Kitabı oku: «Die Rechte des Verletzten im Strafprozess», sayfa 4
2. Wesentlicher Inhalt
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Mit dem „Opferentschädigungsgesetz“ hatte der Gesetzgeber eine besondere staatliche Verantwortung für bestimmte Verletzte, die oft plötzlich ohne jede Vorwarnung und ohne jedes Verschulden erwerbsunfähig, hilflos oder pflegebedürftig werden, als soziale Aufgabe und als Gebot der Gerechtigkeit anerkannt[6].
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Das „Opferentschädigungsgesetz“ gab den von Gewalttaten Betroffenen die Möglichkeit, auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes zu erhalten. Eine Entschädigung für Sachschäden wurde hingegen nicht gesetzlich verankert. Der Anwendungsbereich umfasste nur vorsätzliche Schädigungen. Fahrlässige Körperverletzungen konnten keine Ansprüche begründen. Darüber hinaus blieben auch vorsätzliche Schädigungen durch Kraftfahrzeuge oder Anhänger unberücksichtigt, sodass Straßenverkehrsdelikte aus dem Anwendungsbereich herausfielen. Ein wesentliches Mitverschulden des Verletzten konnte im Rahmen der Versagungsgründe des § 2 OEG berücksichtigt werden. Die Entschädigung erfolgte nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen[7].
Für weitere Ausführungen zur Opferentschädigung nach dem „Opferentschädigungsgesetz“, vgl. Teil 11.
Anmerkungen
[1]
Zur Entwicklung sowie internationalen Einflüssen auf den Verletztenschutz im Strafverfahren, vgl. etwa Böttcher in FS Egg, 65 ff.; Haverkamp Forum Kriminalprävention, 45 ff.; Jahn Rationalität und Empathie, S. 146 ff.; Anders ZStW 124 (2012) S. 383 ff.
[2]
BGBl. I, 1181 v. 15.5.1976.
[3]
So die sinngemäße Begründung eines Gesetzesentwurfs über die Hilfe für die Opfer von Straftaten, eingebracht von der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drucks. VI/2420 v. 12.7.1971.
[4]
So charakterisiert Schuler in Opferentschädigungsgesetz, S. 10.
[5]
Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 7/4614 v. 21.1.1976, S. 3; Rüfner JW 1976, 1249.
[6]
Rüfner JW 1976, 1249; Kunz/Zellner OEG Einführung, S. 2.
[7]
Zunächst war auch eine Entschädigung im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung vorgeschlagen worden; vgl. dazu auch die Beschlüsse der sozialrechtlichen Arbeitsgemeinschaft des 49. Deutschen Juristentags, Bd. II, S. P 126 f.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › III. 1. Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren vom 18.12.1986
III. 1. Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren vom 18.12.1986
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › III. 1. Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren vom 18.12.1986 › 1. Vorgeschichte
1. Vorgeschichte
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Auch nach dem Erlass des sog. „Opferentschädigungsgesetzes“ fristete der von einer Straftat Betroffene in der wissenschaftlichen Diskussion noch ein „ausgesprochenes Schattendasein“[1]. Dies änderte sich in den frühen 80er Jahren. Der kriminologische Forschungszweig der Viktimologie, der sich ausschließlich mit Opfern von Straftaten beschäftigt, gewann zunehmend an Bedeutung. Der Gedanke, dem von einer Straftat Betroffenem als besonderem, da in eigenen Rechten verletzten, Zeugen auch im Strafverfahren eine dieser Stellung entsprechende Rolle zuzuweisen, hob sich von dem zuvor vorherrschenden Bestreben einer weitestgehenden Neutralisierung des Verletzten im Strafprozess ab. Dieser Neutralisierungsgedanke beruhte vor allem auf der Auffassung, dass ein Verletzter meist von Wut und Rache gesteuert wird, Vergeltung erstrebt und einer rationalen Konfliktverarbeitung im Wege steht[2]. Jung behandelte dann auf der Strafrechtslehrertagung in Bielefeld 1981 den Verletzten erstmals gleichrangig mit den übrigen Verfahrensbeteiligten.[3]
