Kitabı oku: «Glauben an einen Gott, den es nicht gibt», sayfa 2
Er und Sie
Was es nicht gibt, ist weder ein «er» noch eine «sie» noch ein «es». Wenn ich mit «er» auf Gott verweise, dann bloss, um gelegentlich nicht dreimal im gleichen Satz «Gott» sagen zu müssen. Auch wenn ich mich auf den Menschen beziehe, sage ich meistens «er». Ich hoffe, dass «sie» dafür Verständnis hat.
Eine Entschuldigung im Voraus
Was einst notierte Lesefrüchte waren, ist im Lauf der Jahre in meine eigene Ausdrucksweise eingegangen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass da jemandem etwas entgegenkommt, was von ihm stammt, ohne dass er als Quelle genannt wird; er möge es als Kompliment nehmen.
Ein Wort zum Inhalt
Ich glaube nicht, dass es Gott gibt; ich glaube aber an Gott.
Dass es Gott nicht gibt, ist für mich kein Hindernis, sondern eine Voraussetzung für den Glauben an Gott. Ich bin ein gläubiger Atheist.
Im 1. Kapitel gehe ich näher auf den Begriff «Atheismus» ein, versuche die nebulösen Vorstellungen von «Existenz» etwas zu klären, wobei ich mich auch ziemlich ereifere über Kollegen, die behaupten, die Existenz Gottes spiele gar keine Rolle. Mit der Bibel in der Hand sage ich mit den Atheisten: Gott gibt es nicht, und wende ich mich zugleich gegen die Kirche, indem ich behaupte, dass, was sie «Gott» nennt, auf einem historischen Missverständnis beruht: Diesen Gott hat es nie gegeben. Die Tatsache, dass sich der Glaube an einen allmächtigen Gott auf ein wackeliges biblisches Fundament stützt, war bis gegen Ende des Mittelalters ein von der Kirche wohlgehütetes Geheimnis. Mit dem Aufkommen der Wissenschaften wurde er immer unhaltbarer. Heutzutage ist ein solcher Glaube meines Erachtens der Katalysator der Entkirchlichung: Wenn sich die Leute nicht mehr ernstgenommen fühlen, laufen sie der Kirche davon.
Im 2. Kapitel geht es um das, was «glauben» heisst. Das hat mehr mit dem Leben als mit der Religion zu tun. Die ursprüngliche Bedeutung von «glauben» ist «vertrauen». Man vertraut, genauso wie man lebt: aufgrund von Erfahrungen, die man gemacht hat. Gott kann das Wort sein, mit dem man eine Erfahrung bezeichnet, muss es aber nicht. Mit der Bibel bezeichne ich Gott als «das, was Menschen, die unterwegs sind, begleitet». Darum sage ich nicht, dass es Gott «gibt», sondern dass er sich ereignet oder sich ereignen kann. Dazu braucht es Menschen, ohne Menschen ist Gott nirgends.
Das 3. Kapitel gibt Antwort auf oft gestellte Fragen: Was hat ein Pfarrer, der nicht glaubt, dass es Gott gibt, in der Kirche zu suchen? Und wie schaffst du das, Klaas Hendrikse, wie hältst du’s mit der Tradition, der Liturgie, dem Gebet? Und wie gehst du um mit Krankheit und Tod in deiner Gemeinde?
Im 4. Kapitel mache ich einen kleinen, nicht eben heiter stimmenden Rundgang durch die Kirche, um dann mit einem hoffnungsvollen Ausblick zu schliessen: Doch, es gibt noch eine Zukunft für die Kirche, dank dem Atheismus! Getragen von dieser Hoffnung entwerfe ich dann das Bild einer zukünftigen Kirche, von der ich träume.
1. Gott gibt es nicht – Womit Atheisten recht und womit sie nicht recht haben
Allem voran sei gesagt, dass ich mich nicht entschlossen habe, dieses Buch zu schreiben, um irgendjemanden zu überzeugen, dass es keinen Gott gibt.
