Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.
Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 11
»Erzählen Sie«, bat La, »bleiben Sie noch, Jo, Sie müssen uns etwas erzählen. Sie haben es eigentlich längst versprochen. Setzen Sie sich, die Bate müssen es auch hören.«
13 - Das Abenteuer am Südpol
Grunthe und Saltner hatten sich inzwischen mit den übrigen Martiern unterhalten. Diesmal waren sie recht gründlich nach allerlei Einrichtungen der Menschen ausgefragt worden. Grunthe beschrieb ihnen auf der Karte die Wohnplätze der verschiedenen Rassen und die Abgrenzungen der bedeutendsten Staaten. Sie waren sehr erstaunt zu hören, daß es große Gebiete der Erde gäbe, die man noch gar nicht oder sehr wenig kenne, und daß ihre Einwohner keinerlei Einfluß auf die Geschicke der ganzen Menschheit ausübten. Bei den Martiern bestehe zwar auch ein sehr großer Unterschied zwischen der Bildung der einzelnen Bewohner und Volksstämme, aber gänzlich unzivilisierte Landschaften gäbe es überhaupt nicht. Grunthe fragte nach der Anzahl der Marsbewohner und erfuhr zu seiner Überraschung, daß sie nicht weniger als dreitausendeinhundert Millionen betrüge, also das doppelte der Zahl der Menschen, auf einer viermal so kleinen Oberfläche zusammengedrängt wie die der Erde.
»Da können wir Ihnen einen Teil von uns überlassen«, sagte einer der Martier scherzend.
»Es würde Ihnen auf der Erde zu schwer werden«, erwiderte Saltner, dem der Gedanke eines Einfalls der Martier auf die Erde recht bedenklich erschien. »Lieber kommen wir ein wenig zu Ihnen.«
»Aber erst lernen Sie ordentlich balancieren«, ertönte eine Stimme aus der Luft. »Ich werde gleich einmal nachsehen.«
Es war Ses Stimme. Sie hatte die Klappe des Fernsprechers geöffnet und gerade Saltners Worte verstanden.
Gleich darauf erschien sie an der Tür. Um seine Geschicklichkeit zu erweisen, überschritt Saltner den ›Strich‹ und ging ihr vorsichtig entgegen. Sie lachte herzlich und rief, ihm die Hand entgegenstreckend: »Es geht schon ganz gut, Sie haben Fortschritte gemacht.«
Saltner ergriff die Hand und bückte sich, um sie an seine Lippen zu führen. Diese Verbeugung ging auch ganz gut vonstatten, aber als er sich aufrichten wollte, geschah es zu plötzlich, und er lief Gefahr, nach hinten zu stürzen. Da er sich über sich selbst lustig machte, so zeigten auch die Martier ihre Heiterkeit über seine vorsichtigen Bewegungen und baten ihn dann, ihnen doch einige seiner Kraftproben zu zeigen, von denen sie gehört hatten.
Eben hatte er zwei der Martier mit Leichtigkeit in die Luft gehoben, als sich La nach ihm umdrehte.
»Was wollen Sie über dem ›Strich‹?« sagte sie scherzhaft drohend.
Saltner sprang schleunigst einen Schritt zurück, hatte aber die beiden Herren vom Mars noch nicht niedergesetzt, und in dem Augenblick, als er den ›Strich‹ passierte, wurden sie ihm zu schwer, so daß sie ziemlich unsanft zur Erde kamen.
Während er sich entschuldigte, rief La: »Alle an den Tisch! Jo erzählt von seiner ersten Erdfahrt, bitte, bitte!«
Dem allgemeinen Drängen konnte Jo nicht widerstehen. Auch auf dem Mars spinnt ein alter Seemann gern ein Garn. Er setzte sich oben an den Tisch. Se und La saßen dicht am ›Strich‹ neben den beiden Deutschen.
Jo nahm bedächtig ein Pik, legte es an die Stirn, an das rechte und an das linke Auge, und sah sich dann noch einmal im Zimmer um.
Se verstand ihn.
»Unter dem Tischrand«, sagte sie. »Greifen die Herren nur zu.«
Schmunzelnd zog Jo ein Mundstück hervor und probierte das Getränk.
»Ein feiner Tropfen«, sagte er.
