Kitabı oku: «Schattensamt», sayfa 3
Kapitel 3
Am Abend luden uns Adam und Mairee in ihren Teil des Gartens zum Grillen ein. Ihre beiden anderen Söhne, die bereits achtundzwanzig und dreißig Jahre alt waren, saßen ebenfalls mit uns am Tisch. Während ich die Makrele extrem vorsichtig von Gräten befreite, versuchte ich unauffällig alle drei mit ihren Eltern zu vergleichen.
Alexander und Oliver waren Adam wie aus dem Gesicht geschnitten, wobei Alexander auch die kleine und drahtige Figur von seinem Vater besaß.
Oliver hatte nicht so viel Glück gehabt und Mairees eher untersetzte Gestalt geerbt. Beide hatten dunkelbraune Haare wie auch Fearghas. Das war auch das Einzige, was sie tatsächlich miteinander verband. Er war einfach größer und ... ja, sah auch besser aus und jetzt, Mist, er hatte mich wohl beobachtet, denn er grinste mich offensiv an.
»Du suchst vergeblich«, sagte Fearghas in aller Seelenruhe und schob sich ein riesiges Stück Fleisch in den Mund. Das war bereits sein drittes Steak. Kein Wunder, dass er so riesig war. Allerdings hätte er auch fett sein müssen, dachte ich mit einem skeptischen Blick auf den See aus Saucen, der auf seinem überfüllten Teller schwamm.
Cathy, die Freundin von Oliver, stieß mich an und lachte: »Das habe ich auch bei unserer ersten gemeinsamen Begegnung gemacht. Wir waren Essen in einem Restaurant, und ich habe die drei Jungs miteinander und mit ihren Eltern verglichen. Fearghas hat schon damals jeden Rahmen gesprengt, und das ist drei Jahre her.«
Oh gut, jeder hatte offensichtlich gemerkt, dass ich während des Essens die anderen angestarrt hatte. Super! Ich wäre rot geworden, wenn Fearghas nicht in diesem Augenblick seinen Brocken Fleisch heruntergeschlungen und mich angestrahlt hätte:
»Ich bin adoptiert«, sagte er, als wäre es nichts Aufregendes. »Adam und Mairee sind nicht meine leiblichen Eltern.«
Oliver schlug seinem Bruder, der neben ihm wie ein Gigant wirkte, auf die Schultern. »Niemand wollte dieses hässliche Baby damals haben. Meine Eltern hatten einfach ein zu weiches Herz und jetzt sieh, was dabei herausgekommen ist: Ein fleischverschlingender Riese, der wie Dünger für die grauen Haare auf unseren Köpfen ist.«
»Er isst doch nur so viel, um sein Sixpack zu erhalten, damit er jedem Mädchen im Umkreis von zehn Meilen den Kopf verdrehen kann.«
Alexander grinste mich dabei frech an, während Finn sein T-Shirt ein Stück hochhob. »Ich will auch bald ein Sixpack.«
»Das kriegt man aber nicht vom Pizzaessen, Blödmann«, sagte ich und klatschte mit der flachen Hand auf den leicht wabbeligen Bauch.
Alle lachten herzlich, und es herrschte eine Atmosphäre am Tisch, bei der man sich einfach nur wohlfühlen konnte. Auch Fearghas saß entspannt da, während Oliver auf ihn einredete.
Adoptiert, also. Wieso er wohl keine Familie mehr besaß? Ob er es wusste? Er wirkte jedenfalls mehr als zufrieden, als er sich unter den gutmütigen Schlägen seines Bruders duckte.
Nach dem Essen verabschiedeten sich Oliver und Cathy. Alexander schloss sich ihnen an, und am Tisch wurde es merklich ruhiger.
»Wollen wir Verstecken spielen?«, fragte Finn nach einer Weile.
»Es ist dunkel, Idiot«, sagte ich und verdrehte die Augen.
»Der Mond scheint.« Fearghas grinste und schenkte mir einen tiefen Blick. »Ich denke, das könnte interessant werden.«
»Ich suche zuerst!« Meine Mutter stand bereits begeistert auf, angetrieben von ihrer kindischen Natur, die sie einfach nicht unterdrücken konnte. Allerdings war mein Vater bereits noch vor ihr verschwunden. Da konnte man wirklich nur den Kopf schütteln.
