Kitabı oku: «Maria Theresia», sayfa 2
Eine selbstbewusste Frau: die junge Herrscherin. Ölgemälde von Martin van Meytens. Wien Museum.
Gut vorbereitet auf den Thron?
Man sollte meinen, dass Karl, der mit den Jahren doch realistisch sehen musste, dass seine Frau zwar keine Kinder mehr bekam, gleichzeitig aber so weit gesund war, dass auch eine neuerliche Ehe und mögliche Söhne immer unwahrscheinlicher wurden, alles unternahm, um seine älteste Tochter Maria Theresia als seine Nachfolgerin und künftige Regentin aufzubauen. Doch weit gefehlt – Karl unternahm rein gar nichts. Maria Theresia lebte das typische Leben einer Prinzessin, deren einzige Aufgabe es einmal sein sollte, zu heiraten und mit höfischen Manieren, angenehmer Konversation, Gesang, Tanz, Reiten und Jagd einem Ehemann eine gute und kurzweilige Gattin zu sein. Keine Rede von politischer Bildung, juristischen und wirtschaftlichen Grundkenntnissen, diplomatischen Gepflogenheiten und Spielregeln. Es ist interessant, dass ausgerechnet Karl, der doch mit der Pragmatischen Sanktion die weibliche Erbfolge einführte, dennoch nichts für ihre dementsprechende Ausbildung unternahm – so als ob er eigentlich nicht damit rechnete, dass seine Tochter ernsthaft seine Nachfolge antreten könnte. So legte er zunächst auch wesentlich mehr Augenmerk auf die Einbindung seines Schwiegersohnes Franz Stephan, den er wie einen Sohn an seinem Hof aufzog und an Staatsgeschäften teilhaben ließ, ja ihn sogar zum Statthalter in Ungarn machte. Kronprinzessin Maria Theresia hatte hingegen keine einzige auch nur annähernd politische Aufgabe, nicht einmal bei öffentlichen repräsentativen Auftritten durfte sie eine besondere Stellung einnehmen, um sie beim Volk bekannt und beliebt zu machen. Es scheint fast so, als ob Karl paradoxerweise seiner eigenen Erbfolgebestimmung misstraut hätte. Aber auch Franz Stephan wurde schließlich nicht wirklich als „Nachfolger“aufgebaut. Als „Franzose“ war und blieb er im Land eher unbeliebt, es zeigte sich zudem, dass er politisch uninteressiert war und diese Rolle gar nicht anstrebte. Somit bleibt unklar, welches Ziel Karl hinsichtlich seiner Nachfolge wirklich verfolgte. Resigniert schrieb er 1739 an Franz Stephan: „Mein großer Trost ist, daß meine Tochter in so guten Händen weiß und sicher bin, daß sie E.L. lieben, und hoffe endlich, sie sich darum allweil mehrers bewerben wird und daß Sie ihr in allen noch ein rechten Vater abgeben werden.“11
Man sollte meinen, dass sich die beinahe demonstrative Passivität und schließlich Resignation des Kaisers bitter rächen sollte und Maria Theresia praktisch chancenlos war, als Karl am 20. Oktober 1740 mit 55 Jahren zwar unvermutet an einer Pilzvergiftung, aber dennoch nicht als junger Mann starb. Der Kaiser hinterließ seiner Tochter weder ein wirtschaftlich blühendes Land noch Geld und schon gar kein gut gerüstetes Heer. Johann Christoph Bartenstein, Protokollführer der Staatskonferenz, zeichnete ein düsteres Bild der Situation: „Der Verlust eines so großen Monarchen wurde durch die Umstände, in welchen sich derselbe ergeben, nicht wenig vergrößert. Zwei schwere