Kitabı oku: «Die Rechte des Verletzten im Strafprozess», sayfa 8
Anmerkungen
[1]
Ausführlicher hierzu Bosbach PdS 3, Rn. 1 ff.
[2]
BRAK Thesen zur Strafverteidigung.
[3]
Dazu Beulke in FS Roxin S. 1173 ff.; Einschlägige Erörterungen im Bereich der Mandatsübernahme auch bei Klemke/Elbs PdS 36, Rn. 149 ff.; Dahs NStZ 1991, 561 ff.
[4]
Siehe Bosbach PdS 3, Rn. 14.
[5]
Siehe Tondorf/Tondorf PdS 30.
Teil 2 Verletzter – Opfer – Anwalt des Verletzten › V. Betreuung der Mandanten – Hilfsorganisationen
V. Betreuung der Mandanten – Hilfsorganisationen
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Gerade in Fällen von Kindesmissbrauch, Sexualstraftaten und anderer Gewaltdelikten ist die frühzeitige Einschaltung von kompetenten Helfern dringend erforderlich. Hier bedarf es umgehender Hilfe, die in der Regel vom anwaltlichen Vertreter nicht persönlich erbracht werden kann, die aber immer durch Fachleute unterstützt oder idealerweise direkt von diesen geleistet werden sollte. Der Verletztenanwalt sollte mit der notwendigen Distanz seinem Mandanten klarmachen, dass er diejenige Vertrauensperson ist, die sachgerecht Einfluss auf das Verfahren nehmen und ihn durch alle Verfahrenssituationen stützend begleiten kann. Alles Weitergehende vermag er regelmäßig aber nicht zu leisten. Stattdessen muss er versuchen, seinen Mandanten zu stabilisieren, indem er ihm kompetente fachliche Hilfe anempfiehlt. Ganz wesentlich ist dabei die Einschaltung von Hilfsorganisationen, Opferschutzverbänden, Beratungsstellen und anderen geeigneten Einrichtungen. Die anhaltende Diskussion um die Person des Verletzten hat die Bedeutung dieser Einrichtungen gestärkt und auch die Zusammenarbeit untereinander und zwischen staatlichen und privaten Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren nachhaltig verbessert.[1] Ein guter Kontakt zu den städtischen und regionalen Einrichtungen ist bei der notwendigen Weitervermittlung des eigenen Mandanten an geeignete Stellen sehr hilfreich. Wichtig ist, dem Mandanten die Scheu zu nehmen, sich kompetenten Ansprechpartnern anzuvertrauen und offen mit diesen zusammenzuarbeiten. Erst die persönliche Stabilisierung versetzt den Verletzten psychisch wie physisch überhaupt in die Lage, ein Ermittlungsverfahren und den anschließenden Strafprozess durchzustehen.
→ Anhang 1: Adressen und Hinweise auf staatliche Einrichtungen und Hilfsorganisationen zum Opferschutz
Anmerkungen
[1]
Haupt/Weber u.a. Handbuch Opferschutz, Anhang 1 mit Adressen der Opferberatungsstellen und der Zeugenberatung der Justiz, Anhang 3: Weisser Ring e.V. mit Adressen und Telefonnummern, Anhang 4: Frauennotruf, Frauenberatungsstellen/Autonome Frauenhäuser – Adressen, Anhang 5: Kinderschutzbund, Kinderschutz-Zentren, Bundesarbeitsgemeinschaften im Bereich Gewalt gegen Kinder – Adressen u.a., s.a. Anhang 1 in der Übersicht.
Teil 2 Verletzter – Opfer – Anwalt des Verletzten › VI. Verhalten des Verletzten während der Hauptverhandlung
VI. Verhalten des Verletzten während der Hauptverhandlung
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Für den Verletztenanwalt gilt auch hier zunächst Ähnliches wie für den Strafverteidiger: Nur mit ausreichender Distanz sowohl zum Mandanten als auch dem Tatgeschehen lassen sich die Interessen des Verletzten verantwortungsvoll und optimal vertreten. Dabei wird dem anwaltlichen Vertreter des Betroffenen oft eine starke eigene Zurückhaltung abverlangt und erforderlichenfalls dem Mandanten die Einschaltung von psychosozialer, psychologischer und psychiatrischer Betreuung zu empfehlen sein, die inzwischen gesetzlich geregelt ist (§ 406g StPO).