Ich bin unter Leuten aufgewachsen, die überzeugt waren, dass es Gott gibt, und die ihr Leben danach ausrichteten. An viele von ihnen denke ich mit Zuneigung und Respekt zurück. Und den gleichen Respekt bringe ich auch Leuten entgegen, die heute in der Überzeugung leben, dass es Gott gibt. Einverstanden bin ich mit ihnen natürlich nicht, denn ich bin überzeugt, dass es Gott nicht gibt.
Zwischen diesen beiden Standpunkten befindet sich, innerhalb und ausserhalb der Kirche, die grosse Mehrheit derer, die zweifeln. Die meisten von ihnen werden aufgewachsen sein mit der Idee, dass «an Gott glauben» mehr oder weniger automatisch auch bedeutet zu glauben, dass es Gott gibt. Meine Botschaft ist nicht, dass das nicht so sein kann, sondern dass es nicht so sein muss: Man braucht nicht zu glauben, dass es Gott gibt, um an Gott glauben zu können.
Was es nicht gibt, kann auch nicht schaden …
Was meint jemand mit der Aussage: Gott gibt es (nicht) oder Gott existiert (nicht)? Das hängt in erster Linie vom Verständnis des Wortes «existieren» ab. Und das ist noch immer sehr verschwommen, vor allem unter Theologen, die es offensichtlich darauf anlegen, Deutlichkeit zu vermeiden. In diesem Kapitel spreche ich sie darauf an, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich damit meines Erachtens um ihre Aufgabe drücken, die darin besteht, Fragen und Zweifel von Gläubigen ernstzunehmen und nach Möglichkeit Rede und Antwort zu stehen.
Mit einem verschwommenen, nebulösen Gottesbild ist auch der «Gegenpartei» nicht gedient, denn mit der Leugnung von Nebelschwaden ist man noch kein Atheist.
Von Nebeln umgeben ist auch der Begriff «Atheismus». Atheistische Aussagen über Gott und Glauben sind selten vernünftig, meist unsinnig, oft karikierend. Die Folge davon ist, dass nur wenige Leute sich selbst als Atheisten bezeichnen, obwohl es in Wirklichkeit viele sind. In diese Verwirrung versuche ich ein wenig Klarheit zu bringen.
Anschliessend werde ich zeigen, dass ein Atheist sich durchaus auf die Bibel berufen kann: Den Gott, von dem andere behaupten, dass es ihn gebe, gibt es nicht. Mehr noch: Die Idee, dass es Gott gibt, beruht auf einem historischen Missverständnis. Und auf einem biblischen Missverständnis: Gott gab es ursprünglich nicht. Was dazu führte, dass es ihn dann gab, hatten sich die Israeliten bei den Heiden «geliehen». Das Geliehene wurde nie zurückgegeben, und die Folge davon ist, dass das Christentum bis auf den heutigen Tag strotzt vor Heidentum.
Als die Kirche entstand, war der Gott Israels – ursprünglich einfach ein Gott unter Göttern – bereits der einzige und grösste geworden, der keine anderen Götter neben sich duldete. Diese Form von Diktatur nennt man Monotheismus: Es gibt nur einen Gott.
Unterdrückung aber ruft immer Widerstand hervor. Um der Autorität des Machthabers Nachdruck zu verschaffen, wurde Gott zum «Allmächtigen» ausgerufen. Damit hat sich die Kirche ihre eigene Grube gegraben, in die sie dann aber – da sie sich mittlerweile auch zu einer allmächtigen Institution erhoben hatte – erst viel später hineinfiel. Die heutige Entleerung der Kirchen hängt aufs Engste zusammen mit dem Abschied von einem Gottesbild, das die Kirche während Jahrhunderten wider besseres Wissen und mit allen Mitteln – wenn nötig mit Feuer und Schwert – aufrechterhalten hat.
Im 16. Jahrhundert entstanden die ersten Kratzer, und mit dem Aufkommen der Wissenschaften in den Jahrhunderten danach musste dieser Gott immer mehr Terrain preisgeben.
