Kitabı oku: «Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union», sayfa 7
a) Austrittsabkommen
• Anwendung des EU-Rechts während der Übergangszeit
Bis zum 31. Dezember 2020 (verlängerbar um 1 oder 2 Jahre, Art. 126, Art. 132 EUVK-Abkommen) gilt das Unionsrecht auch für das Vereinigte Königreich grundsätzlich wie bisher (Art. 127A VK-EU-Abkommen). Ausgenommen hiervon sind nur die institutionellen Bestimmungen (Art. 7, Art. 128 VK-EU-Abkommen).
• Das Problem der irischen Grenze
Nachdem der von der EU verlangte „Backstop“, der zur Vermeidung einer fühlbaren Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland praktisch das gesamte Vereinigte Königreich in eine Zollunion mit der EU gezwungen hätte, enthält das Austrittsabkommen nun eine auch für das Vereinigte Königreich akzeptable Regelung.
Ein Protokoll zum Austrittsabkommen stellt unmissverständlich klar, dass Nordirland Teil des Zollgebiets des Vereinigten Königreichs ist. Die Handelsabkommen, die das Vereinigte Königreich nach Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2020 (soweit keine Verlängerung vereinbart wird) und dem Verlassen der Zollunion der EU schließen kann, gelten auch uneingeschränkt in Nordirland. Nordirland wird deshalb eine Grenze mit der Republik Irland und damit mit dem Binnenmarkt und der Zollunion der EU haben, was theoretisch auch Warenkontrollen an dieser Grenze verlangen würde. Dies widerspräche aber dem Friedensabkommen von Belfast aus dem Jahre 1998 (auch bekannt als Good Friday Agreement), das nach 30 Jahren Bürgerkrieg zwischen dem Vereinigten Königreich, der Republik Irland und Unionisten sowie Nationalisten in Nordirland geschlossen wurde.
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Deshalb wurde im Austrittsabkommen vereinbart, die Zollgrenze zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ins Meer zwischen dem Vereinigten Königreich und Nordirland zu verlegen. Nordirland bleibt dabei allen relevanten Zoll- und Marktregelungen der EU unterworfen, insbesondere den Warenverkehrsregelungen, den Gesundheitsstandards, den Produktionsstandards, den Verkaufsmodalitäten für Agrarprodukte, den Mehrwert- und Verbrauchssteuerregeln sowie den Regelungen über die staatliche Beihilfenaufsicht. Die in Nordirland hergestellten Waren können so ohne jede Grenzkontrolle in die Republik Irland (und von dort an jeden Ort der EU) verbracht werden.
Alle anderen Waren und Produkte, die nach Nordirland eingeführt werden, werden von den britischen Zollbehörden in den Schiffs- und Flughäfen kontrolliert. Dabei muss vor allem festgestellt werden, ob diese Waren und Produkte allein für einen der britischen Märkte bestimmt sind, oder ob sie das „Risiko“ in sich bergen, über die Republik Irland in das Marktgebiet der EU verbracht zu werden. Ein Gemeinsamer Ausschuss wird auf der Grundlage bestimmter Kriterien (Natur und Wert des Produkts, Verwendung zum Direktverbrauch oder zur weiteren Verarbeitung, Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs, etc.) das „Risiko“ einzugrenzen versuchen und Ausnahmen vorsehen. Die zollrechtliche Behandlung richtet sich dann nach der Zuordnung zum jeweiligen Zollgebiet: sofern die Ware für den Markt in Nordirland vorgesehen ist, finden die britischen Zollregeln vollumfänglich Anwendung; besteht hingegen das „Risiko“, dass sich diese Waren auf dem Binnenmarkt der EU wiederfinden, gelten die zollrechtlichen Vorschriften der EU.
Nach der Übergangszeit kann das nordirische Parlament alle vier Jahre mit einfacher Mehrheit entscheiden, ob es die Anwendung der europäischen Regeln beibehalten will. Bei einer (nicht sehr wahrscheinlichen) negativen Entscheidung verlieren die europäischen Vorschriften nach zwei Jahren auch in Nordirland ihre Gültigkeit; der Gemeinsame Ausschuss muss in diesem Fall während der zwei Jahre eine andere Lösung finden, die eine physische Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland verhindert.