»Eins!«
Ich rannte los, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, wohin ich mich wenden sollte. Mein Vater stand wieder einmal still und starr an einem Baum gelehnt da. Es war so offensichtlich, dass meine Mutter ihn in ihrem Eifer wahrscheinlich tatsächlich übersehen würde. Sie fiel meistens darauf herein. Im Vorbeihetzen sah ich, wie Fearghas meinem Bruder gerade auf einem Baum herauf half, dann folgte er ihm.
Mist! Wohin?
Hektisch sah ich mich um und stürzte dann kurzerhand zwischen die Stämme der uralten Eiche. Ich hatte mich kaum geduckt, als ich auch schon meine Mutter triumphierend rufen hörte: »Hab dich! - Ich habe euren Vater!«
Beinahe zielstrebig stapfte sie als nächstes zu mir, knipste die Taschenlampe an ihrem Handy an und strahlte mir damit gnadenlos mitten in die Augen. »Klara! Ha!«
Maulend richtete ich mich auf und folgte ihr zurück auf die große Wiese. Dort irrte sie noch eine Weile auf der Suche nach dem Rest herum. Aber auf die Idee in die Bäume nach oben zu leuchten, da kam sie natürlich nicht.
»Ich gebe auf!«, rief sie schließlich und zuckte zusammen, als genau hinter ihr die beiden aus der Tanne herabfielen wie überreifes Obst.
»Ich suche jetzt«, verkündete mein Vater fröhlich, als ich gerade gehofft hatte, dass die Spielerei vorbei sein könnte. Allerdings wollte ich diesmal auch nicht so schnell erwischt werden. Ich drehte mich um und rannte direkt auf einen Busch zu, der neben dem Pavillon stand und sich an seine Wand schmiegte. Mir war beim Beobachten von Fearghas aufgefallen, dass er ein wenig hohl von innen war. Ich warf mich davor auf den Boden und kroch unter die tiefhängenden Zweige. Da der Mond nicht bis hier herunter schien, tastete ich mich mit klopfenden Herzen voran. Plötzlich berührten meine Hände etwas Weiches, und ich hätte beinahe aufgeschrien.
»Pst, sei leise«, zischte mir da Fearghas entgegen, griff nach mir und zog mich mit einem Ruck ganz unter den Busch.
»In was habe ich da gerade gefasst?«, fragte ich mit einem Anflug von Hysterie in der Stimme. Ich hasste es, wenn ich nicht sehen konnte, was ich berührte.
»Meine Hand, Klara«, wisperte er. »Es war bloß meine Hand.«
»Wir passen unmöglich beide unter den Strauch«, flüsterte ich und wollte mich rückwärts hinausschieben, aber Fearghas hielt mich fest und zog mich stattdessen noch näher an sich heran.
»Du musst nur ganz dicht bei mir liegen.«
Ich konnte das Grinsen in seinem Gesicht förmlich vor mir sehen, trotz der Dunkelheit. Mir wurde ziemlich warm und das, obwohl ich nur ein Top mit Spaghettiträgern anhatte. Ich hatte nicht gewusst, dass die Sommer in Schottland so heiß sein konnten. Und der Oberkörper, den ich in meinem Rücken spürte, war eindeutig nicht dazu beschaffen, mich abzukühlen.
»Behalte ja deine Finger bei dir«, sagte ich möglichst scharf, was nicht so einfach war, wenn man dabei nur flüstern konnte. Innerlich tippte ich mir dabei gegen die Stirn. Ich war eindeutig ein wenig merkwürdig. Da lag ich mit dem heißesten Schotten überhaupt unter einem Busch und hatte nichts Besseres zu tun, als mich wie eine alte Jungfer aufzuführen. Leider konnte ich an dem Zucken, das seinen Oberkörper durchlief, bemerken, dass Fearghas darüber lachte. Gut gemacht, Klara, dachte ich grimmig. Du machst das schon.
Plötzlich wurden die Zweige auseinandergerissen, und das fahle Licht des Mondes fiel auf mein Gesicht und das von Fearghas, nehme ich jedenfalls an.
»Ich hab sie!«, schrie da mein Bruder. »Bah! Ihr habt doch wohl nicht etwa geknutscht?« Der Ekel tropfte aus seinem Mund, wie sonst das Fett, wenn er seine Pizza aß.
»Spinnst du? Idiot!«, brüllte ich zurück und kroch wütend und immer noch erhitzter, als es mir guttat, aus dem Gebüsch.