Ein Teil der Martier und auch Saltner folgten seinem Beispiel. La lehnte sich bequem zurück, Se nahm ihre chemische Handarbeit auf, und Grunthe zog sein Notizbuch hervor, um sich einige stenographische Aufzeichnungen zu machen.
»War damals siebzehn Jahr alt«, begann Jo seine Erzählung.
»Marsjahre«, sagte La leise zur Erklärung.
»– hatte eben meinen technischen Kursus absolviert, als ich mich beim Kapitän All meldete, der mit der ›Ba‹, vierundzwanzig Personen, nach der Erde abgehen sollte. Wollte mich eigentlich nicht mitnehmen, weil ich noch zu jung sei, aber da im letzten Augenblick einer von der Mannschaft verhindert wurde und kein andrer sich gemeldet hatte, so kam ich mit. Fünf Monate waren wir unterwegs und hatten glücklich so manövriert, daß wir der Erde parallel flogen, genau in der Achse über dem Südpol. Sie hatten Sommer dort unten, aber um den Pol herum war alles von dichten Wolken bedeckt. Wir sahen auf der Erde nur ihre weiße, von der Sonne beglänzte Wolkenoberfläche, und wo sie im Schatten verschwand, spielten die Südlichter in rötlichen Streifen. Wir ließen uns sinken und machten uns, als wir tief genug gekommen waren, so leicht, daß wir als Luftballon in der Atmosphäre schwammen. Dann ging es durch die Wolken hinab, und wir kamen auch glücklich, leider aber mit einer Abweichung von ein paar Kilometern, auf den Pol. Nun, Sie wissen, auf dem Südpol ist’s nicht so schön wie hier, ’s ist ringsum Festland-Eis, eine Hochfläche von ein paar tausend Metern, wie Sie’s hier nebenan haben – in – wie heißt das Ding?«
»Grönland.«
»Gut. Nun mußten wir aber das Schiff nach dem Pol schaffen, denn wir hatten das schwere Schwungrad für die Station, die wir vorbereiten sollten, auszuladen. Deshalb war All sehr ungehalten, daß er von der Erdachse abgekommen war. Aber dieselbe Ursache, die uns abgetrieben hatte, verhinderte uns, auch jetzt ans Ziel zu gelangen. Das war der herrschende Wind. Ich sagte schon, daß wir uns in der Atmosphäre nicht anders wie einer ihrer Luftballons verhalten können. Wir können uns leichter machen als die Luft, aber ihren Strömungen unterliegen wir dabei ebenso wie ihrem Widerstand.«
»Verzeihen Sie«, begann Grunthe, »ich habe mich schon immer gewundert, gerade weil sich Ihr Raumschiff in der Atmosphäre wie ein Luftballon handhaben läßt, und zwar mit dem wunderbaren Vorteil, weder Ballast noch Gas opfern zu müssen, da Sie sich nach Belieben leicht oder schwer machen können, ich habe mich gewundert, daß Sie nicht, nachdem Sie einmal am Pol die Erdgeschwindigkeit gewonnen haben, einfach mit Ihren Raumschiffen nach Europa oder den Vereinigten Staaten von Nordamerika gekommen sind – kurzum, warum Sie so ängstlich in der Befahrung unsres Luftmeers sind.«
»Und ich«, erwiderte Jo, »habe mich allerdings auch gewundert, wie Sie sich diesen gebrechlichen Dingern in einer Atmosphäre anvertrauen können, die so dicht und schwer ist wie die Ihrige, und in welcher nach allen Richtungen die tollsten Stürme einherrasen.«
»Ich habe«, bemerkte La, »in einem der Bücher gelesen, die Sie mitgebracht haben, von den Entdeckungsreisen der Menschen auf der Erde. Da spricht ein Seefahrer seine Verwunderung darüber aus, daß die Eingeborenen in irgendeiner Inselgruppe in ihren gebrechlichen Kähnen weite Fahrten unternehmen, an die er sich in seinem großen Dampfschiff nicht wagen würde, weil er die Gefahren der Tiefe nicht zu vermeiden weiß. Ähnlich mag es sich wohl mit unsern Raumschiffen und Ihren Luftballons verhalten. Bedenken Sie, daß wir Ihre Atmosphäre noch sehr wenig kennen –«
