Kitabı oku: «Kind des Lichtes», sayfa 3
Die Burg
Mehrere Tage waren sie so schon unterwegs, als Raven am Nachmittag dieses Tags in der Ferne auf einem Berg eine alte, von Bränden geschwärzte Burgruine trohnen sah. Er zeigte sie ihr begeistert, doch Alina spürte sofort Unbehagen in sich aufsteigen.
„Nun, was meinst du,“ rief er über den Wind, „es ist trocken und wir haben für diese Nacht ein Dach über dem Kopf.“ Sie war etwas unsicher angesichts des dunklen Gemäuers, nicke dann aber doch zögernd, obwohl etwas Bedrohliches von diesem Ort ausging.
„Gut, es wird dir bestimmt gefallen.“ Das sah sie anders, aber ein wenig neugierig wurde sie dann doch, und sei es nur ihm zur Freude. Raven landete kurze Zeit später geschickt auf dem kleinen Burghof, band sie danach rasch los und bedeutete ihr wortlos hier auf ihn zu warten. Sie vermutete, dass er mit unfreundlichen Bewohnern rechnete und war froh, als er erst sehr viel später wieder auf dem kleinen Burghof erschien.
„Es ist alles in Ordnung. Sie ist schon vor vielen Jahren verlassen worden,“ er schwang eine brennende Fackel, „komm, ich habe unten eine große Halle gefunden. Der Kamin ist frei und alte Möbel zum verbrennen sah ich auch.“ Er war aufgeregt wie ein kleines Kind, wollte ihr unbedingt etwas aus seinem Leben zeigen, nahm ihre Hand und zog sie ins düstere Innere der alten Burg. Voller Unbehagen lief sie hinter ihm her, doch verblüfft blieb sie im Vorraum der Burg stehen und sah sich mit großen wachen Augen erstaunt um. Die Steine unter ihren Füßen waren flach und glatt und sie glänzten nur schwach im Schein Ravens Fackel. Die Wände des Raumes, und, wie sie später feststellen sollte, auch aller übrigen, waren mit einem dunklen Holz verkleidet. Hinten, am Ende des Raumes schwang sich auf jeder Seite eine riesige Treppe nach oben und sie fühlte sich unangenehm an die Höhle des alten Drachens erinnert. Sie wich ängstlich zurück, doch Raven war schon an ihrer Seite.
„Komm, hier gibt es nichts, wovor du dich fürchten musst,“ sagte er vergnügt, „außerdem bin ich bei dir und du vertraust mir doch, oder?“ Er sah ihr dabei fest in die Augen. Sie nickte, ergriff dennoch seine große Hand und ließ sich von ihm tiefer in dieses dunkle Gemäuer führen. Die Halle, die Raven meinte, lag links neben dem Raum mit den Treppen und beeindruckte sie noch mehr. Ihr Boden bestand aus abwechselnd schwarzen und weißen Steinen, die absolut regelmäßig angeordnet waren. Die Wände waren auch aus Holz, doch dieses schimmerte, trotz seines Alters, immer noch in einem tiefen Rotbraun und war zudem noch reich mit kunstvollen Schnitzereien bedeckt. Doch der Kamin war das Schönste, was sie bis dahin gesehen hatte und sie erinnerte sich später immer gern an seinen Anblick zurück. Er bestand aus einem leicht rosafarbenen Stein und wurde von zwei dicken Säulen eingefasst, über diesen lag eine starke Platte, doch das schönste an ihm waren die zwei Figuren, die auf jeder der Säulen hockten. Sie waren wie Raven, nur unbekleidet und zeigten dadurch ihre ganze Kraft, ihre ganze Macht und Männlichkeit. Die großen Schwingen wie zum Abflug erhoben, hockten sie dort zum Sprung bereit, und starrten wie stolz und erhaben auf Alina herunter. Raven trat hinter sie und folgte ihrem Blick.
„Sie sind wunderschön,“ flüsterte er leise, „nicht wahr?“ Sie nickte, deutete dann auf eine der Figuren, danach auf ihn und sah ihn dabei fragend an.
„Stimmt, sie stellen Männer meines Volkes dar,“ erklärte Raven ihr jetzt ruhig.
„Diese Burg gehörte wohl einem der Großfürsten, aber das muss jetzt schon lange her sein,“ er legte einen Arm um ihre Schultern, „wahrscheinlich wurden sie von Menschen getötet oder sie konnten noch rechtzeitig fliehen.“ Sie sah ihn jetzt traurig an.
