Kitabı oku: «Strafrecht Allgemeiner Teil», sayfa 8
3. Leitentscheidungen
146BGHSt 24, 31, 34ff.; Rechtmäßiges Alternativverhalten: Ein KFZ-Fahrer fährt bei Dunkelheit mit einer BAK von 1,9 ‰ und einer Geschwindigkeit von 100 bis 120 km/h auf einer Bundesstraße. Dabei erfasst er einen Motorradfahrer und verletzt diesen tödlich. Ob der Unfall in nüchternem Zustand hätte vermieden werden können, kann nicht festgestellt werden. – Gleichwohl bejahte der BGH den Zurechnungszusammenhang. Entscheidend sei nicht, ob der Unfall im nüchternen Zustand hätte vermieden werden können; vielmehr sei danach zu fragen, ob der KFZ-Fahrer den Unfall vermieden hätte, wenn er mit einer an seine Alkoholisierung angepassten Geschwindigkeit gefahren wäre.
147BGHSt 24, 342, 343f.; Eigenverantwortliche Selbstgefährdung: Im Anschluss an den gemeinsamen Besuch einer Gaststätte fährt ein Polizeibeamter seine Bekannte nach Hause, wobei er seine geladene Pistole auf dem Armaturenbrett liegen hat. Die Bekannte, welche in diesem Zeitpunkt eine BAK von 1,45 ‰ aufweist, ergreift die Pistole und erschießt sich. Der Polizeibeamte wusste um ihre Selbstmordabsichten. – Der BGH sprach den Polizeibeamten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei, da das Geschehen nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst sei. Das Verhalten der Bekannten sei als freiverantwortlich zu bewerten, so dass der Polizeibeamte sich mangels Vorliegen einer teilnahmefähigen Straftat nicht wegen vorsätzlicher Beihilfe strafbar machen könnte. Dann verböten es aber schon „Gründe der Gerechtigkeit“, ihn wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes zu bestrafen.
148|51|BGHSt 32, 262, 263ff.; Eigenverantwortliche Selbstgefährdung: Ein Drogenkonsument bereitet eine größere Menge Heroin zu und füllt diese in zwei Spritzen, von denen er sich eine selbst injiziert und die andere einem Freund zur Injektion überlässt, der ihm zuvor mitgeteilt hatte, dass er sich anderweitig keine Drogen mehr verschaffen kann. Der Freund verstirbt an der Injektion. Im Zeitpunkt des Todes wies er eine BAK von 1,03 ‰ auf. – Der Todeseintritt ist dem Überlassenden nicht zuzurechnen, da dieser lediglich eine bewusste Selbstgefährdung seines Freundes ermöglicht hat. Die Umstände reichen nicht aus, um ein nicht mehr eigenverantwortliches Handeln des Verstorbenen anzunehmen.
149BGHSt 33, 61, 63ff.; Rechtmäßiges Alternativverhalten: Ein KFZ-Fahrer fährt mit 140 km/h auf einer Vorfahrtsstraße. An einer Straßenkreuzung kollidiert er mit einem anderen KFZ-Fahrer, der unter Missachtung der Vorfahrtsregeln in diese hineingefahren ist. Wäre der erste Fahrer mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gefahren und hätte er den Bremsvorgang rechtzeitig eingeleitet, hätte er den Ort des Zusammenstoßes erst in dem Zeitpunkt erreicht, in dem der zweite Fahrer die Kreuzung bereits vollständig überquert hat. – Der Unfall ist dem ersten KFZ-Fahrer trotz der Missachtung der Vorfahrt durch den zweiten Fahrzeugführer zuzurechnen. Der Zurechnungszusammenhang entfällt nur dann, wenn der gleiche Erfolg auch bei verkehrsgerechtem Verhalten eingetreten wäre oder sich dies nicht ausschließen lässt. Auf das pflichtwidrige Verhalten anderer Personen kommt es grundsätzlich nicht an.