Vor der Hauptverhandlung ist eine zusätzliche Vorbereitung des Mandanten, der den wesentlichen Teil der Ermittlungsakten kennen sollte, dringend erforderlich, um dem meistens unter starkem psychischen Druck stehenden Verletzten soweit wie möglich die Angst vor dem Prozess, vor dem Wiedersehen des Täters und vor dem Wiedererleben des Geschehens zu nehmen.[1] Eine Einführung in den Prozessablauf, die Darstellung der Rollenverteilung aller Verfahrensbeteiligten bis hin zu einem Besuch des Sitzungssaals vor der Hauptverhandlung können sich dabei als nützlich erweisen.
Bei manchen Angehörigen von Verletzten ist die Hauptverhandlung gelegentlich ein Teil der eigenen Trauerarbeit. Hier kommen auf den Verletztenanwalt zusätzliche Aufgaben zu, die einerseits viel psychologisches Geschick erfordern, aber auch die Durchsetzung der Rolle als Verletztenanwalt und damit als Organ der Rechtspflege zeigen. Neben den prozessualen Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit, der Vernehmung in Abwesenheit des Angeklagten u. ä. ist dem Betroffenen oft viel geholfen, wenn ihm das Gefühl vermittelt werden kann, dass sein anwaltlicher Vertreter nicht nur physisch anwesend ist, sondern auch aktiv seine Rechte wahrnimmt. Dies wird für den eigenen Mandanten in Prozesserklärungen seines Rechtsanwalts und deren Erläuterungen ihm gegenüber plastisch und nachvollziehbar. Die Einlegung von Verhandlungspausen, das aktive Einfordern von prozessualer Fürsorge bei Gericht bis hin zur notwendigen, rechtzeitigen Beanstandung von Fragen oder Prozesshandlungen kann dem Verletzten oder seinen Angehörigen Sicherheit geben. Wenn der Verletzte und/oder seine Angehörigen über die rechtlichen Möglichkeiten des Verletztenanwalts rechtzeitig vor der Hauptverhandlung ausreichend aufgeklärt sind, ist aufgrund der sachgerechten Erwartungshaltung des eigenen Mandanten eine bessere Einflussnahme des Rechtsanwalts auf den Verletzten und dessen Verhalten in der Hauptverhandlung zu erzielen.
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Die Betreuung ausländischer Mandanten setzt voraus, dass mit Hilfe von Dolmetschern Sprachbarrieren abgebaut werden. Andere Kulturkreise, Religionen und Rechtsordnungen machen es den Betroffenen oft noch schwerer, die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten einer anwaltlichen Vertretung zu verstehen und nachzuvollziehen. Umso wichtiger ist die zeitnahe und umfassende Aufklärung des Mandanten über seine Stellung im Strafprozess sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Ein- und Mitwirkungsmöglichkeiten.
Anmerkungen
[1]
Vgl. dazu aber auch kritisch Kölbel/Bork Sekundäre Viktimisierung als Legitimationsformel, 9 ff., 38 f., 75 ff.; Volbert Ambivalenzen der Opferzuwendung, S. 197 ff.; Kölbel Ambivalenzen der Opferzuwendung, S. 213 ff.; Tolmein Ambivalenzen der Opferzuwendung, S. 233; Pfäfflin StV 97, 95 ff.; Haverkamp Forum Kriminalprävention, 46, 48 a.E. sowie Fn. 50; Maaß Der Schutz besonders sensibler Zeugen, S. 17 ff.
Teil 2 Verletzter – Opfer – Anwalt des Verletzten › VII. Umgang mit den Medien
VII. Umgang mit den Medien
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Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung gemäß den §§ 169 ff. GVG lässt manchen vergessen – leichtfertig oder bewusst –, dass § 353d StGB verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen und eine Offenbarung von Tatsachen, für die das Gericht eine Schweigepflicht auferlegt hat, unter Strafe stellt. Dies betrifft vor allem auch die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke, bevor sie in öffentlicher Verhandlung mitgeteilt sind, oder das Verfahren abgeschlossen ist. Hier ist nicht der Ort, um über die Problematik durch Fernsehen, Internet oder andere Medien live nach außen getragenen Hauptverhandlungen zu polemisieren. Beispiele aus den USA stimmen mehr als nachdenklich und der Gedanke, einem Mandanten auch noch Schauspielunterricht geben zu müssen, erinnert mehr an Daumier-Zeichnungen als an die Ernsthaftigkeit eines Strafprozesses; ganz abgesehen von zusätzlichen Belastungen für den Verletzten.
