Kitabı oku: «Die Rechte des Verletzten im Strafprozess», sayfa 9

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Anmerkungen

[1]

Im Internet kann die Opferfibel in der jeweils aktuellen Fassung unter www.bmjv.de heruntergeladen werden.

Teil 3 Die Einleitung des Strafverfahrens › V. Strafverfolgung im Ausland – Datenübermittlung an EU-Mitgliedsstaaten

V. Strafverfolgung im Ausland – Datenübermittlung an EU-Mitgliedsstaaten

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In § 158 Abs. 3 StPO ist die Übermittlung der Strafanzeige des Verletzten an die für die Strafverfolgung zuständige Stelle eines anderen EU-Mitgliedsstaates gesetzlich vorgesehen. Voraussetzung ist, dass die Tat in einem Mitgliedsland begangen worden ist, deutsches Strafrecht nicht zur Anwendung kommt bzw. die Staatsanwaltschaft von ihrer Befugnis nach § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO – auch in Verbindung mit § 153 f StPO – Gebrauch gemacht hat, der Verletzte seinen Wohnsitz im Inland hat und von ihm ein entsprechender Antrag gestellt worden ist.[1] Nach § 158 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO kann von der Übermittlung abgesehen werden, wenn die Taten und die für ihre Verfolgung wesentlichen Umstände der zuständigen ausländischen Behörde bereits bekannt sind oder gem. § 158 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 der Unrechtsgehalt der Tat gering ist und der verletzten Person die Anzeige im Ausland möglich gewesen wäre. Darüber hinaus kann die Staatsanwaltschaft eine Anzeige an eine ausländische Strafverfolgungsbehörde weiterleiten, wenn sie dies für sachgerecht und erforderlich hält. Dabei sind jedoch die rechtshilferechtlichen Vorgaben der §§ 61a Abs. 1, 92 Abs. 1 IRG zu beachten.[2]

Anmerkungen

[1]

M-G/S StPO § 158 Rn. 28; Walther AnwK-StPO § 158 Rn. 35 ff.

[2]

M-G/S StPO § 158 Rn. 30 m. H. auf Freigestaltungen in: BT-Drucks. 16/12098, S. 23v. 3.3.2009.

Teil 3 Die Einleitung des Strafverfahrens › VI. Beweissicherung – Eigene Ermittlungen – Fristen

VI. Beweissicherung – Eigene Ermittlungen – Fristen

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In jeder Verfahrenssituation besteht für den Verletzten bzw. seinen anwaltlichen Vertreter die Möglichkeit, Beweisanträge zu stellen. Davon ist stets Gebrauch zu machen, wenn dadurch die Sachverhaltsdarstellung des Mandanten untermauert bzw. das Vorbringen der Gegenseite widerlegt werden kann. Der Rechtsanwalt kann aber auch von sich aus Beweissicherungen vornehmen, bzw. vornehmen lassen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Wichtig ist nur, dass jegliche unzulässige Einflussnahme – oder auch nur der geringste Anschein davon – vermieden wird. Es ist ebenfalls darauf zu achten, dass die Beweise verwertbar bleiben und möglichst objektiv gesichert werden. Insbesondere zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens sind all diejenigen Beweissicherungen umgehend vorzunehmen, die nur zeitlich begrenzt möglich sind, so beispielsweise Fotoaufnahmen von Verletzungen, Sicherung von bei Dritten aufgezeichnetem Videomaterial des Tatorts, Aussagen von sich regelmäßig im Ausland befindlichen Zeugen oder Skizzen, die direkt nach dem Geschehen gefertigt wurden.

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Selbstverständlich kann der Rechtsanwalt auch eigene Ermittlungen anstellen. Er sollte dabei aber stets darauf bedacht sein, dass die Durchführung und das Ergebnis so darstellbar ist, dass er nicht selbst als Zeuge auftreten muss. Folglich ist die Einschaltung von dritten Personen anzuraten. Je gründlicher und vollständiger diese eigenen Ermittlungen dokumentiert werden, desto glaubwürdiger und verwertbarer können sie eingesetzt werden.

