die Frau fortan wie ein sünd- und schuldhaftes Wesen 2. Klasse behandelt wurde. Ihre Schuld wurde übrigens nicht nur von außen, also den Männern deklariert, sondern auch die Frau trug und trägt zum Teil bis heute dieses Gefühl von Schuld, Scham und Versagen in sich selbst.
Die Folgen davon fanden ihren Ausdruck in der Gesellschaftsstruktur des Patriarchats. Im Patriarchat herrschte die Vorstellung, dass eine Frau über sehr geringen bis gar keinen Verstand verfügt, sie hatte keine oder nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, ihre Kraft und Kreativität zu entwickeln. Sie hatte praktisch keine Rechte. Sie wurde als Sexualobjekt missbraucht und verletzt und war materiell zumeist vollkommen abhängig von ihrem Mann, oder einem männlichen Familienmitglied. Ich will dabei nicht ausschließen, dass es in dieser Zeit punktuell auch Frauen gegeben hat, die entweder ein sonnigeres Schicksal hatten, wie etwa ein gut behütetes Mädchen aus reichem Hause, der Augenstern des Vaters. Oder aber Frauen, die sich über diese Zustände hinweggesetzt haben und ein eigenständiges Leben führten. Diese Frauen lebten jedoch häufig in der Gefahr, Anstoß zu erregen und bestraft, gefoltert oder getötet zu werden. Aus jener Zeit tragen wir in unserem kollektiven weiblichen Feld sehr viele Schuldgefühle, Angst und Schmerz.
Diese Strukturen wirken teilweise bis in die heutige Zeit hinein, wenngleich man natürlich sagen muss, dass sich in den vergangenen 100 bis 200 Jahren die Position der Frau, besonders in der westlichen Gesellschaft, stark verändert und verbessert hat. Das Patriarchat befindet sich, zumindest hier, auf dem Rückzug, obschon es immer noch starke gesellschaftliche Strukturen gibt, die die Werte und Prinzipien des Patriarchats aufrechterhalten.
Eine Hauptströmung, der wir diese Veränderungen verdanken, ist die Emanzipationsbewegung. Diese Bewegung und ihre Verdienste habe ich ja bereits in meiner Einführung erwähnt. Problematisch wird es nur an dem Punkt, wo Frauen in ihrem verständlichen Verdruss über die traditionelle Frauenrolle auf der energetischen Ebene das Kind mit dem Bade ausgeschüttet haben.
Das große Paradox ist, dass die weibliche Energie – und ich spreche hier nicht von der Frau in all ihren Aspekten – unter anderem ganz wesentlich Eigenschaften verkörpert, die mit Sanftheit, Lieben, Nähren, Unterstützen zu tun haben. Wenn wir als Frau frei sind, fließen diese Energien wie selbstverständlich als wesentlicher Ausdruck unseres gesamten Daseins in unser Leben hinein und berühren die Menschen, die uns umgeben. (Ich möchte an dieser Stelle allerdings erwähnen, dass die weibliche Energie auch noch ganz andere Aspekte in sich birgt, die alles andere als lieb und sanft sind, aber das soll an einer anderen Stelle erörtert werden). Im Zeitalter des Patriarchats wurde daraus ein Anspruch der Männer an die Frauen abgeleitet. Die Frau wurde auf die oben genannten Eigenschaften reduziert und so zur Sklavin dieses Potenzials.
Ein Hauptaugenmerk der Emanzipationsbewegung lag darauf, sich von diesen Eigenschaften zu lösen, um endlich frei zu werden für die kreative und selbstbestimmte Kraft, die in jeder Frau lebt. Und dieser Prozess ist bis heute nicht abgeschlossen. Für die innere Ganzheit kann es aber nicht darum gehen, sich für das eine, und gegen das andere zu entscheiden. Wir brauchen beides, um als Frau im Einklang mit uns selbst und der nährenden Energie, die wir in uns tragen, leben zu können. Diese weiblichen Aspekte zu bekämpfen, bedeutet letztendlich, immer gegen uns selbst zu kämpfen.