IV. Subjektiver Tatbestand, insbesondere der Tatbestandsvorsatz
150Soweit nicht die Strafbarkeit wegen der Verwirklichung eines Fahrlässigkeitsdeliktes geprüft wird, schließt sich an die Feststellung des objektiven Tatbestandes die Prüfung der subjektiven Tatbestandsmerkmale an. Aus § 15 StGB folgt hierbei, dass der Täter zumindest vorsätzlich gehandelt haben muss. Zusätzlich benennen einzelne Straftatbestände weitere subjektive Tatbestandsmerkmale, die selbständig neben dem Tatbestandsvorsatz stehen.[152] So setzt der Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter eine fremde und bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sich diese selbst oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, und eine Strafbarkeit wegen Betrugs fordert gemäß § 263 Abs. 1 StGB neben der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes, dass der Täter in der Absicht handelt, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Auch bei diesen Delikten bleibt es jedoch bei der Grundregel des § 15 StGB, d.h. der Täter macht sich nur strafbar, wenn er |52|vorsätzlich handelt. Die besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale treten neben den Vorsatz und ersetzen ihn nicht. Da es sich bei ihnen um spezielle Strafbarkeitsvoraussetzungen der einzelnen Straftatbestände handelt, sind die besonderen subjektiven Merkmale im Rahmen der Darstellungen zum Strafrecht BT zu erörtern. Demgegenüber betrifft die nachfolgende Betrachtung die Prüfungselemente des Tatbestandsvorsatzes als Grundvoraussetzung der subjektiven Erfolgszurechnung bei sämtlichen Vorsatzdelikten.
1. Grundelemente des Vorsatzes
151Der Begriff des Vorsatzes wird gesetzlich nicht definiert. § 15 StGB beschränkt sich auf den Hinweis, dass er regelmäßige Strafbarkeitsvoraussetzung ist, und § 16 Abs. 1 S. 1 StGB stellt lediglich fest, dass nicht vorsätzlich handelt, wer einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört.[153] Der zuletzt genannten Vorschrift kann freilich im Umkehrschluss entnommen werden, dass der Vorsatz zumindest die Kenntnis sämtlicher Umstände voraussetzt, die zum objektiven Tatbestand gehören[154] – erschießt der Jäger A den Pilzsammler O, den er in der Dunkelheit für ein Reh hält, handelt A im Hinblick auf die Verwirklichung des § 212 Abs. 1 StGB somit nicht vorsätzlich, da ihm bereits die Kenntnis fehlt, einen anderen Menschen zu töten.
152Nach der heute herrschenden Auffassung stellt die Kenntnis vom Vorliegen sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale jedoch lediglich die Grundvoraussetzung des Vorsatzes dar.[155] Zusätzlich muss der Täter auch eine voluntative Komponente erfüllen, d.h. seine Handlung muss subjektiv auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes gerichtet gewesen sein.[156] Der Vorsatz setzt sich somit aus zwei Elementen zusammen, (1.) dem Wissen (kognitives Element) und (2.) dem Wollen (voluntatives Element) der Tatbestandsverwirklichung.[157] In der Fallbearbeitung ist daher regelmäßig folgende Definition zugrunde zu legen: „Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale“, oder als Kurzformel: „Vorsatz ist Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung“.
