Kitabı oku: «Kein Himmel ohne dich», sayfa 3
Kapitel 5
Die vergangen drei Tagen hat sich an der Stimmung unserer Beziehung, oder was auch immer es ist, nichts geändert. Wir sprechen nicht miteinander und gehen uns aus dem Weg. Es ist sogar so, dass wir uns nicht einmal ansehen. Das kränkt mich ziemlich und ich glaube es ist aus. Kann nach acht Jahren wirklich alles vorbei sein? Ich dachte immer wir bekommen das hin. Doch die vorangegangenen Ereignisse machen es fast unmöglich. Tyler schläft am Sofa. Ich versuche mich irgendwie abzulenken und habe darum die Wohnung von oben bis unten geputzt, die Wäsche gemacht und war heute schon lange spazieren. Außerdem habe ich alle Tabletten, und wenn ich sage alle, dann meine ich ALLE, in eine Tüte gepackt. Ich werde sie morgen zur Apotheke bringen und entsorgen. Ich habe nur eine Packung Aspirin im Medizinschrank gelassen, falls Tyler mal Kopfschmerzen hat. Mir geht es ohne die Dinger seltsam gut, ich fühle mich klar und frisch. Meine Gedanken sind strukturiert und sie fehlen mir im Moment nicht, aber ich bin Krankenschwester und meine medizinischen Kenntnisse sagen mir, dass das vermutlich nicht so bleiben wird. Und ich weiß auch, dass ich Ablenkung und eine Verantwortung brauche, da ich sonst ganz schnell wieder rückfällig werde. Diese Ablenkung könnte ich bei meiner Arbeit suchen. Auch wenn ich vor zwei Jahren meinen Job als Intensivkrankenschwester in der Klinik aufgab, denke ich jetzt wieder darüber nach, genau das wieder zu tun. Damals wollte ich einfach nicht mehr jeden Tag von totkranken Menschen umgeben sein, ich wollte meiner Arbeit mehr Sinn geben. Doch dieser Plan ist nicht aufgegangen. Speziell diese Entscheidung, auch wenn sie für über ein Jahr lang die beste meines Lebens war, hat mich in ein tiefes Loch gerissen. Aus diesem Tief konnte ich mich bis heute nicht befreien. Es wäre Zeit für einen Neubeginn, vielleicht nicht auf der Intensivstation, aber zumindest in der Krankenpflege. Ich mochte meine Arbeit immer sehr und bin gerne Krankenschwester. Keine Ahnung. Ich werde mich in den nächsten Tagen schlau machen. Das Zufallen der Wohnungstür gefolgt vom Scheppern des Schlüssels in der Schale wie immer reißt mich aus meinen Gedanken. Er ist heute schon früh zu Hause. Kurz schießt mir der Grund warum er die letzte Zeit immer so spät war in meine Gedanken, doch ich schiebe ihn zur Seite, weil ich versuchen will nicht mehr daran zu denken. Es macht es nicht besser und schon gar nicht einfacher. Ich bleibe im Wohnzimmer wo ich gerade ein Buch lese sitzen, ich kann mich nicht immer einsperren. Davonlaufen ist auch keine Lösung. Es hilft nichts. Ich höre wie er in sein Arbeitszimmer geht und die Tür hinter sich schließt. Wieder kein Hallo, oder sonst etwas. Ich seufze für mich selbst. Es ist nicht besonders toll das ertragen zu müssen, doch ich werde mit Sicherheit nicht den ersten Schritt tun. Von mir aus kann er das restliche Jahr schweigen, und das ist noch lange hin. Wir haben erst Mai. Kopfschüttelnd lese ich weiter. Auch beim Abendessen bin ich allein, darum esse ich nur ein bisschen Salat, meine Figur wird es mir danken. Ich habe zwar für Tyler gekocht, bin aber zu stolz ihn zu rufen. Darum tippe ich eine SMS an ihn bevor ich ins Bad gehe.
Falls du Hunger hast, ich habe Gemüse gemacht und Salat. Steht am Ofen und ist noch warm. Gute Nacht.