Der wesentliche Schritt besteht darin, eine bewusste und selbst gewählte Form für sich damit zu finden.
Ein anderes Problem in der Emanzipationsbewegung war, dass die Frauen sich in einer männlich geprägten Gesellschaftsstruktur behaupten mussten. Es ist leider immer noch so, dass klassische männliche Qualitäten das Maß und den Wert der Dinge bestimmen. Zielorientiertheit, Konkurrenz, Leistungsbewusstsein. Diese Qualitäten sind an sich nicht falsch oder schlecht. Das Problem ist nur, dass sie völlig überbewertet sind und Frauen, wie im Übrigen auch die Männer, körperlich, psychisch und energetisch darunter leiden.
Um sich einen Platz in der Gesellschaft erobern zu können, wählten die Frauen den Weg, die männlichen Paradigmen zu übernehmen und mussten noch bessere Männer werden, um zu beweisen, dass sie in diesem System bestehen können. Man darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen, dass jene Bewegung für eine gewisse Zeit auch ein gesunder Ausgleich für die Frauen war, um endlich etwas von sich leben zu können, was ihnen bis dahin verwehrt gewesen war.
Jetzt scheint eine Zeit angebrochen zu sein, in der Frauen es wieder wagen können, sich mit den Wurzeln der weiblichen Energie zu verbinden.
Die archaische Ebenez
Es gibt noch eine Ebene, die unser Leben beeinflusst und die viel weiter zurückreicht als das, was man eine kulturelle Entwicklung nennen würde. Ich nenne sie in diesem Zusammenhang die archaische Ebene. Erinnern Sie sich daran, was ich über die kollektive Ebene geschrieben habe? Die archaische Ebene wirkt durch das kollektive Feld, aber sie lebt quasi auch noch in unseren Genen und bestimmten Bereichen unseres Gehirns. Zum Beispiel im limbischen System.*14
Der „Urmensch“ – und bitte legen Sie mich nicht genau zeitlich fest – war ein Wesen, welches sich für sein Überleben in Gruppen zusammenfand. Die Natur war hart, das Essen musste selbst erlegt oder gesammelt werden und es gab für das Überleben der Gemeinschaft ganz klare Rollen, die nicht zur Debatte standen und die sicherlich auch lange Zeit nicht reflektiert werden konnten – sowohl in Bezug auf äußere Notwendigkeiten als auch in Bezug auf den Bewusstseinsstand des Menschen in dieser Entwicklungsphase.
Der Mann war stark und hatte von seiner hormonellen Ausstattung her mehr Aggressionspotenzial in sich. Daraus ergab sich seine Rolle als Jäger und Beschützer. Die Frau gebar die Kinder und war für die Brutpflege zuständig. Allein hätte ein Mensch und ganz besonders eine Frau nur schwerlich, wenn überhaupt, überleben können.
Für uns Frauen bedeutet das auf dieser genetisch-kollektiven und hirnstrukturellen Ebene ein altes existenzielles Gefühl der Abhängigkeit vom Schutz des Mannes. Ich will damit nicht andeuten, dass diese Abhängigkeit etwas ist, mit der wir uns einfach abfinden müssen, sondern es ist wichtig zu verstehen, dass diese archaische Ebene auch heute noch in uns wirkt. Wenn es beispielsweise um Unsicherheiten in Beziehungen oder anderen Lebensumständen geht, wird, neben vielen anderen Dingen, auch diese existenzielle Ebene in unserem Fühlen und Erleben der Situation mit angeregt.
Beide der genannten Aspekte beeinflussen deutlich die individuelle Geschichte eines jeden Menschen. Wir werden in Paradigmen hineingeboren, die unser Selbstbild und unsere Erfahrungswelt stark prägen. Es gibt immer die kontinuierliche Weiterentwicklung einer Gesellschaft mit allen Irrungen und Wirren und scheinbaren Rückschritten, die dazugehören, und gleichzeitig dauert es lange, bis ein vollkommener Wandel stattgefunden hat. Es wäre unsinnig zu behaupten, die Rolle der Frau wäre, zumindest was unsere westliche Gesellschaft anbelangt, noch wie im Mittelalter. Und doch wirken die Paradigmen dieser Zeit immer noch auf bestimmten Ebenen weiter.