»Leider nicht«, hörte ich Fearghas hinter mir leise lachen. Dieser schlichte Satz war die Zündschnur für die Rakete, die in meinem Gesicht explodierte und es mit Rot überschüttete. Glücklicherweise war das Mondlicht nicht so hell, dass es die anderen bemerken konnten. Als Dankeschön versetzte ich meinem Bruder einen Schlag auf den Hinterkopf und marschierte davon. Ich jedenfalls hatte genug von diesen kindischen Spielereien.
*
Nur allzu gerne hätte ich mir am nächsten Tag den Besuch in dem Zoo gespart, aber ein wenig neugierig war ich schon auf die kleinen Seehundbabys, die es dort geben sollte. So marschierten wir also frühzeitig durch den Eingang. Viel zu früh, wie ich fand. Denn meine Mutter hatte mich mitten aus dem Tiefschlaf gerissen, nur damit wir mal wieder unter den ersten Besuchern waren. Meine Eltern waren unsagbar stolz darauf, dass wir meist schon mit den Attraktionen durch waren, bevor die breite Masse kam. Ihr Motto lautete da ganz klar, immer zu Einlassbeginn bei jedem Park oder Ähnlichem aufzuschlagen. Das hatte auf jeden Fall den Vorteil, dass außer uns noch kaum jemand hier zu sein schien. Hinter dem Eingang befand sich ein Wald mit hohen Fichten und Tannen. Aus Baumstämmen geschnittene urige Bänke standen am Rand. In die geschwungenen Seiten hatten jemand kunstvoll verschiedene Tiere geschnitzt. Ein Schild in einem Baum wies uns auch darauf hin, dass wir uns in einem Wald mit vielen Eichhörnchen befanden. Doch wir hielten vergeblich Ausschau nach den putzigen Tierchen. Keiner von uns konnte auch nur eine Schwanzspitze entdecken. Nachdem wir das kleine Waldstück hinter uns gelassen hatten, standen wir vor einer Reihe niedriger Gebäude. Eine Hinweistafel zeigte uns den Weg zu den verschiedenen Tieren. Auch ohne diese Tafel hätten wir kaum die falsche Richtung einschlagen können. Wenn ich mich nicht täuschte, war das ganze Gelände nicht sonderlich weitläufig und das Ende schon jetzt zu erkennen. Wir folgten einem Rundweg, der uns an verschiedenen Gehegen mit heimischen Tierarten und Aquarien vorbeiführte, bis wir schließlich zu einem Außenbecken geleitet wurden. Drei dunkel glänzende Seehunde schwammen ein wenig träge durch das Wasser.
»In etwa zehn Minuten gibt es eine Fütterung der Seehundbabys. Sollen wir die uns ansehen?«, fragte mein Vater und deutete auf eine Tafel an der Wand. Direkt neben der Uhr mit den verschiedenen Fütterungszeiten hing dort das Bild von einem kuhäugigen Mensch-Fischwesen, das mich anglotzte, als wollte es mich hypnotisieren.
»Was solI‘n das sein?« Finn kratzte sich gelangweilt an der Nase und trat näher an die Tafel heran.
»Mensch oder Monster?«, las mein Vater mit theatralischer Stimme vor. »Selkies - Legende oder Wahrheit? Entscheiden Sie selbst.«
»Was ist ein Selkie?«, fragte mein Bruder und puhlte sich mit dem Zeigefinger in den unerfindlichen Gefilden zwischen seinen Zähnen herum.
»Ein Selkie ist ein mystisches Wesen, das als Seehund in den schottischen Gewässern lebt und bei Bedarf auch als Mensch herumlaufen kann.« Meine Mutter schob sich zwischen uns. War ja klar, dass sie solche Gestalten wieder kannte.
»Sind sie gut oder böse?«
»Oh, ich denke, es gibt wohl Geschichten zu beidem. Es gibt Geschichten, dass Selkie-Männer menschliche Frauen in ihr Zuhause entführen und dort festhalten.«
»Dann ertrinken sie doch.«
»Hm, dann haben sie wohl einen ziemlich hohen Verschleiß«, grinste mein Vater und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wenn wir die Fütterung der Seehundbabys mitmachen wollen, müssen wir jetzt aber dorthin.«
Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Ich hätte zwar noch gerne mehr über diese Selkies gelesen, aber die Babys waren doch wesentlich interessanter. Fasziniert drängten wir uns kurz darauf mit anderen Besuchern vor einer dicken Glasscheibe und sahen einer Pflegerin dabei zu, wie sie das Futter einem Seehundbaby in das niedliche Maul schob. Es war dabei in ein Tuch gewickelt wie ein Baby und erinnerte mich ein bisschen an ET.
