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Arthur Schopenhauer – Originalgenie und philosophischer Außenseiter
Eine Einführung zu Kuno Fischers Schopenhauer-Buch

Kuno Fischers Schopenhauer-Monographie, die, nach dem Urteil Wilhelm Windelbands »großartigste[…] Charakteristik einer philosophischen Persönlichkeit, die ihm gelungen ist«1, wird hier auf der Grundlage der dritten Auflage, um eine Einführung und aktuelle Literaturhinweise ergänzt, wiederum vorgelegt.2 Die erneute Herausgabe eines Werkes, das zuletzt vor etwas mehr als hundert Jahren, kurz nach dem Tode Kuno Fischers, erschienen ist, bedarf »einer besondern Schutzrede«3, eines Wortes der Rechtfertigung, die nicht bloß im Hinweis darauf bestehen kann, dass es sich dabei um das einst berühmte Buch eines einst berühmten Autors handelt. Da die geschichtliche Begründung sich notwendig im Widerspruch zur eigenen Absicht realisiert4, wollen die folgenden Ausführungen den Autor des Buches, der heute nur noch einem engeren Kreis philosophisch Interessierter bekannt ist, und das Buch selbst vorstellen, um zu zeigen, dass seine Neuausgabe nicht die Freude am Nostalgischen und Historischen, sondern der Blick auf seine Qualität und Originalität, seinen zeitlosen Gehalt und sein bleibendes Verdienst motiviert.

Kuno Fischer und die Heidelberger Tradition

Was die philosophiegeschichtliche Einordnung betrifft, steht Kuno Fischer in der Heidelberger Tradition des Philosophierens, deren herausragendster Repräsentant er ist. In ihrem Sinn lehrten in Heidelberg in »fast ununterbrochener Folge […] ein Jahrhundert lang Philosophen, welche ihre eigene Bemühung um die Probleme grundsätzlich mit einer umfassenden Kenntnisnahme und kritischen Vergegenwärtigung der geschichtlichen Überlieferung verbanden. Hegel hatte damit begonnen; Eduard Zeller, Kuno Fischer, Wilhelm Windelband, Paul Hensel, Ernst Hoffmann folgten ihm, obwohl sie seine dialektisch-konstruierende Methode nicht übernahmen«5. Der als Nachfolger Eduard Zellers nach Heidelberg berufene und von Wilhelm Windelband auf dem Lehrstuhl der Ruperto-Carola beerbte, beiden als Denker und Forscher ebenbürtige Kuno Fischer, hat »sowohl seinen Vorgänger wie seinen Nachfolger in der Kunst der literarischen Darstellung und des Kathedervortrags«6 übertroffen. In seiner 1924 vorgelegten, Kuno Fischer gewidmeten Habilitationsschrift7 hat sich Hermann Glockner zu dieser Heidelberger Tradition bekannt, die mit der n.s.-diktatorisch geregelten Nachfolge von Heinrich Rickert zu Ende geht: »Ernst Krieck kam nach Heidelberg. Damit war die philosophische Tradition zerstört. Sie wurde auch 1945 nicht wieder aufgenommen«8.