Nach dem Duschen lese ich mein Buch weiter. Es ist spannend und lenkt mich ein wenig ab. Kurz nach zehn lege ich es weg und lösche das Licht. Auch wenn ich es nicht will, jetzt fühle ich mich traurig und alleingelassen. Ich denke darüber nach zu ihm zu gehen, lasse es dann aber doch und schlafe irgendwann ein.
„Was ist denn…Tyler?“, murmle ich schlaftrunken als ich mitten in der Nacht wach werde. Er sagt nichts, rutscht dicht neben mich und schmiegt sich mit seinem Köper an meinen Rücken.
„Tyler?“, wiederhole ich, wehre mich aber nicht dagegen.
Er sagt immer noch nichts, dann dreht er mich zu sich und umarmt mich fest. Er presst seinen Körper an meinen und drückt seine Wange an mein Gesicht. Mein Herz zieht sich komisch zusammen. Ich habe seine Nähe so vermisst, auch wenn ich immer noch böse auf ihn bin. Plötzlich beginnt er mich zu küssen, zuerst sanft dann innig. Als ich anfange es zu erwidern hört er auf. Ich spüre seinen Atem.
„Hat er dich so geküsst? So?“
Ohne dass ich darauf antworten kann schiebt er mir seine Zunge tief und besitzergreifend in den Mund, ich bekomme schon fast keine Luft mehr, aber es ist gut.
„So? Hat er so gemacht? Holly…Nur ich küsse dich…Nur ich…“, haucht er in mein Ohr.
Ich antworte wieder nicht darauf, aber jetzt weil ich es nicht will, stattdessen ziehe ich seine Lippen wieder an meine. Wir küssen uns lange, so als müssten wir viel nachholen, was ja auch stimmt. Irgendwann schiebt er seine Hände unter mein Oberteil, ich überlege kurz ob das gut ist, doch ich höre schnell auf darüber nachzudenken. Ich will nicht mehr streiten und auch nicht mehr bockig sein, ich will meinen Ehemann zurück und werde genau jetzt alles dafür tun. Mir gefällt, dass er scheinbar eifersüchtig auf den Typen ist der mich dann zwar verprügelt hat, aber allein dieser Effekt lindert die voran gegangenen Schmerzen. Ich gebe ihm alles und mache alles was ihm gefällt, und ich weiß ziemlich gut was ihm gefällt. Es ist der Sex auf den ich lange gewartet habe, auch wenn ich es mir anders gewünscht hätte. Wir lieben uns intensiv, mit jeder Faser unserer Körpers und es scheint als wolle er mir alles geben was er die letzte Zeit verabsäumt hat. Ich bin schon fast so weit, als er aufhört und mit seinen Händen meine fest in die Matratze drückt. Seine Haut glüht und fühlt sich feucht an. Ich lächle ihn an und beiße mir auf die Unterlippe. Auffordernd beginne ich mich zu bewegen.
„Ich liebe dich Holly…Scheiße ich liebe dich…“
Er schließt seine Augen und wir machen in meinem Rhythmus weiter, ich weiß, er ist gleich soweit und ich bin es auch, darum schließe auch ich meine Augen und lasse mich fallen.
Kapitel 6
Ich blättere den Kalender um. Juni. Das Wetter ist im Moment absolut nicht junimäßig. Es ist regnerisch und ständig weht ein unangenehm kalter Wind. Drei Wochen keine Tablette mehr. Drei Wochen. Es waren gute und schlechte Tage ohne die Dinger. Ich hatte so oft Kopfschmerzen, dass ich ein paarmal nahe dran war mir doch ein Aspirin aus dem Medizinschrank zu nehmen. Doch ich habe es gelassen. Die Nächte waren katastrophal, weil ich kaum schlafen konnte obwohl ich schrecklich müde bin. Wenn ich mich jetzt im Spiegel ansehe bin ich stolz auf mich. Meine Haut ist rosig und rein wie lange nicht und meine Haare glänzen wieder und das trotz Schlafmangel. Es wäre wünschenswert zu sagen ich hätte auch ein bisschen abgenommen, aber weil ich eine Ersatzdroge in Form von Naschzeugs brauchte, muss ich dieses Ziel hinten anreihen. Mit Tyler läuft es auch wieder ganz gut. Wir haben viel geredet und versucht uns näher zu kommen. Das klappt mal besser mal schlechter. Unsere Ehe ist wie aus Glas. Zerbrechlich aber wertvoll. Ich will ihn nicht verlieren, darum versuche ich einfach alles um ihn glücklich zu machen. Ich sehe auf mein Telefon, dass lautlos neben mir vibriert. Tyler.