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Gleichzeitig war es im Rahmen des Abschlusses der Strafvollzugsreform zu einer Ernüchterung in Bezug auf den bis dato vorherrschenden täterorientierten Resozialisierungsgedanken gekommen und andere Strömungen konnten an Einfluss gewinnen. Im Rahmen der Opferforschung erkannte man, dass das Ziel des Strafprozesses, für Rechtsfrieden zu sorgen, nur dann effektiv erreicht werden kann, wenn neben einer Ahndung der Störung des Rechtsfriedens durch die Straftat auch eine Sühne der individuellen Beeinträchtigung des Verletzten erfolgt. Sühne als Ziel von Strafrecht und Strafprozess könne nur unter Berücksichtigung beider Aspekte vollständig erreicht werden. Daneben wurde von Vertretern der viktimologischen Forschung hervorgehoben, dass die wenigsten Verletzten ein Mitverschulden an der Tat treffe und ein erheblicher Teil von ihnen daher hilfs- und schutzbedürftig sei.[4] Außerdem habe sich der Verletztenzeuge als wichtigste Instanz strafrechtlicher Sozialkontrolle herausgestellt, da ein Großteil der Strafverfahren erst durch private Anzeigen in Gang gesetzt würde und somit die Leistungsfähigkeit der staatlichen Strafverfolgung maßgeblich vom Anzeigeverhalten der Bevölkerung abhänge. Dieses werde dadurch gefördert, dass man dem Verletzten eine angemessene Stellung im Strafverfahren einräume. Diese Stellung müsse vornehmlich darauf gegründet sein, dass man den Verletzten, ebenso wie den Beschuldigten, als Subjekt und nicht nur aufgrund seiner Zeugenrolle als Objekt des Verfahrens anerkenne.[5] Dies folge schon aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Zeugen gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, aus dem das Bundesverfassungsgericht ein Recht auf ein faires Verfahren, insbesondere auf eine angemessene Behandlung und Ehrenschutz abgeleitet habe.[6] Rieß hat insoweit auch auf den „Grundsatz der Waffengleichheit“ hingewiesen, der für den Verletzten Schutzpositionen erfordere, die ihm eine Verteidigung gegen Angriffe und Verantwortungszuweisungen durch den Beschuldigten ermögliche.[7] Allerdings war in der Viktimologie auch stets anerkannt, dass die Stärkung der Rechte der Verletzten nicht auf Kosten der Rechte des Beschuldigten, dessen Täterschaft ja noch nicht feststeht, erfolgen darf.
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Diese Überlegungen mündeten im Jahr 1984 in die auf dem 55. Deutschen Juristentag erhobene Forderung, die Schutzrechte des Verletzten auszubauen und insbesondere die sich aus rechtlich zulässigen Verteidigungsstrategien des Angeklagten ergebenden Härten für den Verletzten so weit als möglich auszugleichen und die Mitwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten des Verletzten so auszugestalten, dass er seine legitimen Interessen im Falle ihrer Bedrohung selbst zur Geltung bringen kann.[8] Daneben fanden gerade in dieser Zeit einige öffentlichkeitswirksame Strafverfahren im Zusammenhang mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung statt, die für die Betroffenen erhebliche Belastungen mit sich brachten.
Vor diesem Hintergrund nahm sich der Gesetzgeber sehr schnell dem Problem der Stellung und der Rechte des Verletzten an. Während man noch kurz zuvor in Erwägung gezogen hatte, die Rechte der Verletzten zugunsten einer Entlastung der Justiz im Bereich des Strafverfahrens einzuschränken, änderte sich diese Meinung rasch in entgegengesetzter Richtung. Nach Schünemann hatte sich der Gedanke einer Verbesserung der Verletztenposition so rasch um sich gegriffen, dass alle anderen Ansätze überflügelt wurden und „in Windeseile“ konnten die dem Bundestag vorliegenden Gesetzesentwürfe durchgebracht werden.[9] Nachdem auch der Bundesrat in seiner Sitzung vom 28.11.1986 keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG auf Einberufung des Vermittlungsausschusses gestellt hatte[10], trat das sog. „Opferschutzgesetz“ vom 18.12.1986[11] am 1.4.1987 in Kraft.