Kuno Fischer – Biographisches9

Ernst Berthold Kuno Fischer wird am 23. Juli 1824 in Groß-Sandewalde in Schlesien geboren. Der Vater, der Sandewalder Pastor Karl Theodor Fischer, widmet sich nach dem frühen Tod der Mutter mit großer Sorgfalt seiner und seines älteren Bruders Erziehung, was zu einer innigen Beziehung zwischen Vater und Sohn führt.10 Fischer besucht zunächst das humanistische Gymnasium in Posen, dem er die Beherrschung seines Gefühlsüberschwanges, seine klassische Bildung, sowie sein literarisches und ästhetisches Interesse, das von besonderem Einfluss auf seine weitere Entwicklung ist, verdankt. Nach dem Abitur 1844 beginnt er in Leipzig ein Studium der Philologie bei Gottfried Hermann und Moritz Haupt, doch dauert es kein Semester, bis den jungen Studenten die Philosophie an sich reißt11 und er im Herbst 1844 an die Universität Halle wechselt, wo er bis zum Frühjahr 1847 studiert. Julius Schaller, vor allem aber Johann Eduard Erdmann, der ihn in die Philosophie Hegels einführt, sind dort seine Lehrer. 1847 promoviert er in Halle mit der in lateinischer Sprache abgefassten Dissertation »De Parmenide Platonico«.12 Um sich auf die akademische Laufbahn vorzubereiten, nimmt der junge Doktor 1848 eine Hauslehrerstelle bei dem Papierfabrikanten Bohnenberger in Pforzheim an. In dieser Zeit entstehen die ersten philosophischen Arbeiten (Aufsätze und Buchbesprechungen). Der Aufenthalt ist angenehm durch gemeinsame Reisen und Ausflüge, anlässlich eines Winteraufenthaltes in Karlsruhe lernt er den Schauspieler Ludwig Dessoir kennen, der ihn in Sprech- und Vortragskunst unterrichtet, mit deren selbstverständlicher Beherrschung er sich die technischen Voraussetzungen seiner künftigen Erfolge als Vortragender schafft. Mehr Freude als der Unterricht des zurückgebliebenen Sohnes bereiten Fischer die Vorträge, die er den Damen des Hauses (der Mutter und der ältesten Tochter) über ästhetische Themen hält, die gesammelten Vorträge bilden die Grundlage von Fischers erster Buchveröffentlichung.13

1850 übersiedelt Fischer nach Heidelberg, wo er sich in Philosophie habilitiert. Fischers erstes Buch bringt ihn in Kontakt mit der Familie des emigrierten und in Heidelberg ansässig gewordenen französischen Offiziers Desiré Le Mire. Seiner literarisch interessierten Gattin Mary gefällt das Buch so gut, dass sie mit dessen Autor zum Zwecke eines intensiven Gedankenaustausches brieflich in Kontakt tritt. Später gern gesehener Gast im Hause Le Mire heiratet er im September 1852 die ältere Tochter Marie, dem Ehepaar werden ein Sohn und zwei Töchter geboren. Als Lehrer der Philosophie ist Fischer von allem Anfang an überaus erfolgreich. Mitten in der trüben Zeit der Reaktion, einer Zeit geistiger Depression, in der die hochfliegende Spekulation des Deutschen Idealismus, die »Philosophie des Geistes«, längst dem Materialismus, der »Metaphysik der Geistlosigkeit«14, gewichen war, gewinnt der junge Dozent die Gunst und Aufmerksamkeit des Publikums durch eine Wiederanknüpfung an die unterbrochene Tradition idealistischen Philosophierens, deren Losung »Rückkehr zu Kant«15 heißt. In einer Zeit, in der man ihren höchsten Leistungen verständnislos und gleichgültig gegenüberstand, bringt er es dahin, »daß es in allen Fakultäten für selbstverständlich galt, neben den Fachstudien seine Vorlesungen zu hören«16, und erobert so der Philosophie den ihr gebührenden Rang im Rahmen der Universitas litterarum zurück. Zur Lehr- und Vortragstätigkeit tritt in engster Verbindung mit dieser eine Phase intensiver schriftstellerischer Produktion. Im Jahre 1852 erscheint nicht nur Fischers logisches Hauptwerk,17 im selben Jahr beginnt auch die groß angelegte »Geschichte der neuern Philosophie«18 mit dem Descartes-Band zu erscheinen. Doch die so hoffnungsvolle akademische Laufbahn wird nach nur einem Jahr jäh unterbrochen. Fischer gerät, von theologischer Seite denunziert, in Pantheismus-Verdacht. Er wehrt sich in einer Reihe brillanter Streitschriften19 erfolglos gegen die ungerechtfertigten Vorwürfe: obwohl er in der Sache recht behält, wird ihm im September 1853 wegen »pantheistischer Gesinnung« die Lehrbefugnis entzogen. Im selben Jahr verlässt er Heidelberg. Zwar kann sich Fischer auf Vermittlung von Alexander von Humboldt 1855 an der Universität Berlin zum zweiten Male habilitieren, doch auch hier legt man dem Versuch einer Rückkehr aufs Katheder Schwierigkeiten in den Weg. Noch bevor diese ausgeräumt sind, erhält Fischer eine Berufung an die Universität Jena, der er folgt.