»Und vor allen Dingen«, fuhr Jo fort, »daß unsre Raumschiffe, die aus Stellit bestehen, nicht darauf eingerichtet sind, den großen Druck Ihrer Luft und den Widerstand, wenn wir nicht mit dem Wind fliegen, zu ertragen. Das Stellit ist sehr fest in der Kälte des Weltraums, aber in der Wärme und Feuchtigkeit der Luft wird es schnell angegriffen. Außerdem sind wir luftdicht durch unsre Kugel von außen abgeschlossen und können uns darum außerhalb derselben an nichts wagen. Die Technik unserer Luftschiffahrt auf dem Mars läßt sich auf der Erde aus verschiedenen Gründen nicht anwenden. Sie dürfen sich also nicht wundern, daß es uns bis jetzt noch nicht eingefallen ist, unsre Raumschiffe an unbekannte Gefahren zu wagen, durch die uns möglicherweise die Rückkehr abgeschnitten worden wäre. Doch sind bereits Versuche geglückt, diabarische Fahrzeuge mit Öffnungen herzustellen, und das, was uns noch fehlt, ist eigentlich nur ein genügend widerstandsfähiger Stoff für dieselben. Aber auch hier steht die Abhilfe bevor, und dann fahren wir zu Ihnen.«
»Wenn Sie zu uns kommen«, sagte La lächelnd zu Grunthe, »werde ich Ihnen mit Se eine Privatvorlesung über Raum- und Lufttechnik halten.«
»Dann fürchte ich leider, darauf verzichten zu müssen, denn ich gedenke vorläufig hierzubleiben.«
»So werde ich Ihnen einen ausführlichen, schönen, gelehrten Brief schreiben, verlassen Sie sich darauf!«
Grunthe verbeugte sich mit zusammengepreßten Lippen, und Jo fuhr fort:
»Nun kurzum, wir hatten keine Wahl, wir mußten jetzt mit dem Raumschiff nach dem Pol. Da nun aber das Wetter nicht besser wurde – das heißt, der Himmel war klar, aber die Luft blies vom Pol her –, so beschloß All, den Versuch zu wagen, uns nach dem Pol hinzuwinden. Wir hatten große Mengen von mit Lis durchzogenen Tauen mit. Dieses Tau legten wir vom Schiff bis zum Pol aus, verankerten es dort gründlich und setzten mit der Winde an. Das Schiff wurde nur soweit leicht gemacht, daß es sich gerade hob, ohne Gefahr, auf dem Eis aufzulaufen. Denn es zu schleifen durften wir nicht wagen, darauf ist unsere Stellitkugel nicht eingerichtet.
Die Arbeit ging natürlich langsam vorwärts, aber wir waren in vierundzwanzig Stunden doch einen Kilometer vorgerückt. Leider frischte der Wind immer stärker auf und wurde böig. Bei den Stößen bog sich die Kugel bedenklich an der Haftstelle des Seiles, und All hielt es für nötig, die ganze Kugel in ein Netz zu fassen. Es war eine furchtbare Arbeit, in dieser Luft und Schwere die Seile über die fünfzehn Meter hohe Kugel zu spannen, und daß keiner von uns dabei verunglückt ist, bleibt mir heute noch ein Rätsel. Todmüde ging es am dritten Tag wieder an die Winde. Eine Maschine hatten wir leider nicht mit, wir mußten mit unsern eignen Kräften arbeiten. Am fünften Tag waren wir bis auf einen Kilometer heran. Wir arbeiteten immer vier Mann und wurden alle Stunden abgelöst. Lieber machten wir den Weg hin und her zum Schiff, als daß wir uns ohne Erholung dem Druck der Schwere länger ausgesetzt hätten. Zur Rückfahrt benutzten wir übrigens einen Segelschlitten; das war unsre größte Freude, so der Ruhe mit Bequemlichkeit entgegenzufahren. Eben hatte ich mich mit meinen Kameraden aufgesetzt, und in zwei Minuten waren wir bis auf die Hälfte des Weges zum Schiff herangekommen, das nicht höher als etwa zehn Meter über dem Eis schwebte. Die Strickleiter hing aus der Luke bis zum Boden herab, und in weiteren zwei Minuten hofften wir in unsren Hängematten zu liegen.