Was wäre beispielsweise, wenn die Vergangenheit unserer Kultur liebevoll und entspannt mit dem Thema Sexualität umgegangen wäre? Meinen Sie, es gäbe dann so etwas wie Unterdrückung der sexuellen Freude, die zu Ängsten und „Perversionen“ aller Art sowie zu sexueller Gewalt führen? Aber das nur als Gedankenspiel am Rande.
Gleichzeitig ist eine individuelle Geschichte auch das, was sie ist – eben individuell. Kein Mensch macht genau dieselben Erfahrungen wie ein anderer. Selbst wenn die äußeren Bedingungen die gleichen sind, so kann das Erleben jener Situation ein völlig anderes sein, als bei einem anderen Menschen.
Die energetische Ebene
Im vergangenen Kapitel habe ich über die Chakren und ihre Polung gesprochen. Ich möchte Sie an dieser Stelle zu einem kleinen Experiment einladen:
Wenn Sie die folgende Anleitung durchgelesen haben, kann es hilfreich sein, für die Durchführung der Übung die Augen zu schließen.
Übung (siehe Hinweis auf Seite 196):
Stellen Sie sich zunächst eine Situation vor, in der Sie sehr aktiv sind. Vielleicht machen Sie eine Sportart, die Sie auch im Alltag praktizieren, oder Sie stellen sich vor, Sie hacken Holz oder putzen die Fenster, so schnell Sie können. Versuchen Sie sich möglichst körperlich mit dieser Vorstellung zu verbinden. Wie fühlt sich Ihr Körper an? Die Muskeln, die Atmung, der Pulsschlag? Wenn Sie das richtig gefühlt haben, atmen Sie ein paar Mal bewusst ein und aus und lassen dieses Bild und die damit verbundenen Empfindungen hinter sich.
Jetzt stellen Sie sich als Nächstes vor, Sie sitzen in der Badewanne oder in der Sauna oder in der Natur an einem besonders schönen und stillen Ort. Versuchen Sie sich wieder so konkret wie möglich mit der Vorstellung an sich sowie den Körperempfindungen zu verbinden, die das in Ihnen auslöst. Vielleicht können Sie fühlen, wie der Atem ruhig wird, der Körper entspannt sich, die Gedanken werden ruhiger und es entsteht ein Gefühl des körperlichen Loslassens.
Verweilen Sie in diesem Zustand, so lange Sie möchten.
Dann atmen Sie wieder einige Male bewusst ein und aus und verbinden sich mit der Situation, in der Sie sich gerade befinden.
Sie haben soeben eine Erfahrung gemacht, wie sich die aktive und die rezeptive Energie im Körper anfühlt.
Das Wurzelchakra der Frau ist, im gesunden Zustand, rezeptiv gepolt. Es beeinflusst die Grundverbindung, die wir zum Leben haben. Hier entscheidet sich, wie wir uns grundsätzlich im Leben fühlen. Als Frau stellen wir diese Verbindung auf empfängliche Weise her. Ist diese rezeptive Polung intakt und das Chakra entspannt, können wir in einem weiblichen Körper die Erfahrung machen, dass das Leben zu uns kommt und dass es uns beschenkt mit allem, was wir brauchen. Auf dieser Ebene können wir uns entspannt zurücklehnen und einfach empfangen. Die rezeptive Polung wirkt auf natürliche Weise anziehend.
Natürlich hängt unsere Erfahrung von Fülle oder Nicht-Fülle im Leben noch von verschiedenen anderen Faktoren ab, aber hier liegt eine wichtige Voraussetzung dafür.