Immer häufiger gehen Täter, aber auch Verletzte an die Öffentlichkeit, bevor diese auf sie aufmerksam geworden ist. Generell ist den Mandanten davon abzuraten. Einseitige und ganz- oder teilweise unrichtige Erklärungen belasten ein Ermittlungs- und Strafverfahren erheblich oder können zur Einleitung neuer für den Mandanten nachteiliger Ermittlungsverfahren führen.
Bei spektakulären Verfahren ist das Öffentlichkeitsinteresse groß. Medien versuchen möglichst bald an Informationen zu kommen und der O-Ton von Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber auch des Verletzten, ist von höchstem medialen Interesse. Zunächst gilt auch hier die Empfehlung an den Mandanten, sich zumindest vor und während des Prozesses nicht in der Öffentlichkeit zu äußern. In jedem Fall sollte eine solche Erklärung zuvor konzipiert worden sein und nach Möglichkeit in Schriftform vorliegen.
Immer häufiger ist zu beobachten, dass Strafverteidiger und Verletztenanwälte, gelegentlich aber auch Staatsanwälte, mehr als bereitwillig vor die Kamera drängen, was mehr Rückschlüsse auf persönliche Eitelkeiten als die sachgerechte Betreuung und Vertretung des eigenen Mandanten zulässt. Bei allen Verlockungen und indirekten Marketingversuchen sind die Standesrichtlinien, aber auch die Würde des eigenen Mandanten, zu beachten. Der Deal mit den Medien, die Lebensgeschichte des eigenen Mandanten ohne dessen Willen und Einverständnis, möglicherweise sogar noch gegen Anwaltshonorar zu vermarkten, ist eines verantwortungsbewusst handelnden Rechtsanwalts unwürdig und strikt abzulehnen – unter Umständen auch strafbar.
Oft sind aber anwaltliche Erklärungen in der Öffentlichkeit nicht zu umgehen und auch von dem Mandanten ausdrücklich so gewünscht. Zurückhaltung ist gleichwohl auch dann geboten. Je nach Seriosität des Berichterstatters lassen sich mit Zustimmung des Mandanten Vereinbarungen mit den Medien erzielen, von Mitteilungen erst zu einem vereinbarten Zeitpunkt Gebrauch zu machen. In keinem Fall dürfen aber die Interessen der Mandantschaft vernachlässigt oder gar verletzt werden.
Hinweis
Gut formulierte Presseerklärungen erleichtern nicht nur deren Abgabe, sie sind auch geeignet, Falschzitate zu vermeiden und erforderlichenfalls presserechtliche Gegenmaßnahmen zu stützen.
Teil 2 Verletzter – Opfer – Anwalt des Verletzten › VIII. Kosten – Rechtsanwaltsvergütung
VIII. Kosten – Rechtsanwaltsvergütung
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Einzelheiten zu den Kosten der anwaltlichen Vertretung werden jeweils in den einzelnen Kapiteln behandelt. Kostenschutz durch die rechtzeitige Einschaltung von Hilfsorganisationen ist in geeigneten Fällen ebenso möglich, wie die frühzeitige Beantragung staatlicher Unterstützung oder gerichtliche Beiordnungen. Wegen der notwendigen ärztlichen und fachärztlichen Behandlung ist erforderlichenfalls mit den Krankenkassen zu verhandeln und der Kontakt zu den Hilfsorganisationen und staatlichen Einrichtungen herzustellen, um die Kontinuität der Behandlung zu gewährleisten. Hier empfiehlt es sich, frühzeitig den kompetenten Rat von Hilfsorganisationen einzuholen, da diese durch die tägliche Praxis auch über die notwendigen Kontakte und Kenntnisse der Abläufe verfügen.