und blutige Kriege waren kurz vorher hergegangen (im Westen bzw. in Italien gegen Frankreich und im Osten gegen die Osmanen). Beide sind so unglücklich als möglich geführet worden, in beiden hatte der Staat namhaft eingebüßet (das Königreich Neapel-Sizilien und die Lombardei sowie die Walachei, das nördliche Serbien mit Belgrad und Nordbosnien). Die übriggebliebenen Erbkönigreiche und Länder waren also an Geld und Volk nicht wenig erschöpft, auch von allen Seiten gegen einen eindringenden Feind offen.“12
Maria Theresia bestätigte später auch, wie aussichtslos ihre Situation bei ihrem Regierungsantritt war, da auch im Land niemand so recht an die junge Erzherzogin und Königin glauben wollte: „In diesen Umständen fande ich mich ohne Geld, ohne Credit, ohne Armée, ohne eigene Experienz (Erfahrung) und Wissenschaft und endlich auch ohne allen Rath, weilen ein jeder aus ihnen anforderist sehen und abnehmen wollte, wohin die Sachen sich wenden würden.“13 Am Tag nach Karls Tod fand bereits die erste Sitzung der Geheimen Konferenz unter dem Vorsitz der neuen Königin statt. Der erste Hofkanzler Graf Sinzendorf referierte über die zukünftige Politik und sprach sich in erster Linie dafür aus, die Ruhe aufrechtzuerhalten. Maria Theresia wurde schlagartig klar, dass sie sich nicht auf diese Berater verlassen konnte, die sich an die neue Situation weder anpassen konnten noch wollten, zuerst so taten, als wäre nichts, und danach mutlos resignierend Maria Theresia erst recht im Stich ließen und in ihren Augen völlig nutzlose Vorschläge machten. An den böhmischen Kanzler Philipp Graf Kinsky schrieb sie verärgert: „Was vor (für) Grillen (närrische, schrullige Ideen), warumb solche Gesichter, reden ist notwendig und nicht die arme Königin noch mehr zu decouragieren (entmutigen), sondern ihr helfen und raten. Morgen früh komme er zu mir.“14 Daher sparte sie später auch nicht mit Kritik an ihrem Vater, den sie zwar sehr geliebt, der sie jedoch so völlig unvorbereitet gelassen hatte: „Da sich der unvermuthete betrübliche Todes-Fall meines Herrn Vatters Höchstseeligster Gedächtnis ereignet und vor mich umb so viel mehr schmertzlich ware, weilen nicht allein selben verehret und geliebet als einen Vattern, sondern als wie die mindeste Vasallin als meinen Herrn angesehen und also doppelten Verlust und Schmertzen empfunden und damalhen die zu Beherrschung so weitschichtiger und vertheilter Länder erforderliche Erfahr- und Känntnüss umb so weniger besitzen können, als meinem Herrn Vattern niehmals gefällig ware, mich zur Erledigung weder der auswärtigen noch inneren Geschäfte beyzuziehen noch zu informieren; So sahe mich auf einmal zusammen von Geld, Trouppen und Rat entblößet. Keine Erfahrung in Ansehung derer Räte wohnete mir bey und eben darumben die natürliche Weise damahls gehabte grosse Timiditaet (Ängstlichkeit) und Diffidenz (Mißtrauen), welche gedachte Unerfahrenheit zur Ursach hatte, die Auswahl deren so sehr benöthigten Ratschlägen und Informationen sehr erschwerete.“15
Der Krönungszug Maria Theresias führte vom Platz Am Hof zum Stephansdom. Zeitgenössischer Kupferstich.