Es gibt zwei Schwierigkeiten, die die rezeptive Grundpolung unseres Wurzelchakras behindern:
Zum einen sind leider immer noch erschreckend viele Frauen in ihrem Wurzelchakra, also ganz konkret auch im Bereich der Vagina, verletzt. Jegliche Form von sexuellen Übergriffen ist in unseren Zellerinnerungen gespeichert und führt zu Verspannungen und Blockaden im Vaginalbereich. Immer wieder aufs Neue erschrecken mich die Statistiken, wie viele Mädchen und Frauen bis heute Opfer physischer und sexueller Gewalt sind. Es sind aber nicht nur unsere individuellen Erfahrungen, die diesen Bereich blockieren können. Wir tragen auch die Verletzungen der Generationen vor uns in unserem Energiesystem. Zum einen genetisch und systemisch, durch die Ahnenreihe der Frauen in unserer Familie, und eben auch aus dem kollektiven Feld. Da gibt es noch einiges freizuräumen, sowohl auf der psychisch-energetischen wie auch auf der politischen Ebene, bevor das kollektive Feld der Frauen an diesem Punkt erleichtert aufatmen kann. Wir arbeiten daran …
Das andere Thema betrifft die Polung selbst. Die Körper-, Frauen- und Sexualfeindlichkeit, aus der unsere Kultur gerade langsam erwacht, hat dazu geführt, dass viele Frauen das Wissen über ihre Sexualität verloren haben. Es geht mir dabei nicht um das Wissen von Abläufen im Sinne der sexuellen Aufklärung. Auch wenn es an dieser Stelle sicher immer noch weiteren Bedarf gibt, kann man sagen, dass die meisten jungen Frauen in unserer Gesellschaft heutzutage über die sexuellen Abläufe informiert sind. Auch die Emanzipationsbewegung hat viel dazu beigetragen, Frauen zu ermutigen, ihre ureigene Sexualität zurückzuerobern. Es ist kaum zu glauben, dass erst in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts langsam publik wurde: Auch der weibliche Körper hat die Fähigkeit zum Orgasmus. 1948 wurde zum letzten Mal überliefert, dass – wohlgemerkt in Amerika – einem Mädchen die Klitoris amputiert wurde, da es angeblich widernatürliche sexuelle Regungen hatte, indem es masturbierte.*15 Man kann diese tiefe Sexualfeindlichkeit, besonders in Hinblick auf die Frauen, also keinesfalls ins Mittelalter abschieben.
Der Aspekt, den ich in diesem Zusammenhang jedoch herausheben möchte, ist, dass die Form der Sexualität, die heute in unserer Gesellschaft allgemein gelehrt und angepriesen wird, sehr stark von männlicher Energie geprägt ist. Viel, schnell, heiß, orgasmusorientiert. Männliche Energie ist wunderbar, Hitze, Leidenschaft – herrlich! Aber die unbewusste, übergroße und ausschließliche Konzentration auf Reibung kann im Wurzelchakra einer Frau auf Dauer zu einer energetischen Umpolung führen. Das Wurzelchakra wird positiv geladen. Es kann energetisch nicht mehr aufnehmen und empfangen. Was unser Wurzelchakra natürlicherweise in Balance hält, wäre der Ausgleich von Hitze und Kühle, von Leidenschaft und Verweilen, von Sturm und Ruhe im Liebesspiel. Die Verteilung ist ganz und gar individuell und soll jetzt nicht als neues Konzept missverstanden werden. Wir haben häufig vergessen, was uns wirklich guttut und entspricht. Wir waren so lange entmündigt und sind verstummt. Wir haben den Zugang zu unserem natürlichen Rhythmus bei einer sexuellen Vereinigung verlernt. Aber jetzt können wir, wenn wir wollen, dieses Terrain für uns zurückerobern und die Sexualität so für beide Geschlechter wieder bereichern.
4. Kapitel
Die Ebenen der Heilung
Wie geschieht Heilung? Heilung ist ein sehr vielschichtiger Prozess. Wenn Sie sich an meinen metaphysischen Exkurs aus dem ersten Kapitel erinnern, dann kann man auch in diesem Zusammenhang sagen: Auf der Ebene des Schöpferseins ist Krankheit – jetzt im weitesten Sinne – eine Spielart des Lebens, die uns etwas zeigen oder lehren möchte. Aber die Ursachen sind oft nicht unmittelbar linear zu erklären und aufzulösen.