Zum Schluss des Kapitels werde ich darlegen, dass Glaube und Wissenschaft sich sehr wohl vertragen können, wenn beide Parteien sich an gewisse Spielregeln halten. Für die kirchliche Partei aber bedeutet das, dass sie auf den Begriff «Allmacht» verzichten muss, wenn sie in den heutigen Diskussionen um Evolutionstheorie und intelligent design noch ein ernstzunehmender Gesprächspartner sein will.
Zur Frage, ob es Gott gibt oder nicht
Ich denke, also bin ich.5
«Denn wer vor Gott treten will, muss glauben, dass er ist …»,6 so steht es im Brief an die Hebräer. Kürzer und knapper kann das Missverständnis nicht formuliert werden: Wenn man an Gott glaubt, glaubt man auch, dass es ihn gibt. Damit steht oder fällt der Glaube doch, denn wenn es Gott nicht gibt, wie soll man dann an ihn glauben können? Nein, damit fällt er bloss, denn wer behauptet, dass es Gott gibt, gerät in unlösbare Probleme. Man kommt nicht weiter, am Ende kann man nur sagen: «Es mag ja sein, dass es ihn gibt», oder: «Es mag ja sein, dass es ihn nicht gibt».
Aber Gott kann es unmöglich auf die gleiche Art geben, wie es einen Apfelkuchen gibt. Anders ausgedrückt: Gott fällt nicht in die Kategorie der Erscheinungen, von denen vernünftigerweise gesagt werden kann, dass es sie gibt. Einfacher und deutlicher gesagt: Gott gibt es nicht.
Jemand, der bestreitet, dass es Gott gibt, ist gewiss kein Gottesleugner. Eigentlich verhält es sich umgekehrt: Jemand, der behauptet, dass es Gott gibt, ist ein Gottesleugner. Denn gerade ein gläubiger Mensch ist sich bewusst, dass es Gott nicht gibt, so wie es in der wirklichen Welt andere Dinge oder andere Menschen gibt.
Ich denke, also denke ich, dass ich bin.7
Ich bin mir bewusst, dass es zwischen Gott und einem Apfelkuchen manches gibt, über dessen Existenz differenzierter gesprochen werden könnte. Von Atomen, Schallwellen, Schönheit, Glück, Leid, Illusionen und auch vom Geschmack eines Apfelkuchens wäre mehr zu sagen als einfach nur, dass es so etwas gibt oder nicht gibt.
Für mein Thema, Gott, ist das aber nicht relevant. Selbst wenn ich das Zugeständnis machte (ich mache es aber nicht), dass Gott «anders existiert» als ein Apfelkuchen, wäre das für mich nur ein Grund mehr, von Gott nicht zu sagen, dass es ihn gibt. Oder anders, an die Adresse der Theologen gesagt: Wenn «Gott anders existiert», dann nennt das auch anders und hört auf zu sagen, dass es Gott gibt.
Theologischen Diskussionen und Publikationen entnehme ich, dass viele meiner Kollegen mit mir einverstanden sind, dass Gott nicht existiert wie ein Apfelkuchen. Das zu sagen, ist aber für die meisten von ihnen scheinbar etwas anderes, als freiheraus zu sagen, dass es Gott nicht gibt. Da wird auf eine manchmal nicht mehr nachvollziehbare kreative Weise um den heissen Brei herumgeredet. Zum Beispiel: «Gott ist so gross, dass er nicht zu existieren braucht»,8 oder: «Gott existiert im Ritual, für die Dauer des Gebets, ohne darüber hinaus zu existieren.»9 Oder: «Gott existiert nicht, er ist.»10 Oder: «Gott steht, versteht, aber besteht nicht.»11
Bei allem Respekt, für mich sind das Seifenblasen. Da wird die Existenz Gottes weder bestätigt noch bestritten, sondern in Nebel gehüllt. So ist der Theologe fein raus, kapiert Gott am Ende selbst nicht mehr, ob es ihn nun eigentlich gibt oder nicht, und begreift ein normaler Mensch überhaupt nichts mehr.