Die Anwaltsvergütung ist mit der Mandantschaft ausführlich zu besprechen. Je nach Umfang der Tätigkeit und den finanziellen Möglichkeiten der Mandanten gilt für die Vergütung des Verletztenanwalts das Gleiche wie für diejenige des Strafverteidigers. Dem Mandanten ist deutlich zu machen, dass anwaltliche Tätigkeit stets zu vergüten ist und normalerweise das RVG gilt. Der Umfang der Tätigkeit, die Besonderheit des Einzelfalles und die finanziellen Möglichkeiten der Mandantschaft lassen aber oft auch die Vereinbarung einer besonderen, außerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens liegenden Vergütung zu bzw. machen diese notwendig. Dass im Falle der Nebenklage die Nebenklagekosten bei Verurteilung vom Verurteilten zu tragen sind, besagt noch lange nicht, dass sie auch zu realisieren sind. Darüber muss mit dem Mandanten rechtzeitig gesprochen und dieser für die Problematik sensibilisiert werden, auch über eventuelle Möglichkeiten der Prozesskostenhilfe, die Übernahme von Anwaltskosten durch Hilfsorganisationen sowie den Umstand, dass Vergütungen durch den Verursacher stets nur im Rahmen der gesetzlichen Gebühren und nicht aufgrund bzw. in Höhe von Vergütungsvereinbarungen zu tragen sind.
Teil 3 Die Einleitung des Strafverfahrens
Inhaltsverzeichnis
I. Erster Kontakt mit dem Mandanten – Feststellung der Verletzteneigenschaft – Ziel der Beauftragung
II. Zivilrechtliche Ansprüche – Adhäsionsverfahren
III. Straftat – Legalitätsprinzip/Opportunitätsprinzip
IV. Anwaltseinschaltung – Vertretungsanzeige
V. Strafverfolgung im Ausland – Datenübermittlung an EU-Mitgliedsstaaten
VI. Beweissicherung – Eigene Ermittlungen – Fristen
VII. Kosten und Kostenschutz – Rechtsanwaltsvergütung
Teil 3 Die Einleitung des Strafverfahrens › I. Erster Kontakt mit dem Mandanten – Feststellung der Verletzteneigenschaft – Ziel der Beauftragung
I. Erster Kontakt mit dem Mandanten – Feststellung der Verletzteneigenschaft – Ziel der Beauftragung
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Wie bereits oben unter Teil 2 dargestellt, ist der erste Kontakt mit dem Mandanten von entscheidender Bedeutung für die anstehende Übernahme des Mandats. Schon bei diesem ersten Mandantengespräch wird deutlich erkennbar, aus welchen Motiven und mit welchen Erwartungen sich der Mandant anwaltlicher Hilfe bedienen will. Für dieses erste Beratungs- und Aufklärungsgespräch sollte sich der Rechtsanwalt daher ausreichend Zeit nehmen. Nach einer ersten Sachverhaltsdarstellung durch den Mandanten sowie ergänzenden Rückfragen seitens des Rechtsanwalts stellt sich bald heraus, welche Rolle der Mandant in einem künftigen Ermittlungs- und Strafverfahren einnehmen will und kann.
Er ist über weitere Verfahren, über die entsprechenden Möglichkeiten und Rechte als Verletzter aufzuklären und erforderlichenfalls mit Hilfsorganisationen usw. in Kontakt zu bringen. Auch die Möglichkeiten eines Täter-Opfer-Ausgleichs können angesprochen werden, sofern die Voraussetzungen gegeben und das Mandat bzw. der Mandant dafür geeignet scheint.
Teil 3 Die Einleitung des Strafverfahrens › II. Zivilrechtliche Ansprüche – Adhäsionsverfahren
II. Zivilrechtliche Ansprüche – Adhäsionsverfahren
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Regelmäßig kommen neben der Beteiligung am Strafverfahren auch die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Verursacher in Betracht. Mit dem Mandanten ist daher abzuklären, ob sich die anwaltliche Vertretung auch hierauf erstrecken soll. Sollte dies der Fall sein, ist die Einleitung eines Adhäsionsverfahrens, also die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche im Rahmen des Strafprozesses gegen den Angeklagten, sowie dessen weitere Ausgestaltung ausführlich mit dem Mandanten zu besprechen. Ergibt sich aus dem Mandantengespräch und weiteren Recherchen, dass der Mandant seine zivilrechtlichen Ansprüche aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten nicht im Rahmen des Adhäsionsverfahrens erfolgversprechend gegen den Verursacher geltend machen kann – oder will, beschränkt sich die Vorbereitung des Mandanten auf seine prozessuale Rolle als Zeuge und gegebenenfalls als Nebenkläger im Ermittlungs- und Strafverfahren.