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2. Wesentlicher Inhalt
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Schwerpunkt des sog. „Opferschutzgesetzes“ war eine Neuordnung der Beteiligungsrechte des Verletzten im Strafverfahren. Der Begriff des Verletzten wurde allerdings nicht definiert, sondern seine normative Ausfüllung sollte der Auslegung im jeweiligen Funktionszusammenhang überlassen bleiben. Das Gesetz sah nicht für jeden in irgendeiner Weise Verletzten die gleichen Rechte vor, sondern differenzierte bei bestimmten Befugnissen nach der Intensität der Beeinträchtigung.
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Wichtige und umfangreiche Änderungen durch das „Opferschutzgesetz“ ergaben sich im Bereich der Nebenklage, die somit einen Kernpunkt des Schutzes des Verletzten bildete.[12] Es blieb zwar wie bisher bei der Nebenklagebefugnis für Angehörige eines durch die Tat Getöteten sowie bei der Befugnis derjenigen, die die Anklageerhebung im Klageerzwingungsverfahren herbeiführen mussten; die vormalige, nur schwer einzusehende[13] und daher heftig kritisierte Verbindung der Nebenklagebefugnis mit der Berechtigung zur Privatklage wurde hingegen aufgegeben. Vielmehr zählte das neue Gesetz nunmehr enumerativ überwiegend schwere, gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtete Straftaten auf, die zukünftig die Nebenklagebefugnis begründen sollten. Hierzu gehörten insbesondere Kapitaldelikte, Körperverletzungen und Sexualstraftaten. Leichtere Straftaten aus dem Katalog der Privatklagedelikte, wie z.B. Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung, berechtigten nicht mehr zur Nebenklage. Die in der Praxis häufigen Fälle einer fahrlässigen Körperverletzung führten nicht mehr generell zur Nebenklagebefugnis; hier bedurfte es besonderer Gründe, z.B. schwere Verletzungsfolgen. Im Bereich der Straftaten gegen den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht wurde die bis dato geltende Regelung beibehalten.
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Die Verletzten erhielten in einem neu eingefügten 4. Abschnitt des 5. Buches in den §§ 406d bis 406h StPO das Recht auf Akteneinsicht sowie auf Beistandschaft eines Rechtsanwalts. Zudem wurden der Persönlichkeitsschutz und die Möglichkeiten zur Schadenswiedergutmachung verbessert. Im „Opferschutzgesetz“ wurde außerdem ferner der Versuch unternommen, das Adhäsionsverfahren aufzuwerten, da dieses zuvor in der Praxis nur eine geringe Rolle gespielt hatte. Die Streitwertgrenze wurde aufgehoben und der Erlass von Grund- und Teilurteilen ermöglicht. Außerdem konnte dem Antragsteller im Adhäsionsverfahren auf Antrag auch Prozesskostenhilfe gewährt werden. Das Absehen von einer Entscheidung blieb jedoch für das Gericht weiterhin möglich.
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Weitere bedeutende Neuerungen brachte das „Opferschutzgesetz“ im Bereich des Schutzes der Persönlichkeitssphäre: Die Änderungen der §§ 68a und 247 StPO waren gewissermaßen ein „gesetzgeberischer Appell“, der alle Prozessbeteiligten „über den unmittelbaren, in seiner Wirkung wohl eher begrenzten Anwendungsbereich hinaus zu möglichst schonendem Umgang miteinander“ aufforderte.[14] Schließlich enthielt das „Opferschutzgesetz“ auch eine Neuregelung der Vorschriften über den Ausschluss der Öffentlichkeit.
Anmerkungen
[1]
Kaiser Kriminologie, S. 1.
[2]
Jung JR 1984, 309.
[3]
Jung ZStW 1981, 1109 ff.
[4]
Vgl. dazu Schöch NStZ 1984, 385, 386; vgl. Weigend ZStW 1984, 761; Kaiser Kriminologie, S. 191 ff.; Granderath MDR 1983, 797.
[5]
Rieß Gutachten zum 55. DJT, S. 9, 47 ff., 51 f., 55.
[6]
BVerfGE 38, 105.
[7]
Rieß Gutachten zum 55 DJT, S. 9, 47 ff., 55.