Europas Mächte sahen ihre Chance gegen die mächtigen Habsburger gekommen. Preußen marschierte in Schlesien ein und Bayern, das die Pragmatische Sanktion nie anerkannt hatte, schloss sofort mit Preußen, Frankreich und Spanien ein Bündnis gegen Österreich, womit sich Maria Theresia nicht nur mit einem Krieg gegen Preußen um Schlesien, sondern mit einem Krieg gegen Europa um ihr gesamtes Erbe konfrontiert sah. In Ungarn wurde sie zwar zur Königin gekrönt, aber erst dank einer flammenden Rede, in der sie den ungarischen Reichstag um militärische Unterstützung bat, erreichte sie die Stellung eines ungarischen Aufgebots, ohne das sie im Erbfolgekrieg chancenlos gewesen wäre. Dennoch blieb die Situation im Land mehr als prekär und der Ausgang der Kriege und ihr Schicksal waren absolut ungewiss. Als Prag vom bayerischen Kurfürsten Karl I. erobert wurde und sich dieser am 19. Dezember 1741 zum böhmischen König krönen ließ, verloren sogar Maria Theresias Minister die Hoffnung und einige fielen ihr sogar – um ihre privaten Interessen zu schützen – in den Rücken: „Gesamte meine Ministri anstatt Muth Mir zuzusprechen, ließen solchen gänzlich sinken, und liessen nicht undeutlich sich verlautten, als ob sie alles für nicht viel weniger als desperat anseheten, ja es sucheten so gar einige sich zu retirieren (zurückzuziehen) und verlohren sich letztlich so weit, dass einige davon sich nicht gescheuet, die Erlaubnis von mir anzusuchen, dem Curfüsten nach seiner zu Prag vor sich gegangenen Crönung wegen ihrer in Böhmen liegenden Gütern schriftlich zu huldigen. Ich allein, ohne eytlen Ruhm zu melden, ware etwa die jenige, die unter allen diesen Drangsalen den meisten Mut annoch beybehielt …“16
Als Karl kurz darauf sogar als Karl VII. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt wurde, huldigten ihm zahlreiche österreichische Städte und selbst in Wien schlug die Stimmung in der Bevölkerung zugunsten des neuen Wittelsbacherkaisers um, wie auch folgender Maueranschlag aus Wien belegt:
Vivat!
Der Kaiser ist tot,
Wir bekommen jetzt großes Brot.
Der Lothringer ist uns zu schlecht,
Der Bayer ist uns eben recht.17
Doch Maria Theresia zeigte gerade in dieser beinahe aussichtslosen Situation ihre Stärke. Unermüdlich und mit großem Zorn, als Frau nicht selbst ins Feld ziehen zu können, versuchte sie dafür „wenigstens“ ihre weiblichen Vorteile zu nutzen, um zumindest die Stimmung im Land zu bessern, und startete eine wohldurchdachte PR-Offensive: Sie zeigte sich strahlend schön, charmant und optimistisch in der Öffentlichkeit, pflegte ihr Image als unglückliches Opfer der europäischen Aggressoren, gab sich volksnah und aufgeschlossen, ließ jedermann zur Audienz vor und sorgte mit populären Sofortmaßnahmen für Stimmung. Grundnahrungsmittel wurden verbilligt und die Maßnahmen öffentlichkeitswirksam in den Zeitungen verlautbart: „Brot, Wein und Fleisch ist auf einen billigeren Preis gesetzt worden, welches bei den gegenwärtigen Zeiten starken Eindruck hat. Ferner haben Ihro Majestät den Schluß gefaßt, viel Wildpret fällen zu lassen … Die Klerisei (Kirche) und die weltlichen Herrschaften ist anbefohlen worden, ihre Kornspeicher zu öffnen und den Vorrat um einen billigen Preis abzustehen. Das Brot wird viel größer gebacken … zur Erleichterung des gemeinen Mannes (ist) die königliche Verfügung ergangen, daß das Rindfleisch, welches sonst in den Wintermonaten teurer geworden, um zwei Pfenninge unter dem bisherigen Preis … ausgehauen werden soll.