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Bei Antragsdelikten sind die entsprechenden Fristen zu beachten. Zu Beginn der Mandatsübernahme muss dies daher ausführlich mit dem Mandanten besprochen und sollte ihm auch im Anschluss zu Dokumentationszwecken nochmals schriftlich dargelegt werden. Relevante Verjährungsfristen müssen dem Mandanten ebenfalls bekannt gegeben werden und Bestandteil der eigenen Handakten sein.

Teil 3 Die Einleitung des Strafverfahrens › VII. Kosten und Kostenschutz – Rechtsanwaltsvergütung

VII. Kosten und Kostenschutz – Rechtsanwaltsvergütung

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Der Mandant wird in der Regel wissen wollen, welche Kosten auf ihn zukommen. Darüber muss er ebenso aufgeklärt werden wie über die verschiedenen Möglichkeiten, durch das Gericht oder andere staatliche Einrichtungen finanziell entlastet zu werden. Neben den staatlichen Stellen gibt es mittlerweile verschiedene private Einrichtungen und Stiftungen, die von Fall zu Fall finanzielle Unterstützung gewähren – sei es durch die zumindest teilweise Übernahme der Rechtsanwaltskosten oder direkte Hilfen in Fällen der Not und als Opferentschädigung. Einzelheiten dazu sowie die gesetzlichen Regelungen werden unter Abschnitt K behandelt.

Die oben beschriebenen Tätigkeiten des Rechtsanwalts können einen so umfangreichen Arbeits- und Zeitaufwand notwendig machen, dass der Gebührenrahmen des RVG nicht ausreicht, um die anwaltliche Tätigkeit angemessen zu vergüten. Selbst im Fall einer gerichtlichen Beiordnung muss in diesem Fall mit dem Mandanten darüber gesprochen und über eine mögliche zusätzliche Vergütung verhandelt werden, wenn dieser über weitere finanzielle Mittel verfügt bzw. mit der Hilfe von Dritten verfügen kann. Dies ist ausführlich zu besprechen und durch schriftliche Vergütungsvereinbarungen zu fixieren werden. Wichtig ist dabei der Hinweis, dass beispielsweise im Falle der späteren Verurteilung des Täters dieser dem Verletzten nur die notwendige und keine vom gesetzlichen Gebührenrahmen nach oben abweichende Rechtsanwaltsvergütung aus Vergütungsvereinbarungen zu ersetzen hat.

Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand

Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines und Zeugenpflichten

II. Zeugenrechte

III. Rechte des anwaltlichen Zeugenbeistands

IV. Die Rechte des Zeugen bei Vernehmungen

V. Anwaltliche Aufgaben während der Zeugenvernehmung

VI. Die Rechte bei körperlichen Untersuchungen

VII. Kosten und Rechtsanwaltsvergütung

Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › I. Allgemeines und Zeugenpflichten

I. Allgemeines und Zeugenpflichten

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Die Verletzten von Straftaten werden im Strafverfahren regelmäßig als Zeugen benötigt und gemeinhin als „Opferzeugen“ bezeichnet, wobei der Begriff des „Opfers“ aufgrund seiner negativen Konnotation richtigerweise durch den Begriff des „Verletzten“ ersetzt werden sollte[1]. Oft sind diese das weitaus wichtigste Beweismittel und stehen im Mittelpunkt der Beweiserhebung. Dass der Zeugenbeweis vom Beweiswert her oft als ein schwaches Beweismittel anzusehen ist[2], steht seiner hohen Bedeutung in der Praxis nicht entgegen. In der Rolle als Zeuge stehen dem Verletzten alle Rechte und Pflichten zu, die auch ein gewöhnlicher Zeuge hat.