Die Jahre in Jena, 1856 bis 1872, hat Fischer selbst stets als die schönsten seines Lebens bezeichnet. Sie fallen in die Zeit der »Neubelebung der Erinnerung an die Weimarer Klassik […,] jener zweiten Kulturblüte Sachsen-Weimars«20, die dem Großherzog Karl Alexander und seiner Gemahlin, der Großherzogin Sophie zu verdanken war. Fischers ästhetische und literarische Interessen ließen ihn geradezu prädestiniert erscheinen, einer der geistigen Mittelpunkte dieser Bewegung zu werden. Fischer lebt sein Credo: »Philosophie lehren zu dürfen ist der herrlichste Beruf, den es auf der Welt gibt«.21 Der begnadete Lehrer der Philosophie begeistert sein Publikum in und außerhalb der Universität, Vorlesungen und Vorträge sind meisterlich zum Kunstwerk gestaltet, was Form, Aufbau und Ausdruck betrifft.22 Neben Fischers rhetorischem Talent ist es aber vor allem »die souveräne Stoffbeherrschung«23, die als das eigentliche Geheimnis seines phänomenalen Lehrerfolges angesehen werden muss. Forschung und Lehre, Vorlesung und Publikation sind bei Fischer aufs engste miteinander verbunden, was gedruckt werden soll, muss zuvor »die Probe des Katheders« mehrfach bestanden haben: »die Herrschaft über den Stoff, die Deutlichkeit der Darstellung [ist Fischer überzeugt, kann] durch nichts besser gewonnen und auf die Probe gestellt werden als durch den lehrenden Vortrag.«24 Nur dort, wo die Darstellung in unmittelbarem Kontakt mit dem Publikum gezeigt hat, dass sie das Verständnis ihres Gegenstandes zu erschließen vermag, hat sie sich bewährt und ist reif, auch im Druck zu erscheinen. Dementsprechend sind die Erstausgaben seiner Bücher, wo sie nicht ohnehin auf die Vorlesung, ihr einen didaktischen Grundriss zu verschaffen, bezogen sind, auch ganz durch diese Herkunft aus der Vorlesung bestimmt und bilden erst in den Folgeauflagen ihre eigentlich literarische Form aus. Der 1860 erschienene Kant-Band seiner Geschichte wird zur Grundlage des Neukantianismus. In einer Reihe literarisch-ästhetischer Schriften tritt Fischer zudem als Interpret klassischer Dichtung (Goethe, Schiller, Lessing, Shakespeare) auf.25

1872 erfolgen Ruf und Rückkehr nach Heidelberg. Als Nachfolger Eduard Zellers steht Fischer in Heidelberg nunmehr auf der Höhe seines Ruhmes. In den dreißig Jahren seines Wirkens wird der »Kathederfürst« zum Symbol26 der Ruperto-Carola, ja zum Wahrzeichen27 von Heidelberg, weit über Heidelberg hinaus bekannt und berühmt. Orden und Ehrenzeichen bleiben nicht aus, so etwa der Zähringer Hausorden, den ihm 1893 der Großherzog von Baden verleiht oder die Ehrenbürgerwürde, mit der ihn anlässlich des fünfzigjährigen Doktordiploms die Stadt Heidelberg auszeichnet. An Fischers achtzigstem Geburtstag 1904 erfolgt die Ehrenpromotion durch die Universität Königsberg, die Fischer den Titel »Wiedererwecker Kants« verleiht.28 Auch sein ehemaliger Lehrer Johann Eduard Erdmann ist stolz auf den großen Schüler, zwischen den beiden Philosophen entwickelt sich eine Freundschaft, deren Verlauf Hermann Glockner in seiner Erdmann-Monographie an Hand der Dokumente – siebenunddreißig, in den Jahren 1854 bis 1890 an Fischer gerichtete Briefe – verfolgt hat.29

Fischer, der nach dem Tod seiner ersten Frau 1884 die Dänin Christine Stilling ehelichte, beendet 1903 seine Vorlesungstätigkeit, auf seinen Wunsch hin wird Wilhelm Windelband, sein ehemaliger Schüler in Jena, sein Nachfolger. Kuno Fischer ist am 5. Juli 1907 in Heidelberg gestorben.