“18 Der preußische Gesandte schilderte ihre Charmeoffensive folgendermaßen: „Bei ihrer Thronbesteigung fand sie das Geheimnis, sich die Liebe und Bewunderung aller Welt zu erringen. Ihr Geschlecht, ihre Schönheit, ihr Unglück trugen nicht wenig dazu bei, daß die Lobeserhebungen, an denen die vom Hofe besoldeten Journalisten nicht sparten, günstig aufgenommen wurden. Sie nahm sich in Acht und zeigte sich nur von der guten Seite, leutselig, fromm, freigebig, wohltätig, volkstümlich, mutig, hochherzig, gewann sie sich bald die Herzen der Untertanen, die sich die Regung der Zuneigung, welche sie anfangs für den verstorbenen Kaiser Karl VII., den ehemaligen Kurfürsten von Bayern, empfunden hatten, als Verbrechen vorwarfen … Sie gab jedem Audienz und las selbst die Bittschriften, kümmerte sich um die Rechtspflege, ließ sich die Regierungsgeschäfte angelegen sein, bedachte den einen mit guten Worten, den anderen mit einem Lächeln oder einer verbindlichen Wendung, machte ihre abschlägigen Antworten erträglich, gab großartige Versprechungen, trug äußerste Frömmigkeit zur Schau … liebte den Prunk, ließ Schauspiele aufführen … und beklagte sich über das Unglück, in das ihre Feinde sie gestürzt hätten, nannte sich untröstlich, wider ihren Willen gezwungen zu sein, ihre Widerwärtigkeiten mit ihren treuen Untertanen teilen zu müssen, versprach, bei Gelegenheit den Eifer eines jeden zu belohnen, versicherte Ungarn, ihre alten Vorrechte wiederherstellen und bestätigen und ihren alten Beschwerden abhelfen zu wollen, trug Geistesstärke zur Schau, bot ihrem Unglück Trotz und versuchte, durch ihren Mut ihren Untertaten solchen einzuflößen.“19
Und tatsächlich: Die Stimmung schlug um, Zuversicht machte sich breit und die junge Königin festigte nicht nur im Land ihre Position, sondern gewann immer mehr Rückhalt und damit finanzielle Unterstützung, die für eine erfolgreiche Verteidigung ihres Reiches unerlässlich war. Podewils schilderte: „Man hörte Lobeserhebungen über diese Fürstin. Jeder erhob sie in die Wolken … Das Volk ertrug die Steuern, ohne zu murren. Die Großen schossen Geld vor, oft ohne darauf zu warten, daß man sie bat. Die Ungarn drängten sich, für sie zu kämpfen. Die Offiziere dienten mit Freuden zum halben Sold, da sie sie überzeugte, es sei nicht ihre Schuld, daß sie ihnen jetzt nicht mehr gebe. Jeder stand ihr voll Eifer bei und beeilte sich, sich für die beste aller Fürstinnen aufzuopfern. Man vergötterte sie. Alle Welt wollte ihr Bild haben. Niemals erschien sie in der Öffentlichkeit, ohne daß das Volk sie umdrängte.“20
Neue Zuversicht machte sich breit: Maria Theresias Ritt auf den Pressburger Krönungshügel. Ölgemälde von Philipp Ferdinand von Hamilton.
Maria Theresia überzeugte aber nicht nur mit Charme, Schönheit und guter Laune. Im Gegenteil, sie imponierte (vor allem auch den Männern) dadurch, dass sie sich selbst nicht schonte und man ihr auf Grund ihrer unprätentiösen Lebensführung, die Stärke und Kraft demonstrierte, diese auch im Handeln und Regieren zutraute. So verschaffte sie sich Respekt und Anerkennung, was gerade am Beginn ihrer Regierung absolut notwendig war, um überhaupt ernst genommen zu werden. Podewils schrieb erstaunt nach Berlin: „Es scheint, als sei sie ärgerlich, als Frau geboren zu sein. Sie nimmt keinerlei Rücksicht auf ihre Schönheit, setzt sich ohne Schonung den Unbilden der Witterung aus, ergeht sich mehrere Stunden in glühender Sonne und bei Kälte, die sie viel besser verträgt als Hitze.“21 Auch ihr Obersthofmeister Fürst Khevenhüller notierte bewundernd in seinem Tagebuch: „Da der liebe Gott sie mit einer für eine Frauenspersohn recht verwunderlichen Leichtigkeit, denen Fatiguen zu widerstehen, begabet hat, womit sie es villen Männern weit bevortut, aber auch eben von darummen auf ihre Gesundheit und gutte Leibes Constitution, was mann auch dargegen zu ihren eigenen Besten vorstellet, gar zu vill bauet und trauet …“22
Der Kampf um das Erbe: die Belagerung Prags durch die Österreicher unter dem Oberbefehl Franz Stephans. Gemälde von A. Querfurt, 1742.