»Besonders spannend ist das ja nicht gerade«, nörgelte Finn. »Bekomm ich eine Pommes?«
»War ja klar, dass du wieder nur ans Essen denkst.«
»Mir ist langweilig. Hier gibt es gar nichts zu sehen.«
Leider musste ich ihm da zustimmen. Wir hatten schon alles gesehen, was der kleine Park zu bieten hatte.
»Immerhin unterstützen wir mit dem Eintrittsgeld eine gute Sache. Das kostet bestimmt eine Menge Geld, um den Zoo zu unterhalten. Und außerdem kümmern sie sich hier um verletzte und verwaiste Tiere«, meinte mein Vater.
»Das heißt, wir unterstützen noch viel mehr, wenn wir hier auch etwas essen.«
Meine Eltern verdrehten genervt die Augen, und ich tätschelte anzüglich den Bauch meines Bruders.
Schließlich machten wir uns mit gemischten Gefühlen kurz darauf auf den Heimweg. Was ich eigentlich nicht so schlecht fand, denn das bedeutete immerhin, dass ich gleich auf meine Radtour mit Fearghas gehen konnte.
Kaum fuhren wir auf den Hof, sprang ich hinauf in mein Zimmer. Ich riss den Schrank auf und zog eilig mein Badezeug heraus und stockte. Bikini oder Badeanzug? Den Bikini hatte ich mir von Julia aufschwatzen lassen, weil ich mich im Laden mal wieder für nichts hatte entscheiden können. Argwöhnisch betrachtete ich den Stoff der beiden Teile, die mit Schleifen zusammengehalten wurden. Das wäre sicher ganz nett gewesen, wenn wir Urlaub im Süden gemacht hätten, aber hier? In Schottland stellte ich mir da etwas Praktischeres vor. Oder nicht? Unentschlossen starrte ich von dem Bikini auf den Badeanzug und griff auf einen Abzählreim zurück, der mir die Entscheidung abnehmen sollte. Als dann doch der Bikini gewann, fluchte ich leise und entschied mich endlich für den Badeanzug. Fearghas war einfach sportlich und konnte einen Bikini vielleicht falsch interpretieren. Ich schlüpfte hinein und zog anschließend ein Trägershirt mit einer Bluse drüber an. Die Jeans behielt ich. Es war meine Lieblingshose, die würde ich auf keinen Fall wechseln. Eine kurze Überprüfung ergab auch keine Flecken, was eigentlich ein Wunder war, wenn man neben Finn saß, gleich wo. Nach einem Blick auf die Uhr griff ich noch eines der Badetücher und rannte wieder auf den Hof, wo ich mich suchend nach Fearghas umsah. Mairee, die gerade über den Hof kam, winkte mir zu: »Fearghas wartet unten an unserem Schuppen auf dich. Er wollte die Räder schon einmal fertigmachen, damit ihr gleich los könnt.«
»Danke, Mairee«, sagte ich, rief meiner Familie einen kurzen Abschiedsgruß zu und rannte den Weg wieder zurück.
Als ich mich dem Ufer des Lochs näherte, erkannte ich gleich den Mann, der bei Fearghas stand und auf ihn einredete. Verdammt, offensichtlich hatte mir dieser komische Reporter nicht geglaubt. Ich beschleunigte meine Schritte. Mein Gefühl sagte mir, dass mit diesem Kerl etwas nicht stimmte. Auch Fearghas stand ihm in abweisender Haltung, die Arme demonstrativ vor seiner breiten Brust verschränkt gegenüber. Der Reporter zeigte sich jedoch unbeeindruckt und griff sogar nach Fearghas Arm, der sich mit einem Schritt nach hinten der Hand des Mannes wieder entwand.
»Was tun Sie da?«, rief ich und stellte mich neben Fearghas, während ich versuchte, das Keuchen zu unterdrücken, das meine Lungen füllte.
»Du? Wieso hast du mich angelogen? Das ist doch der Junge, nachdem ich gesucht habe«, zornig funkelte er mich an. Unbehaglich wurde mir bewusst, dass wir mit diesem Mann hier ganz alleine waren. Die Segelboote schienen unbemannt, und Adam hatte etwas in der Stadt zu erledigen. Sicher, Fearghas war groß und sicherlich kein Schwächling, aber der Mann hatte noch breitere Schultern als Fearghas, die er unter dem perfekt geschnittenen Jackett kaum verbergen konnte.