• Gegenseitige Bürgerrechte
Vor dem Hintergrund, dass 3,2 Millionen Unionsbürger im Vereinigten Königreich ansässig sind, und dass 1,2 Millionen britische Staatsangehörige in der EU leben, ist die Frage des gegenseitigen Schutzes der Bürgerrechte eine absolute Priorität. Nach dem Austrittsabkommen genießen Unionsbürger und britische Bürger, die ihr Recht auf Aufenthalt im jeweiligen Hoheitsgebiet vor dem Ende der Übergangszeit (31.12.2020 plus eventuell maximal 2 Jahre Verlängerung) ausgeübt haben und danach weiter dort wohnen, auf Lebenszeit alle Rechte, die ihnen auch vor dem Austritt zugestanden haben; dies schließt ihre Familienangehörigen mit ein. Sie können auch nach dem Ende der Übergangszeit weiter ihren Lebensschwerpunkt dort bewahren, arbeiten oder studieren. Ihre Ehepartner, Kinder oder Enkelkinder,[S. 65] die in einem anderen Staat leben, können jederzeit in das Hoheitsgebiet des Familienangehörigen übersiedeln. Die Berechtigten bewahren auch sämtliche Ansprüche auf Gesundheitsleistungen und sonstige Leistungen der sozialen Sicherheit. Die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen wird gewährleistet. Jedwede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist auch weiterhin verboten, und dies über den Übergangszeitraum hinaus. Sie genießen vollständige Gleichbehandlung, insbesondere im Hinblick auf gleiche Rechte und Chancen beim Zugang zur Beschäftigung und Ausbildung.
Allerdings gelten diese Rechte nicht mehr automatisch. Vielmehr müssen etwa Unionsbürger bis zum Juni 2021 ihren Status als Aufenthaltsberechtigter im Vereinigten Königreich geltend machen. Bei Versäumung der Frist kann dieser Status nur bei Vorliegen guter Gründe für die verspätete Antragsstellung erlangt werden.
• Institutionelle Bestimmungen
Ein Gemeinsamer Ausschuss, der sich zu gleichen Teilen aus Vertretern des Vereinigten Königreichs und der EU zusammensetzt, hat die Aufgabe, die Umsetzung und Anwendung des Austrittsabkommens zu überwachen und zu erleichtern. Er kann Beschlüsse fassen und beiden Parteien geeignete Empfehlungen unterbreiten (Art. 164ff. VK-EU-Abkommen). Der Gemeinsame Ausschuss ist auch zuständig für die Entscheidung über eine eventuelle Verlängerung des Übergangszeitraums um ein oder zwei Jahre. Der Ausschuss ist darüber hinaus insbesondere auch für die Regelung von Streitfällen zuständig. Falls es dem Ausschuss nicht gelingt, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden, kann jede der beiden Parteien ein spezifisches Schiedspanel bestehend aus 5 Richtern anrufen, an dessen Entscheidung die Parteien gebunden sind und deren Nichtbeachtung mit Sanktionen oder sogar der Aussetzung des Abkommens (allerdings mit Fortgeltung der gegenseitigen Bürgerrechte) geahndet werden kann. Falls der Streitfall Fragen zur Auslegung des Unionsrechts aufwirft, müssen diese dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.
• Spezielle Regelungen für die Übergangszeit
Die Parteien haben im Austrittsabkommen eine Reihe von Übergangsbestimmungen niedergelegt, die nur für den Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 (oder im Falle einer Verlängerung der Übergangszeit bis zu deren Ende) gelten:
• das Vereinigte Königreich verbleibt provisorisch im Binnenmarkt und der Zollunion der EU. Waren, die vor dem Ende der Übergangszeit im Vereinigten Königreich in den freien Verkehr gebracht worden sind, unterliegen auch nach dem Ende der Übergangszeit den Regeln des freien Warenverkehrs. Urheberrechte, die vor Ablauf der Übergangszeit gewährt wurden, gelten fort (Art. 50 VK-EU-Abkommen).