Doch noch hing ihre Stellung am seidenen Faden – denn es gab keinen männlichen Erben und die Geschichte hatte deutlich gezeigt, dass die weibliche Erbfolge nicht reibungslos akzeptiert wurde. Erst die Geburt des heißersehnten Thronfolgers Joseph am 13. März 1741 ließ endgültig alle kritischen Stimmen verstummen und Maria Theresia hatte sich ihre unangefochtene Position als Monarchin ihres Reiches gesichert. Anlässlich des 36. Geburtstages ihres ältesten Sohnes fasste sie die damals dramatische Situation in einem Brief an ihren zweitgeborenen Sohn Ferdinand zusammen: „Mein lieber Sohn, welch großer Tag heute für mich, der in mir all meine Entschlüsse vor sechsunddreißig Jahren wachruft, und wie mir damals zugleich die Gewissheit wurde, dass die göttliche Vorsehung unserem Hause das Szepter erhalten wollte – in der kritischsten Stunde schenkte sie mir einen Sohn. Ich hatte kein Königreich mehr, das mir nicht streitig gemacht worden wäre, und ein Jahr später wusste ich nicht einmal, wo ich niederkommen sollte, da ich in Wien nicht bleiben konnte, Böhmen und Oberösterreich verloren, Niederösterreich von Bayern bedroht, Italien und die Niederlande verwüstet, Ungarn von der Pest heimgesucht, so dass, als mein Gepäck vor Ofen ankam, die Tore wegen der Ansteckungsgefahr geschlossen waren und ich sofort wieder umkehren musste. Wenn ich an die damaligen Zeiten denke und mit den jetzigen vergleiche, so habe ich allen Grund, getrost zu sein. Wenn wir nach Gottes Willen aus guten Tagen wie aus bösen Stunden lernen, dürfen wir mit einer friedlichen Zukunft rechnen.“23
Dank ihrer Entschlossenheit, ihres Kampfgeistes, Mutes und Durchhaltevermögens war es Maria Theresia schließlich gelungen, ihr Erbe trotz schwierigster Umstände zu verteidigen und im Land als Königin und Erzherzogin allgemein anerkannt zu werden.
Kaiserin oder doch nicht?
War Maria Theresia nun Kaiserin oder nicht? Die Frage ist leicht zu beantworten: ja und nein. Maria Theresia erbte beim Tod ihres Vaters Kaiser Karl VI. die Habsburgischen Erblande und damit den Titel der Königin von Böhmen und Königin von Ungarn. Der Titel für die österreichischen Länder war seit Anerkennung des Privilegium maius – der dreisten Fälschung Herzog Rudolfs IV. inklusive des dafür erfundenen Titels Erzherzog – durch Kaiser Friedrich III. eben Erzherzog. (Das Kaisertum Österreich wurde ja erst 1804 von Kaiser Franz II. quasi als Antwort auf die Selbstkrönung Napoleons zum Kaiser der Franzosen ausgerufen, nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches durch Franz zwei Jahre später blieb ihm der Titel des ersten österreichischen Kaisers, als solcher Franz I.)
Maria Theresia war demnach ab 1740 Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen. Den Kaisertitel konnte sie nicht erben, da das Heilige Römische Reich erstens ein Wahlkaisertum war, bei dem der Kaiser von den seit der Goldenen Bulle auserkorenen sieben Kurfürsten gewählt und anschließend gekrönt wurde, zweitens stellte das Heilige Römische Reich ein katholisches Kaiserreich dar, in dem – analog zur katholischen Kirche – Frauen ausgeschlossen waren. Als nach Karls Tod der bayerische Kurfürst Karl I. und nicht Maria Theresias Gemahl Franz Stephan von Lothringen von den Kurfürsten zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt wurde – wohl auch um die Macht der Habsburgerdynastie einzuschränken – schien die Kaiserwürde für die Habsburger verloren. Doch Karl VII. starb bereits 1745 und Maria Theresia hatte in der Zwischenzeit ihre Macht so weit gefestigt, dass ihr Mann nun wieder in Frage kam. Entscheidend war jedoch der Zweite Schlesische Krieg, den Maria Theresia erneut gegen Friedrich verlor – diesmal jedoch immerhin mit der Zusage des Preußenkönigs, bei Österreichs Verzicht auf Schlesien Franz Stephans Wahl zum Kaiser zu unterstützen. Somit lag nach einer kurzen Unterbrechung die Kaiserwürde wieder in den Händen der Habsburg-Lothringer, wie die Dynastie seit dem Tod Karls VI. und damit dem Aussterben der Habsburger im Mannesstamm offiziell hieß. Als seine Gemahlin führte Maria Theresia nun auch automatisch den Kaisertitel – ohne selbst Kaiserin zu sein. Von Zeitgenossen wurde sie von 1740 bis 1745 als Königin tituliert, ab 1745 Kaiserin-Königin, erst in späteren Jahren setzte sich schließlich der Titel Kaiserin der Einfachheit halber durch – obwohl dies nicht „ihrer“ war. Da jedenfalls alle Gemahlinnen der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und später auch des österreichischen Kaisertums den Titel ihrer Männer führten und als Kaiserinnen benannt wurden, ist die Bezeichnung Kaiserin für Maria Theresia korrekt – wenn auch immer wieder damit irrtümlich angenommen wird, sie wäre die gewählte und gekrönte Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches gewesen.