Kuno Fischers Geschichte der neuern Philosophie

Fischers groß angelegte, im Jahre 1852 begonnene »Geschichte der neuern Philosophie«, findet erst mit dem 1901 vorgelegten Hegel-Band ihren Abschluss, Thema seines Hauptwerkes sind die großen Systeme der Philosophie der Neuzeit. Die Auseinandersetzung mit Descartes, Spinoza, Leibniz, Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Bacon und Schopenhauer hat Fischer zeit seines Lebens beschäftigt. In der zuletzt zehnbändigen »Geschichte der neuern Philosophie« (Heidelberg 1887–1904) haben wir Fischers Vermächtnis vor uns, jedes der Bücher findet sich angesichts neuer Auflagen ergänzt und erweitert, mitunter auch grundlegend umgearbeitet, ganz wie es Fischers, in fortgesetztem Studium vertiefte Auseinandersetzung mit den Denkern seiner Wahl, ermöglicht und verlangt hat. Bei aller Konzentration auf die Systeme der neuzeitlichen Philosophie hat Fischer dabei den Gesamtzusammenhang der europäischen Philosophietradition im Auge, als dessen fundierten Kenner ihn die 1891 erstmals als eigenständige Publikation erschienene »Einleitung in die Geschichte der Philosophie«30 ausweist. Hier wird die Entwicklung des philosophischen Denkens von Parmenides bis Descartes zusammenfassend expliziert und der für die Anlage des Werkes entscheidende Gesichtspunkt formuliert: dass die Systeme der neuern Philosophie »von zwei Brennpunkten [aus …] beherrscht werden«: von Spinoza als dem Vollender des Dogmatismus und von Kant als dem Begründer des Kritizismus31. Das dem Lebenswerk gesetzte Ziel hat der Autor in der Vorrede zum ersten Band umrissen: »Ich will die Hauptsysteme, von denen das Licht kommt und die Geschichte der Philosophie in Wahrheit lebt, in ihrem eigenen Geist methodisch entwickeln und so wiedererzeugen, dass man deutlich einsieht, aus welchen Problemen sie hervorgehen, wie sie diese Probleme auflösen und welche ungelösten und zu lösenden Fragen sie der Welt zurücklassen«32.