Ein Zivilmandat ist dann getrennt zu führen, wobei eine von Beginn an sorgfältige Sachverhaltsdokumentation die zivilrechtliche Sachbearbeitung und spätere Durchsetzung der Ansprüche des Mandanten erleichtert, zumal die meisten Dokumente wie Krankenunterlagen, Atteste, usw. sowohl in der strafrechtlichen als auch in der zivilrechtlichen Akte benötigt werden.
Im Fall des (Fort-)bestehens möglicher Bedrohungslagen durch den Täter muss der Rechtsanwalt präventive Schutzmaßnahmen zugunsten seines Mandanten ergreifen und beispielsweise einstweilige gerichtliche Verfügungen wie Annäherungsverbote usw. gegen den Täter beantragen.[1]
Anmerkungen
[1]
Ausführlich dazu Peter Das 1x1 des Opferanwalts, § 11; Daimagüler Der Verletzte im Strafverfahren, Teil 3 Präventiver Opferschutz.
Teil 3 Die Einleitung des Strafverfahrens › III. Straftat – Legalitätsprinzip/Opportunitätsprinzip
III. Straftat – Legalitätsprinzip/Opportunitätsprinzip
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Aus dem Ergebnis des von dem Mandanten mitgeteilten bzw. gemeinsam „erarbeiteten“ Sachverhalts leiten sich die weiteren Handlungsoptionen ab: Handelt es sich beispielsweise lediglich um eine einfache fahrlässige Körperverletzung, liegt zwar eine Straftat vor; die Möglichkeit, in diesem Fall Einfluss auf das Strafverfahren nehmen zu können, beschränkt sich aber im Wesentlichen auf die Zeugenrolle. Dies gilt erst recht, wenn es sich bei dem mitgeteilten Sachverhalt lediglich um eine Ordnungswidrigkeit handelt. Die verschiedenen Beteiligungsmöglichkeiten an einem Strafverfahren müssen gegenüber dem Mandanten umfassend dargestellt werden. Der Mandant ist auch darauf hinzuweisen, dass bei geringer Schuld des Beschuldigten eine Verfahrenseinstellung – gegebenenfalls nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen – in Betracht kommen oder er bei fehlendem öffentlichem Interesse auf den Privatklageweg verwiesen werden kann. In diesem Fall hat es allein der Verletzte als Privatkläger in der Hand, die Straftat an Stelle der Staatsanwaltschaft weiter zu verfolgen und den Beschuldigten vor Gericht anzuklagen.
Bei Straftaten gegen die Person gewährt die Strafprozessordnung dem Verletzten zusätzliche Rechte – so beispielsweise das Recht, als Nebenkläger aufzutreten, um auf diese Weise besonderen Einfluss auf das Strafverfahren nehmen zu können. Bei Straftaten gegen Sachen und Rechte beschränkt sich mit Ausnahme der wirtschaftlichen Schutzvorschriften des § 395 Abs. 1 Nr. 6 StPO die Möglichkeit, an einem Strafverfahren teilzunehmen, auf diejenige der Zeugenrolle. Besondere Ein- bzw. Mitwirkungsrechte für den Verletzten außerhalb der § 406 d ff. StPO bestehen dann nicht.
Teil 3 Die Einleitung des Strafverfahrens › IV. Anwaltseinschaltung – Vertretungsanzeige
IV. Anwaltseinschaltung – Vertretungsanzeige
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Ist das Mandatsverhältnis geklärt, der zugrundeliegende Sachverhalt umfassend aufbereitet und wünscht der Mandant die Einleitung eines Strafverfahrens bzw. die anwaltliche Begleitung im laufenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens gegen den Beschuldigten, wird der Rechtsanwalt unverzüglich die Vertretung des Mandanten gegenüber den Ermittlungsbehörden anzeigen.