Plötzlich sehen wir von der Seite und halb nach vorn hin etwas Gelblich-Weißes herantrotten, zwei große vierfüßige Tiere, wie wir sie noch nie gesehen hatten. Es waren, was Sie Eisbären nennen, aber damals wußten wir noch nicht, was das heißen will, wenn man ihnen waffenlos begegnet. Waffen hatten wir überhaupt nicht mit, nur die langen, mit Eisenspitzen versehenen Stangen, mit denen wir unsern Schlitten dirigierten und ihm nachhalfen. Noch niemals war uns auf dieser öden Erdfläche, außer einigen Vögeln, irgendein Tier begegnet. Von Raubtieren, die dem Numen gefährlich sind, wußten wir überhaupt nichts als aus den alten Überlieferungen der Vorzeit, da es solche auf dem Mars noch gegeben haben soll. Aber als diese Bestien, sobald sie uns erblickten, mit gierigen Augen auf unsern Schlitten zutrabten, dachten wir uns doch, daß die Sache nicht geheuer sei. Wir konnten freilich nichts tun, als mit unsern Picken die Fahrt unsres Schlittens beschleunigen, wobei wir dem Wind das Beste überlassen mußten. Ließ der Wind einen Augenblick nach, so mußten uns die Bären den Weg abschneiden. Es war eine fatale Situation, doch sahen wir dieselbe nicht als besonders bedenklich an, da wir glaubten, ihnen mit unsern Stöcken gewachsen zu sein. Wir waren jetzt nur noch hundert Meter von der Strickleiter entfernt, und man war bereits vom Schiff aus auf uns aufmerksam geworden. All selbst und zwei Mann, mehr hatten an der Luke nicht Platz, standen mit Gewehren bereit, denn damit war die Expedition für alle Fälle versehen. Sie wagten aber nicht zu schießen, weil das Schiff an dem langen Tau stark hin- und herschwankte und die Bären jetzt so dicht an dem Schlitten waren, daß wir selbst hätten getroffen werden können; ein sicheres Zielen war ja nicht möglich. Zudem hatten wir auch noch keine Erfahrung, wie Luftwiderstand und Schwere auf der Erde unsere Geschosse ablenken. Das Telelyt war damals noch nicht für Handwaffen im Gebrauch.
Ich stand vorn am Schlitten. Die Gefährten riefen mir zu, direkt auf die Strickleiter zu halten und sie sofort zu erfassen. Wir durften ja die Geschwindigkeit des Schlittens nicht mäßigen. Es handelte sich noch um Sekunden. Da stößt der Schlitten an irgendein kleines Hindernis und wird von seinem Weg abgelenkt. Ich fürchte, daß ich die Strickleiter verfehle, und renne den Stock so stark in das Eis, daß er mir aus der Hand gerissen wird. Wir sausen an der Leiter vorbei. Da pfeift es über uns, und der eine Bär wälzt sich in seinem Blut. Durch die Wendung des Schlittens hatte All zum Schuß kommen können. Der andere aber ist unmittelbar am Schlitten. Unglücklicherweise stechen die beiden zuletzt Stehenden mit ihren Picken nach ihm. Der Bär ist verwundet, aber mit einem Tatzenschlag hat er den armen Tam vom Schlitten gerissen. Er erfaßt ihn an seinen Kleidern und trabt mit ihm davon.
Inzwischen war All mit einer Anzahl bewaffneter Leute die Leiter herabgestiegen, und wir hatten den Schlitten zum Stehen gebracht. Der Bär aber lief mit seiner Beute so schnell, daß All ihm nicht folgen konnte; Sie wissen ja, daß wir schwer an uns zu tragen haben, wenn wir uns auf der Erde bewegen sollen. Zu schießen wagte All nicht um Tams willen; wenn auch dieser nicht selbst getroffen wurde, so wäre er doch verloren gewesen, sobald der Bär nicht sofort auf der Stelle tot war.
Unsre Bestürzung war groß. Wir suchten den Bären durch Schreien einzuschüchtern, aber er kümmerte sich um nichts. Die Entfernung zwischen ihm und uns vergrößerte sich schnell.
›Wir können ihn nicht stellen‹, rief All, ›doch folgen müssen wir ihm. Ich gehe selbst, zwei Leute genügen zur Begleitung. Die andern zurück aufs Schiff!‹
Jetzt sahen wir, daß der Bär die Richtung auf unsern Arbeitsplatz am Pol einschlug. Unsre Gefährten an der Winde hatten ebenfalls den Vorgang bemerkt. Sie stellten die Arbeit ein und beratschlagten offenbar, ob sie sich dem Schlitten anvertrauen oder auf das Gerüst flüchten sollten, das über der Winde erbaut war. Da der Bär sich schnell näherte, so wählten sie das letztere. Auch sie suchten den Bär durch Lärm zu verscheuchen, aber vergebens.