Die Kronen von Ungarn und Böhmen und der Erzherzogshut: das Große Wappen Maria Theresias, nach 1765.
Franz Stephan – träger Lebemann oder cleverer Manager?
Während Maria Theresia mit großer Energie nicht nur die Erblande regierte, sondern auch in Reichsangelegenheiten den Ton angab und sich dabei äußerst selbstbewusst von ihrem Mann weder dreinreden noch beeinflussen ließ, nahm die Öffentlichkeit den Kaiser nur am Rande wahr und verfälsche die historische Bedeutung Franz Stephans nachhaltig. Selbst Zeitgenossen ließen sich vom nach außen zurückhaltenden Auftreten des Kaisers täuschen und beschrieben ihn als träge, faul und an Geschäften jeglicher Art uninteressiert. So berichtete der preußische Gesandte Podewils nach Berlin: „Da er von Natur aus träge ist, weiß er sich mit keiner Sache gründlich zu befassen … Er hasst die Arbeit. Er ist wenig ehrgeizig und kümmert sich so wenig wie möglich um die Regierungsgeschäfte. Er will nur das Leben genießen, es angenehm verbringen und überlässt der Kaiserin gern den Ruhm und die Sorgen der Regierung. Diese Fürstin und ihre Minister lenken ihn und vor allem in den Reichsangelegenheiten, von denen er wenig Kenntnis hat (…) Wenn er den Beratungen beiwohnt, so ist es nur des äußeren Anstandes wegen, und obgleich er dort manchmal gute Ratschläge gibt, schenkt man ihnen selten Beachtung.“24
Doch der Schein trog gewaltig. Während der Kaiser den Eindruck charmanter Untätigkeit vermittelte, wurde wenige Schritte von der Hofburg entfernt im sogenannten „Kaiserhaus“ in der Wallnerstraße 3 eifrig gearbeitet. Denn in Wahrheit widmete sich Franz Stephan, ohne nach außen viel Aufsehen zu erregen, dem Aufbau der wirtschaftlich höchst erfolgreichen Firma „Habsburg-Lothringen“. Der Kaiser konsolidierte dabei nicht nur die Finanzen des Reiches, sondern gründete quasi im Stillen ein Wirtschaftsimperium, das den enormen privaten Reichtum der Habsburger bis zu Kaiser Franz Joseph und seinen Nachkommen begründete und als „Stiftung“ über Generationen sicherte. Das Palais in der Wallnerstraße war die Schaltzentrale seines Imperiums, das er mit großem wirtschaftlichem Geschick und guter Menschenkenntnis regierte. Denn Franz Stephan hatte die Gabe, besondere Talente und Fähigkeiten zu erkennen und entsprechend einzusetzen, wobei er im Gegensatz zu den geltenden gesellschaftlichen Spielregeln Qualifikation stets vor gesellschaftlichen Stand oder Religionszugehörigkeit stellte. Da der Kaiser über kein Privatvermögen verfügte und nach neuestem Quellenstand auch der Tausch Lothringens gegen die Toskana ursprünglich nicht mit finanziellem Wohlstand verbunden war,25 standen am Beginn kleine Investitionen, die sich langfristig als äußerst gewinnbringend erwiesen. So kaufte er günstig zahlreiche kleine Güter und Herrschaften in desolatem und abgewirtschaftetem Zustand, um sie in moderne wirtschaftliche Betriebe zu verwandeln. Hierbei konnte er die Erkenntnisse und Erfahrungen seiner Reisen durch Holland, England und Schlesien in den Jahren 1731/32 umsetzen und die landwirtschaftliche Produktion mit Hilfe neuer Methoden vorantreiben. Er investierte in neue Maschinen, verbesserte die Produktionsabläufe und konnte damit die Erträge aus Viehzucht, Landwirtschaft, Brauerei, Weinbau, Fischzucht und Forstwirtschaft um ein Vielfaches erhöhen. Auch Brau- und Wirtshäuser erwiesen sich als äußerst lukrativ. Vor allem die Güter Holics und Sassin entwickelten sich ertragreich und wurden zu Mustergütern der Monarchie. Mittels modernster Methoden, die er in Holland kennengelernt hatte, etablierte sich Franz Stephan z. B. auch als ertragreichster Entenzüchter des Reiches, indem Wildenten angelockt, mit Netzen gefangen wurden und im großen Stil in alle Teile der Monarchie und an den Hof geliefert werden konnten.