Die Stellung des Zeugen im Strafverfahren ist wesentlich geprägt durch seine Eigenschaft als persönliches Beweismittel. Als solches hat er in erster Linie Auskunft über seine Wahrnehmungen von einem in der Vergangenheit liegenden tatsächlichen Vorgang zu geben.[3] Daneben hat der Zeuge nach § 81c StPO – jedenfalls grundsätzlich[4] – seine körperliche Untersuchung zu dulden, d.h. er muss zur Untersuchung erscheinen und sich für diese zur Verfügung stellen. Zur aktiven Mitwirkung ist er hingegen nicht verpflichtet.

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In Bezug auf die Kundgabe seiner Wahrnehmungen ergeben sich für den Zeugen im Wesentlichen drei Pflichten[5]: Der Zeuge muss vor Gericht erscheinen, wahrheitsgemäß aussagen und seine Aussage – nötigenfalls – beeiden.[6]

Zeugenpflichten


Erscheinungspflicht gem. § 48 Abs. 1 StPO;
Aussage- und Wahrheitspflicht gem. §§ 48 Abs. 1, 57 StPO;
Beeidigungspflicht gem. §§ 57, 59 ff. StPO.

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Diese Verpflichtungen werden nicht erst durch die StPO begründet, sondern stellen bereits staatsbürgerliche Pflichten dar.[7] Die Verpflichtung zum Erscheinen und Aussagen besteht gemäß § 161a Abs. 1 S. 1 StPO auch gegenüber der Staatsanwaltschaft. Gegenüber der Polizei besteht eine Erscheinenspflicht nach § 163 Abs. 3 S. 1 StPO dagegen nur, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.

Die Zeugenpflichten sind sanktionsbewehrt. Erscheint ein ordnungsgemäß geladener Zeuge nicht oder verweigert er unberechtigt das Zeugnis oder die Eidesleistung, können ihn als Ungehorsamsfolgen nach §§ 51, 70 StPO die Auferlegung der dadurch entstandenen Kosten, die Festsetzung von Ordnungsmitteln und gegebenenfalls die Anordnung der zwangsweisen Vorführung treffen. Dies gilt nicht bei rechtzeitiger Entschuldigung des Zeugen gem. § 51 Abs. 2 S. 1 StPO. Ein legitimer Entschuldigungsgrund liegt vor, wenn dem Zeugen das Erscheinen nicht zugemutet werden kann, wobei private und berufliche Pflichten grundsätzlich nachrangig sind.[8] Die Entschuldigung erfolgt rechtzeitig, sofern es dem Gericht nach ihrem Zugang im gewöhnlichen Geschäftsgang noch möglich ist, den Termin aufzuheben und andere Prozessbeteiligte abzuladen.

Der Zeuge ist zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet, vgl. § 57 StPO. Bei Verweigerung des Zeugnisses drohen ihm Zwangsmittel, insb. auch die Beugehaft nach § 70 Abs. 2 StPO. Entspricht die Zeugenaussage nicht der Wahrheit, so läuft der Zeuge Gefahr, dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, insb. wegen den §§ 153 ff. bis § 258 StGB.

Voraussetzung für die Beeidigung der Zeugenaussage ist gem. § 59 Abs. 1 S. 1 StPO, dass die Beeidigung aufgrund der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage notwendig ist. Mögliche Einschränkungen hiervon ergeben sich aus §§ 60, 61 StPO.