Als All erkannte, daß der Bär auf die Arbeiter an der Winde zulief, hieß er jeden seiner Begleiter noch ein Gewehr mitnehmen, um sie womöglich ihnen zuzustellen. All hatte noch nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, als der Bär bereits bei der Winde ankam. Wir waren inzwischen, mit Ausnahme Alls und seiner Begleitung, in das Schiff zurückgekehrt und beobachteten von dort den Vorgang. Die Leute auf dem Gerüst ärgerten offenbar den Bären. Er ließ Tam am Fuß des Gerüstes liegen, setzte sich auf die Hinterbeine und schlug seine Tatzen in die Winde ein, als wolle er sie umreißen. Kaum hatte All bemerkt, daß Tam nicht mehr geschleppt wurde, als er auf etwa fünfhundert Meter auf den Bären anlegte. Einen Augenblick zögerte er noch, um eine günstigere Stellung abzuwarten. Da schien es, als wolle der Bär von der Winde ablassen und sich wieder seiner Beute zuwenden.
All drückte los.
Eine Sekunde später sahen wir den Bären zusammenstürzen. Mehr sahen wir nicht. im Moment darauf erhielten wir einen Stoß, daß wir alle übereinander fielen. Als wir uns aufrafften, fanden wir das Raumschiff um wenigstens fünfzig Meter gehoben und vom Wind mit großer Geschwindigkeit davongetrieben. Es war nicht anders denkbar, als daß Alls Kugel das dünne Tau zerschnitten, der Druck des Windes es vollends zerrissen hatte.
Der erste Steuermann übernahm das Kommando. Aber es war sehr schwierig, etwas zu tun.
Die Anker heraus und tiefer!
Das Schiff streifte in drohender Nähe des Eises hin. Wenn die Anker nicht bald faßten, so war keine Aussicht, die Gefährten wiederzusehen.
Aber die Anker tanzten über die völlig glatte, hart gefrorene Fläche des Eises hin, ohne zu fassen. Glücklicherweise leistete uns das lange Seil ausgezeichnete Dienste, an welchem wir das Schiff nach dem Pol hinbugsiert hatten. Es diente uns jetzt als Schleppseil, indem wir es in einer Länge von fast tausend Meter nachzogen. Von Minute zu Minute hofften wir über Spalten zu kommen, in denen es sich vielleicht verfangen könne. Leider wurde der Wind immer stärker und steigerte sich zum Sturm. Wir wußten aus der Karte, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis wir zu der Stelle gelangten, an der das Eisfeld in steilem Abfall nach dem Meer hin abstürzt. Vorher freilich mußten große Bruchspalten kommen, und darauf setzten wir unsre Hoffnung.
Fast eine Stunde mochten wir so dahingerast sein, schon sahen wir in der Ferne das Meer auftauchen – da kamen auch die Spalten. Würde das Tau sich verfangen? Die Anker nutzten uns nichts mehr, denn die Oberfläche des Eises wurde jetzt so unregelmäßig, daß wir uns höher erheben mußten, um nicht gegen einen Vorsprung geschleudert zu werden, und die Ankerseile waren nur kurz. Da, endlich gibt es einen Ruck, daß wir taumeln – doch die Fahrt geht wieder weiter – aber jetzt, jetzt halten wir an, das Seil hat sich gespannt! Doch was ist das? Ein furchtbarer Windstoß von oben drückt unser Schiff nach dem Boden zu; da wir dem Sturm nicht mehr folgen, drängt er uns hinab, das Schiff prallt gegen den Boden und erhebt sich aufs neue – noch ein solcher Stoß, und wir sind verloren. Wir müssen steigen, wir machen uns schwerelos und heben uns in die Höhe. Aber war die Hebung zu stark oder hat die veränderte Richtung das Seil aus der Spalte gelöst – kurzum, es gibt nach, wir schnellen in die Höhe, das Seil hängt frei herab, und wir folgen wieder dem Sturm – wir schweben über dem Absturz des