Die moderne Medizin arbeitet häufig innerhalb des Paradigmas, dass ein Symptom ein Umstand ist, den man beheben muss, um eine Krankheit zu heilen. In der ganzheitlichen Medizin betrachtet man den menschlichen Körper, einschließlich seiner Psyche, als einen Gesamtorganismus. Befindet er sich im Gleichgewicht, ist er gesund. Es gibt jedoch verschiedene Ursachen und Faktoren, die zu einem Ungleichgewicht führen können und sich dann in verschiedenen Symptomen niederschlagen. Auch wenn viele dieser Symptome körperlich sind, heißt das noch lange nicht, dass die Ursachen dafür auf dieser Ebene liegen. Es ist immer hilfreich, in einen Heilungsprozess möglichst viele Ebenen des gesamten Organismus miteinzubeziehen, um einerseits die Ursachen aufzuspüren und zu lösen und andererseits Maßnahmen zu ergreifen, die den gesamten Organismus wieder ins Gleichgewicht bringen und stärken.
In meiner Arbeit habe ich festgestellt, dass es verschiedene Ebenen von belastenden Themen gibt, denen wir im Leben begegnen. Manche begleiten uns für eine kurze Zeit – vielleicht sogar nur einen Moment – und lösen sich sofort wieder auf. Wie zum Beispiel, wenn ein anderes Auto mir die Vorfahrt genommen hat und ich nur knapp einem Unfall entgangen bin. Vielleicht bin ich geschockt oder wütend. Diese Gefühle können mich ein paar Stunden oder sogar Tage begleiten, aber dann löst sich dieser Zustand nach kurzer Zeit von allein wieder vollständig auf.
Andere Themen sind vielleicht lästig, können aber durch ein gutes Gespräch oder eine kurzzeitige therapeutische Intervention vollständig gelöst werden. Ein Beispiel wäre hierfür eine Person, die im Rahmen eines Einstellungsgesprächs bemerkt, dass sie zunehmend unsicherer wird und infolgedessen nicht eingestellt wird. Bei einem therapeutischen Gespräch kommt eine Erinnerung aus dem Unterbewusstsein an die Oberfläche, in der sich diese Person in bestimmten schulischen Situationen in ihrer Kindheit und Jugendzeit ängstlich und überfordert gefühlt hat. Das zu erkennen und die alten damit verbundenen Gefühle noch einmal zu durchleben und zu erlösen, befreit sie von dieser Angstreaktion und im nächsten Bewerbungsgespräch fühlt sie sich kraftvoll und selbstbewusst.
Dann gibt es die Themen, die ich als „Lebensthemen“ bezeichnen würde. Diese Themen tauchen immer wieder auf – sei es durch bestimmte Erfahrungen, Empfindungen, Reaktionen oder körperliche Symptome. Sie haben etwas mit unserem inneren Wachstum zu tun. Die schöpferische Instanz in uns wählt dabei Lebensumstände und Situationen, die uns genau an die Punkte bringen, wo wir alte Überzeugungen in uns tragen, die uns begrenzen. Wir haben die Wahl, entweder unser Schicksal zu beklagen und das Leben und alle, die uns scheinbar das Leben zur Hölle machen, zu verfluchen, oder die Herausforderung anzunehmen und den Lernprozess zu ergreifen, der für uns darin liegt. Für einen Lernprozess reicht eine einmalige Erkenntnis zumeist nicht aus. Wir müssen diese Erkenntnis umsetzen, zum Leben erwecken, üben und etablieren.
Die moderne Gehirnforschung hat inzwischen herausgefunden, dass die Reiz-Reaktions-Leitungen in unserem Gehirn, die sogenannten Synapsen, eine Tendenz haben, in ihrer Reizleitung Bahnen zu etablieren, die, wenn sie einmal festgefahren sind, eine Art von „Suchtstruktur“ entwickeln, um sich ständig zu wiederholen und zu bestätigen.*16 Dieser Prozess ist automatisch und unbewusst. Wir merken nicht, dass unsere Wahrnehmung die Realität so filtert, dass wir überhaupt nur das sehen und wählen können, was uns diese Strukturen vorgeben.