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Die Aufklärungspflicht der Strafverfolgungsorgane gebietet es, zur Wahrheitsfindung auch auf die Wahrnehmungen des Verletztenzeugen zurückzugreifen. Daneben stehen häufig auch gewichtige Verfahrensmaxime wie der Öffentlichkeitsgrundsatz einer weitgehenden Schonung des Zeugen im Rahmen der Hauptverhandlung entgegen. Insbesondere die Verletzten von Sexualstraftaten beklagen daher oft zu Recht, dass die Belastungen, denen sie im Rahmen der Hauptverhandlung ausgesetzt sind, den Beeinträchtigungen ihrer Rechte durch die Straftat selbst nicht wesentlich nachstehen. Nicht zuletzt sind es die sich im Laufe des Strafverfahrens wiederholenden Vernehmungen, die für Zeugen erhebliche Stresssituationen darstellen.[9]

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Im Strafverfahren hat der Zeuge stets Anspruch auf angemessene Behandlung und auf Ehrenschutz.[10] Die staatlichen Strafverfolgungsorgane sind dem Zeugen gegenüber verpflichtet, für seinen Schutz vor Lebens- oder Leibesgefahr, in die er durch die Mitwirkung in einem Strafverfahren geraten kann, zu sorgen. Dem Schutz des Zeugen dient insbesondere die Möglichkeit auf die Angabe einer Privatadresse zu verzichten oder die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm.[11]

→ Muster 5, Rn. 527: Antrag auf Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm

Anmerkungen

[1]

Siehe Teil 1 Rn. 46 ff.

[2]

Rückel PdS 9, Rn. 32; Kühne NStZ 1985, 252. Ausführlich zu aussagepsychologischen Aspekten von Zeugenaussagen: Jansen PdS 29.

[3]

BGHSt 22, 347 f.; Einzelheiten zum Zeugenbeweis bei M-G/S StPO Vor § 48, Rn. 1 ff.

[4]

Grenze ist die Zumutbarkeit der Maßnahme gem. § 81c Abs. 4 StPO.

[5]

Allg. Meinung; vgl. HK-StPO/Gercke Vor § 48 Rn. 16; LR-StPO/Ignor/Bertheau Vor § 48, Rn. 1; KMR-StPO/Neubeck Vor § 48 Rn. 9; Roxin/Schünemann Strafverfahrensrecht § 26, Rn. 10.

[6]

Seit der Änderung des § 59 StPO durch das Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004 (BGBl. I, S. 2198) erfolgt eine Vereidigung nur noch, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder der Herbeiführung einer wahren Aussage für nötig hält.

[7]

BVerfG NJW 1979, 32; NJW 1988, 897f.; OLG Stuttgart NJW 1956, 840; Pfeiffer StPO Vor § 48 Rn. 1; RH-StPO/Otto § 48 Rn. 5.

[8]

Daimagüler Der Verletzte im Strafverfahren, Rn. 110 m.w.N.

[9]

Insbesondere für Kinder zählen Mehrfachvernehmungen zu den größten Belastungen; vgl. Volbert/Pieters Zur Situation kindlicher Zeugen vor Gericht; sowie Albrecht Kindliche Opferzeugen im Strafverfahren; Frommel Möglichkeiten und Grenzen des Schutzes kindlicher Opferzeugen im Strafverfahren, beide in: Salgo (Hrsg.) Vom Umgang der Justiz mit Minderjährigen.

[10]

M-G/S StPO Vor § 48 Rn. 10 m.w.N.

[11]

Ausführl. zur gesamten Thematik Wessing/Ahlbrecht Der Zeugenbeistand.

Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › II. Zeugenrechte

II. Zeugenrechte

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Zeugenrechte


Zeugnisverweigerungsrecht gem. §§ 52, 53, 53a StPO
Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO
Verheimlichung der Anschrift gem. § 68 Abs. 2 StPO
Verschweigen der Angaben zur Person oder Identität gem. § 68 Abs. 3 StPO
Ausschluss des Beschuldigten bei der richterlichen Vernehmung des Zeugen gem. § 168c Abs. 3 StPO
Recht auf audiovisuelle Zeugenvernehmung gem. § 247a StPO (§ 58a Abs. 2 StPO)
Entfernung des Angeklagten gem. § 247 StPO
Öffentlichkeitsausschluss gem. § 171b GVG
Zeugenbeistand gem. § 68b StPO (und Rechte des Zeugenbeistandes gem. § 68b Abs. 1 S. 1 StPO)
Recht auf Beiordnung des Zeugenbeistands gem. § 68b StPO