»Weil ich über diese Geschichte kein Wort mehr verlieren möchte«, fuhr Fearghas dazwischen und schob mich unauffällig hinter sich. Das beruhigte mich nicht wirklich, denn das bedeutete, dass er die Bedrohung durch den Mann genauso wahrnahm wie ich. »Und jetzt verlassen Sie bitte das Gelände. Dies hier ist Privatbesitz.«
»Ich möchte mich doch nur kurz mit dir unterhalten. Begleite mich für ein Interview in mein Büro, und es wird dein Schaden nicht sein. Ich denke, zweihundert Pfund als Belohnung sind doch in deinem Alter nicht schlecht, oder?«, versuchte er es jetzt und lächelte wieder falsch.
»Danke, aber ich habe leider kein Interesse. Bitte gehen Sie - sofort!«
Es sah aus, als wollte der Mann noch etwas sagen, doch dann ertönte das leise Brummen eines Autos, das näher kam. Adam hoffte ich und sah auf den Weg.
»Gut, dann also nicht«, zischte der Reporter und warf ebenfalls einen schnellen Blick auf den Weg, auf dem jetzt tatsächlich Adams Wagen zu erkennen war. Erleichtert winkte ich ihm zu und registrierte aus den Augenwinkeln, wie sich der Reporter in seinen schwarzen Wagen setzte und davon fuhr.
»Bist du diesem Kerl schon einmal begegnet?«, fragte ich Fearghas, der sich langsam entspannte.
»Nein!«
»Er sieht dir ähnlich, weißt du?«, sagte ich vorsichtig. Doch noch, ehe Fearghas antworten konnte, hielt Adam und stieg aus.
»Na, ihr Zwei! Was war denn das für ein Kerl? Habe ich den nicht schon letztens hier gesehen?«
»Irgendein Reporter von einer Zeitung aus Oban.« Fearghas zuckte mit den Schultern. »Er wollte unbedingt wissen, was an dem Abend des Gewitters geschehen ist. Aber wir beide müssen jetzt los, Dad. Sonst wird es zu spät, um noch in der Bucht schwimmen zu gehen.«
»Du hast Recht. Viel Spaß«, damit zwinkerte er mir zu und ging zu seiner Hütte.
Fearghas führte mich zu einem kleinen Schuppen, an dem bereits drei Räder lehnten. Ich atmete auf, das eine war ein E-Bike. Das konnte ich hier sicher gut gebrauchen. Doch als ich danach greifen wollte, schob Fearghas mir ein Mountainbike zu und musterte mich auffällig anzüglich.
»E-Bikes sind doch nur etwas für alte Leute, Klara. Du bist doch nicht schon gebrechlich, oder?«
Ich wurde rot und schüttelte den Kopf. Nun gut, wenn man meine dünnen Beinchen betrachtete und die muskulösen Beine von Fearghas war ich im Gegensatz zu ihm sicherlich als gebrechlich zu bezeichnen. Aber ich schluckte jeden Kommentar herunter und nahm das Rad, das er mir zuschob.
»Der Weg führt uns an der Küste entlang. Dort gibt es kaum Steigungen.«
»Wenn nicht, werden wir wohl niemals die schöne Bucht erreichen, weil ich bereits vorher an akuter Überbelastung in irgendeinen Graben fallen werde.«
Fearghas lachte und fuhr los. Meine anfänglichen Bedenken zerschlugen sich schnell. Er hatte wirklich einen Weg gewählt, der nahe am Wasser entlangführte und nur leichte Steigungen enthielt. So fuhren wir in einem guten Tempo, ohne dass ich das Gefühl hatte, nicht mit ihm mithalten zu können. Nach einer Weile kreuzten wir eine breitere Straße, die jedoch auch nur eine Single-Track-Road war.
»Wir müssen jetzt ein Stück hier entlang. Bleib dicht hinter mir.«
»Wenn du mir nicht davon rast.«
»Wieso sollte ich? Vielleicht warte ich ja nur auf eine Gelegenheit, da weiterzumachen, wo wir gestern Abend aufgehört haben?«
Bumm! Meine Wangen explodierten. Fearghas tat, als hätte er nichts gemerkt und fuhr weiter. Ich holte tief Luft und trat wieder in die Pedale, um ihn einzuholen. Wo genau, wollte er denn bitte weitermachen? Wir hatten doch lediglich … gemeinsam unter einem Busch gelegen. Oh, nein!