„Hallo“, nehme ich ab.
„Hi. Alles ok bei dir?“, fragt er.
„Ja, ich bin ok. Bei dir auch?
„Ja schon, aber ich habe heute ein Geschäftsessen. Du weißt doch der neue Auftrag. Der Termin ist spontan reingekommen. Es wird also später werden und ich wollte nur, dass du das weißt. Ich möchte nicht das du denkst…“
Ich unterbreche ihn, denn ich will nicht, dass er sich rechtfertigen und erklären muss. Das musste er nie und ich werde ihm auch nach allem was war weiterhin vertrauen müssen.
„Schon gut Tyler. Du musst mir nichts erklären. Viel Erfolg und bis nachher.“
„Ok…Dann bis später. Ich liebe dich Süße.“
Das bringt mich zum Lächeln. „Ich dich auch Ty. Bis später.“
Kapitel 7
„Wir können immer qualifiziertes Personal brauchen Holly, das weißt du ja. Überleg es dir und ruf mich an.“
Ruth, die Stationsschwester vom Krankenhaus in dem ich früher gearbeitet habe lächelt mich freundlich an was ich erwidere. Ich möchte wirklich gerne wieder arbeiten und habe sie darum heute in der Klinik besucht. Es fühlt sich komisch an wieder hier zu sein, aber nicht schlecht. Der hektische Krankenhausalltag macht mir noch immer Angst.
„Ja, ich denke darüber nach. Ich bin mir noch nicht ganz sicher ob es wirklich das Richtige für mich ist. Keine Ahnung wann ich über alles was passiert ist hinwegkommen werden.“
Sie legt ihren Kopf zur Seite und nippt dann an ihrem Tee. „Du hättest nichts machen können, Theo war todkrank. Das weißt du.“
Ich senke meinen Blick. „Ich habe dieses Kind geliebt. Es war unendlich schön ihn ein Stück auf seinem Weg begleiten zu dürfen.“ Auch wenn ich versuche es zu unterdrücken, spüre ich wie sich Tränen voller Schmerz in mir aufbauen. „Es ging ihm so gut und seine Zeit war noch nicht zu Ende.“ Ich schließe schluchzend meine Augen. „Hätte ich nicht…“
Ruth unterbricht mich und streicht über meinen Arm. „Holly…Du hast alles getan, mehr als man erwarten kann und mehr als du dir unter normalen Umständen zutrauen würdest. Das weißt du.“
Ich nicke, dann lächle ich ein bisschen. „Er hatte da vorne so eine süße Zahnlücke. Es war jeden Tag mein Ziel ihn so zum Lachen zu bringen, dass ich diese Zahnlücke sehe. Am Anfang war das schwierig, aber dann...“
„Du musst ihn loslassen. Es gibt so viele Menschen die dich brauchen“, meint Ruth und sieht mich dabei eindringlich an.
Wieder nicke ich, ich weiß, dass sie recht hat, aber ich weiß auch, dass ich das nicht so einfach kann. Trotzdem tat es gut mit ihr darüber zu sprechen. Ich checke im Aufzug mein Handy auf Anrufe oder Nachrichten, doch alles ist ruhig. Da es kurz vor Mittag ist, überlege ich Tyler zu überraschen. Wir waren ewig nicht gemeinsam zum Lunch. Ich wähle seine Nummer, komme aber gleich zur Bürovermittlung
„Hi…“, stammle ich überrascht. „Ist Tyler nicht im Büro?“
„Hallo Holly, nein er ist auswärts essen. Kann ich etwas ausrichten?“
„Nein…Nicht nötig. Danke.“
Dann lege ich auf. Schade. Ich hätte ihn jetzt echt gern getroffen. Dann rufe ich eben Amy an, sie hat Zeit, also treffen wir uns auf einen Kaffee.