„Kleine Fee, nicht traurig sein,“ er zog sie an sich,“ mein Volk lebt, und wird es auch in Zukunft. Es gab, solange ich mich zurückerinnern kann, immer Kriege zwischen den Menschen und uns, für sie sind wir Monster und manchmal stimmte es sogar.“ Sie sah entschlossen zu ihm auf und schüttelte ernst ihren Kopf. Raven musste nun doch etwas grinsen.
„Oh, doch,“ sagte er nun, „in jedem Volk gibt es gut und böse. Ich hoffe das du keinem Wolf meines Volkes begegnest, denn manche von uns nehmen sich etwas, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen.“ Er sah zärtlich zu ihr herunter.
„Aber nicht, wenn ich es vorher nicht verhindern kann.“ Er lachte, küsste einmal ihren Scheitel und verließ dann die Halle um ihre Sachen zu holen. Sie blieb beim Kamin, sah wieder zu den prachtvollen Männern empor und konnte ihm kaum glauben, das einige seines Schlages auch böse sein konnten. Als Raven zurück kehrte half sie ihm mit den Fellen und beim Feuermachen. Nachdem das Fleisch zum Garen über dem Feuer hing, fragte Raven sie ob sie ihn am Morgen begleiten wolle, ein wenig die Burg zu erkunden. Sie nickte zögernd, wusste ja nicht was sie zu erwarten hatte, doch er schloss sie glücklich in seine Arme und hob sie hoch.
„Das wird ganz wundervoll, glaube mir, ich werde dir alles zeigen, dir alles Erklären. Du wirst so viele neue Dinge sehen, und ich werde bestimmt gut auf dich Acht geben, versprochen.“
Damit wirbelte er sie ausgelassen herum, dass ihr ganz schwindelig wurde. Sie schlang beide Arme um seinen kräftigen Hals und barg ihr Gesicht unter sein Kinn. Er stoppte langsam und streichelte anschließend über ihr langes, weißes Haar.
„Du bist so schön, kleine Fee, so wunderschön, dass es einem in der Seele schmerzt dich zu betrachten. Wie gern würde ich dich in Liebe berühren, dir zeigen, was es heißt eine Frau zu sein, aber keiner meines Volkes wird je mit dir die Wonnen teilen.“ Sie sah fragend zu ihm auf, verstand nicht, was er damit meinte. Zärtlich, aber auch voller Trauer blickte er zu ihr hinunter.
„Du bist so klein, so zart,“ er sah sie traurig lächelnd an, „Menschenweiber sind so viel größer als du und doch sterben sie häufig noch unter uns. Was würde mit dir Geschehen, wo du doch so viel kleiner und zarter als sie bist?“ Er küsste sie ganz zärtlich auf ihre glatte Stirn.
„Nein, keiner meines Volkes wird dich je in Liebe berühren.“ Er setzte sie jetzt ab, streichelte ihr noch einmal traurig über ihr Haar und ging dann rasch zum Feuer, um nach dem Fleisch zu sehen. Seine Traurigkeit hielt ihn auch noch den ganzen weiteren Abend gefangen, und so sehr Alina sich auch bemühte, sie konnte ihm kein Lächeln mehr entlocken. Das betrübte sie sehr, zumal sie nicht verstand, warum er so verzweifelt war. Sie ahnte nur, dass es etwas mit ihr zu tun hatte. Raven fühlte sich an diesem Abend trotz ihrer Nähe sehr einsam. Der Gedanke, sie zurück lassen zu müssen, betrübte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte. Sie fesselte ihn, und er wusste, er hätte bald nicht mehr die Kraft, sich ihr zu entziehen. Was sollte er nur machen, mir ihr und mit sich selbst. So lagen beide des Nachts wach, und im großen Kamin knisterte nur leise das behagliche Feuer, das diesem Ort nach Jahrzehnten wieder Licht und wärme gab.
Am Morgen des folgenden Tages weckte er sie schon früh, und nachdem sie gegessen hatten machten sie sich an die Erforschung des alten Gemäuers. Sie beraten zunächst wieder den Raum mit den Treppen am Ende. Dunkelheit erwartete sie dort oben.
