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Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen
IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen › 1. Zeugnisverweigerungsrecht
1. Zeugnisverweigerungsrecht
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Eine Vernehmung liegt immer dann vor, wenn der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft eine Aussage verlangt[1]. In dieser Situation steht dem Zeugen eventuell ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Dabei ist zwischen den Zeugnisverweigerungsrechten nach den §§ 52 bzw. 53 und 53a StPO zu unterscheiden.
Die Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO kommt besonders bei Zeugen in Betracht, die Verletzte einer Straftat im sozialen Nahbereich geworden sind. Dem liegt die gesetzgeberische Rücksichtnahme auf die denkbare Zwangslage des Zeugen zugrunde, der einerseits der Wahrheit verpflichtet ist, andererseits aber befürchten muss, mit seiner Aussage einem Angehörigen möglicherweise zu schaden[2].
Die anwaltliche Beratung des nach § 52 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen richtet sich allein nach dem Interesse des Zeugen. Die Prozessbedeutung der Wahrnehmungen des Zeugen spielt dabei eine wesentliche Rolle, da die Bedeutung der Aussage für den Nachweis der Straftat oftmals maßgeblich sein kann. Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der anwaltlichen Beratung ist regelmäßig der Hinweis, dass der Zeuge, sofern er sich zur Aussage entschließt, vollständig und wahrheitsgemäß aussagen muss.
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Die in §§ 53 und 53a StPO festgelegten Zeugnisverweigerungsrechte haben hingegen einen anderen Charakter als das Zeugnisverweigerungsrecht des Angehörigen nach § 52 StPO. Ihr Zweck besteht darin, das notwendige Vertrauensverhältnis von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen – wie etwa Seelsorgern, Ärzten und Rechtsanwälten – und denjenigen, die ihre Hilfe und Sachkunde in Anspruch nehmen, zu schützen[3]. Ein strikter Geheimnisschutz ist für die Berufsausübung der im Gesetz abschließend aufgezählten Personengruppen unumgänglich.[4]
Der anwaltliche Zeugenbeistand hat hier vor allem über die in § 203 StGB strafbewehrte Schweigepflicht aufzuklären.[5] Der Zeuge darf materiellrechtlich nämlich nur dann aussagen, wenn er von der Schweigepflicht entbunden wurde. Die nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 2 – 3b und 53a StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgruppen sind nach § 53 Abs. 2 StPO zur Aussage verpflichtet, wenn sie von der Verschwiegenheit entbunden worden sind. Die Entbindung von der Schweigepflicht wird die Aussagebereitschaft der übrigen Zeugen maßgeblich beeinflussen. Wenn die Entbindung bereits vor der Hauptverhandlung erfolgt, sollte der Zeugenbeistand dafür sorgen, dass dies schriftlich geschieht und sicherstellen, dass auf den Zeugen kein Druck ausgeübt worden ist.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen › 2. Auskunftsverweigerungsrecht
2. Auskunftsverweigerungsrecht
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Der Zeuge, der sich in Erfüllung seiner Aussagepflicht der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzt, ist zwar formal Zeuge, seine Lage ist jedoch weit mehr mit der eines Beschuldigten vergleichbar[6]. Diesem Zeugen bietet die StPO allein Schutz durch das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, also das im Grundsatz beschränkte Recht, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern. Die Vorschrift des § 55 StPO ist Ausfluss des rechtsstaatlichen Grundsatzes, dass niemand gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen und sich selbst zu belasten. Die Zwangslage, sich unter dem Druck der Aussagepflicht selbst der Strafverfolgung auszusetzen, soll dem Zeugen von vornherein erspart bleiben. Besondere Bedeutung erlangt das Auskunftsverweigerungsrecht in der Praxis dort, wo es oft nur vom Zufall abhängt, ob dem Zeugen noch die formale Rolle des Zeugen zugewiesen ist, oder ob er bereits zum Mitbeschuldigten oder Mitangeklagten gemacht wurde. Nicht zuletzt können auch taktische Erwägungen der Staatsanwaltschaft über Änderung oder Beibehaltung der zugewiesenen Rolle entscheiden.
Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO steht dem Zeugen zu, wenn die Gefahr besteht, dass sich durch die Beantwortung einer Frage der Zeuge selbst oder ein Angehöriger wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit der Verfolgung aussetzt. Unter Verfolgungsgefahr ist dabei jeder prozessual ausreichende Anfangsverdacht zu verstehen.[7] Das Verweigern der Auskunft ist schon dann berechtigt, wenn die mögliche Antwort im Zusammenhang mit anderen Tatsachen als Teil eines Beweisgebäudes eine Verfolgungsgefahr begründet.[8] Entscheidend für das Vorliegen einer Strafverfolgungsgefahr ist nicht die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen durch den Zeugen, sondern der Inhalt der Fragen. Bei jeder Frage ist grundsätzlich deren Bejahung oder Verneinung in gleicher Weise in Betracht zu ziehen. Bietet die Frage wenigstens eine „gefährliche“ Antwortmöglichkeit, muss das Gericht die Berechtigung der Auskunftsverweigerung anerkennen.[9] Insofern ist die Belehrung, der Zeuge könne die Auskunft verweigern, wenn er durch die wahrheitsgemäße Beantwortung in die Gefahr der Strafverfolgung gerate, eigentlich unrichtig.[10] Nur wenn die Gefahr der Verfolgung ohne jeden Zweifel ausgeschlossen ist, entfällt das Auskunftsverweigerungsrecht. Bei Verfahrenseinstellungen nach §§ 170 Abs. 2, 153, 154, 154a StPO ist die Verfolgungsgefahr nicht ausgeräumt, weil das Verfahren ohne Weiteres wiederaufgenommen werden kann. Anders ist die Situation nur bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO. Das Ablehnen der Eröffnung des Hauptverfahrens steht einer weiteren Strafverfolgung ebenfalls nicht grundsätzlich entgegen, da das Strafverfahren unter den Voraussetzungen des § 211 StPO weiter betrieben werden kann. Selbst bei einem rechtskräftigen Freispruch besteht die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 362 StPO.[11]
Wichtig ist, dass das Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO unter Umständen zu einem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht erstarken kann[12]. Darin liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz des fair trial – etwa durch Beschneidung des Fragerechts des Angeklagten oder der Verteidigung.[13] Zwar spricht § 55 StPO nicht von einem Aussage-, sondern nur von einem Auskunftsverweigerungsrecht bezüglich einzelner Fragen. Schon das Reichsgericht hatte aber betont, dass unter Umständen die gesamte in Betracht kommende Aussage eines Zeugen mit seinem möglicherweise strafbaren Verhalten in so engem Zusammenhang stehen kann, dass nichts übrig bleibt, was der Zeuge ohne die Gefahr einer strafrechtlicher Verfolgung bezeugen könnte.[14] Erstmals im Jahre 1987 hatte der BGH Zeugen bezüglich Fragen, die ein „Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude betreffen“ könnten, ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht eingeräumt – die sog. „Mosaiktheorie“ war geboren.[15] Diese Rechtsprechung wurde im Jahr 1998 vom BGH bestätigt.[16] Im Jahre 2002 schloss sich auch das BVerfG ihr an.[17] Unter dieser Prämisse erstarkt das Recht des Verletzten zur Auskunftsverweigerung zu einem Recht auf Verweigerung des Zeugnisses in vollem Umfang, etwa wenn die Gefahr der Selbstbelastung in vielen Punkten oder durchgängig bei der Behandlung des Vernehmungsthemas besteht. Anders formuliert – es muss die Aussage des Zeugen mit seinem etwaigen strafbaren Verhalten in so engem Zusammenhang stehen, dass eine Trennung nicht möglich ist[18].