Gletschers, vor uns das wütende, mit Eisschollen erfüllte Meer. – Jetzt blieb nichts übrig, als nach oben zu entfliehen, in höhere Schichten der Atmosphäre. Wir wußten aus der Karte, daß wir eine breite Meeresbucht zu überfliegen hatten, jenseits deren sich hohe feuerspeiende Berge erheben. Schon sahen wir von unsrer Höhe ihre Rauchwolken am Horizont. Wir fliegen immer direkt nach Norden auf einem Meridian, der in der Richtung nach der großen Insel hinläuft, die Sie, wie ich aus Ihrer Karte gesehen habe, Neuseeland nennen. An Landung konnten wir nicht mehr denken, wir mußten hinauf. Aber dazu mußten wir noch eine schwere Arbeit vollbringen, an die ich nicht gern denke. Das Netz um unser Schiff mit dem langen Seil mußte fort. Denn was außerhalb unsrer Kugel ist, können wir nicht diabarisch machen, es hätte unsre Bewegung im Raum gehindert. Ich war der Jüngste, ich mußte in der untern Luke hängend das Seil kappen; dann wurden von oben die Verbindungen des Netzes gelöst, und ich hatte die Aufgabe, die Seile nach unten zu ziehen. Dabei herrschte hier oben eine Kälte, daß das Quecksilber gefror. Glücklicherweise behalten die Lisseile ihre Geschmeidigkeit, sonst wäre die Arbeit unmöglich gewesen. Ich wundere mich noch heute, daß ich nicht abgestürzt bin, denn ich mußte in der Erdschwere arbeiten.
Endlich war auch das geschehen. Die Luken wurden geschlossen, und wir ließen die Erde hinter uns.«
14 - Zwischen Erde und Mars
Jo tat einen Zug aus seinem Mundstück und fuhr dann in seiner Erzählung fort.
»Was war nun zu tun? Nach kurzer Ruhepause versammelte uns der erste Steuermann, Mitt hieß er, der später die berühmte Umschiffung des Jupiter ausführte, zu einer Beratung. Sollten wir versuchen, noch einmal die Erdachse zu gewinnen und nach dem Pol zurückzukehren? Sollten wir die Unseren ihrem Schicksal überlassen und die Heimreise nach dem Mars antreten? Wir hatten den vierten Teil unserer Mannschaft und den Kapitän verloren. Es war natürlich, daß wir zu ihnen zurückwollten. Aber es war auch nicht leicht. Eine nochmalige Landung und eine zweite Abfahrt von der Erde verlangten einen solchen Aufwand von Energie und vor allem von Richtschüssen, daß die Gefahr vorlag, dadurch unsre Rückkehr nach dem Mars überhaupt in Frage zu stellen. Trotzdem wurde beschlossen umzukehren, nachdem Mitt eine Berechnung gemacht und gefunden hatte, daß wir unter günstigen Umständen gerade auskommen könnten. Wären wir nämlich nach dem Mars gegangen und wäre von dort sofort ein neu ausgerüstetes Schiff nach der Erde geschickt worden, so hätte doch erst im nächsten Frühjahr den Zurückgebliebenen Hilfe gebracht werden können. Daß sie aber den Polarwinter auf der Erde nicht überstehen konnten, war gewiß.
Alle diese Überlegungen, insbesondere die genauere Berechnung und ihre wiederholte Prüfung, hatten längere Zeit in Anspruch genommen.
Seitdem wir die Atmosphäre der Erde verlassen und in der Richtung der Tangente der Erdbahn uns bewegten, mochten etwa sechs Stunden vergangen sein. Obwohl wir in dieser Zeit einen Weg von über 600.000 Kilometern zurückgelegt hatten, waren wir doch von der Erde selbst, die ja in gleicher Richtung auf ihrer Bahn hinlief, noch kaum 1.500 Kilometer entfernt. Wenn wir uns jetzt volle Schwere gaben, konnten wir sie in kurzer Zeit wieder erreichen, und es kam darauf an, uns durch einen mäßigen Korrekturschuß eine solche seitliche Geschwindigkeit zu erteilen, daß wir nach dem Pol gelangten.