Solange uns diese Gehirnstrukturen in unserem Leben und Selbstgefühl bestärken, ist ja nichts dagegen einzuwenden. Sie helfen uns auch bei der Verarbeitung von Informationen. So muss ich mir zum Beispiel nicht immer wieder neu klarmachen, wie ich ein Auto lenken kann, sondern es passiert nach einiger Übungszeit einfach automatisch. Aber es gibt immer auch Strukturen, die uns belasten, begrenzen und verletzen.
Ganz klassisch ist zum Beispiel die Tatsache, dass Frauen, die als Kind sexuelle oder physische Gewalt erlebt haben, viel häufiger als andere Frauen immer wieder an Männer geraten, mit denen sich diese Erfahrung wiederholt. Und selbst wenn es sich nicht um so drastische Erfahrungen in unserer äußeren Realität handelt, haben wir grundsätzlich die Tendenz, Realität mit unserem Empfinden oder unserer Interpretation zu färben – sodass es sich anfühlt wie das, was es schon immer war (auch wenn eine andere Person dieselbe Situation wahrscheinlich ganz anders empfindet und erlebt).
Ich habe im Laufe der Jahre großen Respekt vor diesen Mustern entwickelt. So ein Umlernprozess hat, neben Erkenntnis und Übung und dem bewussten Aufarbeiten der Ursachen, auch erst einmal etwas mit einem Entzug zu tun – ganz wörtlich, wie bei einem Alkoholiker oder Heroinsüchtigen. Wir werden zwar vielleicht keine weißen Mäuse sehen oder Pupillenveränderungen und Krämpfe haben, aber es fühlt sich an, als ob es unmöglich wäre oder sogar eine existenzielle Bedrohung. Ich möchte ein Beispiel anführen, welches ich im Lauf dieses Kapitels immer wieder neu beleuchten werde, um die verschiedenen Ebenen der Heilung aufzuzeigen:
Stellen Sie sich vor, ein kleines Mädchen liebt seinen Vater, wie das kleine Mädchen so zu tun pflegen. Dieser Vater hat in seiner Biografie sehr früh großen Verlust erlitten und hat sich, aufgrund dieses Traumas, überwiegend in sich selbst zurückgezogen. Er ist nicht unfreundlich, aber abwesend. Das Mädchen macht immer wieder die Erfahrung, dass es mit seiner Liebe ins Leere läuft. Es bekommt das Gefühl, nicht gesehen zu werden, nicht bedeutungsvoll zu sein. Später im Leben wird es höchstwahrscheinlich immer wieder Männern begegnen, die genau diese alten Gefühle wieder neu beleben. Vielleicht probiert die Frau im Laufe ihres Lebens verschiedene Strategien aus, um mit dieser Erfahrung zurechtzukommen, aber die Grunderfahrung und der damit verbundene Schmerz lassen sich nicht überwinden. Die Überzeugungen, die dahinter stecken, können zum Beispiel folgende sein: „Ich bin nicht liebenswert“, „Ich bin nicht wichtig“. Und sie wartet darauf, dass endlich ein Mann in ihr Leben kommt, der diesen Schmerz heilt. Und da ist der springende Punkt. Es fühlt sich absolut unabdingbar an, dass nur durch die Erfüllung auf der äußeren Ebene die Heilung kommen kann. Jeder neue Mann bringt neue Hoffnung und unweigerlich neue Enttäuschung mit sich. Die Heilung kann dann beginnen, wenn diese Frau die Suche im Außen und den damit verbundenen Schmerz nach innen holt. Wenn Sie gute Unterstützung hat, wird sie diesen Prozess Schritt für Schritt vollziehen können. Und vielleicht wird sie irgendwann erkennen – und zwar im Sinne einer Erfahrung, nicht nur als mentales Konzept –, dass die Fülle der Liebe in ihr selbst liegt, und die Erfüllung