„Sicher wieder alles ok mit dir und Tyler?“, fragt sie vorsichtig nach.
„Ja, ich glaub schon. Es ist immer noch ein blödes Gefühl, wenn ich an seinen Seitensprung denke.“
„Kann ich verstehen.“ Sie verdreht ein bisschen ihre Augen. „Und sonst?“ Ihr Blick wird eindringlicher.
„Du kannst ruhig direkt fragen. Ich habe keine Tabletten mehr genommen die letzten Wochen und ich will auch, dass es so bleibt.“
Sie lächelt zufrieden und ich glaube auch erleichtert.
Ich bin richtig überrascht, dass Tyler schon zu Hause ist als ich die Wohnungstüre zumache. Er ist in seinem Arbeitszimmer, ich höre ihn telefonieren. Ich lege meine Sachen ab und gehe den Gang entlang um ihm zu signalisieren, dass ich zu Hause bin. Die Tür ist nicht ganz zu.
„Ich weiß nicht ob wir das weiterhin so machen können… Ja sicher...Glaub ich nicht, trotzdem, du weißt ja warum…“
Er spricht leise, was mich wundert und das Gefühl in mir aufkeimen lässt, dass er etwas verheimlicht. Mir wird komisch zumute, lauschen will ich aber auch nicht. Darum öffne ich die Tür und stecke meinen Kopf hinein. Er sieht mich überrascht an.
„Ich kann jetzt nicht…Wir sprechen morgen darüber“, stammelt er und bricht das Telefonat ab.
„Hallo“, sage ich. „Wegen mir musst du nicht auflegen.“
Er kommt auf mich zu und gibt mir einen Kuss. „Weiß ich. Wo warst du denn?“
Das klingt wie ein erzwungener Themenwechsel.
„In der Stadt. Ich hab Amy getroffen. Wer war denn das am Telefon?“
„Ach nur ein Kollege. Nichts Wichtiges.“ Er streicht über meine Wange. „Was kochen wir. Ich bin am Verhungern. Ich war den ganzen Tag im Büro und hab noch nichts gegessen.“
Mir bleibt kurz die Luft weg. Ich weiß nicht was ich darauf sagen soll.
„Warst du nicht Mittagessen?“, frage ich dann aber recht souverän und wundere mich, dass ich den Satz ohne zu stammeln heraus bekomme.
„Nein…Es war so viel zu tun. Ich war im Büro. Warum?“
„Ach nur so“, bringe ich gerade noch heraus.
„Also, was kochen wir?“, meint er und geht an mir vorbei Richtung Küche.
Ich falle in mir zusammen. Kurz spiele ich mit den Gedanken ihn zur Rede zu stellen, lasse es dann aber doch, auch wenn ich weiß, dass er mich gerade anlügt.
„Was du möchtest, der Kühlschrank ist voll“, entgegne ich trocken und drehe mich um.