2. Zeitpunkt des Wissens: Simultaneitätsprinzip
153Aus § 16 StGB ergibt sich das sogenannte Simultaneitätsprinzip, demzufolge der Vorsatz bei Begehung der Tat und damit in dem Zeitpunkt vorliegen muss, in dem der Täter die relevante Tathandlung ausführt. Ein Vorsatz, der vor der |53|Tat vorlag, bei Tatbegehung aber schon wieder aufgegeben war (sog. dolus antecedens), ist daher ebenso unbeachtlich wie ein Vorsatz, der erst nach Vornahme der Tathandlung gefasst wird (sog. dolus subsequens).[158] Erkennt Jäger A im obigen Bsp. (Rn. 151), dass er nicht ein Reh, sondern den O erschossen hat, und ist ihm dies äußert willkommen, da es sich bei dem O um den Liebhaber seiner Ehefrau handelt, den er schon seit Langem töten wollte, hat er den subjektiven Tatbestand des § 212 Abs. 1 StGB gleichwohl nicht erfüllt, da der Vorsatz nicht im Zeitpunkt der Tathandlung (Abgabe des Schusses) vorlag. Weist der Täter dagegen im Zeitpunkt der Tathandlung den erforderlichen Vorsatz auf, entfällt seine Strafbarkeit nicht schon dadurch, dass er im Zeitpunkt des Erfolgseintritts nicht mehr vorsätzlich handelt.
154Vom Vorliegen der Tatumstände muss der Täter aktuelle Kenntnis haben, bloß potenzielle Kenntnis ist mithin nicht ausreichend. Dies bedeutet indes nicht, dass der Täter sämtliche Tatumstände im Moment des Handelns vollständig reflektieren muss. Es genügt ein sog. sachgedankliches Mitbewusstsein bzw. ständig verfügbares Begleitwissen.[159] Verwirklicht ein Amtsträger eine Körperverletzung im Amt, so ist für die Annahme des Tatbestandsvorsatzes zu § 340 Abs. 1 StGB bspw. nicht erforderlich, dass der Täter gerade im Zeitpunkt der Tathandlung daran denkt, dass er die Körperverletzung in seiner Stellung als Amtsträger verwirklicht. Vielmehr ist es ausreichend, dass er sich grundsätzlich über seine Amtsträgereigenschaft bewusst ist. Ebenso sind sich Polizeibeamte, die während ihrer Dienstzeit eine Straftat begehen, in der Regel darüber im Klaren, dass sie ihre Dienstwaffe bei sich tragen, selbst wenn sie hieran im Zeitpunkt der Tathandlung gar nicht denken.[160]
3. Art des Wissens bei deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen
155Die Wissensseite des Vorsatzes setzt Tatumstands- und Bedeutungskenntnis beim Täter voraus. Welche Anforderungen an die Wissenskomponente zu stellen sind, hängt davon ab, ob es sich bei dem zu prüfenden Tatbestandsmerkmal um ein deskriptives oder normatives handelt.
156Deskriptive Tatbestandsmerkmale sind solche, deren Vorhandensein tatsächlich wahrgenommen werden kann (z.B. „Sache“ i.S.v. §§ 242 Abs. 1, 246 Abs. 1, 303 Abs. 1 StGB; „beweglich“ i.S.v. §§ 242 Abs. 1 StGB, 246 Abs. 1 StGB). Bei diesen ist erforderlich, dass der Täter die Gegebenheiten, die durch das jeweilige Gesetzesmerkmal bezeichnet werden, zutreffend erfasst. Notwendig ist Kenntnis bzgl. des tatsächlichen Sinngehalts.[161]
157|54|Das Vorhandensein von normativen Tatbestandsmerkmalen kann dagegen regelmäßig nicht durch bloße Beobachtung festgestellt werden, sondern hängt von rechtlichen oder außerrechtlichen Normen ab. So sieht man bspw. einer Sache nicht an, ob sie fremd i.S.d. §§ 242 Abs. 1, 246 Abs. 1, 303 Abs. 1 StGB ist, vielmehr bedarf es hierfür einer Wertung, die sich nach den Eigentumsregelungen im BGB vollzieht. Bei normativen Tatbestandsmerkmalen ist das Wissenselement des Vorsatzes erfüllt, wenn der Täter ihre rechtlich-soziale Bedeutung erfasst. Dies fordert mehr als bloße Kenntnis, aber weniger als juristisch exakte Subsumtion, da andernfalls bestimmte Straftaten nur durch Juristen begangen werden könnten.[162] Die hiernach erforderliche und ausreichende Parallelwertung in der Laiensphäre liegt vor, wenn der Täter nach Laienart erfasst, was in der konkreten Situation rechtlich von ihm verlangt wird, ohne dass er in dem Bewusstsein handeln muss, einen ganz bestimmten Straftatbestand zu verwirklichen.[163] Fälscht bspw. A eine private Rechnung, von der er weiß, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis dient, genügt seine Vorstellung auch dann zur Bejahung des Vorsatzes bzgl. des Tatobjekts einer Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB, wenn er irrtümlich annimmt, Urkunden wären nur von öffentlichen Stellen ausgestellte Schriftstücke.