Ein entgegenkommendes Auto lenkte mich ab. Ich würde mich nie an diesen komischen Linksverkehr gewöhnen. Ständig hatte ich das Gefühl, dass ich jeden Augenblick überfahren werden würde. Fearghas bemerkte, dass ich etwas zurückgeblieben war und wartete auf mich. Als wir weiterfuhren überholte uns recht eng ein schwarzer Wagen, und ich hätte schwören können, dass dieser komische Reporter drin saß. Verfolgte er uns? Das unbehagliche Gefühl schlüpfte in meinen Magen und warf die Horde Schmetterlinge einfach heraus, die sich dort häuslich niedergelassen hatten. Wofür ich beinahe dankbar war. Ich war schließlich nur für die Ferien hier. Es brachte mir nichts, wenn ich mich auf Fearghas einließ, auch wenn er noch so toll war. Ich seufzte und seufzte noch lauter, als ich das Schild las, das auf einen kleinen Seitenpfad deutete, in den Fearghas jetzt abbog. The Kissing Gate stand in leicht schnörkeliger Schrift darauf. Diesmal lachte Fearghas schamlos, wie ich fand, als er meinem vorwurfsvollen Blick begegnete.
»Du brauchst mich nicht zu verdächtigen, Klara. Kissing Gate heißen bei uns die Tore, durch die Fußgänger auf große Weiden gehen können. Sie sind extra so gebaut, dass nur ein Mensch durchkommt, aber kein Rind.«
Langsam fragte ich mich, ob ich nicht besser mein Gesicht grundsätzlich mit einem roten Make-up versehen sollte. Dann wären solche Momente nicht ganz so schrecklich peinlich. Zu meiner Blödheit kam also die offene Scham in meinem Gesicht, die bei jedem seiner Worte nur intensiver wurde. Wie ich das verabscheute. Aber wie kam man bloß auf die völlig abwegige Idee, ein Weidegatter als Kuss-Tor zu bezeichnen? Fearghas tat als hätte er meine dumme Frage schon wieder vergessen. Aber ich konnte deutlich den amüsierten Zug in seinen Mundwinkeln sehen. Ungerührt öffnete er das Tor, das dicht hinter der Straße unter einer großen Trauerweide lag. Ich schob mein Rad hindurch, saß auf und fuhr kommentarlos davon, während ich hörte, wie er hinter mir das Gatter wieder schloss und mir hinterher radelte. Der Weg war schmal und von einer Seite von dichten mit Moosen bewachsenen Büschen und Bäume begrenzt. Auf der anderen Seite war nackter Fels. Ein Weg wie aus einem Bilderbuch. Jeden Augenblick konnten Trolle oder Elfen auf den Weg schlüpfen, da war ich mir sicher. Es war einfach traumhaft und genau das, was ich so sehr mochte. Mit einem Mal kam es mir gar nicht mehr so schlimm vor, dass ich nicht wie alle anderen auf einem überfüllten Strand auf Mallorca lag und mich langweilte. Ich warf einen Seitenblick auf Fearghas, der jetzt neben mir fuhr. Nein, das hier war besser. Viel besser!
»Wir sind gleich da!«, sagte er und warf mir einen Blick zu, der dafür sorgte, dass ich beinahe gegen den Fels fuhr. Gerade noch rechtzeitig konnte ich den Lenker nach links reißen und fuhr stattdessen in Fearghas Vorderrad, der daraufhin zur Seite kippte, aber einen Sturz mit einem schnellen Sprung aus dem Sattel verhinderte, geistesgegenwärtig nach meinem Rad griff und damit auch noch meinen Sturz verhinderte.
»Oh, ’tschuldigung«, murmelte ich verlegen und wusste nicht so recht, wo ich hinsehen sollte. Langsam war es wirklich genug an Peinlichkeiten.
»Nichts passiert«, entgegnete er sanft. Für einen schrecklichen Moment dachte ich, er würde meine Hand greifen oder etwas anderes Schreckliches, und mein Herz stand solange still. Doch Fearghas schob lediglich mein Rad wieder in eine ordentliche Position. Praktisch veranlagt, dachte ich und sagte möglichst beiläufig: »Wollen wir dann weiter?«
Nur wenige Minuten später erreichten wir endlich die Bucht, die wie aus dem Nichts vor uns auftauchte, als wir durch einen kleinen Felsenbogen fuhren. Ergriffen blieb ich stehen und blinzelte überrascht. Die Bucht war wie versprochen mit einem herrlichen und nahezu weißen Sandstrand ausgestattet, aber einsam? Hier schien eher irgendwo ein Bus mit Badetouristen angekommen zu sein. Mehrere Strandlaken waren ausgebreitet und Pärchen oder Familien lagen am Strand, spielten Ball oder planschten im Wasser.