Wenn ich in einer beliebig zusammengesetzten Gesellschaft frage: «Wer glaubt, dass es Gott nicht gibt?», heben etwa zwanzig Prozent der Anwesenden die Hand. Wenn ich anschliessend frage: «Wer glaubt, dass es Gott gibt?», sehe ich ungefähr gleich viele Hände hochgehen. Daraus schliesse ich, dass die meisten Leute wohl eher glauben, dass es Gott nicht gibt.12 Das ist nicht, was ich eine solide Basis für eine religiöse Überzeugung nenne. Meines Erachtens zeigt sich hier, dass es zu Ende geht mit dem jahrhundertealten Missverständnis (das pure Heidentum), dass Gott irgendein Wesen sei, das es gibt. Von einem Wesen kann man das ja problemlos sagen. Die meisten Menschen aber glauben nicht mehr an ein solches Wesen, und damit fällt für sie auch die Voraussetzung für die Existenz Gottes weg. Eine Alternative aber haben sie nicht. Viel zu tun für die Theologie!
Blasphemie: Tun, als gäbe es Gott
Aus gewissen Reaktionen auf frühere Publikationen, in denen ich behauptet hatte, dass es Gott nicht gibt, ging hervor, dass eine solche Position von vielen als eine Blasphemie, die aus dem Innern der Kirche kam, empfunden wurde. Dass ich persönlich als Satan, Antichrist oder Wolf im Schafspelz tituliert wurde, weist jedenfalls in diese Richtung.
Ich bin damit natürlich nicht einverstanden. Ausserdem: Wenn es Gott nicht gibt, kann eine Blasphemie ja nicht viel Schaden anrichten. Doch ich möchte mit dem Wort «Blasphemie» lieber die Haltung derer bezeichnen, die so tun, als ob es Gott gäbe.
«Wenn es Gott nicht gibt, warum tun sie dann so, als ob es ihn wirklich gäbe?» So hat seinerzeit der kleine Junge im Alblasserwaard gefragt. Wenn ich mich heute in der Kirche umschaue und umhöre, kehrt die gleiche Frage noch immer unbeantwortet zurück.
Immerhin, in der «Trouw»13 las ich als Schlagzeile über einem Bericht von einer Pfarrerversammlung: «Man kann nur glauben, indem man so tut, als ob es Gott gäbe.» Einer der Redner, Rein Nauta,14 stellte fest: «Glauben ist ein performativer Akt, eine Art Spiel, einer Theatervorstellung vergleichbar.» Damit ist auf jeden Fall die Frage beantwortet, warum die Leute lieber ins Theater gehen als in die Kirche. Mit der Aufforderung, zu tun, als ob es Gott gäbe, werden die Kirchgänger in den Wald geschickt oder hinters Licht geführt.
Als Reaktion auf meinen Plan, ein Buch zu schreiben, wurde mir noch und noch zu verstehen gegeben, dass «es nicht darauf ankomme, ob es Gott gibt oder nicht gibt». Aus dem Mund eines Theologen ist das, falls möglich, noch gotteslästerlicher als eine Blasphemie. Jemandem, der zweifelt, ist damit nicht geholfen, vielmehr wird er mit leeren Worten abgespeist. Oder ins Theater geschickt. Doch für ihn oder für sie bleibt die Frage wichtig, sogar entscheidend. Und das Mindeste, was die Leute von einem Theologen erwarten dürfen, ist, dass ihre Fragen und Zweifel ernstgenommen werden.
Alles in allem: Mit einem, der sagt: «Gott gibt es nicht», kann ich einen gemeinsamen Weg gehen; mit einem, der sagt: «Gott gibt es», kann ich zwar gemeinsam aufbrechen, aber dann trennen sich unsere Wege; mit einem, der sagt: «Es kommt nicht darauf an, ob es Gott gibt oder nicht», will ich schon gar nicht aufbrechen, der kann auf seinem Stuhl sitzen bleiben.
Es geht mir nicht darum, Kollegen anzugreifen. Ich sehe bloss, dass mit schöner Regelmässigkeit aus Untersuchungen hervorgeht, dass die meisten Leute sich nicht als nicht gläubig bezeichnen, wohl aber nicht kirchlich sind. Das bedeutet, dass es gar nicht so sehr um Unglauben geht, sondern eher um ein Befremden gegenüber dem, was in den Kirchen von Gott gesagt wird. Offensichtlich wollen die Leute gar nicht von ihrem Glauben, sondern von diesem Gott Abschied nehmen.