„Komm, wir gehen erst nach oben,“ meinte er jetzt wieder vergnügt und zog sie mit sich. Vorsichtig erstiegen sie die erste Treppe und betraten danach einen breiten Flur, der auf jeder Seite von großen, schweren und reichverzierten Türen gesäumt wurde. Raven öffnete die Erste, stemmte diese mit ganzer Kraft auf und beide sahen vorsichtig hinein. Das Zimmer war groß und ehemals bestimmt sehr prächtig. Doch jetzt waren die Wände verstaubt, die Möbel zerbrochen oder schimmlig, die Vorhänge hingen in Fetzen und die hohen Pfosten des ehemals schönen Bettes ragten wie die knorrigen Finger einer alten Hand empor. Dieser Raum ließ Alina schaudern und sie wandte sich rasch ab. Die restlichen Zimmer dieser Etage glichen einander in ihrer Einrichtung und ihrem Zerfall. Raven fragte sich, warum die ehemaligen Bewohner ohne ihre vielen Habseeligkeiten fortgegangen waren. Er sah viele Spiegel, Kämme, Börsen aus Leder und andere Gebrauchsgegenstände. Wurden sie überrascht? Sind sie eiligst geflohen, während eines der vielen Kriege?
Oder wurden sie von einer Krankheit dahingerafft? Es gab so viele Fragen zu diesem düsteren Ort. Sie folgten dem Flur bis zu dessen Ende und betraten danach eine lange Galerie. Die großen und dabei bunten Fenster, die regelmäßig an der linken Seite verliefen, tauchten sie in ein diffuses Licht. An der langen rechten Wand hingen die alten, dabei aber kunstvollen Gemälde der ehemaligen Bewohner. Einige hingen noch an ihrem Platz, andere lagen zerstört darunter. Sie waren staubig, die Farben zum Teil schon abgeblättert, doch auf Alina verübten sie einen ganz besonderen Reiz. Raven folgte ihr zu jedem Einzelnem und sah, wie genau sie die alten Bilder betrachtete, wie sie diese manchmal zart, fast ehrfürchtig berührte. Er sah an der Kleidung der dargestellten Männer und Frauen seines Volkes, das deren Zeit schon lange verstrichen sein musste. Dennoch berührten sie auch ihn, konnte er doch durch sie in eine ferne, eine prachtvolle Zeit zurückblicken.
Alina war völlig verzaubert. Sie ging von Bild zu Bild, gefesselt von der Schönheit der dargestellten Personen, die sich alle sehr ähnelnd und arrogant und mit kaltem Blick auf sie herunter starrten. Als sie das Ende der Galerie erreichten fiel es ihr schwer, diese zu verlassen und sie beschloss, später noch einmal hierher zurück zu kehren. Raven legte einen Arm um ihre Schultern und sie sah wieder einmal fragend zu ihm auf.
„Ich weiß nicht, was hier geschehen ist, aber lass uns weitergehen, vielleicht finden wir doch noch Antworten auf unsere Fragen.“ So wurde aus ihrer Besichtigung eine Suche und je weiter sie in die Burg eindrangen desto verwirrender wurde alles. In der großen Küche stießen sie auf die trockenen Überreste einer ehemals üppigen Festtagstafel. In den Stallungen lagen die bleichen Gebeine des Viehs. Überall sahen sie Zeichen, das, dass, was hier vorgefallen war, sehr schnell gegangen sein muss. Doch warum war noch alles vorhanden? Warum hatte man das Vieh in den Ställen jämmerlich sterben lassen? Und weshalb schien alles so unberührt, verfallen, ja, aber er sah keine Spuren die auf Kampf oder Plünderung hinwiesen. Doch dann hatte ihre Suche plötzlich ein jähes Ende und sie fanden die Bewohner der alten Burg.
Raven stemmte sich mit aller Kraft gegen die schwere Holztür, drückte diese aber nur langsam auf. Sie hatten diese am fuße des halb eingestürzten Turmes entdeckt, als beide den Burghof überquerten. Als er sie halb geöffnet hatte, stieß sie auf Wiederstand und er sah in die totale Finsternis dahinter. Alina wurde hier mehr als nur unbehaglich.
„Warte hier, es ist dunkel dort drinnen, ich hohle schnell eine Fackel.“ Sie blickte durch die Öffnung und sah grob behauende, staubige Felsstufen die in eine tiefe Dunkelheit hinab führten.