4. Arten des Vorsatzes, insbesondere bedingter Vorsatz
158Im Hinblick auf den Tatbestandsvorsatz sind drei Erscheinungsformen zu unterscheiden: Die Absicht (dolus directus 1. Grades), der direkte Vorsatz (dolus directus 2. Grades) und der bedingte Vorsatz (dolus eventualis). Eine andere Vorsatzform als den bedingten Vorsatz muss der Täter für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes nur dann aufweisen, wenn das Gesetz dies ausdrücklich anordnet.
a) Absicht (dolus directus 1. Grades)
159Bei der Absicht ist das voluntative Element im Sinne zielgerichteten Wollens am stärksten ausgeprägt. Unter Absicht ist der bestimmte, auf die Herbeiführung eines Erfolgs gerichtete Wille zu verstehen.[164] Es muss dem Täter also gerade darauf ankommen, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen bzw. dasjenige Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, für das das Gesetz absichtliches Handeln fordert. Allerdings ist nicht erforderlich, dass der Umstand, hinsichtlich dessen Verwirklichung der Täter absichtlich handelt, sein Endziel ist. Es genügt, wenn er notwendiges Mittel (d.h. ein Zwischenziel) zur Erreichung |55|eines anderen Zwecks ist.[165] Tötet A den O, der ihn bei einem anderen Verbrechen beobachtet hat, so besteht sein Endziel darin, unentdeckt zu bleiben. Da er als „Zwischenziel“ jedoch den Tod des O anstrebt, handelt A diesbezüglich mit Absicht (und erfüllt zudem das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht gem. § 211 Abs. 2 Gruppe 3 Var. 2 StGB).
160Steht fest, dass es dem Täter gerade darauf ankommt, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, so liegt selbst dann ein absichtliches Handeln vor, wenn er den Erfolgseintritt lediglich für möglich hält. Ein Erfolg, auf dessen Verwirklichung es dem Täter ankommt, ist also immer auch beabsichtigt, selbst wenn der Täter nicht sicher weiß, ob er zur Tatbestandsverwirklichung auch wirklich in der Lage ist.[166]
b) Direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades)
161Direkter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter entweder weiß oder aber als sicher voraussieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht.[167] Einem weniger stark ausgeprägten voluntativen Element steht hier ein starkes kognitives Element gegenüber; der Täter sieht den Erfolg als sicher voraus und handelt trotzdem. Anders als bei der Absicht, wo es dem Täter gerade darum gehen muss, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, ist es für die Annahme eines direkten Vorsatzes grundsätzlich unerheblich, ob der Erfolgseintritt dem Täter willkommen ist. Auch „an sich unerwünschte“ aber für sicher gehaltene Erfolge begründen einen direkten Vorsatz.