Eine solche Aufgabe ist methodisch nicht durch »Quellenauszüge […,] die zu einem Referat aneinandergereiht werden«33, zu bewältigen, als Wissenschaft ist die Geschichte der Philosophie nicht aus Philosophiegeschichten zusammengelesenes Kompilat, sondern aus den Quellen gearbeitetes Original. Fischers Philosophiegeschichte strebt nicht nach historischer Vollständigkeit, sondern »nach der klaren und zusammenhängenden Einsicht, in die innere Verfassung der Philosophie, wie sie die Geschichte ausgebildet und entwickelt hat.«34 Solcherart macht uns Fischer die dargestellten Systeme als problemgeschichtliche Etappen auf dem Weg der Entwicklung des Geistes (der Wahrheit) begreifbar. Ganz so, wie Bruno Liebrucks und vor ihm Hegel jenen empfehlen, die gewillt sind, von der Philosophie etwas zu lernen, sucht Fischer »die Philosophen im Umhof ihrer Größe«35 auf, er stellt sich in der Darstellung der einzelnen Systeme ganz auf ihren Standpunkt. Mit unvergleichlicher Gestaltungskraft gelingt es ihm, die schwierigsten Gedankengänge herauszuarbeiten, indem er das philosophische Werk zunächst dekonstruiert, um es von seinem Mittelpunkt aus neu aufzubauen. Seine Darstellungen sind nicht Nacherzählungen, sondern systematische Nachschöpfungen, die Fischer als kongenialen Denker ausweisen, er macht die Systeme einsichtig, ohne sie im eigentlichen Sinn zu popularisieren, Klarheit und Durchsichtigkeit der Gedanken sind nie durch didaktische Konzessionen auf Kosten der dargestellten Position erkauft. Dass er auch die jeweilige Persönlichkeit in ihrer unverkennbaren Weise zu porträtieren und sie aus ihrer Zeit heraus zu begreifen lehrt, macht den unverkennbaren Reiz seiner als Monographien-Reihe konzipierten Philosophiegeschichte aus und zeigt uns Fischer als »den hervorragendsten unter den drei Lehr-Meistern der Philosophie, denen die Universität Heidelberg in der Geisteswissenschaft der Vorweltkriegszeit ihre führende Rolle verdankte.«36 Die Charakteristika, durch die sich Fischers Monographien insgesamt auszeichnen: die »Klarheit seiner Darstellung«, den »Reichtum seiner Diktion«, die »Feinheit der Antithesen«, die »erleuchtende Kraft seiner Bilder«, die »durchsichtige[…] Anordnung des Stoffs«37 – wird der Leser in der vorliegenden Schopenhauer-Monographie in meisterlicher Vollkommenheit verwirklicht finden und genießen dürfen. Fischers Werk lädt ein, die philosophischen Gipfel der neuern Philosophie zu besteigen, es gleicht darin einer Karte, die uns die Wahl des Zieles überlässt und den Weg dorthin zeigt, ohne ihn uns abzunehmen38. Seine Bücher sind keine leichte, dafür aber eine umso solidere Kost: ihr »Mißbrauch enttäuscht«39 – wer sie nicht ernsthaft studieren, sondern in der Manier manch gegenwärtiger Einführungen die dargestellte Position bloß überblicken, d. h. über sie hinwegsehen will, wird durch Büchlein, die philosophische Themata für Eilige, Angeber und Dummies40 aufbereiten, besser bedient sein.

Fischers philosophisches Schaffen steht ganz im Schatten seines philosophiegeschichtlichen Monumentalwerkes – schon Johann Eduard Erdmann hat darauf hingewiesen, dass der gefeierte Philosophiehistoriker als Philosoph unterschätzt wird41. Bei aller Bedeutung, welche die Philosophiegeschichte als Schule des Philosophierens für Fischer hat, ist er doch weit davon entfernt, Philosophie in Philosophiegeschichte aufzulösen. Es ist Hans-Georg Gadamer zu danken, dass er Fischers systematisches Hauptwerk: »Logik und Metaphysik«42 wieder zugänglich gemacht hat. Da es ihm um Fischer als Repräsentanten der Gegenwart Hegels im philosophischen Denken um die Mitte des 19. Jahrhunderts ging43, hat er der Neuherausgabe die erste Auflage von 1852 zugrunde gelegt. Bereits in der Vorrede zu dieser Erstauflage zeigt sich uns Fischer als eigenständiger Denker, indem er Wert auf die Feststellung legt, dass ihm die hegelsche Philosophie, an deren Form er sich anschließt, nicht als Kanon gilt. Wohl wissend, wie leicht dieses System dogmatisch missverstanden werden kann, macht er mit seinen Prinzipien nur deshalb »gemeinschaftliche Sache«, weil ihm »das Problem von Logik und Erkenntnistheorie« alleine vom Standpunkt der »Identitätsphilosophie« aus begreifbar und lösbar erscheint. War Fischer schon in dieser ersten Auflage des Werkes, angesichts der »unter den kritischen Gesichtspunkt« oder unter die Kontrolle Kants gestellten Identitätsphilosophie, die er vertritt, nur in sehr eingeschränktem Sinn als Hegelianer in Anspruch zu nehmen, so dokumentieren die Umgestaltungen der zweiten Auflage die Distanz zu Hegel mit aller Deutlichkeit.44 Wie wenig andererseits die Philosophie der Philosophiegeschichte gegenübergestellt werden kann, zeigt sich an Fischers Monumentalwerk selbst, am Kant-Band,45 der dem Neukantianismus Grundlage und Ausgangspunkt geworden ist, wie am Hegel-Band46, der in eben dem Sinn auf die Wiederbelebung der hegelschen Philosophie (Hegelianismus) bezogen werden kann, sehen wir die genuin philosophiegeschichtliche Leistung in den Entwicklungszusammenhang der Philosophie eingreifen und damit in ihr selbst unmittelbar zur Geltung kommen.