Sie verspürte nicht den Drang mutig zu sein und wartete geduldig auf seine Rückkehr. Raven hatte eine Ahnung auf was sie gestoßen sein könnten, er kannte diese Wege, die nur nach unten führten und nicht wieder hinauf. Sogar in seinem fernen Schloss gab es welche. Er wusste nicht, wie er sie auf das nun Folgende vorbereiten sollte, aber ihm war klar, dass es keinen Sinn hatte es ihr zu Verheimlichen. Sie war klug und früher oder später würde sie selbst drauf stoßen. Doch was sie nun erwarten sollte, hätte er ihr trotzdem lieber erspart. Sie stiegen gemeinsam die steinernen Stufen hinab und standen dann in einem dunklen Korridor. Die Luft hier unten roch schlecht und im Fackelschein tanzten unruhige Schatten über die Wände. Die schweren Holztüren, zu beiden Seiten des Ganges, standen gähnend offen und gewährten ihnen einen Blick auf die Überreste des alten Strohs, mit dem einst ihre Böden belegt wurden. Schimmelig und streng riechend lag es hier und verrottete. Raven sah seine Vermutung bestätigt, sie befanden sich jetzt im Kerker der Burg und er erwartete die gebleichten Gebeine der Gemeuchelten zu sehen. Doch sie fanden vorerst nichts dergleichen, was ihn erst etwas verwunderte. Wenn er sich aber nicht sehr täuschte, mussten zur Glanzzeit der Burg viele Menschen hier unten ihren baldigen Tod erwartet haben. Aber nichts deutete darauf hin. Er spürte Alinas Angst und sah ihr tief in die sonderbaren Augen.
„Sollen wir weitergehen.“ Sie nickte langsam und vorsichtig.
„Bist du dir sicher, ich weiß nicht was wir hier noch finden werden.“ Sie nickte wieder.
„Gut, dann weiter.“ Er ergriff ihre kleine Hand und als sie das Ende des Korridors erreichten, stiegen beide abermals langsam steinerne Stufen hinab. Die Dunkelheit wurde immer umfassender, ja, fast lebendig. Sie zerrte an ihnen, zog sie immer tiefer hinab. Die Luft hier unten wurde immer schlechter, zum Schluss kaum noch zu Atmen und ihnen brannten die Augen sehr vom aufgewirbelten Staub, der sich nur langsam wieder zu leben schien.
Dann, plötzlich, endeten die Stufen, und sie fanden sich in der Folterkammer der alten Burg wieder. Das riesige Gewölbe war seinerzeit wohl in die umgebenen Felsen geschlagen worden und die hohe Decke wurde von mächtigen Säulen getragen. Ravens Fackel vermochte dieses große Gewölbe nur schwach zu beleuchten und so blieben die entfernten Bereiche jetzt in völliger Finsternis. Sie traten nur langsam und zögernd näher und der Anblick, der sich ihnen dabei bot, war so furchtbar, dass Alina unkontrolliert zu zittern begann, während Ravens Nackenhaar sich langsam aufrichtete.
Sie hatten die ehemaligen Bewohner der Burg jetzt gefunden. Grausam Hingerichtet. Einige hingen auf ewig noch über ihren Marterinstrumenten, für immer mit Gurten an diesen befestigt. Andere lagen zerrissen oder zerteilt herum, oder baumelten an Ketten von der Decke. Doch das Schlimmste war, sie sahen keine Knochen, wie beim verendeten Vieh in den Ställen. Irgendein böser Fluch hatte die Bewohner nach ihrem Tot so erstarren lassen. Sie schienen völlig Intakt. Abgesehen von den fehlenden Augen waren alle Körper erhalten und schienen in ewiger Ruhe bewegungslos auszuharren. Alina sah vertrocknete Männer, Frauen und kleine Kinder, sah aufgerissene Münder, geballte Fäuste, sah abgerissene Gliedmaßen und aufgeschlitzte Bäuche. Einigen hatte man Pfähle durch die ganzen Körper getrieben, andere hingen am eigenem, trockenen Gedärm an den schweren Ketten, die vom Dach des Gewölbes hingen. Viele der Kinder hatte man wohl einfach auf die langen Fackelträger geworfen, die überall wie große Dorne aus den Wänden ragten, denn sie hingen, zum Teil grotesk verdreht, oft zu mehreren übereinander. Das war einfach zuviel für Alina und sie sank jetzt weinend zu Boden. Raven bemerkte dies kaum, er starrte nur völlig fassungslos auf die vielen Toten seines Volkes. Wie konnte das nur geschehen sein, wer war so Mächtig ein ganzes Geschlecht zu überraschen und ihnen so etwas anzutun. Nun, diese Frage war schnell beantwortet. Nur Menschen waren zu solchen Gräueltaten fähig. Sie hatten die Einwohner wahrscheinlich gegen Morgen überrascht, alle hierher verschleppt, um sie dann so grausam hinzurichten. Wahrscheinlich wurden denen vorher auch noch die Flügel gebrochen, damit diese nicht fliehen oder gar Hilfe holen konnten. Das würde auch erklären, warum noch alle Güter der Familie vorhanden waren. Menschen waren der Meinung, dass die Dinge der anderen Völker ihnen Unglück brächten. Sie kamen nur um zu Töten, beließen aber alles andere wie es ist und mieden fortan die Orte ihrer Taten. Sogar das Vieh ihrer Feinde musste in den Ställen qualvoll verhungern. Sein Hass auf die Behaarten wuchs. Er bückte sich, hob Alina sanft auf und verließ mit ihr auf den Armen diesen Ort des Schreckens. Doch er schwor den Toten im Gedanken, zurück zu kehren, um ihre gefangenen Seelen für immer zu befreien. Niemand verdient einen solchen Tod, noch nicht einmal ein Mensch hätte so etwas verdient.