Wenn die Ermittlungsbehörde von dem zugrundeliegenden Sachverhalt noch keine Kenntnis hat, muss der Rechtsanwalt die Strafverfolgung durch Abfassen einer Strafanzeige mit umfassender Sachverhaltsschilderung unter – soweit bekannt – namentlicher Nennung des Beschuldigten sowie vorhandener Zeugen und sonstiger Beweismittel einleiten lassen. Die gefertigte Strafanzeige muss zumindest so viele Informationen enthalten, dass sich die Ermittlungsbehörden schon unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips zur Aufnahme von Ermittlungen veranlasst sehen. Danach erfolgt zumeist der erste Kontakt zwischen dem Mandanten und den Strafverfolgungsbehörden, sei es telefonisch, schriftlich oder auch persönlich. Dabei und insbesondere bei etwaigen Vernehmungen sollte der Rechtsanwalt seinem Mandanten beratend zur Seite stehen und ihn begleiten. Dies gilt auch, wenn eine Tatortrekonstruktion vorgenommen werden soll. Ist im konkreten Fall naheliegend oder sogar absehbar, dass ein Sachverständiger zur Frage der Glaubhaftigkeit der Aussage eingeschaltet werden soll, so ist der Mandant auch hierauf vorzubereiten und dabei insbesondere über die Bedeutung eines solchen Gutachtens für den Strafprozess sowie den Ablauf der Gutachtenerstattung aufzuklären – ohne aber auf die Aussage bzw. das Aussageverhalten als solches direkten Einfluss zu nehmen. Bei Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum ist besonders wichtig, etwaig vorhandene Spuren eingehend und vollständig sichern zu lassen. Kleidungsstücke müssen beispielsweise im Zustand der Tat aufbewahrt werden. Im Fall eines Wohnungseinbruchs sollte bis zum Eintreffen der Spurensicherung nichts verändert und die Wohnung möglichst nicht betreten werden, da bereits kleinste Veränderungen am Tatort die Ermittlungen erschweren können. Hilfreich ist ferner, auch selbst Fotos vom Tatort oder den eigenen Verletzungen zu fertigen, das Erlebte zu protokollieren und Adressen von Augenzeugen zu notieren, um den entstandenen Schaden bzw. die konkreten Vorgänge möglichst genau dokumentieren zu können. Vermerke über Gespräche mit den Ermittlungsbehörden und anderen Verfahrensbeteiligten erleichtern eine sachgerechte Interessenvertretung und lassen möglicherweise später aufkommende Missverständnisse besser ausräumen. Oft ist es ratsam, den Inhalt wichtiger Gespräche im Anschluss schriftlich zu bestätigen. Je sorgfältiger hierbei vorgegangen wird, desto schneller kommt das Ermittlungsverfahren in Gang. Es hängt vom Einzelfall ab, ob und inwieweit eine persönliche Vorsprache des Rechtsanwalts – allein oder zusammen mit dem Mandanten – beim staatsanwaltschaftlichen Sachbearbeiter notwendig ist bzw. zweckdienlich erscheint.
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Ist ein Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet worden, ist die Vertretungsanzeige mit einem gleichzeitigen Akteneinsichtsersuchen zu verbinden. Da ein Interesse des Mandanten an der strafrechtlichen Verfolgung, zumindest aber an der Wahrnehmung seiner Interessen besteht, wird er, soweit es ihm zumutbar und möglich ist, bereit sein, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. In Fällen körperlicher oder psychischer Schädigungen sollte der Mandant ferner unbedingt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und Entbindungserklärungen von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterzeichnen, die sodann den Ermittlungsbehörden zeitnah zu übersenden sind. Insbesondere bei sexuellen Gewaltübergriffen, die für die Betroffenen stets besonders problematisch sind, muss der Rechtsanwalt den Mandanten schnellstmöglich dazu veranlassen, neben der eingehenden Konsultation des eigenen Arztes auch für eine weitergehende rechtsmedizinische Untersuchung und Beweissicherung zur Verfügung zu stehen, denn nur so können die entstandenen Verletzungen umfassend dokumentiert und beispielsweise DNA-Material des Täters beweisverwertbar gesichert werden.