darin fühlen. Aber sie muss dafür die fixe Idee und das existenzielle Gefühl aufgeben, dass sie für ihr Glück und Überleben etwas ganz bestimmtes von außen braucht. Die Heilung funktioniert auch nicht, wenn diese Frau beschließt, sich innerlich zu verhärten, um nicht immer wieder den Schmerz und die Enttäuschung fühlen und erleben zu müssen. Das wird vermutlich irgendwann dazu führen, dass sie körperliche oder psychische Krankheitssymptome entwickelt. Es ist also ein sehr sensibler Prozess, im Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen und dem damit verbundenen Schmerz, das Muster der Bedürftigkeit an sich zu transzendieren. Das ist die Schnittstelle von unserem Geschöpf- und Schöpferdasein. Es ist sowohl ein horizontaler Prozess, in dem die Geschichte aufgerollt und geheilt werden kann, die überhaupt zu diesen Erfahrungen und den damit verbundenen Gefühlen und Selbstbildern geführt hat. Gleichzeitig ist es ein vertikaler Prozess der Entwicklung und des Wachstums, der uns immer mehr in Kontakt mit den Aspekten des Schöpferseins in uns bringt.
In Bezug auf unsere Lebensthemen entwickeln wir uns also nicht so sehr linear, sondern eher spiralförmig. Das bedeutet, wir reiben uns an den betreffenden Mustern, lösen eine Schicht und entwickeln uns. Sehr häufig kommt es dann zu einer Phase der Ruhe, bis das Thema erneut aktiviert wird. Man wird vermutlich feststellen, dass das Thema und die damit verbundenen Empfindungen wahrscheinlich ähnlich sind, wie in der letzten Runde, aber wenn man genauer hinschaut, wird man doch gleichzeitig eine Veränderung wahrnehmen. Vielleicht stürze ich nicht mehr in den bodenlosen Abgrund. Vielleicht fühle ich mich traurig, kann aber trotzdem mit Freunden ausgehen und lachen. Die Phasen des Leidens verkürzen sich und es wird insgesamt alles immer leichter. Irgendwann können wir vielleicht milde lächeln, wenn „es“ wieder auftaucht. Dann sind wir frei.
Die Arbeit, die in diesem Buch beschrieben wird, befasst sich mit den Ursachen, die ein Ungleichgewicht in einem Menschen hervorruft, und sie zeigt verschiedene Möglichkeiten, diese Ursachen zu erkennen und zu beheben. Im Folgenden werde ich kurz auf die verschiedenen Ebenen eingehen, die wesentlich für den Heilungsprozess sind.
Die Bedeutung der Persönlichkeit
Unsere Persönlichkeit hat im Wesentlichen mit unserem Selbstbild zu tun – also damit, „wer ich bin“. Sie entwickelt sich durch unsere genetischen Anlagen, die Sozial- und Umweltbedingungen, in die wir hineingeboren werden und in denen wir aufwachsen, sowie die Erfahrungen, die wir machen.
Alle gesellschaftlichen Normen und Werte wirken sich auf sie aus, ob uns das bewusst ist oder nicht. Selbst wenn wir rebellieren, tun wir das in Hinblick auf diese Werte. Wie sich all diese Bedingungen auf eine jeweilige Person auswirken, ist vollkommen individuell. Es gibt ähnliche Lebensverhältnisse, die bei einer Person dazu führen, kriminell zu werden, und bei der nächsten Person Engagement und Mitgefühl für alle Lebewesen hervorruft.
Unsere persönliche Geschichte ist ein wesentlicher Faktor, wenn es darum geht, Ursachen für bestimmte, begrenzende Muster in uns zu finden.
Ein besonders wichtiger Bereich unserer persönlichen Geschichte ist die Bedeutung des inneren Kindes.