• Das Vereinigte Königreich unterliegt nach wie vor den Verpflichtungen aus den von der EU mit Drittländern abgeschlossenen Handelsabkommen. Es kann eigene[S. 66] Handelsabkommen verhandeln, unterzeichnen und ratifizieren, kann diese Abkommen aber erst nach Ablauf der Übergangszeit in Kraft setzen.
• Verwaltungsverfahren, insbesondere in den Bereichen Wettbewerb und staatliche Beihilfen, die vor dem Ende der Übergangszeit eingeleitet worden sind, werden bis zur Endentscheidung und Vollstreckung fortgesetzt (Art. 92 VK-EU-Abkommen).
• Die Sitzabkommen für die Europäische Bankenaufsicht, die Europäische Arzneimittel-Agentur und die Galileo-Sicherheitsüberwachungszentrale müssen bis zum Abschluss des Umzugs beendet werden (Art. 119 VK-EU-Abkommen).
• Der EuGH bleibt für alle vor dem Ende der Übergangszeit eingeleiteten Verfahren (Vorabentscheidungen, Vertragsverletzungen, Direktklagen etc.) von oder gegen das Vereinigte Königreich noch 4 Jahre nach dem Ende der Übergangszeit bis zur endgültigen Entscheidung zuständig (Art. 86f. VK-EU-Abkommen).
• In die auswärtigen Angelegenheiten wird das Vereinigte Königreich während der Übergangszeit nur insoweit einbezogen, als es selbst betroffen ist, wie z.B. im Falle eines gemischten Abkommens oder im Einzelfall auf Einladung (Art. 129 VK-EU-Abkommen).
• Finanzbestimmungen
Das Vereinigte Königreich muss alle unter dem mehrjährigen Finanzrahmen der EU 2014–2020 eingegangenen finanziellen Verpflichtungen vollumfänglich erfüllen, einschließlich solcher, die über die Übergangsperiode hinausgehen (Art. 135ff. VK-EU-Abkommen). Auf eine einfache Formel gebracht bedeutet dies: die von der EU- 28 eingegangenen finanziellen Verpflichtungen sind von der EU-28 zu erfüllen. Das Vereinigte Königreich zahlt folglich seinen Anteil am Europäischen Entwicklungsfonds oder der Fazilität für die Flüchtlinge in der Türkei. Es erfüllt seine Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Investitionsbank bis 2030, während die Europäische Zentralbank dem Vereinigten Königreich seine Einlagen zurückbezahlt. Bis 2064 muss das Vereinigte Königreich auch seinen Anteil in die Pensionskasse der EU einzahlen. Obwohl noch keine endgültigen Zahlen vorliegen, wird der Gesamtaufwand des Vereinigten Königreichs allgemein auf 40 Milliarden Euro geschätzt.
b) Politische Erklärung
Dem Austrittsabkommen wurde eine Politische Erklärung vom 17. Oktober 2019 beigefügt48, die die groben Linien für die Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über die zukünftigen Beziehungen vorzeichnet49. Diese Erklärung bedarf nicht der Ratifizierung und ist rechtlich nicht bindend. Sie enthält die gemeinsame Absicht, die formalen Verhandlungen über ein Abkommen über die zukünftigen Beziehungen sobald wie möglich nach dem Austritt des Vereinigten[S. 67] Königreichs aus der EU zu beginnen, so dass sein Inkrafttreten zum 31. Dezember 2020 erfolgen kann.
Die Politische Erklärung bekräftigt den Willen beider Parteien zu einer ehrgeizigen, breiten, tiefen und flexiblen Partnerschaft, deren Kern eine Freihandelszone ist. Als Grundprinzip soll dabei gelten, dass jedes einzelne Verhandlungsergebnis auf der einen Seite die vier Grundfreiheiten der EU, d.h. den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen, und auf der anderen Seite die Souveränität des Vereinigten Königreichs respektieren soll.
