Kitabı oku: «Das verborgene Netzwerk der Macht», sayfa 4

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Bevor wir den Aufstellungsablauf weiter beschreiben, möchten wir an dieser Stelle kurz einige häufig vorkommende Systemdynamiken in Beispielen für Sie skizzieren. Im Kapitel 3 können Sie solche Dynamiken in praktischen Fallstudien erleben.

Loyalität

Der alte Chef musste die Unternehmensführung in einer kritischen Phase an externe Manager übergeben. Seine Mitarbeiter sind aber weiterhin bewusst oder unbewusst nur zu ihm loyal. Sie lehnen den neuen Chef innerlich ab und tun, ohne es zu merken, alles, damit er scheitert. Ähnlich kann es zugehen, wenn Kollegen zu Unrecht gekündigt oder aus dem Unternehmen gedrängt wurden. Die Verbleibenden sind ihnen loyal und torpedieren »für sie« die Projekte der »Schuldigen«.

Übernahme

Lieber ich als du

Die Übernahmedynamik wird im Familienkontext besser verständlich. Ein Kind spürt die Not, in der z.B. der kranke Vater ist, und will sie für ihn übernehmen. Es sagt sich innerlich: »Lieber ich als du.« »Lieber bin ich krank, lieber soll es mir schlecht gehen als dir« (siehe dazu Schneider / Gross, 2000).

In seinem magischen Denken glaubt das kleine Kind, es könne stellvertretend für den Vater leiden und ihm so die Krankheit abnehmen, damit es ihm besser gehe. Auch der Erwachsene setzt das später unbewusst in anderen Zusammenhängen fort.

Das ist besonders in Familienunternehmen bedeutsam. Aber auch ohne familiäre Bindung kann es in Unternehmen zur Übernahmedynamik kommen. Der Geschäftsführer einer Firma glaubt z. B. unbewusst, er dürfe keinen Erfolg haben, solange die Schwesterfirmen rote Zahlen schreiben. Er überträgt also, ohne es zu bemerken, dieses kindliche Muster auf das Unternehmen – als wollte er mit seinem freiwilligen Opfer für Ausgleich sorgen.

Verwechseln

Es kann z. B. vorkommen, dass jemand den Chef mit dem eigenen Vater verwechselt. Gefühle, die eigentlich in die Vater-Kind-Beziehung gehören, werden dann auf die Arbeitsbeziehung projiziert. Das ist besonders problematisch, wenn der Verwechselnde in seinem Familiensystem etwas für den Vater übernehmen will. Er kann dieses Muster im Betrieb wiederholen und schafft auf diese Weise unbewusst Probleme für sich selbst oder die eigene Abteilung – so, als könnte er damit andere von ihren Problemen entlasten.

Anmaßung

Unangemessene Position

Aufgrund einer unbewussten Verwechslung begibt sich jemand in eine Position im System, die ihm nicht zusteht. Ein Abteilungsleiter regiert z. B. ständig in andere Abteilungen hinein. Er maßt sich damit Kompetenzen an, die er tatsächlich nicht besitzt. Diese Dynamik zeigt sich meist bei Menschen, die in ihrer Familie unangemessene Rollen eingenommen haben. Beispielsweise werden Kinder häufig zum Berater und Verbündeten eines Elternteils gegen den anderen.

Vertreten

Absichtsloses Scheitern

Wenn eine Gruppe von Inhabern oder Aktionären hohe Gewinne auf Kosten von anderen Unternehmensangehörigen macht, werden die leer Ausgegangenen manchmal von einem der Gewinner »vertreten«. Dieser sorgt unbewusst für einen Ausgleich, indem er sich selbst mit einem herben Verlust bestraft. Bisweilen sorgen solche »Vertreter« auch dafür, dass ein ganzer Unternehmenszweig scheitert. Sie repräsentieren auf diese Weise das Systemgewissen. Ähnliches gilt, wenn ein Chef seine Mitarbeiter unfair behandelt hat, bei Mitarbeitern, die einen Vorgesetzten absichtlich scheitern ließen, oder bei Kollegen, die ein Teammitglied »herausgemobbt« haben. Solche »systemische Schuld« verlangt nach einem Ausgleich und ist nicht mit moralischer Schuld zu verwechseln.