Der anwaltliche Zeugenbeistand hat seinen Mandanten immer darauf hinzuweisen, dass die Berufung auf § 55 StPO nicht die vorhandene Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung beseitigt. Mitunter wird diese Gefahr gerade erst durch die Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechtes begründet oder jedenfalls gesteigert.[19] Aufgabe des Zeugenbeistandes ist es in diesem Zusammenhang sicherzustellen, dass eine Auskunftsverweigerung zur rechten Zeit erfolgt. Keine größeren Probleme bereitet dies, wenn die Gefahr einer Strafverfolgung klar ersichtlich ist. Bei nicht leicht erkennbaren Gefährdungen ist allerdings mit nicht unerheblichem Widerstand der übrigen Verfahrensbeteiligten zu rechnen.[20] Der Zeugenbeistand ist dann dazu aufgefordert, die möglichen Antworten darzulegen und ihre jeweilige strafrechtliche Bedeutung zu erklären.
Bei absehbaren Meinungsverschiedenheiten über den Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts sollte sich der Zeugenbeistand rechtzeitig vor der Vernehmung mit dem Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft in Verbindung setzen, um frühzeitig seine Rechtsauffassung darzulegen. Somit wird die Kontroverse während der Vernehmung seines Mandanten vermieden. Mitunter kann es angebracht sein, die Inanspruchnahme des Auskunftsverweigerungsrechts schriftlich anzukündigen und zu begründen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Vernehmende gem. § 56 S. 1 StPO die Glaubhaftmachung der Tatsachen, auf die das Auskunftsverweigerungsrecht gestützt wird, verlangen kann. Zur Glaubhaftmachung kommen alle Mittel in Betracht, die geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit des Vorbringens in ausreichendem Maße darzulegen. Die eidliche Versicherung des Zeugen kann gem. § 56 S. 2 StPO genügen. Jedenfalls kann von dem Zeugen, der sich auf eine drohende Verfolgungsgefahr beruft, nicht verlangt werden, dass er Tatsachen glaubhaft macht, die er dem Zweck der Vorschrift nach gerade nicht offenbaren muss. Die frühzeitige Ankündigung der Inanspruchnahme des Auskunftsverweigerungsrechts kann für den Zeugen die angenehme Nebenfolge haben, dass das Gericht ihn als Zeugen ablädt und keine Anreise bzw. Verschubung im Rahmen der Haft zwecks Vernehmung erfolgen muss.
→ Muster 8, Rn. 530: Schriftsatz für gefährdeten Zeugen – Auskunftsverweigerungsrecht
Hinweis
Verwehrt der Vorsitzende in der Vernehmung das Auskunftsverweigerungsrecht, sollte der Zeugenbeistand für seinen Mandanten zunächst einen Gerichtsbeschluss gem. § 238 Abs. 2 StPO herbeiführen. Verbleibt es danach bei der Ablehnung, kann im Einzelfall anzuraten sein, es auf die Anwendung eines gerichtlichen Zeugenzwangs gemäß § 70 Abs. 1, 2 StPO ankommen zu lassen und diese Maßregel gegebenenfalls dann im Rahmen der Beschwerde gem. § 304 StPO anzugreifen. Zur Abklärung dieser Vorgehensweise ist jedenfalls eine eingehende vorherige Beratung mit dem Mandanten erforderlich, da dieser und nicht der Zeugenbeistand von den drohenden Maßregeln betroffen ist.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen › 3. Geheimhaltung des Wohnortes bzw. der Identität des Zeugen
3. Geheimhaltung des Wohnortes bzw. der Identität des Zeugen
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Welche Angaben der Zeuge zu den Personalien zu machen hat, gibt § 68 Abs. 1 StPO vor. Danach hat der Zeuge seinen vollständigen Namen, Wohnort, Beruf und sein Alter anzugeben. Nicht selten möchten aber Zeugen nicht, dass der Angeklagte ihren Wohnort erfährt, da sie dessen Nachstellungen oder Racheakte auf ihn oder die Familie befürchten. Diesen Bedürfnissen tragen die Regelungen der §§ 68 Abs. 1 S. 2, 68 Abs. 2 – 5 und 68a StPO Rechnung. Der Zeuge, der Wahrnehmungen in amtlicher Eigenschaft gemacht hat, kann gem. § 68 Abs. 1 S. 2 StPO statt des Wohnortes den Dienstort angeben. Der Zeuge kann gem. § 68 Abs. 2 StPO bei Vernehmungen seinen Wohnort verschweigen und stattdessen seinen Geschäfts- oder Dienstort oder eine andere ladungsfähige Anschrift angeben, wenn ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Angabe des Wohnortes Rechtsgüter des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet werden oder dass auf Zeugen oder eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt wird, vgl. § 68 Abs. 2 StPO.