[8]
Verh. des 55. DJT 1984, Bd. I Teil C, Bd. I Teil L.; vgl. auch Schöch NStZ 1986, 384, 387; Böttcher in FS Egg, 69 ff.
[9]
Schünemann NStZ 1986, 193.
[10]
BR-Drucks. 508/86 v. 7.11.1986; BR-Plenarprotokoll 571, S. 649 A.
[11]
BGBl. I, 2496 v. 24.12.1986.
[12]
Rieß/Hilger NStZ 1987, 145, 154.
[13]
Böttcher JR 1987, 133, 135.
[14]
Rieß/Hilger NStZ 1987, 145, 150.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › IV. Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes vom 30.4.1998
IV. Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes vom 30.4.1998
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › IV. Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes vom 30.4.1998 › 1. Vorgeschichte
1. Vorgeschichte
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In der Zeit nach Erlass des sog. „Opferschutzgesetzes“ reifte vielfach die Erkenntnis, dass weitere Regelungen zum Schutz von Zeugen erforderlich sind. Das Strafverfahrensänderungsgesetz aus dem Jahre 1979 hatte nur Bestimmungen enthalten, wonach der Wohnort eines Zeugen in der Hauptverhandlung nicht angegeben werden musste. Hierdurch war jedoch keine besondere Schutzwirkung verbunden, da der Verteidiger eines Angeklagten bereits im Ermittlungsverfahren das Recht auf Akteneinsicht geltend machen konnte und auf diesem Wege ein Bekanntwerden der Wohnadresse möglich war. Das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ aus dem Jahre 1992 schuf die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen statt der Wohnanschrift eine Dienstadresse oder eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben, oder auch – bei einer Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit – keine Angaben zur Person zu machen. Dies stellt zwar eine Verbesserung dar, die Probleme beim Zeugenschutz waren damit jedoch bei Weitem nicht ausgeräumt.
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Dies zeigte sich deutlich während einiger spektakulärer Prozesse wegen Kindesmissbrauchs, die dann auch den wesentlichen Anstoß zu einer Gesetzesreform gaben. In einem dieser Prozesse verlegte eine Strafkammer des LG Mainz mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligter die Vernehmung der Kinder in einen gesonderten Raum[1], um diesen die unmittelbare Konfrontation mit den möglichen Tätern sowie die psychische und physische Belastung einer Vernehmung im Sitzungssaal mit zahlreichen anwesenden Personen zu ersparen. Das Ganze geschah ohne hinreichende gesetzliche Grundlage, fand jedoch breite Zustimmung. Die Vorlage des Bundesrates zu einem „Zeugenschutzgesetz“ beschränkte sich noch auf die Zeugenschutzproblematik hinsichtlich Jugendlicher und Kinder.[2] Der Bundestag folgte jedoch einem weitergehenden Entwurf der Koalitionsfraktionen[3], der auch die Rechte sonstiger gefährdeter Zeugen berücksichtigte und eine abweichende Regelung in Bezug auf Vernehmungen in der Hauptverhandlung enthielt. Nachdem schließlich im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss gefunden wurde, trat das sog. „Zeugenschutzgesetz“[4] am 1.12.1998 in Kraft.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › IV. Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes vom 30.4.1998 › 2. Wesentlicher Inhalt
2. Wesentlicher Inhalt
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Das „Zeugenschutzgesetz“ führte vor allem die Video-Aufzeichnung von Zeugensog. vernehmungen und die zeitgleiche Bild-Ton-Übertragung von einem anderen Ort in die Hauptverhandlung ein. Besonders wichtige Neuregelungen betrafen die Möglichkeit der Bestellung von anwaltlichen Zeugen- und Verletztenbeiständen auf Staatskosten. Nach dem neuen § 68b StPO konnte einem Zeugen, der ersichtlich zur Wahrnehmung seiner Befugnisse nicht selbst in der Lage war, nunmehr für die Dauer seiner richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmung ein Zeugenbeistand beigeordnet werden, wenn anders seinen schutzwürdigen Interessen nicht genügt werden konnte. Mit der Regelung der §§ 397a sowie 406g StPO wurde es für den nebenklageberechtigten Verletzten möglich, sich auf Staatskosten einen Rechtsanwalt für die gesamte Verhandlung beiordnen zu lassen. Daneben enthielt das „Zeugenschutzgesetz“ eine geringfügige Erweiterung des Kataloges der zur Nebenklage berechtigenden Delikte. Für die Vernehmung von jugendlichen Zeugen sah das Gesetz einige Sonderregelungen vor.