»Schuld wird hier aus der ethischen Deutung in eine ökonomische Deutung übersetzt; der Schuldige wird als Ausgleich verpflichtet, aber nicht als ›böse‹ gesehen. Systemische Schuld als Ausgleichsbedürftigkeit erlaubt Systemstabilisierungen, die durch den ethischen Schuldbegriff unmöglich gemacht werden … Die ›ökonomische‹ Deutung von Schuld … ist dem Begriff der Schulden näher als dem des Bösen …« (Sparrer / Varga v. Kibéd, S. 164, 2000).

Körperempfindungen als Seismograph

Nachdem sich die Grunddynamiken des aufgestellten Systems gezeigt haben, beginnt der Coach, die Repräsentanten umzustellen, und orientiert sich dabei stets an ihren Rückmeldungen im Sinne eines »besseren« oder »schlechteren« Gefühls. Wenn es kein deutliches, klares Feedback gibt, testet der Aufstellungsleiter verschiedene Varianten aus, bis er eindeutige positive oder negative Signale bekommt.

Oft reagieren Stellvertreter erstaunlich erleichtert auf eine neue Position und berichten, ihnen sei plötzlich eine Last von der Schulter genommen, oder sie könnten auf einmal wieder frei durchatmen oder Kontakt zu einem anderen Beteiligten aufnehmen. Es ist für viele, die zum ersten Mal an einer Aufstellung teilnehmen, neu und überraschend, dass sie körperlich etwas spüren, das mit ihnen persönlich nichts zu tun hat. Die Körperempfindungen eines Stellvertreters werden so gewissermaßen zum Seismographen für förderliche oder hinderliche Konstellationen im Arbeitssystem.

Aufstellungsleiter können anhand solcher Rückmeldungen sozusagen das Schiff des Systems durch den Nebel der Probleme in den Hafen der Lösung navigieren.

Warum die Wahrnehmungskanäle fremder, unbeteiligter Personen so präzise Informationen zu vermitteln imstande sind, wissen wir nicht. Aber dass es so ist, hat sich vieltausendfach mit unzähligen Stellvertretern bestätigt – wohlgemerkt mit Befürwortern der Methode ebenso wie mit Skeptikern.

Wer sich mit der beginnenden wissenschaftlichen Diskussion zu diesem Phänomen befassen möchte, sei hier auf das Werk des englischen Biologen Rupert Sheldrake verwiesen (siehe Dürr / Gottwald [Hg.], 1997).

Anerkennen, was ist!

Manchmal erfordert eine Lösung auch, dass Stellvertreter, die in einer belasteten Position standen, bestimmte Systemrealitäten aussprechen und anerkennen: »Sie waren schon lange vor mir in der Firma.«, »Sie gehören dazu.« oder »Ich erkenne Ihre Kompetenz an!« Solche »lösenden« bzw. entlastenden Sätze formuliert der Coach aus seiner Wahrnehmung des Systems, und die Stellvertreter überprüfen, ob sie stimmig sind, bevor sie die Formulierung übernehmen. Das fällt auch Anfängern in Stellvertreterrollen leicht, denn sie spüren unmittelbar, ob ein Satz in ihrer Rolle entlastend wirkt oder nicht.

Durch Umstellen und Feedback die bessere Ordnung finden

Allmählich findet der Coach über das verbale und nonverbale Feedback der Stellvertreter die bestmögliche Aufstellung des Systems und bringt es so »in Ordnung«. Die richtige Ordnung eines Systems ist dann erreicht, wenn alle Beteiligten auf für sie angemessenen Plätzen stehen und diese als stimmig erleben. In Aufstellungen zeigt sich dabei häufig eine Rechts-Links-Ordnung systemischer Positionen. Je wichtiger und gewichtiger eine Person oder Position im System ist, umso weiter rechts steht sie in der Aufstellung. Der Gründer und Chef einer Firma steht also ganz rechts, links neben ihm setzt sich das System entweder nach Rangfolge (Bedeutung für das Überleben des Systems) oder Reihenfolge (Dauer der Zugehörigkeit zum System) fort. Das ist unabhängig davon, ob es sich um einen Halbkreis, eine Reihe, einen Kreis oder eine sonstige Anordnung handelt.