Die Parteien streben ein ambitioniertes Freihandelsabkommen an mit „Null-Zollsätzen, Null-Quoten und Null-Dumping“. Es ist ein besonderes Anliegen der EU, dass die künftigen Handelsbeziehungen auf „gleichwertige Wettbewerbsbedingungen (level playing field)“ gegründet werden, wozu vor allem gemeinsame Standards in den Bereichen staatliche Beihilfen, soziale Sicherheit, Umwelt und Steuern vereinbart werden müssen.
Die Politische Erklärung enthält darüber hinaus Hinweise für die Verhandlungen betreffend die Finanzleistungen, die Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung und nicht zuletzt die Fischereirechte in den britischen Gewässern. Eine enge Zusammenarbeit soll auch in den globalen Aufgaben wie z.B. dem Klimaschutz, dem Umweltschutz oder der Entwicklungshilfe vereinbart werden.
c) Finale Regelung der zukünftigen Beziehungen
[53] Den ersten Schritt zur Eröffnung der Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich hat die Kommission am 3. Februar 2020 mit einer entsprechenden an den Rat gerichteten Empfehlung gemacht50. Die Empfehlung beruht auf den Leitlinien und Schlussfolgerungen des Europäischen Rates sowie auf der Politischen Erklärung des Vereinigten Königreichs und der EU vom 19. Oktober 2019.
Diese Empfehlung enthält auch einen umfassenden Vorschlag für die Verhandlungsleitlinien des Rates mit der Definition des Anwendungsbereichs und den Eckpunkten für die zukünftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich aus EU-Sicht. Die Leitlinien erstrecken sich auf alle Politikbereiche, die die zukünftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich ausmachen werden, namentlich Handel und Wirtschaftskooperation, Rechtsdurchsetzung und gerichtliche Zusammenarbeit in Strafsachen, Außenpolitik, Sicherheit und Verteidigung, Teilnahme an Unionsprogrammen und Zusammenarbeit in verschiedenen thematischen Bereichen.
Anders als in der Regelung der Beziehungen der EU zur Schweiz, wo man den Weg von mehr als ein Dutzend Einzelabkommen gewählt hat, sollen die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich in einem einzigen umfassenden Regelwerk[S. 68] (mit unter Umständen einigen wenigen Teilabkommen, wie etwa für die Fischerei) geregelt werden, das auf drei Säulen beruhen soll:
(1) Allgemeine Regelungen zu den grundlegenden Werten, Grundsätzen und der Governance: die Parteien sollen anerkennen, dass Wohlstand und Sicherheit nur im Rahmen einer auf dem Recht beruhenden internationalen Ordnung gewährleistet werden kann. Sie sollen sich zum Schutz der Individualrechte und der Rechtsstaatlichkeit bekennen, hohe Schutzstandards für Arbeitnehmer und Verbraucher anstreben, den Umweltschutz und den Kampf gegen den Klimawandel mit Nachdruck betreiben sowie auf einen freien und fairen Handel hinwirken.
Die Parteien sollen sich zur Zusammenarbeit verpflichten, um diese allgemeinen Prinzipien zu schützen und gemeinsam gegen interne wie externe Angriffe auf diese Werte und Interessen vorgehen.
(2) Wirtschaftliche Regelungen: die Parteien sollen einen angemessenen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten herstellen und gleichwertige Wettbewerbsbedingungen („level playing field“) schaffen. Dieser Ausgleich darf die Autonomie des Entscheidungsprozesses und der Rechtsordnung der EU nicht beeinträchtigen, muss den Schutz der finanziellen Interessen der EU gewährleisten und muss vereinbar sein mit den anderen Unionsprinzipien, insbesondere der Integrität des Binnenmarktes und der Zollunion sowie der Unteilbarkeit der vier Grundfreiheiten, wie es in den Leitlinien des Rates niedergelegt ist. Schließlich muss beachtet werden, dass das Vereinigte Königreich ein Drittstaat ohne Schengen-Status ist und dass das Vereinigte Königreich als Nicht-Mitgliedstaat der EU nicht den gleichen Verpflichtungen unterliegt wie die EU-Mitgliedstaaten und deshalb auch nicht die gleichen Rechte und Vorteile eines Mitgliedstaats genießen kann.