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In Anerkennung der vielfältigen Belastungen eines Zeugen hat sich im Laufe der Zeit zunehmend die Auffassung durchgesetzt, dass der Zeuge nicht bloßes Objekt der Beweisaufnahme, sondern ein mit besonderen Rechten ausgestattetes Verfahrenssubjekt ist.[1] Staatliche Organe müssen seine Rechte, wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, das Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, vgl. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, schützen.[2] Dem Schutz des Zeugen dienen diverse Regelungen. Allerdings enthält das Strafverfahrensrecht keinen gesonderten Abschnitt über den Zeugenschutz als solches. Die einschlägigen Vorschriften wurden vielmehr in die Verfahrensabschnitte eingefügt, in denen sie wirksam werden sollen. Zeugen, die Verletzte von Straftaten geworden sind[3], gehören neben den kindlichen Zeugen, in Strafverfahren wegen Gewaltverbrechen und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und den sog. „gefährdeten Zeugen“[4] zu den als besonders schutzbedürftig angesehenen Zeugengruppen. Ihnen gelten die meisten Zeugenschutzbestimmungen. Das „Zeugenschutzgesetz“ vom 30.4.1998 hatte bereits die Rechtsstellung des Zeugen verbessert. Durch das „2. Opferrechtsreformgesetz“ wurden die Pflichten und Rechte der Zeugen gesetzlich normiert und erweitert. Auch das „3. Opferrechtsreformgesetz“ hat zur Erweiterung der Zeugenrechte beigetragen. So wurde beispielsweise der § 48 Abs. 3 in die StPO eingeführt, wonach die den Zeugen betreffenden Verhandlungen, Vernehmungen und sonstigen Untersuchungshandlungen unter Berücksichtigung seiner Schutzbedürftigkeit durchzuführen sind, wenn es sich bei den Zeugen zugleich um einen Verletzten handelt.

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Die Regelungen des Zeugenschutzes stehen der Aufklärungspflicht der Strafverfolgungsorgane nicht entgegen. Mit dem Zeugenschutz kann auch die berechtigte Erwartung verbunden werden, dass ein geschützter Zeuge eher bereit sein wird, sein Wissen in den Dienst der Strafverfolgungsbehörden zu stellen. Er wird dadurch auch vielfach erst in die Lage versetzt, sein verfügbares Wissen vollständig zu reproduzieren. Die dadurch ermöglichte umfassendere Ausschöpfung des Zeugenbeweises stärkt damit indirekt auch die Erfüllung der Aufklärungspflicht durch die Ermittlungsbehörden[5].

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Werden weitergehende Verfahrenspositionen durch den Verletztenzeugen eingenommen, ändert sich in Bezug auf die Zeugenrechte in der Regel nichts. Beteiligt sich der Verletzte einer Straftat beispielsweise auch als Nebenkläger an dem Verfahren, hindert dies nicht die Möglichkeit, als Zeuge aufzutreten. Das ergibt sich bereits aus § 397 Abs. 1 S. 1 StPO.[6] Gleiches gilt bei der Stellung eines Adhäsionsantrags.[7] Anderes gilt nur dann, wenn der durch eine Straftat Verletzte das Strafverfahren als Privatkläger betreibt. Als Privatkläger ist er sowohl Kläger als auch Vertreter der Anklage. Der Schwerpunkt wird von der ganz h.M. in letzterem Aspekt gesehen und somit die Zeugenfähigkeit des Privatklägers verneint.[8]