Kapitel 8
Die letzten Tage fühlten sich nicht gut an. Ich bin misstrauisch. Womöglich tue ich Tyler unrecht, aber ich habe Angst ihn darauf anzusprechen. Ich habe Angst vor dem was er dann sagen wird. Ich bin einfach nicht stark genug eine weiter Niederlage zu verkraften. Trotzdem betreibe ich momentan Spionage auf eigene Faust. Ich beobachte ich ihn heute schon zum Dritten Mal die Woche von meinem Ausschauplatz gegenüber von seinem Büro. Auch wenn ich noch nichts Konkretes weiß, gefällt mir was ich bisher gesehen habe nicht. Er verließ immer zur ziemlich gleichen Zeit das Büro, die Schlampe Carolin ging meistens ein paar Minuten vor oder nach ihm. Nach etwa anderthalb Stunden kam er dann wieder zurück, gleich wie sie, aber nie waren sie gemeinsam unterwegs. Noch kein Beweis, aber ich habe eigentlich keine Zweifel, dass er sie weiterhin trifft. Das macht mich fertig, ich bin gleichzeitig wütend und voller Angst. Heute weite ich meine Nachforschungen aus. Ich muss einfach wissen woran ich bin. Auch wenn ich nicht weiß wie es weitergeht, wenn sich meine Vermutung bestätigt, ich brauche Klarheit, sonst schnappe ich über. Tyler hat gerade das Haus verlassen, Carolin schon vor zehn Minuten. Ich gehe ihm mit großem Sicherheitsabstand hinterher. Mir liegt das zwar gar nicht, aber ich will jetzt endlich wissen was Sache ist. Zu Hause tut er immer so lieb und scheinheilig und kümmert sich aufmerksam um mich. Er geht jedem Streit aus dem Weg und beschwert sich nicht einmal, dass ich im Moment Tonnen von Süßigkeiten vertilge. Ich habe das Gefühl er hält mich für komplett blöd, das macht mich so wütend, dass ich es die letzten Tage kaum schaffte meine Befürchtungen für mich zu behalten. Weil mein Herz vor Wut und Aufregung so klopft bleibe ich kurz stehen. Vielleicht tue ich ihm ja komplett unrecht. Er geht in den kleinen Snackladen an der Ecke. Ich atme erleichtert aus.
„Er holt sich nur etwas zu essen, ich habe mir das alles nur eingebildet“, rede ich mir leise vor, als er mit einer Tüte wieder herauskommt. Doch er geht weiter, nicht zurück zum Büro. Ich folge ihm wieder und lasse ihn nicht aus den Augen. Er biegt in eine kleine Seitenstraße ein. Ich bleibe stehen und sehe ihm nach. Es ist nicht nötig weiter hinterher zu gehen. Ich sehe noch wie er ins kleine Hotel drei Häuser weiter geht. Mein Puls pocht in meiner Halsschlagader und ich merke wie eine unbeschreibliche Wut in mir aufsteigt. Diese Wut ist gepaart mit Angst und Kraftlosigkeit die mir fast den Boden unter den Füßen wegreißt. Meine Hände beginnen zu zittern und mir ist schwindelig. Keine Ahnung wie lange ich so dastehe. Irgendwann gehe ich nach Hause, fast mechanisch. Alles um mich herum ist plötzlich ausgeblendet. Ich hätte warten können bis er wieder herauskommt und ihm eine Szene machen können, doch das würde ich im Moment sowieso nicht überstehen. Kurz vor der Wohnung ist mir so schlecht, dass ich fast kotzen muss, ich schaffe es gerade noch die Treppe hoch. Während ich den Schlüssel ins Schloss stecke würgt es mich schon. Schließlich übergebe ich mich minutenlang im WC. Dann kommen die Tränen, die Tränen die er nicht verdient hat. Das Blut rauscht in meinem Kopf, ich kann nicht denken und bin nicht fähig mich zu beruhigen. Hysterisch laufe ich durch die Wohnung. Meine Hände zittern, nein eigentlich zittert mein ganzer Körper. Dann beschließe ich ihn anzurufen, aber er geht nicht ran. Natürlich nicht. Er hat schließlich besseres zu tun. Mit geballten Fäusten bleibe ich stehen, mein Herz klopft