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Nach § 68 Abs. 3 StPO kann der Zeuge sogar seine Identität vollständig geheimhalten, wenn durch die Offenbarung die Besorgnis besteht, dass Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet werden oder dass auf Zeugen oder eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt werden wird. Dies ergibt sich oftmals durch Drohbriefe, Anrufe oder sonstige Aktionen des Angeklagten oder ihm nahestehender Dritter. Eine Hinweispflicht der Strafverfolgungsbehörden auf die Rechte aus § 68 Abs. 2 und 3 StPO ergibt sich aus Abs. 4. Dort ist auch geregelt, dass entsprechende Unterlagen nicht Bestandteil der Strafakten werden, sondern bei der Staatsanwaltschaft zu verwahren sind. Sie sind erst zu den Akten zu nehmen, wenn die Besorgnis der Gefährdung entfällt. In § 68 Abs. 5 StPO ist geregelt, dass diese Maßnahmen auch nach Abschluss der Zeugenvernehmung fortzuführen sind.
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Dies wird insbesondere bei Zeugen in Zeugenschutzprogrammen der Fall sein. Das Einverständnis des Zeugen vorausgesetzt, kann dieser durch ein Zeugenschutzprogramm nach § 1 Abs. 1 ZSHG geschützt werden, wenn er aufgrund seiner Aussagebereitschaft einer Gefährdung von Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit oder wesentlicher Vermögenswerte ausgesetzt ist. Über die Aufnahme in ein solches Programm entscheiden gem. § 2 Abs. 2 S. 1 ZSHG sog. „Zeugenschutzdienststellen“, die beim BKA und in den Bundesländern eingerichtet sind.[21] Die Folgen können bis zu einem vollumfänglichen Wechsel der Identität des Zeugen reichen.[22]
Fragen abzuwehren, die eine Bloßstellung des Zeugen zur Folge haben können, ist eine Aufgabe für den Zeugenbeistand, die sich erst während der Vernehmung stellt. Die Frage nach der Gefährdung des Zeugen wird dagegen schon vorab mit der vernehmenden Stelle zu erörtern sein. Dabei sollte der Rechtsanwalt die Umstände, aus denen sich Anhaltspunkte für die Gefährdung des Zeugen ergeben, rechtzeitig mitteilen, um so eine Kontroverse über diese Frage im Rahmen der Hauptverhandlung zu vermeiden. Eine solche Auseinandersetzung könnte nämlich zur tatsächlichen Offenlegung der Identität des Zeugen führen und auf diese Weise seinen beabsichtigten Schutz gerade zunichtemachen.
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen › 4. Ausschluss der Öffentlichkeit
4. Ausschluss der Öffentlichkeit
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Zum Schutz des persönlichen Lebensbereichs des Zeugen kann entgegen dem Öffentlichkeitsgrundsatz aus § 169 S. 1 GVG gem. § 171b GVG die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass wegen der gesteigerten Wertlegung auf die Persönlichkeitserforschung Umstände aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich, teilweise auch aus dem Intimbereich, zu erörtern sind.[23] Die Öffentlichkeit kann dann ausgeschlossen werden, wenn und soweit Umstände aus diesem höchstpersönlichen Lebensbereich des Zeugen zur Sprache kommen, zu denen etwa private Eigenschaften und Neigungen des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, sein Sexualleben oder seine politische und religiöse Einstellung gehören. Insgesamt handelt es sich um Tatsachen, nach denen üblicherweise im Sozialleben nicht gefragt wird und die der Zeuge in der Regel nicht spontan und unbefangen mitteilt.[24] Sofern die Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 GVG vorliegen, kann der Ausschluss erfolgen, bei der Vernehmung Minderjähriger in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen das Leben soll er gem. § 171b Abs. 2 GVG erfolgen. Ein entsprechender Antrag ist nach § 171b Abs. 3 Satz 1 GVG zu stellen. Verneint das Gericht die Voraussetzungen, lehnt es den Antrag durch Beschluss ab. Neu in das Gesetz eingeführt wurde der § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG, wonach auf den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Zeugenvernehmung in den meisten Fällen auch ein Ausschluss bei den Schlussanträgen folgt.[25]
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Nach § 172 Nr. 1a GVG kann das Gericht nach seinem Ermessen die Öffentlichkeit auch dann ausschließen, wenn bei wahrheitsgemäßer Aussage in öffentlicher Verhandlung eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist. Dem Schutz von kindlichen und jugendlichen Zeugen dient auch die Ausschlussmöglichkeit nach § 172 Nr. 4 GVG. In der Regel werden die Gerichte die Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit tendenziell eher restriktiv handhaben, um einen möglichen Revisionsgrund zu vermeiden.