(3) Regelungen betreffend die Sicherheit: die Parteien sollen gemeinsame Anstrengungen im Hinblick auf die Durchsetzung des Rechts und die gerichtliche Zusammenarbeit in Strafsachen unternehmen und für eine enge Kooperation in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik Sorge tragen.
Zum territorialen Geltungsbereich der zukünftigen Partnerschaft ist die Erklärung des Europäischen Rates vom 25. November 2018 zu Gibraltar von Bedeutung. Danach wird Gibraltar nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs nicht in den territorialen Geltungsbereich des die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich regelnden Abkommens einbezogen. Dies schließt allerdings die Möglichkeit nicht aus, dass die EU und das Vereinigte Königreich im Hinblick auf Gibraltar ein separates Abkommen vereinbaren. Ein solches separates Abkommen bedarf jedoch im Hinblick auf die Kompetenzen der EU und den Respekt der territorialen Integrität ihrer Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 2 TEU) der Zustimmung Spaniens.
Nach der Kommission-Empfehlung soll das Abkommen mit dem Vereinigten Königriech auf Art. 217 AEUV und nicht, wie sonst bei Freihandelsabkommen üblich,[S. 69] auf Art. 207 AEUV gestützt werden. Dies hat zur Folge, dass dem Abkommen mit dem Vereinigten Königreich alle Mitgliedstaaten im Rat zustimmen müssen, da Art. 217 AEUV Einstimmigkeit und nicht, wie Art. 207 AEUV, nur eine qualifizierte Mehrheit verlangt. Offen ist auch noch, ob das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich als allein dem Zuständigkeitsbereich der EU unterliegend angesehen wird, dann genügt die Einstimmigkeit im Rat, oder als ein gemischtes Abkommen, dann müssen die nationalen Parlamente das Abkommen zusätzlich nach ihren verfassungsrechtlichen Bestimmungen ratifizieren.
Nach Ansicht der Kommission sollten die Verhandlungen wie folgt ablaufen, wenn das Ergebnis zum 31. Dezember 2020, also ohne Verlängerung der Übergangszeit, vorliegen soll:
Februar 2020: | Kommission ersucht den Rat um ein Verhandlungsmandat |
März – Mai 2020: | 1. Verhandlungsrunde mit einigen wichtigen Meilensteinen. • EU-Vereinigtes Königreich High Level Konferenz • Ende der Antragsfrist für eine Verlängerung der Übergangszeit • Versuch, das Fischereiabkommen abzuschließen • Europäischer Rat im Juni |
Juni – Oktober 2020: | 2. Verhandlungsrunde, die zum Abschluss des Abkommens führen soll, mit einem Europäischen Rat im Oktober |
Oktober – Dezember 2020: | Abschluss und Ratifizierung der(s) ersten Abkommen(s), womit die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden |
Januar – Dezember 2021: | Verhandlung der noch ausstehenden Sachfragen. |
IV. Die (Beitritts-) Assoziierung
[54] Die Assoziierung ist eine besondere Form der vertraglichen Beziehungen zu den Drittstaaten, die über rein handelspolitische Regelungen hinaus eine enge wirtschaftliche Kooperation und finanzielle Unterstützung gewährt.