In der Kirche wird unterdessen Gnade ausgeteilt («von Gott, unserem Vater»), wird gebetet («ewiger Gott, erhöre uns, gib uns …»), wird gesegnet («der Herr segne euch …») auf eine Art und Weise, die jeden Zweifel erstickt. Das ist so ungefähr die Situation, die wir haben: Innerhalb und ausserhalb der Kirche wird allenthalben an Gottes Existenz gezweifelt, die Kirche aber stellt sich stur und tut weiterhin so, als ob es Gott gäbe.
Die meisten Zweifler sind, auch wenn sie sich nicht so nennen, im Grunde genommen Atheisten. Weil sie dem vielleicht nicht sofort zustimmen, will ich zunächst einmal darlegen, was eigentlich unter Atheismus verstanden wird und was ich darunter verstehe.
Über Atheismus
Gott sei Dank bin ich Atheist.15
Was heisst Atheismus? Das Wort sagt es schon: Ein A-Theist ist ein Nicht-Theist oder ein Anti-Theist. Ein Theist ist einer, der in theistischer Manier an Gott glaubt als an ein personartiges Wesen, das über Eigenschaften verfügt wie Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwärtigkeit. Atheismus ist daher an ein bestimmtes Umfeld gebunden: Neben oder gegenüber von nichttheistischen Religionen wie zum Beispiel dem Buddhismus oder dem Taoismus kommt er nicht vor.
Den Atheisten gibt es also nur dank dem Theisten, er bestreitet, was dieser behauptet, nämlich dass es Gott gibt. Er glaubt etwas nicht, was ein anderer sehr wohl glaubt, und ist daher eigentlich bloss ein «Widersprecher». Der Atheismus im ursprünglichen Sinn ist eine Verneinung, eine Nichtüberzeugung. Darum kann ein Atheist auch niemals recht haben, es kann höchstens geschehen, dass der andere nicht recht hat. Das klingt ein wenig nach «secondhand»16, jedenfalls ist es nicht sehr originell. Die meisten Atheisten geben sich darum mit dieser Definition nicht zufrieden, denn sie möchten sich selbst lieber als eigenständige Denker verstehen, die aufgrund eigener Überlegungen zu einer atheistischen Position gelangt sind. Und es mag ja sein, dass einige selbständig auf die Idee gekommen sind zu behaupten, dass etwas, das nicht existiert, nicht existiert – was vielleicht originell ist, aber mit Denken nichts zu tun hat.
Herman Philipse,17 der Autor des «Atheistischen Manifests», der für viele die Inkarnation des heutigen Atheismus darstellt, nennt seinen Atheismus eine «ursprüngliche Weltanschauung». Damit nimmt er etwas in Anspruch, was nur solchen Menschen angemessen ist, die das Wort «Gott» noch nie vernommen haben und denen sich die Frage, auf die der Atheismus eine Antwort sein könnte, nie gestellt hat. Ich gönne Herrn Philipse seine «ursprüngliche Weltanschauung», aber wenn er das Atheismus nennt, dann nenne ich es «Bastard-Atheismus»: Ein Atheist bestreitet nur – und das ist nichts «Ursprüngliches».
Dass ein Atheist nicht mehr ist als ein Verneiner, verrät auch die Sprache. Gegenüber einer Vielzahl von Namen und Bezeichnungen von Glaubensrichtungen: Katholiken, Calvinisten, Lutheraner, Pantheisten, Schiiten, Sunniten, Methodisten, Zeugen Jehovas, liberale und evangelikale Protestanten – gibt es nur dieses eine Wort «Atheismus», und es bedeutet in allen Fällen, dass jemand an die Existenz dessen, was jene anderen «Gott» nennen, nicht glaubt, und es sagt in allen Fällen nichts aus über das, was dieser glaubt und wie er «die Welt anschaut». Ein Atheist kann deshalb, wie sich noch erweisen wird, durchaus ein gläubiger Mensch sein.