Fearghas starrte entgeistert auf die Szenerie, die sich uns bot.
»Das habe ich hier noch nie erlebt. Tut mir leid. Ich habe keine Ahnung, wo diese Leute alle herkommen.«
»Das macht nichts. Es ist trotzdem sehr schön hier.«
Langsam schoben wir unsere Räder bis zu einem buckligen Felsen und lehnten sie daran. Hier hatten wir Schatten und waren ein wenig von den anderen Menschen abgeschirmt. Aber so richtig Lust auf Schwimmen hatte ich jetzt nicht mehr. Alleine wäre irgendwie netter gewesen.
Während Fearghas unsere Sachen ausbreitete, ging ich neugierig zum Wasser. Kleinere und größere Felsen säumten hier den Übergang zwischen Strand und Wasser. Ich kletterte auf einen Felsen hinauf und setzte mich, dabei fiel mein Blick auf etwas silbrig Glänzendes. Neugierig sprang ich in den Sand und hob es auf. Es war unglaublich weich und glatt und wirkte, wie ein seidiges Stück Fell aus dem Jemand ein kleines Armband gefertigt hatte. Was das wohl für ein Tier gewesen war, dachte ich. Fasziniert strich ich mit den Fingerspitzen über die kurzen Haare, die sich an meine Haut schmiegten. Ich lehnte mich an den erstaunlich warmen Felsen und betrachtete das Armband genauer. Ich war noch nie besonders gut darin gewesen, Tiere nur anhand ihres Felles zu bestimmen. Tatsächlich war ich mir noch nicht einmal sicher, ob dies nicht eher ein Kunstfell war, so schön, wie es sich anfühlte.
Wem mochte es gehören? Ich sah auf und entdeckte eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen an der Hand, die suchend über den Strand schritten und dabei jeden Zentimeter des Bodens zu betrachten schienen. Sicher hatte die Kleine das Armband verloren. Ich stieß mich von dem Felsen ab und ging auf die beiden zu. Als die ältere mich bemerkte, warf sie einen ängstlichen Blick über die Schulter zu den anderen. Dann sah sie wieder zu mir. Doch die Angst in ihrem Blick war nicht verschwunden. Was mich aber wirklich erschreckte, war die Tatsache, dass sie haargenau die gleichen Gesichtszüge wie Fearghas besaß. Ja, selbst ihre langen und glatten Haare, die ihr bis weit auf den Rücken fielen, hatten den gleichen dunkelbraunen Ton mit vereinzelten kupfernen Strähnen dazwischen.
»Sucht ihr vielleicht das?«, fragte ich und hielt ihnen das Armband entgegen.
Das hübsche Gesicht des Mädchens erbleichte und die Kleine klammerte sich an ihr Bein.
»Ja, bitte, gib es mir. Bitte!«, sagte sie flehend, was mir wegen eines kleinen Kinderarmbandes ein wenig übertrieben erschien.
»Natürlich. Ich habe es zwischen den Felsen gefunden.« Ich reichte es der Kleinen, die es dankbar entgegennahm, aber ihre sichere Position am Bein der Älteren nicht verließ.
»Danke«, wisperte die Kleine und verbarg ihr Gesicht.
»Schon gut«, sagte ich und wollte mich abwenden.
»Geht nicht ins Wasser. Verlasst den Strand«, flüsterte die Ältere und nahm das kleine Mädchen auf den Arm und drehte sich weg. »Es ist besser, wenn ihr wieder geht!«
Ich starrte sie an, wollte sie aufhalten und tat es doch nicht. Sie ging mit gesenktem Kopf und schnellen Schritten davon, um sich auf ein Laken zu setzen. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass all diese Menschen irgendwie gestellt erschienen. Aus dem unbehaglichen Gefühl wurde Angst, die sich fest in meinen Nacken kauerte und kräftig an mir zog. Ich wirbelte herum und lief zu Fearghas, der bereits sein T-Shirt ausgezogen hatte und sich erstaunt aufrichtete, als er mich sah.
»Ich möchte hier weg«, sagte ich und spürte die Panik in mir heraufkriechen, ohne genau zu wissen, wieso.