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Ein wichtiges Zeugenrecht liegt in der Befugnis, sich bei der Vernehmung eines Rechtsanwalts als Beistand zu bedienen. Hochschullehrer oder Rechtsreferendare scheiden nach dem Wortlaut des Gesetzes aus. § 397a Abs. 1 StPO spricht nur von der Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand und enthält keinen Verweis auf § 138 Abs. 1 StPO, wonach ein Hochschullehrer als Wahlverteidiger auftreten kann. Auch § 139 StPO ist nicht anwendbar, da auch hier allein der Wahlverteidiger einem Referendar die Verteidigung übertragen kann. Jeder Rechtsanwalt, der einem Zeugen beisteht, sieht sich in einer gegenüber der Strafverteidigung stark abweichenden Rolle. Er hat seinen Blick nicht wie das Gericht, die Staatsanwaltschaft oder die Verteidigung vorrangig auf das Schicksal des Angeklagten, sondern auf die Interessen des Zeugen zu richten. Seine Mitwirkung kann sich zwar – etwa als reiner Zeugenbeistand – nur auf einen Teil des Verfahrens, nämlich die Beweisaufnahme, beschränken, dieser kommt aber im gesamten Strafverfahren eine herausgehobene, wenn nicht gar die entscheidende und zentrale Bedeutung zu.

Die Strafprozessordnung stellt ein abgestuftes System von Schutz- und Beteiligungsrechten für Zeugen zur Verfügung, die dem jeweiligen Grad der Betroffenheit durch die Straftat entsprechen. Nach der Beteiligung des Zeugen am Strafverfahren richten sich auch die Möglichkeiten des anwaltlichen Beistands, für seinen Mandanten tätig zu werden.

Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › II. Zeugenrechte › 1. Der Verletztenbeistand

1. Der Verletztenbeistand

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Die größte Gruppe von Zeugen, die in der Praxis den Rat und den Beistand eines Rechtsanwaltes erbitten, sind die nebenklageberechtigten und sonstigen durch Straftaten Verletzte. Der Zeuge, der zugleich „Verletzter“ ist, hat die Schutz- und Mitwirkungsrechte aus den §§ 406d – 406l StPO. Die seit dem „Opferschutzgesetz“ aus dem Jahr 1986 immer wieder ergänzt worden sind. Der Verletztenbeistand ist nunmehr namentlich im § 406f StPO aufgeführt. Der Umfang des Akteneinsichtsrechts des Verletzten, seine anwaltliche Vertretung sowie deren Rechte haben ihre Regelung in §§ 406e, 406f, 406g, 406h, 406i, 406j und 406k StPO gefunden, wobei § 406f StPO für den „normalen“ Verletzten gilt und § 406h StPO für den nebenklageberechtigten Verletzten. Das Akteneinsichtsrecht nach § 406e StPO ist für Verletze, Nebenklagebefugte und Nebenkläger gemeinsam geregelt. Es gelten die gleichen Versagungsgründe, aber auch das gleiche uneingeschränkte Akteneinsichtsrecht nach Abschluss der Ermittlungen wie für den Beschuldigten. Die Erhebung der Nebenklage kann noch weitergehende Rechte für den Verletztenzeugen eröffnen. Überdies konstituiert § 406h StPO eine Hinweispflicht der Strafverfolgungsbehörden auf die Befugnis des Zeugen auf Hinzuziehung eines Beistands. Durch das „3. Opferrechtsreformgesetz“ wurde jüngst die Regelung des § 406g StPO eingefügt, wonach der Verletzte sich des Beistands eines psychosozialen Prozessbegleiters bedienen kann. Des Weiteren wurden verschiedene Rechte durch die Einführung des § 406l StPO auf Angehörige und Erben des Verletzten übertragen. Die speziellen Rechte des Verletzten und des anwaltlichen Verletztenbeistands sind ausführlich in Teil 5 dargestellt.

Teil 4 Die Pflichten und Rechte des Zeugen, insbesondere des Verletztenzeugen – Der anwaltliche Zeugenbeistand › II. Zeugenrechte › 2. Der gewählte Zeugenbeistand