Die Verwirrung herrscht nicht erst seit heute. Für die alten Griechen waren die Juden Atheisten, weil sie nur an einen Gott glaubten. Die ersten Christen wurden von den Römern Atheisten genannt, weil sie keine Heiligtümer, keine Götterbilder und keine Opfer kannten. Im 16. Jahrhundert beschimpften sich Katholiken und Protestanten gegenseitig als Atheisten. Ein Blick auf den Verlauf der Geschichte zeigt deutlich genug, dass der Mensch immer dazu neigt, was er selbst nicht glaubt, als Unglauben oder Aberglauben zu betrachten. Damit werden wohl die meisten Atheisten und die meisten Gläubigen einverstanden sein.
Das Wort «Gott» hat nicht zu jeder Zeit und in jeder Situation die gleiche Bedeutung, und ein Atheist passt sich da jeweils brav an. Er leugnet ja nicht Gott, sondern eine bestimmte Auffassung oder ein bestimmtes Bild von Gott. Atheisten hat es darum immer gegeben und wird es, solange es Religion gibt, auch immer geben.
Es gibt Atheisten und Atheisten
In unserem Land und in unserer überwiegend (post-)christlichen Kultur sind die meisten Atheisten eigentlich A-Christen (Nicht-Christen), das heisst, sie lehnen das christliche Gottesbild ab. Die Ablehnung kommt, entsprechend dem Milieu und dem Charakter des Betroffenen, verschieden daher und reicht von relativer Gleichgültigkeit – ist ja alles Unsinn – bis zu grosser Gereiztheit. Im letzteren Fall handelt es sich weniger um eine besonnene Ablehnung als um eine heftige Entzugserscheinung oder, zurückhaltender ausgedrückt, um eine nachträgerische Form des Atheismus: Da schwört einer dem Gott ab, der ihm einen Teil seines Lebens vergällt hat. Dieser Gott steht dann meist für alles, was seinerzeit erlaubt und (vor allem) nicht erlaubt war, besonders was den Sonntag betraf: Man lese dazu Maarten ’t Hart.
Eine weniger grimmige, aber nicht minder giftige Position nehmen jene Leute – meist Gebildete – ein, die sich als intellektuelle oder philosophische Atheisten bezeichnen. Sie sind durch Nachdenken und vernünftiges Überlegen zum wohlerwogenen Schluss gekommen, dass Glaube und Vernunft nicht in Übereinstimmung gebracht werden können. Für sie ist Gott ein irrationaler Zusatz zur Realität. Diese «atheistische Elite» hat die Verunsicherung von Gläubigen zur Kunst erhoben und hat ihren Spass daran, Gläubige als Leute mit einem intellektuellen Defekt hinzustellen. Einige von ihnen kamen zu Wort in dem Buch «Leben ohne Gott»18, unter ihnen Hans Crombag: «Ich beobachte Glauben und Aberglauben auch bei durchaus vernünftigen Leuten (…) die Woche hindurch gebrauchen sie ihr Hirn, am Sonntag, wenn sie zur Kirche gehen, lassen sie es zu Hause»,19 und Matthijs van Boxsel: «Petrus und Johannes werden in der Apostelgeschichte tatsächlich Idioten genannt. Aber auch gewöhnliche Christen sind eigentlich Idioten.»20
Ich enthalte mich eines Kommentars. Es wird wohl an meiner Herkunft aus dem Alblasserwaard liegen, dass ich Mühe habe mit Leuten, die sich selbst für intellektuell halten; wo es um wesentliche Dinge ging, habe ich mehr gelernt von Bauern als von Professoren. Diese «intellektuelle Elite» erkennt man an ihrer Aggressivität, ihrer Selbstgefälligkeit, ihrem Rationalismus und ihrem auffallenden Mangel an gutem Humor.
Dem Ausdruck «religiöser Atheist» bin ich nur in der Literatur begegnet. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sich so nannte. Gut, dann bin ich eben der Erste: Ich glaube nicht, dass es Gott gibt, aber ich glaube dennoch an Gott.