Die äußere Kugelhülle unseres Schiffes, in welcher sich die innere Kugel fast ohne Reibung nach jeder Richtung drehen kann, hatte natürlich durch die Abenteuer, die wir bei der Abfahrt und in der Atmosphäre erlebten, eine starke Rotation erhalten. Wir hatten bereits zu unserm großen Mißbehagen bemerkt, daß der Apparat nicht richtig funktionierte, welcher die innere Kugel in ihrer Gleichgewichtslage zu halten hatte, indem wir fortwährend Schwankungen durch die äußere Kugel erlitten. Bis jetzt war jedoch noch keine Zeit gewesen, dem Übelstand abzuhelfen. Nun aber kam es darauf an, die Rotation der äußeren Kugel sowohl wie die Schwankungen der inneren vollständig zu hemmen. Es war dies einerseits wünschenswert, um eine genaue Aufnahme unserer Lage zu machen, obwohl dieser Zweck allenfalls auch durch Momentphotographie erreicht werden kann; andererseits war es durchaus notwendig für die genaue Abgabe des Richtschusses, der durch das Ventil an der Außenseite der äußeren Kugel gelöst wird. Denn wenn dieser auch nur um geringe Differenzen fehlerhaft wird, so können daraus Abirrungen vom Weg entstehen, die nur schwer wieder zu korrigieren sind, für uns aber, die wir keine Kraft zu verschwenden hatten, verhängnisvoll werden konnten.
Als wir nun das Schiff einer genauen Besichtigung unterwarfen, stellte sich zu unserm nicht geringen Schrecken heraus, daß der Winddruck während der Verankerung und das Aufschlagen des Schiffes Formveränderungen der äußeren Kugel bewirkt hatten, die eine umständliche Reparatur erforderten. Bevor diese nicht fertiggestellt war, durften wir keine Schwere geben und überhaupt kein Manöver ausführen. Und diese Reparatur nahm leider, das war zu sehen, einige Tage in Anspruch. Während dieser Zeit mußten wir auf unsrer gradlinigen Bahn verharren, die uns auf Strecken von der Erde entfernte, welche dem Quadrat der Zeit proportional waren.
Aber es war auf dieser Reise, als wenn uns nichts gelingen sollte. Ein neuer Mißstand trat auf.
Der Mond der Erde näherte sich der Stellung, in welcher die Erde Vollmond hat. Unglücklicherweise entfernten wir uns also von der Erde gerade in der Richtung auf den Mond zu. Dies wäre ja für uns ziemlich gleichgültig gewesen, wenn wir in der Nähe der Erde, wenigstens am ersten Tag unsrer Fahrt, unsere Umkehr hätten bewerkstelligen können. Nach Ablauf des dritten Tages aber mußten wir, sobald wir uns der Gravitation unterwarfen, in den Anziehungsbereich des Mondes statt in denjenigen der Erde geraten. Konnten wir also unsere Reparatur nicht vorher beendigen, so hatten wir nur die Wahl, unsere Richtschüsse auf gut Glück bloß zur Verringerung unsrer Geschwindigkeit zu verschwenden oder uns in so weite Entfernung von der Erde hinaustragen zu lassen, daß sich unsere Rückkehr auf lange verzögern mußte. Und wer weiß, ob wir dann unsere Gefährten noch lebend angetroffen hätten?
Wir arbeiteten also in fieberhafter Eile an der Herstellung des Schiffes, um möglichst bald einen sichern Richtschuß abgeben zu können. Und wirklich, im Verlauf des dritten Tages war es gelungen, die Kugeln zeigten keine merkliche Drehung mehr. Es war die höchste Zeit; noch wenige Stunden, und wir hätten den Einfluß des Mondes bekämpfen müssen. Jetzt konnten wir es noch wagen, uns schwerzumachen und der Anziehung der Erde nur durch einen schwachen Korrekturschuß nachzuhelfen.