Die Schaltzentrale des Imperiums von Franz I. Stephan: das „Kaiserhaus“ in der Wallnerstraße. Stich von Salomon Kleiner.
Kaiser Franz I. Stephan umgeben von den Vorstehern der vier wissenschaftlichen Hofinstitute. Gemälde von F. Messmer und J. Kohl, um 1764.
Doch nicht nur als Landwirt, sondern auch als Industrieller erwies er sich als äußerst erfolgreich. Nach dem vor allem wirtschaftlich herben Verlust Schlesiens bereiste Franz Stephan Böhmen und Mähren auf der Suche nach besten Standorten für Tuchmanufakturen, Leinwebereien und Spinnereien, gründete in Kladrub und Potštejn Betriebe und sorgte für einen enormen industriellen und wirtschaftlichen Aufschwung der Regionen. Gleichzeitig war er an der staatlichen Lotterie beteiligt und belieferte das österreichische Heer mit Waffen. Dass Franz Stephan nicht nur gutmütig war, sondern vorausschauend und in eigenem Interesse agierte, belegt ein Vertrag mit seiner Frau, in dem er ihr 1744 ca. 1 Million Gulden für den Zweiten Schlesischen Krieg zu Verfügung stellte. Dafür musste sie ihm allerdings auf Lebenszeit „sämtliche Königlichen Böhmischen Cammer Herrschaften und Gütter“26 verpfänden.
Einer der lukrativsten Geschäftszweige waren jedoch seine Börsenspekulationen, deren Gewinne er in mehreren europäischen Banken anlegte: „Was die finanziellen Hilfsmittel dieses Hofes angeht, so hat der Kaiser, der ein sehr guter Wirtschafter ist, mehrere Millionen zusammengetragen, die er in den Banken von Genua, Venedig und angeblich teilweise auch Amsterdam liegen hat.“27 Wer seine Bankiers waren, geht aus den Akten nicht hervor – offenbar vor allem Niederländer, so wird das Bankhaus Nettine in Brüssel immer wieder in den Akten genannt, da Franz Stephan jedoch auf Diskretion bedacht war, wusste er seine genauen Bösen- und Bankgeschäfte klug zu verschleiern. Dazu hatte er sicher auch erstklassige Finanz- und Wirtschaftsexperten als Berater – und ließ sein Geld arbeiten. Nach seinem Tod betrug seine Erbschaft an Bargeld, Realitäten und Papieren ca. 17 Mio. Gulden – ein gigantischer Betrag, den er in 30 Jahren erwirtschaftet hatte. In weiser Voraussicht hatte Franz Stephan noch dazu eine klare Trennung von Privat- und Staatsvermögen vorgenommen und damit die finanzielle Grundlage für den Familienfonds geschaffen, der nicht nur bis zum Ende der Monarchie bestand, sondern auch danach die Erben Franz Josephs (in erster Linie seine Tochter Marie Valerie, die nach Thronverzicht für sich und ihre Nachkommen unter Beibehaltung des Privatvermögens in Österreich blieb) finanziell absicherte.
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