Die Lösungskonstellation wird gründlich geprüft

Der Aufstellungsleiter überprüft die einzelnen Schritte stets auch durch Rückfragen an den Aufstellenden, dessen Erfahrungen im Unternehmen sich oft auf bemerkenswert präzise Weise mit den Aussagen der Stellvertreter decken. Ist die Lösungskonstellation erreicht, sehen alle Beteiligten das ganz klar und spüren unmittelbar deren Wirkung als Erleichterung, Stärkung oder Aufbruchstimmung. Zum Abschluss nimmt Ihr Coach Sie selbst anstelle Ihres Stellvertreters in die Aufstellung hinein, so dass Sie die Lösungskonstellation persönlich erleben, auf Ihr Anliegen hin überprüfen und als inneres Bild mit auf den Weg nehmen können.

Sich auf das Notwendige beschränken

Damit Sie effektiv und Zeit sparend den Weg zu Ihrer Lösung gehen, stellen wir meist keine kompletten Systeme auf, sondern nur die für eine Lösung unmittelbar wichtigen Bestandteile, die dann nach Bedarf durch weitere Faktoren ergänzt werden. Durch den kreativen Elan von Insa Sparrer und Matthias Varga v. Kibéd verfügen wir über eine Vielfalt verschiedener Aufstellungsformen, die in Gruppen (mit Stellvertretern) oder im Zweiersetting durchführbar sind. Aus ihrem Buch über die Grundformen Systemischer Strukturaufstellungen (S. 193 ff.) übernehmen wir auch einige der Schritte in der folgenden Zusammenfassung.

Zusammenfassung der Schritte einer systemischen Aufstellung

• Ein klar umrissenes Anliegen des Aufstellenden: Was genau möchte ich erreichen?

• Wahl der Systemebene (Unternehmen, Abteilung, Team) und des Aufstellungsverfahrens (Ziel-, Problem-, Unternehmenskulturaufstellung o. Ä.)

• Auswahl von Stellvertretern für Personen, Themen oder Funktionen

• Gesammeltes Aufstellen der Stellvertreter

• Überprüfen der gestellten Konstellation durch den Aufstellenden

• Eingehen auf nonverbales Feedback der Stellvertreter, ggf. Veränderung der Konstellation durch Bewegungs-impulse der Stellvertreter

• Befragen der Stellvertreter über ihre Wahrnehmung und ihre Befindlichkeit

• Überprüfen der Resonanz und Stimmigkeit des Feedbacks durch den Aufstellenden

• Umstellen der Konstellation durch den Coach

• Erneute kurze Befragung der Stellvertreter (»besser oder schlechter«)

• Ggf. erneutes Umstellen oder Prozessarbeit (Dialoge, »lösende Sätze«) bis zur Lösungskonstellation / zum Lösungsbild

• Erleben der Lösungskonstellation durch den Aufstellenden selbst (nimmt den Platz seines Stellvertreters ein)

• Überprüfen des Lösungsbildes anhand des Aufstellungsanliegens, ggf. Nachkorrektur

• Ankern des Lösungsbildes als Anfang eines Lösungsprozesses im Alltag

• Entlassen der Stellvertreter aus ihren Rollen, ergänzende Feedbacks

• Nachbesprechung

2.4 Wann ist die systemische Aufstellung für Sie nützlich?

Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Ist diese Methode für unsere Unternehmenssituation oder für mich persönlich und mein Thema geeignet? Für welche konkreten Fragestellungen können systemische Aufstellungen nutzbringend eingesetzt werden? Ein praktisches Beispiel:

Im Unternehmen läuft es nicht so gut. Kunden springen ab, der Umsatz geht zurück, die Stimmung sinkt. Was ist los? Nachdem alle gängigen Analysen gemacht sind, ist man nicht viel weiter. Angst macht sich breit und führt in der Reaktion zu Anspannung und Kontrolle. Ein hartes Sanierungskonzept soll helfen, die Kosten zu senken und sich durch Outsourcing auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren. Bei solchen Konzepten wird selten berücksichtigt, wie das System, wie der Organismus Unternehmen auf diese Einschnitte reagiert. Im positiven Falle stehen Mitarbeiter wie Management hinter den Entscheidungen und unterstützen die Krisenbewältigungsstrategie. Die Sturmsegel werden gesetzt und das Unternehmensschiff geht wie der Fliegende Holländer durch die Wogen und entkommt den Klippen.