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Mit dem „Zeugenschutzgesetz“ waren hohe Erwartungen in der Rechtspraxis verbunden. Der damit geschaffene weitreichende prozessuale Schutz von Zeugen war für nicht wenige Anlass zur Mahnung, den wesentlichen Zweck des Strafverfahrens, dem Beschuldigten ein rechtsstaatliches Verfahren und effektive Verteidigungsmöglichkeiten zu gewährleisten, nicht aus den Augen zu verlieren[5]. In der wissenschaftlichen Diskussion über den erreichten Zeugenschutz wurden verschiedene Aspekte herausgearbeitet, die einer weiteren Verstärkung des Zeugenschutzes entgegenstünden. Neben dem Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren, rückte mitunter auch das staatliche Interesse an der Tataufklärung in den Blickpunkt des Interesses: So sei bspw. ein grundsätzliches Recht auf Zeugnisverweigerung im Falle der Gefährdung auch deshalb zu weitgehend, weil andernfalls der Angeklagte durch Drohungen vorhandene Zeugen als Beweismittel ausschalten könnte[6].
Anmerkungen
[1]
Sog. „Mainzer Modell“; siehe LG Mainz NJW 1996, 208.
[2]
BR-Drucks. 13/4983 v. 19.6.1996.
[3]
BT-Drucks. 13/7165 v. 11.3.1997.
[4]
BGBl. I, 820 v. 8.5.1998.
[5]
vgl. etwa Rieß NJW 1998, 3240, 3243; Caesar NJW 1998, 2313, 2317.
[6]
BGHSt 33, 70; ausführlich vgl. dazu Teil 6.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › V. Täter-Opfer-Ausgleich – Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs vom 20.12.1999
V. Täter-Opfer-Ausgleich – Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs vom 20.12.1999
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Die Möglichkeiten sowie Vor- und Nachteile eines Täter-Opfer-Ausgleichs sind seit langem Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion[1]. Konkrete Gestalt hatte dieses Institut erstmals im Rahmen des sog. „Opferschutzgesetzes“ aus dem Jahre 1986[2] in der Weise angenommen, dass § 46 StGB entsprechend ergänzt wurde. Nachdem der Täter-Opfer-Ausgleich durch das „1. Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes“ vom 30.9.1990[3] in den Katalog möglicher Weisungen des JGG aufgenommen wurde, fügte schließlich das sog. „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ vom 28.10.1994[4] nach den Empfehlungen des 59. Deutschen Juristentags 1992 den § 46a StGB in das Strafgesetzbuch ein. Dennoch blieb das Rechtsinstitut in der Praxis nahezu bedeutungslos. Um dem Täter-Opfer-Ausgleich mehr Geltung zu verschaffen, wurde dieser schließlich durch das „Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs“ vom 20.12.1999[5] im Katalog des § 153a Abs. 1 S. 2 StPO sowie in § 155a StPO verankert. Dadurch erhielt dieser auch eine verfahrensrechtliche Grundlage.[6]
Anmerkungen
[1]
Einen Überblick über die Positionen der Befürworter liefert BMJ (Hrsg.) TOA in Deutschland, 1998; ablehnend z.B. Naucke Neue Kriminalpolitik 1990, 13-17.
[2]
BGBl. I, 2496 v. 24.12.1986.
[3]
BGBl. I, 1853 v. 5.9.1990.
[4]
BGBl. I, 3186 v. 4.11.1994.
[5]
BGBl. I, 2491 v. 27.12.1999.
[6]
ausführlich zu TOA, vgl. Teil 6 Rn. 177 ff.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › VI. Rahmenbeschluss 2001/220, JI des Rats über die Stellung von Opfern im Strafverfahren vom 15.3.2001 – Richtlinie 2004/80/EG des Rats der Europäischen Union vom 29.4.2004