In Gestalt der Beitrittsassoziierung ist sie gleichsam eine Vorstufe des Beitritts, auf der eine Annäherung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen eines Beitrittskandidaten an die Verhältnisse innerhalb der EU angestrebt wird51. Dieses Verfahren[S. 70] hat sich bereits im Falle Griechenlands, das der damaligen EWG im Jahre 1962 assoziiert wurde, bewährt. Diesen Weg hat die EU auch zur Vorbereitung des Beitritts der mittel- und osteuropäischen Staaten mit den sogenannten „Europa-Abkommen“ eingeschlagen. Anwendung findet diese Strategie nun auch im Rahmen des Beitrittsprozesses der Staaten des westlichen Balkans, die durch Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, jetzt Republik Nordmazedonien), 2004, Albanien, 2006, Serbien, 2008, Montenegro, 2010) bzw. Europäische Partnerschaftsabkommen (Bosnien und Herzegowina, 2008, Kosovo, 2008) auf ihrem Weg zu einem möglichen Beitritt zur EU begleitet werden. Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess verfolgt drei Ziele: (1) Stabilisierung und schnellen Wechsel zu einer funktionierenden Marktwirtschaft, (2) Förderung von regionaler Kooperation und (3) Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der EU. Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess basiert auf einer fortschreitenden Partnerschaft, bei der die EU Handelszugeständnisse, wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung anbietet. Jedes Land muss konkrete Fortschritte im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess machen, um den Anforderungen einer eventuellen Mitgliedschaft zu genügen. In jährlichen Berichten wird der Fortschritt der westlichen Balkanländer in Richtung eines möglichen Beitritts zur EU bewertet.
[55] Eine institutionell wie materiell bereits weit reichende (Beitritts-)Assoziierung beinhaltet das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), das zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den EFTA-Staaten andererseits besteht52. Innerhalb des EWR soll auf der Grundlage des Bestandes an primärem und sekundärem Unionsrecht („acquis communautaire“) der freie Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr verwirklicht, eine einheitliche Wettbewerbs- und Beihilfenordnung statuiert sowie die Zusammenarbeit im Bereich der horizontalen Politiken (z.B. Umweltschutz, Forschung und Entwicklung, Bildung) vertieft werden53. Durch das EWR-Abkommen mit der EU verbunden waren ursprünglich Österreich, Island, Norwegen, Schweden, Finnland und Liechtenstein. Durch den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur EU sind Vertragspartner der EU im Rahmen des EWR-Abkommens nur noch Norwegen, Island und Liechtenstein.
Weiterführende Literatur: Adam, BREXIT, Eine Bilanz, 2019; Beise, Die DDR und die EG, EA 1990, S. 149 ff.; Bruha, Verfassungsrechtliche Aspekte der Rechtsetzung im EWR, Außenwirtschaft 1991, S. 357; Burtscher, Der EWR, in: Röttinger-Weyringer, Handbuch der europäischen Integration, S. 508; Doehring, Einseitiger Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft, in FS Schiedermair, 2001, S. 695; Ehlermann, Mitgliedschaft in der EG, EuR 1984, S. 113 ff.; EG-Kommission (Hrsg.), Die Zwölfergemeinschaft nach dem Beitritt Spaniens und Portugals, 1985; Hummer, Der EWR und seine Auswirkungen auf Österreich,[S. 71] EuZW 1992, 361; Jansohn, Brexit means Brexit, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, 2018; Köck, Ist ein EWG-Beitritt Österreichs zulässig?, 1987; Kreidler-Pleus, Der EG-Beitritt Portugals, 1990; Lasok, The UK as member of the EC, 1986; Miller, Rechtsprobleme der Mitgliedschaft Irlands in der EG, 1986; Rentmeister, Österreich und die EG, Die politische Dimension eines möglichen Beitritts, EA 1989, S. 155 ff, Schumann, Dänemark in der Gemeinschaft, 1985; Sommermann, Rechtsprobleme nach dem Eintritt Spaniens und Portugals in die EG, DVBl. 1987, S. 936; v.d. Groeben, Die Erweiterung der EG durch den Beitritt der Länder Griechenland, Spanien und Portugal, 1979; Wölker, Rechtsprobleme nach dem Eintritt Spaniens und Portugals in die EG, JZ 1988, S. 140 ff.