Dem anwaltlichen Beistand kommt im Zusammenhang mit dem Recht des Zeugen auf Ausschluss der Öffentlichkeit die Aufgabe zu, die Umstände, aus denen sich Anhaltspunkte für die Verletzung schutzwürdiger Interessen des Zeugen ergeben, so rechtzeitig mitzuteilen, dass eine Kontroverse über diese Frage in der Hauptverhandlung vermieden werden kann. Auf vorgesehene entsprechend beabsichtigte Anträge sollten der Vorsitzende und nach Möglichkeit auch die übrigen Verfahrensbeteiligten rechtzeitig hingewiesen werden. So lässt sich in der Regel eine frühzeitige Überzeugungsbildung fördern und eine langwierige Verhandlung über den Ausschluss in der Hauptverhandlung verhindern. Dies ist gerade dort erstrebenswert, wo der angestrebte Schutz des Zeugen – etwa, sofern es um den Schutz vor Presseberichterstattungen geht – sonst nicht oder nur eingeschränkt erreicht werden kann. Zwar kann auch die Verhandlung über den Ausschluss der Öffentlichkeit selbst in nichtöffentlicher Sitzung erfolgen, der Antrag auf Ausschluss muss aber in der Hauptverhandlung gestellt werden. Außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Anträge sind lediglich Anregungen zur Prüfung der Frage, ob die Öffentlichkeit von Amts wegen ausgeschlossen werden soll.[26]
→ Muster 9, Rn. 531: Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen › 5. Entfernung des Angeklagten
5. Entfernung des Angeklagten
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Die Möglichkeit, den Angeklagten gem. § 247 S. 1 StPO für die Dauer der Vernehmung des Zeugen aus dem Gerichtssaal entfernen zu lassen, wenn zu befürchten ist, dass der Zeuge bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen wird, dient in erster Linie der Wahrheitsfindung und nicht den Interessen des Opferzeugen. Gleichwohl kann die Entfernung des Angeklagten eine erhebliche psychische Entlastung für den Zeugen darstellen.
Nach § 247 S. 2 StPO ist die Entfernung des Angeklagten ferner möglich, wenn die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren in Gegenwart des Angeklagten einen erheblichen Nachteil für das Wohl des Zeugen befürchten lässt. Hierzu sind konkrete Umstände vorzubringen, die einen über die Vernehmung hinausreichenden Nachteil für das körperliche und seelische Wohl des Zeugen begründen können.[27] Auf die Gefährdung der Wahrheitsfindung kommt es nicht an. Auch bei erwachsenen Zeugen kann der Angeklagte über § 247 S. 2 StPO aus dem Sitzungssaal entfernt werden. Bei erwachsenen Zeugen muss allerdings die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit bestehen. Ein typischer Fall eines begründeten Ausschlusses des Angeklagten im Interesse der Sachaufklärung liegt beispielsweise dann vor, wenn der Zeuge erklärt, er werde in Anwesenheit des Angeklagten keine Aussage machen.[28]
Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen › 6. Einsatz von Videotechnik