Hinweise auf die Chancen einer Sanierung

Woran aber liegt es, wenn das Unternehmen auf Sanierer reagiert wie das Immunsystem Ihres Körpers auf eine Infektion? Der Grund für solche Reaktionen ist selten auf der wirtschaftlichen Ebene zu finden. Häufig ist vielmehr die systemische Ordnung gestört. Die Unternehmensführung hat ihre Richtung geändert, ohne vorher auf den Kompass zu schauen! Sie hätte sich fragen müssen: »Woran orientieren sich unsere Mitarbeiter? Welche Einstellung haben sie zum Unternehmen? Womit haben wir bisher ihre Unterstützung und ihr Engagement erreicht? Welche Werte haben wir bisher erfolgreich vertreten? Was brauchen sie, um unseren Sanierungsschritt zu verstehen und mitzugehen?«

Systemische Aufstellung hilft hier herauszufinden, welche Maßnahmen in Harmonie mit dem Unternehmenssystem sind und welche nicht. Auch zur Positionierung zu Mitbewerbern, Akzeptanz bei den Kunden und Gefährdungen im Markt lassen sich wertvolle Hinweise gewinnen. So vermeiden Sie Fehlentscheidungen und setzen Ressourcen frei. Denn, wie G. Weber hervorhebt, Aufstellungen ermöglichen auch risikofreies Probehandeln und eignen sich hervorragend, alternative Lösungsmöglichkeiten nacheinander durchzuspielen.

In der folgenden Checkliste haben wir Beispiele für weitere nützliche Anwendungsbereiche in knappen Fragestellungen zusammengefasst. Für eine Aufstellung wird das mit der Frage verbundene Anliegen lösungsorientiert präzisiert.

Checkliste für Anwendungsbereiche

Mehr Information zu wichtigen personellen und wirtschaftlichen Entscheidungen

• Passt Bewerber A oder B besser zu uns?

• Wie kann eine Teamstruktur bei uns funktionieren? Wie muss sie gestaltet werden, damit Projekte erfolgreich ablaufen?

• Kommt eine Kooperation mit Firma XY infrage?

• Können wir uns bei einer Produktumstellung auf unsere Auslandstöchter verlassen?

• Sind die Kompetenzbereiche im Unternehmen klar genug definiert?

• Haben wir die richtige Anzahl von Mitarbeitern in Abteilung Y?

Die Dynamik einer Organisation (Koalitionen, Konkurrenz usw.) erkennen

• Was läuft zwischen Zulieferern und Einkauf schief?

• Woran liegt es, dass die Entwickler ein schlechtes Image im Unternehmen haben?

• Warum ist die Position des Vertriebschefs ein Schleudersitz?

• Woran liegt es, dass der Informationsfluss im Unternehmen stockt?

• Wieso kommt es immer wieder zu Kündigungen in Abteilung B?

• Warum schimpfen alle auf die Qualitätssicherung?

Die Führungsfunktionen im Unternehmen überprüfen und optimieren

• Welchen Platz nimmt der neue Geschäftsführer im System ein?

• Wie können die Spartenleiter besser kooperieren?

• Wie können wir Nachwuchsführungskräfte gut integrieren?

• Was brauchen wir, um mehr Klarheit in unsere Führungsstruktur zu bringen?

• Wie wirken sich die Shareholder-Interessen auf unsere Unternehmenskultur aus?

Erkennen, wo welche Ressourcen gebraucht werden

• Was hindert uns daran, in unserem Marktsegment Z erfolgreicher zu sein?

• Wie können wir unsere Kernkompetenz stärken?

• Wie können wir unsere internen Abläufe zwischen A und B verbessern?

• Was ist der Grund für den schleppenden Abverkauf des Produktes X?

• Was brauchen wir, um den Kontakt zu den Kunden zu verbessern?

• Wie können wir unser Ziel wieder mehr in den Blick rücken?

Unternehmenskultur entwickeln

• Welche Rolle spielen Werte / Ziele / Visionen im Unternehmen wirklich?

• Wie stehen die Mitarbeiter zu den Führungsleitlinien?

• Wer führt das Unternehmen formell, wer informell?

• Was brauchen wir, um unser Team zusammenzuschweißen?

• Was ist der Grund für Konflikte zwischen langjährigen und neuen Mitarbeitern?

• Wie steht es mit Vertrauen und Loyalität im Unternehmen?