Die Antithese zwischen Hegel und Schopenhauer47

Fischers Lebenswerk gehört in die Reihe jener großartigen wissenschaftlichen Errungenschaften, die das 19. Jahrhundert auf dem Gebiet der Geschichte der Philosophie hervorgebracht hat. Voraussetzung für diese in Art und Ausmaß einmaligen Leistungen war eine Neubewertung der Philosophiegeschichte durch Hegel. In seinen »Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie« hat Hegel Philosophiegeschichte nicht länger als eine »Galerie der Meinungen«48, sondern als sinnvollen Entwicklungszusammenhang des Denkens vorgetragen und damit erstmals die Geschichte der Philosophie als integrierenden Bestandteil des philosophischen Systems begriffen. Hegels Nachfolger haben fortgeführt, was bei ihm systematisch grundgelegt war, im Geiste seiner Ausführungen waren sie um die Vertiefung seines Grundgedankens ebenso wie um Korrekturen inhaltlicher und formaler Art bemüht, wobei sie das Unzureichende der hegelschen Methode vor allem in ihrem konstruktiven Charakter gesehen haben.49 Ganz anders die Position Schopenhauers: Für ihn ist die Geschichte der Philosophie bloß Wissen, keine Wissenschaft. So war ihm auch stets der Hinweis auf die eigene Originalität wichtiger als die Einbindung in die Überlieferung oder der Anschluss an die Tradition. Er hat auch erst sehr spät eingeräumt, dass einzelne seiner philosophischen Ideen und Gedanken Vorgänger haben, und dort, wo er zu solchen Zugeständnissen bereit war, stets auf die Bemerkung Wert gelegt, in welch unzulänglicher Weise diese Vorgänger ihre Ideen gefasst hätten50. Sowenig das Genie als solches aus irgendwelchen Lebensumständen oder Familiengenealogien abzuleiten ist, sowenig ist das, was es denkt aus dem, was vor ihm gedacht wurde, zu erklären. Das Genie ist ein Original oder es ist gar nicht. Eigenes und fremdes Denken stehen sich bei Schopenhauer in größtmöglicher Distanz gegenüber – die Frühlingsblume (Leben) ist ihm das adäquate Bild des einen, das Fossil (Tod) das adäquate Bild des anderen.51 Von einer Verlebendigung der Tradition, dem sich zu eigen Machen fremder Gedanken durch denkende Aneignung, weiß Schopenhauer nichts. Wer die Gedanken anderer kennt, sieht entweder die eigene Meinung bekräftigt oder beglückwünscht sich dazu, die sichtbar werdenden Irr-, Ab- und Umwege des Denkens vermieden zu haben – das philosophiegeschichtliche Wissen dient einzig der Selbstbestätigung, dazu, sich zu überheben. Schopenhauer ist in seinen Stellungnahmen zu anderen Philosophen dieser Theorie gemäß verfahren, vor der Folie des eigenen Denkens lobt er das jeweils Übereinstimmende und tadelt das jeweils Abweichende.52 Auch das Lesen ist ein bloßes Surrogat des eigenen Denkens53, das, von einem anderen am Gängelbande geführt, Zeit und Energie vergeudet – was auch sollte uns interessieren an den Überresten eines fremden Mahls54, als welches die gelesenen Gedanken erscheinen, wenn deren Wahrheit und Leben dem Verständnis transzendent bleiben? Schopenhauer übersieht dabei, dass die Kennzeichnungen »fremd« und »eigen« gerade auf das Allgemeine des Gedankens nur in einem sehr eingeschränkten Sinn, gewissermaßen bloß alltagssprachlich, angewendet werden können.

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