wie wild. Wenn ich mich jetzt nicht augenblicklich beruhige drehe ich durch. Panisch öffne ich den Schrank mit meinen Handtaschen und krame jede einzelne durch. Irgendwo ist bestimmt noch etwas das mir jetzt hilft. Es ist ein Notfall. Ein absoluter Notfall. Also ist es ok. Ich schnappe panisch nach Luft. Warum habe ich die Scheißdinger nur alle entsorgt? Warum? Völlig außer mir durchsuche ich noch den Küchenschrank und alle Laden im Badezimmer. Mir fallen die Aspirin Tabletten ein. Ich hole die Schachtel aus dem Medizinschrank und laufe damit in die Küche. Ich drücke mindestens zehn Tabletten aus der Verpackung, stopfe sie mir in den Mund und greife nach einem Glas Wasser. Während sich die Tabletten schon langsam im Mund auflösen schlucke ich sie noch nicht hinunter. Aspirin. Scheiße wie fertig bin ich eigentlich? Ich spucke die breiig-bittere Masse ins Waschbecken und wasche sie mit Wasser weg. Mit beiden Händen stütze ich mich ab und sehe wie die Mischung im Abfluss verschwindet. Ich drehe das Wasser ab und schließe meine Augen. Nein. Nein. Nein. Ich lasse mich von ihm nicht ruinieren, das schafft er nicht. Dann spüle ich meinen Mund aus und versuche mich zu beruhigen. Weil mir das nicht richtig gelingt, stelle ich mich minutenlang unter die eiskalte Dusche. Als mir schon fast alles einfriert, drehe ich auf warm. Langsam merke ich wie es mir besser geht, zumindest körperlich. Mein Puls normalisiert sich von Minute zu Minute. Das Zittern hört auf, dafür stellt sich eine schreckliche innerliche Angst ein. Der Nachmittag scheint nicht vergehen zu wollen. Ich überlege immer wieder was ich Tyler sagen werde, wenn er zur Tür hereinkommt. Er kommt schließlich ziemlich pünktlich nach Hause. Ich sitze im Wohnzimmer. Der Schlüssel fällt in die Schale.
„Hey Süße, wo bist du?“, ruft er quer durch die Wohnung.
Ich versuche die Wut zu unterdrücken, mich nicht aufzuregen, als er auch schon vor mir steht. Meine Hände ruhen auf meinem Oberschenkel, ich versuche nicht zu zittern. Mein Hals fühlt sich zugeschwollen an, ich atme durch meinen leicht geöffneten Mund. Er bleibt verwundert vor mir stehen. Ich sehe ihn an. Ich will sehen ob er mir ins Gesicht lügen kann, oder die Wahrheit sagen wird.
„Stimmt etwas nicht?“, fragt er vorsichtig.
Plötzlich sind alle Worte die ich mir bereitgelegt habe weg. Ich atme ein und aus.
„Sag du es mir“, sage ich dann schließlich leise.
Er zieht seine Augenbrauen hoch. „Was hast du denn? Geht es dir nicht gut?“
Er kommt einen Schritt näher, diese paar Zentimeter mehr Nähe bringen mich fast zum Überkochen, dennoch versuche ich ruhig zu bleiben.
„Vögelst du sie nur, oder liebst du sie?“
Diese Worte verlassen leise und bedacht meinen Mund, dabei sehe ich direkt in seine Augen. Wie erwartet wendet er seinen Blick sofort von mir ab.
„Wovon redest du? Bist du betrunken?“, meint er und schmunzelt was meine Worte lächerlich erscheinen lässt.
„Hör auf mich lächerlich zu machen. Ich bin so klar wie schon lange nicht mehr. Also. Beantwortest du bitte meine Frage.“
„Du bist überreizt Holly. Keine Ahnung wie darauf kommst und wovon du überhaupt sprichst.“
Ich stehe auf und stelle mich dicht vor ihn, jetzt ist es mir egal, er wird mir jetzt die Wahrheit sagen.
„Fickst du diese Carolin nur, oder liebst du sie auch noch? Versuch nicht mich weiterhin anzulügen. Ich habe dich die letzten Tage beobachtet!“ Jetzt ist meine Stimme um einiges lauter, ich schaffe es fast nicht die Kontrolle über mich zu behalten. „Du bist so armselig“, füge ich noch hinzu.