»Warum? Wir sind gerade erst angekommen?«
»Ich …«, stammelte ich und suchte fieberhaft nach einer Erklärung. »Ich wollte lieber mit dir alleine sein.« Ich konnte nicht glauben, dass ich das gerade gesagt hatte. Sich jemanden an den Hals zu werfen, war so gar nicht mein Ding. Aber wenn ich ihm jetzt sagte, das ich Angst vor den Menschen hier hatte, würde er mich wahrscheinlich endgültig für eine Verrückte halten.
Erfreut stand Fearghas auf. Offensichtlich hatte ich genau den richtigen Punkt getroffen.
»Wenn du meinst«, sagte er und zog sein Shirt wieder über den Kopf. »Aber wenn es hier schon so voll ist, dann wird es an den anderen Stränden nicht viel besser sein.«
»Egal, lass uns einfach gehen. Es muss ja kein Strand sein«, sagte ich und ergriff ihn an der Hand, um ihn mit mir zu ziehen. Die anderen Strandbesucher hatten mit ihren Spielereien und Planschereien aufgehört und beobachteten uns. Drei Männer kamen langsam auf uns zu. Nur das Mädchen mit der Kleinen drehte uns auf ihrem Strandlaken den Rücken zu und tat, als ginge sie das alles nichts an. Jetzt bekam ich richtig Angst. Was war hier los?
Fearghas sah an mir vorbei und bemerkte jetzt auch, was sich abspielte.
»Was soll das?«, fragte er und spannte sich an.
»Das Mädchen mit der Kleinen, dort, sie hat mich gewarnt, wir sollten sofort verschwinden.«
»Warum? Haben wir irgendein geheimes Treffen gestört?«
»Bitte, Fearghas. Ich habe jetzt wirklich Angst. Das ist schon unheimlich, findest du nicht?«
„Okay«, sagte er ruhig und nickte, »nimm dein Rad und fahr zurück.« Dabei drückte er mir mein Rad in die Hand und schob mich auf den Weg. »Fahr schon mal vor.«
Mit klopfenden Herzen stieg ich in die Pedale und versuchte dabei nicht auf die näherkommenden Männer zu achten. Eigentlich wirkten sie wie ein paar Familienväter, die einen Ausflug an den Strand machten. Sie trugen kurze Badeshorts und lässige T-Shirts. Aber so still, wie sie sich näherten, so bedrohlich wirkten sie auf mich. Panik kroch in mir hoch, als ich merkte, dass Fearghas tatsächlich noch unsere Sachen zusammenpackte. Der hatte wirklich Nerven!
»Fearghas!«, rief ich und kam mir angesichts seiner Ruhe irgendwie lächerlich vor.
»Stad!«, rief plötzlich eine volle Stimme. Sie war nicht laut, hatte aber genügend Kraft, um scheinbar jeden am Strand zu erreichen. Ein Mann stand unvermittelt zwischen den Felsen, den ich vorher überhaupt nicht bemerkt hatte. Im Gegensatz zu den anderen trug er eine dunkle Hose und ein helles Hemd, als käme er direkt von einem Geschäftstermin. Seine dunklen Haare hatte er zu einem Zopf im Nacken zusammengebunden, was ihn aalglatt wirken ließ. Doch sein Ruf sorgte unmittelbar dafür, dass die Männer stockten und sich verteilten, als ob sie uns vergessen hatten. Plötzlich drang Lachen von einem Felsen herab, an dessen Fuß der mysteriöse Mann stand, und ein Paar mit drei Kindern tauchte dort oben auf.
»Oh, da haben wir uns völlig vertan«, sagte der Mann lachend und winkte uns. »Wie kommen wir denn da runter?«
Fearghas warf mir einen kurzen Blick zu. Einerseits waren sie wahrscheinlich unsere Rettung, andererseits brachten wir sie womöglich in Gefahr, wenn wir sie zu uns herunter holten. Auch wenn ich mir nicht sicher war, worin die Gefahr genau bestand.
»Bleiben Sie einfach dort. Ich komme Sie holen«, rief Fearghas und deutete mir endlich loszufahren.
Ich warf keinen Blick mehr zurück, sondern trat wie eine Wahnsinnige in die Pedale. Fearghas folgte mir diesmal, und wir radelten so schnell den schmalen Weg zurück, wie ich es schaffte. Er blieb immer dicht hinter mir, überholte mich erst kurz vor dem Tor, blieb schlitternd davor stehen und riss es auf, damit ich hindurchfahren konnte.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.