c) Bedingter Vorsatz (dolus eventualis)
162Der bedingte Vorsatz enthält das voluntative und kognitive Element jeweils in abgeschwächter Form. Streitig ist, wie der bedingte Vorsatz zu bestimmen und so von der bewussten Fahrlässigkeit (zu dieser noch Rn. 815) abzugrenzen ist. Die Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da nach § 15 StGB grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln strafbar und die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gesetzliche Ausnahme ist. Zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit werden daher eine Vielzahl von Ansichten vertreten.[168] Diese können, wie Tab. 4 zeigt, in zwei Gruppen unterteilt werden. Zu unterscheiden sind Vorstellungstheorien, die das kognitive Element (in |56|unterschiedlicher Intensität) genügen lassen, und Willenstheorien, die darüber hinaus ein voluntatives Element fordern.[169]
Tab. 4:
163Theorien zum bedingten Vorsatz
I. | Vorstellungstheorien | bedingter Vorsatz, wenn |
1. Möglichkeitstheorie | der Erfolgseintritt konkret für möglich gehalten und trotzdem gehandelt wird | |
2. Wahrscheinlichkeitstheorie | die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts erkannt wird | |
II. | Willenstheorien | bedingter Vorsatz, wenn |
1. Billigungstheorie | die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt und der Erfolgseintritt billigend in Kauf genommen wird | |
2. Ernstnahmetheorie | der Täter die Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung ernst nimmt und sich damit abfindet | |
3. Theorie von der Manifestation des Vermeidewillens | keine äußerlichen Maßnahmen zur Vermeidung des tatbestandlichen Erfolges ergriffen wurden |
164Die Problematik und die Auswirkungen der in Tab. 4 dargestellten Auffassungen sollen nachfolgend anhand der Lösung des sog. Lederriemen-Falls veranschaulicht werden:[170] A und B wollten O überfallen. Den Plan, O mit einem ledernen Hosenriemen zu würgen, ließen sie zunächst fallen, weil sie die Gefahr sahen, dass O dadurch nicht lediglich bewusstlos werden, sondern sterben könnte. Als aber der Versuch, O mit einem Sandsack zu betäuben, erfolglos geblieben und es zu einem Handgemenge gekommen war, würgten sie den O schließlich doch so lange mit dem Lederriemen, bis O die Arme fallen ließ. Daraufhin begannen A und B, den O zu fesseln. Als dieser sich aufrichtete, warf sich B auf seinen Rücken und drückte ihn nach unten, während A erneut begann, O mit dem Riemen zu drosseln. Dabei hatte er den Riemen so um Os Hals gelegt, dass das Riemenende durch die Schnalle führte. A zog an dem Riemen wiederum so lange, bis O sich nicht mehr rührte und keinen Laut mehr von sich gab. Als B das merkte, rief er A zu: „Hör auf!“ A ließ daraufhin vom Drosseln ab. A und B fesselten nunmehr O und suchten sich in seiner Wohnung eine Reihe von Gegenständen aus. Anschließend sahen sie nach O und bekamen Bedenken, ob dieser noch lebe. Sie versuchten vergeblich eine Wiederbelebung. – Fraglich ist, ob A und B hinsichtlich des Todes des O vorsätzlich handelten, obgleich ihnen dieser Erfolg unerwünscht war.
165|57|Auf der Grundlage der Möglichkeitstheorie[171] wäre im Lederriemen-Fall bedingter Vorsatz anzunehmen, da die Täter den Todeseintritt infolge Drosselung als konkret möglich erkannt hatten. Der Umstand, dass A und B zunächst von dem Vorhaben der Drosselung mittels des Lederriemens Abstand genommen haben, weist darauf hin, dass sie den Todeseintritt auch für wahrscheinlich hielten. Daher könnte auch unter Zugrundelegung der Wahrscheinlichkeitstheorie vorliegend die Annahme eines dolus eventualis vertreten werden. Zur Ablehnung des Vorsatzes käme die Theorie von der Manifestation des Vermeidewillens angesichts des Umstands, dass A und B die Drosselung aufgrund der erkannten Todesgefahr stoppten und so Maßnahmen zur Vermeidung des tatbestandlichen Erfolgs ergriffen. Würde man die Formel der Billigungstheorie wörtlich anwenden, so käme man ebenfalls zu dem Ergebnis, dass A und B den Tod des O nicht vorsätzlich herbeigeführt haben, denn gebilligt im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs haben sie den ihnen unerwünschten Tod des O gerade nicht. Der BGH, der die Formel seiner Entscheidung des Falles zugrundelegt, nähert sich in der Anwendung der Formel daher der Ernstnahmetheorie an:[172] Denn er geht von einer „Billigung im Rechtssinne“ aus, die vorliege, wenn der Täter „sich (…) damit abfindet, dass seine Handlung den an sich unerwünschten Erfolg herbeiführt“. Der bedingte Vorsatz unterscheide sich „von der bewussten Fahrlässigkeit dadurch, dass der bewusst fahrlässig handelnde Täter darauf vertraut, der als möglich vorausgesehene Erfolg werde nicht eintreten“.