Die Bedeutung des inneren Kindes
Erfahrungen, die wir im Leben machen, beeinflussen uns in dem Maß, wie sie sich prägend auf uns auswirken. Das hat viel mit den synaptischen Strukturen zu tun, von denen ich im Vorfeld geschrieben habe.
Das Gehirn eines sich entwickelnden Embryos ist noch sehr frei und flexibel. Es gibt organisch betrachtet kaum festgelegte synaptische Strukturen. Der Prägungsprozess beginnt jedoch bereits im Mutterleib.*17
Eine Prägung entsteht, wenn eine bestimmte Erfahrung, die wir vor allem in unseren ersten Lebensjahren machen, entweder sehr intensiv ist oder sich häufig wiederholt (oder beides zusammen). Wenn eine Prägung sich erst einmal in eine bestimmte synaptische Bahn fest geformt hat, dann ist es schwer, etwas anderes daraus zu machen. Deshalb sind die ersten Prägungen in unserem Leben so eindrücklich und so wichtig, denn alles Weitere baut darauf auf. Ein Baby hat noch keine Möglichkeit, eine Erfahrung mit mentaler Distanz zu betrachten und zu bewerten. Es hat keine Möglichkeit, Position zu beziehen. Es ist in einem vollkommen abhängigen und rezeptiven Zustand. Es hat keine Schutzfilter.
Die vollkommene Abhängigkeit ist ein weiteres wichtiges Thema, weswegen unsere (frühe) Kindheit so prägend für uns ist. Für unser Überleben sind wir von bestimmten Menschen abhängig. Deshalb spielen diese Menschen, zumeist die Eltern, in unserem Leben eine so große und existenzielle Rolle. Im Laufe unserer Kindheitsentwicklung gibt es bestimmte wichtige, entwicklungsbedingte Themen, die, je nachdem wie sie erlebt werden, einen großen Einfluss auf unser Leben und die psychische Stabilität haben. Darauf werde ich im weiteren Verlauf des Buches noch genauer eingehen.
Um auf unser Beispiel mit dem Mädchen und ihrer Vaterwunde zurückzukommen, liegt in ihrer persönlichen Kindheitsentwicklung eine wesentliche Ursache für das Thema des nicht wirklich Gesehen- und Gewollt- Seins. Sie hat in dieser Entwicklungsphase nicht die Möglichkeit zu verstehen, dass das Verhalten ihres Vaters die Folge seiner eigenen Kindheitswunde ist. Sie erlebt sein Nichtpräsentsein und kann gar nicht anders, als es persönlich zu nehmen.
Die Bedeutung des Körpers
Unser Körper ist zunächst einmal das Vehikel, welches uns durchs Leben trägt. Er hat motorische Eigenschaften und Fähigkeiten, ist aber auch sehr empfindsam, durch die vielen Nervenbahnen, die ihn durchziehen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, in welcher Verfassung unser Körper ist. Können wir uns frei bewegen? Fühlen wir uns wohl? Es gibt viele Menschen, die beispielsweise unter motorischen Einschränkungen oder sogar chronischen Schmerzen leiden. Dieser Zustand führt zu einer starken Beeinträchtigung des allgemeinen Wohlbefindens bis in die psychische Grundverfassung hinein.
Der Körper hat aber noch eine weitere Eigenschaft: Er ist ein sehr präziser Speicher- und Informationsträger. Die Sparte der Psychosomatik in der Medizin hat seit Langem erforscht, dass psychische Störungen häufig die Tendenz haben, sich in körperlichen Symptomen zu manifestieren.*18 Es gibt die klassischen psychosomatischen Krankheiten, bei denen die Mediziner davon ausgehen, dass ihre Ursache tatsächlich in der Psyche liegen, aber eigentlich kann man, wenn man einen Menschen ganzheitlich betrachtet, die körperlichen Phänomene niemals völlig losgelöst von anderen Teilen des Gesamtorganismus betrachten. Man kann den Körper also als Informationsträger verstehen, dessen Ausdruck und Verfassung uns wertvolle Hinweise darüber liefern können, wo die tiefere Ursache eines bestimmten Problems liegen könnte.
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