Es war eine schmutzige Arbeit. Raven schwitzte und keuchte die ganze Zeit, doch er gab nie auf, stieg immer wieder in die Tiefe um neue von ihnen hoch zum Burghof zu bringen. Dort saß Alina in der Dunkelheit und blickte stumpf in die knisternden Flammen des großen Feuers, das durch seine Arbeit immer weiter mit Nahrung versorgt wurde. Gierig verschlang es die trockenen Überreste der Familie, die hier einst lebte. Es dauerte lange, sehr lange, doch schließlich trug er den letzten Körper empor, übergab auch diesen den Flammen und setzte sich danach still neben sie nieder. Er zog sie in seine schmutzigen Arme, und als ihre Tränen zu fließen begannen, wiegte er sie wie ein kleines Kind. Später in der Nacht, als das Feuer schon heruntergebrannt war, und sie in seinen Armen unruhig schlief, trug er sie sanft hinein, legte sie auf ihre Felle und entzündete im Kamin ein kleines Feuer. Er wusch sie gründlich, drehte sich danach um und betrachtete sie voller Mitgefühl. Was mochte das heut Erlebte in ihr angerichtet haben. Oh, es hatte auch ihn erschreckt aber er war schon weit in der Welt herumgekommen, hatte schon viele ähnliche Dinge gesehen. Aber für sie war das alles so neu, so fremd und dann mussten sie auch noch auf die vielen Toten dort unten stoßen. Er beschloss, in Zukunft etwas vorsichtiger zu sein und das nächste Mal besonnener vorzugehen. Sie warf sich jetzt unruhig herum und er legte sich rasch zu ihr, nahm sie fest in seine Arme und wünschte ihr jetzt und für den Rest der Nacht gute Träume.
Wieder umgab Alina völlige Finsternis. Sie hatte schreckliche Angst und tastete sich blind voran.
„Mutter, bist du hier?“ Doch sie erhielt vorerst keine Antwort.
„Bitte, Mutter, es ist so dunkel und ich habe große Angst.“ Sie hörte ein leises Geräusch gleich einem fernen Wispern. Voller Angst trat sich zurück, ohne zu sehen wohin.
„Wer ist da, bitte, ich kann doch nichts sehen,“ weinte sie jetzt fast.
„Hab keine Angst mehr, meine Tochter.“ Sagte ihre Mutter jetzt wie aus weiter Ferne, aber sehr sanft zu ihr, „ich habe dich hierher gerufen, denn es möchte dich jemand sprechen, der dich anders nicht mehr erreichen kann.“ Und dann sah Alina vor sich ein zartes Leuchten, das beim näherkommen langsam immer heller wurde. Sie sah, das ein kleines Mädchen langsam auf sie zu Schritt und das Leuchten bei ihm seinen Ursprung hatte. Dicht vor Alina blieb die Kleine stehen und sah lächelnd zu ihr auf. Sie trug ein bezauberndes rotes Kleid, hatte langes, schwarzes Haar und ihre kleinen Flügel standen ihr keck vom Rücken ab. Verwundert blickte Alina zu ihr hinunter.
„Ich grüße dich, liebe Freundin,“ sagte die Kleine klar und deutlich, „ich heiße Ambra, bin der Familie des Ranguhls vor langer Zeit als Tochter geboren worden und wurde mit acht Sommern von den Menschen, die auch unser Zuhause zerstört haben, getötet. Meine Familie hat mich zu dir geschickt um euch unseren Dank für unsere Befreiung zu übermitteln. Dein Begleiter ist aus unserem Volk, aber für uns unerreichbar, deshalb bist du jetzt hier, nur du kannst mich sehen und verstehen.“ Alina sah die Kleine liebevoll an, und diese lächelte glücklich weiter zu ihr auf.