166Gegen Möglichkeits- und Wahrscheinlichkeitstheorie als Ausformungen der Vorstellungstheorien spricht, dass der Verzicht auf ein voluntatives Element die Abgrenzung des Vorsatzes zur bewussten Fahrlässigkeit unscharf macht.[173] Denn auch bei der bewussten Fahrlässigkeit hat der Täter eine Vorstellung vom Erfolgseintritt. Die Abgrenzung muss also über ein voluntatives Element vorgenommen werden: Vorsätzlich ist die (bewusste und) gewollte Tatbestandsverwirklichung, allenfalls fahrlässig die ungewollte Tatbestandsverwirklichung. Zudem vermag der Lederriemen-Fall exemplarisch aufzuzeigen, dass die Wahrscheinlichkeitstheorie wenig praktikabel ist. Auch die Annahme, A und B hätten den Tod des O zwar für möglich, nicht aber für wahrscheinlich gehalten, ließe sich leicht vertreten. Die Theorie von der Manifestation des Vermeidewillens ist dann praktikabel, wenn sich dem Erfolg gegensteuernde Maßnahmen objektiv zeigen. Aber der Schluss von der objektiven Nichtvornahme auf Vorstellung und Willen des Täters ist unzureichend. Auch wenn kein Vermeidewille betätigt wurde, kann es trotzdem am Willen zur Tatbestandsverwirklichung fehlen. Gegen die Formel der Billigungstheorie spricht ebenfalls ihre geringe Praktikabilität.[174] Sie ist letztlich zu allgemein und muss – wie sich |58|auch im Lederriemen-Fall des BGH zeigt – näher konkretisiert werden. Die Ernstnahmetheorie hingegen erfasst zutreffend den Umstand, dass in einem Strafrecht, das dem Rechtsgüterschutz dient, die Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit daran auszurichten ist, ob sich der Täter für die tatbestandsmäßige Rechtsgutsverletzung entschieden hat (oder nicht).[175] Der bedingte Vorsatz ist so durch die Begriffe des Ernstnehmens und des Sich-Abfindens praktikabel abgrenzbar gegenüber der bewussten Fahrlässigkeit (bei der auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut wird).
167Soweit in der Fallbearbeitung die Strafbarkeit wegen eines Tötungsdeliktes zu prüfen und hierbei fraglich ist, ob der Täter mit dolus eventualis oder (allenfalls) mit bewusster Fahrlässigkeit gehandelt hat, ist zu berücksichtigen, dass der BGH in diesem Bereich auf die sogenannte Hemmschwellentheorie zurückgreift:[176] „Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch immer die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt hat oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten“.[177] Daher genügt der bloße Schluss von der objektiven (auch extremen) Gefährlichkeit des Handelns auf das Vorliegen bedingten Vorsatzes nicht; vielmehr bedarf es für die Feststellung des Willenselements einer besonders sorgfältigen – alle Umstände einbeziehenden – Prüfung des Einzelfalles.[178]
167aAllerdings darf – wie der 4. Senat des BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012[179] ausgeführt hat – der Tötungsvorsatz auch nicht pauschal und formelhaft unter Hinweis auf eine hohe Hemmschwelle verneint werden. Insoweit wird, ohne dass dies als Abkehr von der Hemmschwellentheorie zu verstehen wäre,[180] bei offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise „eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen“ gefordert.[181]