Er weicht zurück und schüttelt den Kopf. „Du bist paranoid Holly.“ Dann sieht er mich ernst an. „Nimmst du deine Tabletten nicht mehr? Du scheinst ja komplett durchzudrehen.“
Ich stoße einen spitzen Lacher aus. „Seit ich diese Scheißtabletten nicht mehr nehme, habe ich erst gecheckt was hier läuft. Ist sie die erste mit der du mich bescheißt, oder wie viele waren es vor ihr schon?“ Mein Gesicht wird heiß, mein Puls rast, in meinen Ohren spüre ich wie das Blut rauscht. „Es ist aus. Aus und vorbei. Ich will die Scheidung!“, füge ich noch hinzu, keine Ahnung warum, ich habe noch nie über eine Scheidung nachgedacht, aber die Worte kamen ganz von selbst aus meinem Mund.
„Was willst du? Bist du noch bei Sinnen? Komm jetzt wieder runter Holly, du drehst ja komplett durch!“ Jetzt wird auch seine Stimme lauter. „Allein bist du doch komplett im Arsch!“
Diese lauten Worte durchdringen meinen Körper auf eine seltsam klärende Weise.
„Ja vielleicht, aber mit dir auch.“ Das sage ich wieder ganz ruhig und klar. „Kannst du nicht einfach die Wahrheit sagen?“
Er klopft mit seiner flachen Hand nervös auf seinen Oberschenkel.
„Wie kommst du dazu mich zu beobachten? Was soll das?“
Ich schließe meine Augen. „Sag die Wahrheit.“
„Und dann? Was dann? Haust du dann ab?“, fragt er zögerlich.
Ich sehe ihn wieder an und gebe keine Antwort auf seine Frage.
„Scheiße! Ja! Verdammt nochmal!“, schreit er lauter als nötig. „Und wenn schon, es ist nur Sex.“
Auch wenn ich es schon gewusst habe, tut es schrecklich weh, mir reißt es den Boden unter den Füßen weg. Er kommt auf mich zu, aber ich stoppe ihn ab.
„Nein…Nein Tyler. Ich kann das nicht mehr.“
„Wir können das schaffen Holly…“, jammert er, was mich absolut kalt lässt, worüber ich selbst verwundert bin.
Dann drehe ich mich um und verlasse das Wohnzimmer. Als hätte ich es geplant, was nicht der Fall ist, hole ich meine Tasche und fange an ein paar Sachen einzupacken. Tyler rennt mir wie ein kleiner jammernder Hund hinterher, doch ich lasse mich nicht umstimmen.
„Wo willst du denn hin?“, fragt er mich während ich in meine Schuhe schlüpfe.
„Vorerst zu Amy. Ich kann das nicht mehr Tyler. Ich kann das nicht.“ Ich habe Mühe nicht zu weinen, doch ich will nicht mehr vor ihm weinen.
„Er reibt sich die Stirn. „Können wir nicht darüber reden? Ich will nicht, dass du jetzt gehst.“
Ich schüttle den Kopf und senke meinen Blick. „Wir haben geredet. Schon vor Wochen. Es gibt jetzt nichts mehr zu sagen. Ich muss nachdenken und ich will keine Tabletten mehr nehmen. So schaffe ich das nicht.“
„Und dann? Was ist, wenn du nachgedacht hast?“
Ich zucke mit den Schultern, denn das weiß ich selbst nicht.
„Denk du mal nach was du willst, vielleicht wäre das ein Anfang.“
Dann nehme ich ohne ein weiteres Wort meine Tasche und verlasse das Haus. Auf dem Weg zu Amy versuche ich mich zusammen zu reißen und bleibe recht überlegt und ruhig. Doch als sie die Türe öffnet und mich mit meiner Tasche in der Hand ansieht kann ich nicht mehr. Alles in mir und um mich herum scheint rücksichtlos einzustürzen. Es ist zu viel. Einfach zu viel. Fast hätte ich heute einen Rückfall bekommen. Ich will das alles nicht mehr. Ich will einfach nicht mehr so leben. Tyler war immer alles für mich, er ist es vermutlich trotz allem immer noch, aber er scheint das anders zu sehen. Ich wünsche mir einfach nur, dass alles gut wird.