„Ich verstehe dich, Ambra,“ sagte Alina jetzt, „aber in der wahren Welt bin ich stumm, ich kann ihm nie von dir oder deiner Familie erzählen. Aber ich bin froh, dass ihr jetzt euren Frieden gefunden habt.“ Glücklich blickte sie nun auch das Kind an.
„Nun,“ Ambra sah sie verschmitzt an,“ auch in der wahren Welt geschehen manchmal noch Wunder.“ Damit drehte sie sich jetzt langsam um und verschwand nun wieder in der Dunkelheit.
„Hab nochmals vielen Dank.“ Rief sie noch einmal und winkte Alina ein letztes Mal zu.
„Und ich wünsche euch alles Gute,“ flüsterte Alina und sah ihr noch lange nach.
Sie erwachte langsam und fühlte sich recht wohl, wusste sie doch jetzt, dass es ihnen bestimmt war, die Toten zu finden und ihnen ihren Frieden zu geben. Sie schlug ihre Augen auf und sah in Ravens ruhigen, braunen Blick, der sie jetzt voller bedauern musterte.
„Wie geht es meiner kleinen Fee heute Morgen?“ Fragte er besorgt, „der Tag gestern war hart, für uns beide, und…“ doch weiter kam er nicht, denn sie legte ihm rasch einen ihrer kleinen Finger auf seine Lippen. Nahm seine Hand in ihre, zog ihn mit hoch als sie aufstand und zerrte ihn die Treppe hinauf zur langen Galerie. Sie stoppte vor einem Gemälde, das eine Frau mit einem Kind auf ihrem Schoß, darstellte. Das Kind war Ambra. Auf dem Bild war sie zwar jünger als letzte Nacht, aber sie war es, unverkennbar. Alina deutete lächelnd auf das Portrait, doch Raven verstand sie nicht, sah sie weiterhin nur fragend an.
„Was, was ist mit dem Bild?“ Alina faste sich hilfesuchend an den Kopf und deutete dann noch einmal auf genau auf das Kind. Raven blickte sie nur verwirrt an.
„Das Kind?“ Fragte er, „was ist mit dem Kind?“ Raven überlegte einen Moment, dann sah er sie wieder an und meinte nur vorsichtig,
„Hast du von ihr geträumt?“ Sie nickte ihm lachend zu, packte ihn wieder und zog ihn eilig zurück zur großen Halle. Er war völlig verblüfft von ihr und ließ sich bis zum Kamin mitziehen. Dort angekommen deutete sie überschwänglich auf das kleine Feuer, das dort seine Wärme verbreitete.
„Ja,“ meinte er voller Trauer, “das Feuer.“ Doch sie nahm als Antwort nur sein Gesicht in beide Hände, zog es zu sich herab und sah ihm dabei ganz ernst in die dunklen Augen.
„Moment, du meinst kein Feuer,“ er überlegte wieder und dann dämmerte es ihm langsam.
„Du meinst Licht?“ Sie nickte strahlend mit dem Kopf.
„Erlösung?“ Wieder nickte sie lachend.
„Du meinst, sie haben Frieden gefunden?“ Sie sah lachend zu ihm auf. Da packte er sie, hob sie hoch in die Luft und wirbelte sie, nun auch lachend, mit sich herum.
„Das ist wundervoll, kleine Fee,“ rief er ausgelassen, „das ist so wundervoll.“ Anschließend, und völlig außer Atem, setzte er sie wieder ab und ihr Blick wanderte wie magisch angezogen wieder zu den großen, schönen Figuren. Ganz ruhig stellte sie sich unter sie, und Raven trat hinter sie.
„Später, wenn wir mein Schloss erreichen, werde ich dir welche Bauen lassen.“ Überrascht sah sie zu ihm auf, zu verblüfft, um das eben gehörte. Doch Raven hatte sich entschieden.
„Ja, du wirst mich auf meiner Reise begleiten. Ich nehme dich mit mir heim, und um das Meer kümmern wir uns, wenn wir es erreichen.“ Nun war es an ihr in seine Arme zu fliegen, und ihr wurde plötzlich klar, Mutter hin oder her, sie würde ihm bis zum Ende der Welt folgen, und wenn es sein musste, noch bis darüber hinaus. Sie liebte diesen großen, geflügelten Mann wirklich und das von Herzen.