→ Muster 3, Rn. 525: Vertretungsanzeige, Strafanzeige und Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht
→ Muster 4, Rn. 526: Strafanzeige (ohne Anwalt)
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Wurde der Mandant durch eine Straftat verletzt und sind physische oder/und psychische Schäden eingetreten oder zu befürchten, ist es möglicherweise ratsam, frühzeitig Hilfsorganisationen einzuschalten und fachkundigen Rat einzuholen. Eine Auswahl der in Betracht kommenden Einrichtungen enthält z.B. die Opferfibel des Bundesjustizministeriums.[1] Auch bei den jeweiligen Justizministerien, den Regierungspräsidien, Landkreisen und den Gemeinden sind mittlerweile „Anlaufstellen“ eingerichtet, die Hilfestellung geben können. Zentral ist dabei der Gedanke, dass eine der zentralen Aufgaben des Rechtsanwalts als Vertreter des Geschädigten ist, seinen Mandanten im Laufe des Verfahrens vor weiteren Verletzungen, sei es seitens der Verteidigung, aber auch seitens der Justiz oder der (Medien-)Öffentlichkeit zu schützen und jeglichen unangemessenen Umgang sofort zu unterbinden, andererseits aber auch den Mandanten vor sich selbst zu schützen, etwa bei einem ebenso unüberlegten wie unbedarften Umgang mit der Presse.
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→ Anhang 1: Adressen und Hinweise auf staatliche Einrichtungen und Hilfsorganisationen zum Opferschutz
Auch der Kontakt zu Angehörigen, Freunden oder anderen Vertrauenspersonen des Mandanten kann auf dessen Wunsch hin hergestellt werden. Hierbei ist aber zu beachten, dass Informationen nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis des Mandanten weitergegeben werden dürfen und zurückgehalten werden sollten, wenn die betreffenden Personen als Zeugen in Betracht kommen bzw. ihnen kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Dies sollte im Rahmen von Besprechungen mit dem Mandanten gleichermaßen gelten, auch wenn dieser zum Teil wünschen wird, dass eine Vertrauensperson mit zugegen sein soll. Dabei ist allerdings zu sehen, dass die Anwesenheit einer solchen Vertrauensperson dem Mandanten Sicherheit gibt und sich damit positiv auf die gemeinsame Kommunikation auswirkt. Gleichwohl kommen diese Personen als Zeugen des Gesprächs zwischen Mandant und Rechtsanwalt in Betracht, so dass sich regelmäßig der Versuch empfiehlt, nach dem ersten Schaffen von wechselseitigem Vertrauen und einer guten Gesprächsebene zwischen Mandant und Rechtsanwalt eine Fortsetzung der Unterredung ohne die Vertrauensperson zu erreichen und erst dann das eigentliche Mandantengespräch zu führen. Jedenfalls sollte über die Anwesenheit der Vertrauensperson Stillschweigen bewahrt werden, um der Gefahr einer möglichen zeugenschaftlichen Befragung der Vertrauensperson zu begegnen. Bei der Vertretung von Kindern, Jugendlichen und geschäftsunfähigen Mandanten sollte die Vertretung mit den Erziehungsberechtigten bzw. dem Betreuer besprochen und auch während des weiteren Mandats fortwährend Kontakt zu diesen gehalten werden.
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Über die Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht hat der Rechtsanwalt die Möglichkeit, fachärztliche Atteste anzufordern, Einblick in Krankenunterlagen zu nehmen und sich auf diese Weise ein weitergehendes Bild von seinen Mandanten, dessen Verletzungen sowie dem zugrundeliegenden Sachverhalt zu machen, etwa um erforderlichenfalls weitere Beweisanträge stellen bzw. die Vornahme bestimmter Ermittlungsmaßnahmen anregen zu können.
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Der Kontakt zu weiteren Mitgeschädigten sollte stets über deren Rechtsanwälte aufgenommen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn diese als Zeugen in Betracht kommen. Der Rechtsanwalt sollte immer darauf achten, dass wichtige Gespräche und Recherchen im Beisein einer dritten Person geführt werden. Die zeitnahe und umfassende Dokumentation der Gesprächsinhalte ist dringend anzuraten. Das Erstellen eines Protokolls, das von dem Gesprächspartner nach Möglichkeit unterschrieben werden sollte, eröffnet und erleichtert die Möglichkeit einer späteren prozessualen Verwertung.
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Wünscht der Mandant, dass Verbindung zum Arbeitgeber aufgenommen wird, muss vorher geklärt werden, wie weit die Entbindung des Rechtsanwalts von seiner Verschwiegenheitspflicht reicht. Die arbeitsrechtlichen Gesichtspunkte sind dabei besonders zu beachten. Vor allem, wenn Schadensersatzforderungen wegen entgangenem Arbeitsentgelt u.ä. geltend gemacht werden sollen, ist eine Kontaktaufnahme regelmäßig angezeigt.