• Wie attraktiv ist das Unternehmen für neue Mitarbeiter?

Supervision: den richtigen Platz als Externer finden

• Welchen Platz habe ich als Berater in diesem Unternehmen?

• Woran liegt es, dass ich in meiner Beratung nicht weiterkomme?

• Lasse ich mich zu sehr für das Unternehmen einspannen? Ist mein Auftrag klar definiert?

• Was brauche ich, um Akzeptanz bei meinen Kunden zu erreichen?

• Wie kann ich erfolgreich akquirieren?

Persönliche Ziele erreichen

• Was brauche ich, um mein Karriereziel zu erreichen?

• Bin ich in meinem Unternehmen am richtigen Platz?

• Soll ich mich für einen Unternehmenswechsel oder den Schritt in die Selbstständigkeit entscheiden?

• Was brauche ich, um persönliche und berufliche Ziele in Einklang zu bringen?

• Wie kann ich Konflikte fair und erfolgreich bewältigen?

2.5 Welche Kompetenzen braucht ein Aufstellungsleiter?

Aufstellungen haben mit Einstellungen zu tun

Auch wenn Bezeichnungen wie »Trainer« oder »Coach« zur Methode der systemischen Aufstellung nicht ganz genau passen, benutzen wir sie für Aufstellungsleiter, denn sie wird in den meisten Fällen von Trainern durchgeführt. Was sollte ein/e Trainer/in können? Welchen Hintergrund und welches Verständnis sollte er oder sie mitbringen?

Eine Aufstellung sieht ganz einfach aus. Darin liegt unter anderem ihr besonderer Reiz. Sie zeigt eine Realität in verdichteter, symbolischer Form, ähnlich wie ein Kunstwerk, bei dessen Betrachtung uns komplexe Zusammenhänge auf einen Blick klar werden. Ein Beobachter, der den Prozess rein analytisch-logisch verfolgt und mit seiner linken Gehirnhälfte verarbeitet, sieht zunächst nur einige Aufstell- und Umstellabläufe und hört bestimmte, standardisiert klingende Formulierungen. Er fragt sich vermutlich, was da eigentlich abläuft. Ein neues Rollenspiel? Eine Art Unternehmenstheater vielleicht? Er kann sich so lange keinen Reim darauf machen, wie er sich nicht auch intuitiv, also mit seiner emotionalen Intelligenz der rechten Gehirnhälfte darauf einlässt. Dann aber geht es ihm, als hätte er bisher in einem Wald nur Nutzholzkubikmeter erkennen können. Plötzlich geht ihm auf: Der Wald lebt! Er erkennt ein faszinierendes und äußerst komplexes biologisches System. Vielleicht empfindet er auch so etwas wie Achtung. Ähnlich verhält es sich mit menschlichen Systemen. Die Absichten ihrer Mitglieder, ihre Verbindungen, Verästelungen und deren subtile Wirkung erschließen sich uns in einer Aufstellung erst, wenn wir sie intuitiv, »rechtshirnhälftig« auf uns wirken lassen wie ein Gemälde oder eine Plastik.

Ein Aufstellungsleiter braucht innere und äußere Erfahrung

Was einfach aussieht, verlangt also in der Praxis eine Vielzahl fundierter Erfahrungen und Fähigkeiten. Es ist ähnlich wie in manchen Künsten oder Sportarten. Wenn Sie einem Meister seines Faches zuschauen, sind Sie vielleicht manchmal auf den ersten Blick versucht zu denken: »Das könnte ich auch!« – was sich allerdings häufig als Irrtum herausstellt, sobald Sie es ihm nachtun wollen. Ein berühmter Bildhauer wurde von einem Interviewer gefragt, wie er es fertig bringe, aus einem unförmigen Gesteinsbrocken diese wunderbar ausdrucksvollen Statuen zu erschaffen. »Nun, das ist ganz einfach«, antwortete der Künstler, »ich schlage einfach alles von dem Stein weg, was nicht zur Statue gehört.« Ganz einfach! Obwohl auch Werkzeuge zu beherrschen sind, geht es in der systemischen Aufstellungsarbeit weniger um handwerkliche Geschicklichkeit als um die Fähigkeit, eine bestimmte innere Haltung durchgängig zu bewahren. Eine alte chinesische Geschichte illustriert diesen Unterschied zwischen technischer Perfektion und innerer Haltung:

Der beste Bogenschütze des Landes, der von niemandem besiegt werden konnte, hört von einem alten Bogenmeister, der als Einsiedler hoch in den Bergen lebt. Begierig zu sehen, ob er auch ihn im Wettbewerb schlagen kann, macht er sich auf den Weg zu ihm. Der Alte begrüßt ihn freundlich, woraufhin der jüngere Bogenschütze sofort seine Kunst demonstriert. Er bringt ein handtellergroßes Ziel an einem 50 Meter entfernten Baum an, stellt eine mit Wasser randvoll gefüllte Tasse auf seinen ausgestreckten Arm und schießt drei Pfeile ab. Alle Pfeile sind im Ziel, kein Tropfen Wasser verschüttet. Der Alte lächelt: »Du schießt gut. Du hast eine ruhige Hand. Aber kannst du dich wirklich immer auf sie verlassen?« Er führt seinen Besucher auf eine Klippe, die schroff Hunderte von Metern über den Abgrund ragt, und stellt sich auf den äußersten Rand des Felsvorsprungs mit dem Rücken zum Abgrund. Nur seine Fußballen berühren noch festen Boden während er ruhig und gelassen über dem Abgrund zu schweben scheint: »Komm her«, fordert er seinen Herausforderer auf, »nimm deinen Bogen, stell dich genau neben mich und führe dein Kunststück noch einmal vor!« Der junge Bogenschütze kauert wie gelähmt vor ihm am Boden, zittert und schwitzt vor Angst und erkennt, dass seine technische Kompetenz noch keine wirklich sichere Hand bedeutet.

Technisches Können allein reicht nicht

Wenn Technik allein hier nicht genügt – was ist es dann?

Ähnlich, wenn auch nicht so extrem wie der Alte in der chinesischen Geschichte, braucht ein Aufstellungsleiter innere Ruhe, Sammlung und eine sichere Hand. Die entscheidenden Systemdynamiken wirken im Verborgenen und werden für ihn erst sichtbar, wenn er in der Lage ist, absichtslos eine Konstellation auf sich wirken zu lassen.

Mit »absichtslos« ist hier keine »Mir-ist-alles-egal-Haltung« gemeint. Aber »Absicht ist kein Ersatz für Einsicht«, erklärt Hellinger und meint, das Ergebnis muss gleich-gültig bleiben, in dem Sinne, das jede sich zeigende Dynamik gleichermaßen gültig ist.

»Dieser Erkenntnisweg erfordert also ein Leerwerden sowohl in Bezug auf bisherige Vorstellungen als auch in Bezug auf innere Bewegungen … Die Aufmerksamkeit ist dabei zugleich gerichtet und ungerichtet, gesammelt und leer« (Hellinger 1999, S. 255f.).

Für die Praxis ist deshalb eine »allparteiliche« Haltung (Varga v. Kibéd/ Sparrer) wichtig, in der ein Aufstellungsleiter nicht die eine oder andere Seite bevorzugt. Nach unserer Erfahrung kann es besonders dann leicht zu Fehldeutungen kommen, wenn ein Trainer oder Coach sich mit dem eigenen Persönlichkeits- und Familiensystem noch wenig auseinander gesetzt hat. Wir halten es deshalb für eine unverzichtbare Voraussetzung, dass Aufstellungsleiter, die mit Unternehmen und anderen Organisationen arbeiten, auch über Selbsterfahrung und Kompetenz in der Aufstellung von Familien verfügen. Letzteres ist deshalb besonders wichtig, weil sich bestimmte Themen in Unternehmen und Familien überschneiden können. Wenn ein Geschäftsführer beispielsweise immer wieder gefährliche Risiken übersieht, ist es oft hilfreich, mit seinem Einverständnis in einem geeigneten Rahmen zu überprüfen, ob und wo es in seiner Familie dazu eine Parallele gibt. Wird ihm die problemauslösende Dynamik in seiner Familie bewusst, kann er auch im Unternehmen in Zukunft umsichtiger handeln. Ebenso wichtig allerdings wie Kompetenz und Erfahrung des Trainers ist die »Chemie« zwischen seinen Teilnehmern und ihm. Sie muss stimmen, damit die gemeinsame Arbeit gelingen kann.

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