Die Diabarität wurde aufgehoben. Mit höchster Spannung warteten wir die nächste Beobachtung ab. War in der früheren Berechnung irgendein kleiner Fehler vorgekommen, so konnte es sein, daß wir nach dem Mond statt nach der Erde fielen. Noch stand er über uns, mit seiner glänzenden Scheibe einen beträchtlichen Teil des Himmels verdeckend, denn sein Durchmesser erschien 26mal so groß wie hier von der Erde aus. Deutlich unterschieden wir jede Einzelheit an seiner Oberfläche. Die riesigen Ringgebirge lagen wie zum Greifen vor uns. Die langgestreckten Lavafelder, durch die tiefschwarzen Schatten breiter Risse unterbrochen, glänzten blendend im Sonnenlicht. Unter uns, bereits merklich kleiner als der Mond, schwebte die Erde als matte Scheibe, vom Schimmer des Mondlichts erleuchtet; nur eine schmale Sichel zeigte sich im Strahl der Sonne. Wenn wir uns von der Sonne, die nahe neben der Erde stand, abwendeten, glänzten überall am tiefschwarzen Firmament die Sterne in leuchtender Pracht. Es war ein herrlicher Anblick, aber wir achteten nicht darauf. Wir warteten nur, ob unsere Kugel beginnen würde, sich zu drehen, das heißt, den Boden unter unsern Füßen dem Mond zuzuwenden; dies wäre das Zeichen gewesen, daß wir dem Mond und nicht mehr der Erde tributär waren. Noch näherten wir uns dem Mond, da er noch immer ein wenig vor uns in unserer Richtung stand. Noch überwog die Anziehung der Erde, doch war sie von der des Mondes so geschwächt, daß wir kaum einen Zug nach dem Boden bemerkten; wir mußten uns verhalten wie im schwerelosen Feld. Die Sorge um unsere Gefährten ließ es uns jeden Augenblick erscheinen, als begönnen die Gegenstände sich zu erheben, als wollte unsre innere Kugel sich drehen. Aber noch immer schwebte der Mond über uns.
Endlich hatte Mitt seine Beobachtung beendet. ›Wir kommen durch‹, sagte er. ›Wir sinken.‹ Alle atmeten auf.
Noch eine Viertelstunde, und die Erdschwere machte sich wieder geltend. Die Instrumente ließen deutlich erkennen, daß wir uns der Erde wieder zu nähern begannen. Nun kam es darauf an, den passenden Richtschuß zur Korrektur unsres Falls abzugeben. Wir hätten zwar damit warten können, bis wir der Erde näher waren. Aber je eher wir es taten, um so weniger Energie brauchten wir aufzuwenden. Denn wenn erst unsre Fallgeschwindigkeit größer geworden war, so mußte die Kraft auch um so stärker sein, welche unsre Richtung zu verändern vermochte.
Mit größter Sorgfalt wurde die Bombe gewählt, die äußere Kugel in die berechnete Stellung gebracht und die Entladung durch Verbindung mit dem Chronometer im richtigen Moment bewirkt. Die Reaktion war schwach, und wir schwankten nur wenig auf unsern Plätzen. In wenigen Minuten war alles vollbracht, was wir vorläufig tun konnten. Todmüde suchten wir unsere Lagerstätten auf, denn Ruhe hatte es bis jetzt für uns nicht gegeben.
Ich hatte einige Stunden fest geschlafen, als ich durch ein allgemeines Stimmengewirr aufgeweckt wurde. Ich eilte in den Außenraum, und das erste, was mir in die Augen fiel, war der veränderte Anblick des Mondes. Er war kleiner geworden, wir entfernten uns also von ihm; das beruhigte mich. Aber seine erleuchtete Fläche zeigte eine Abplattung, das heißt, wir sahen auf ein Stück der nicht erleuchteten Mondkugel, das meiner Ansicht nach größer war, als es hätte sein dürfen, wenn wir nach der Erde zu fielen. Schnell begab ich mich nach der unteren Seite, und hier sah ich, daß auch die Erde entschieden an Größe abgenommen hatte. Wir entfernten uns also von beiden Himmelskörpern, und zwar, wie sich sogleich herausstellte, in einer nahezu kreisförmigen Ellipse, deren Ebene mit der der Erdbahn fast einen rechten Winkel bildete.
Wie dies geschehen konnte, ist bis heute unaufgeklärt geblieben. Daß es nicht eher bemerkt wurde, daran trug der Mann schuld, welcher die Wache hatte und aus Übermüdung eingeschlafen war. Sonst hätte er sehr bald am Richtungszeiger den Fehler bemerken müssen, und dann hätte noch ein Korrekturschuß angebracht werden können. Jetzt aber war unsere Entfernung von der Erde bereits so groß geworden, daß wir unsere Richtung fast hätten umkehren müssen, um die Erde wieder zu erreichen. Das durften wir bei unserm geringen Vorrat an starken Richtschüssen nicht tun.
Einige von Ihnen wissen vielleicht, daß Mitt nach unsrer Rückkehr auf den Mars seines Fehlers wegen zur Verantwortung gezogen wurde. Es konnte ihm aber kein Versehen nachgewiesen werden, und er wurde freigesprochen. Die Rechnungen wurden sämtlich aufs genauste geprüft, und es blieben nur zwei Erklärungen übrig. Es war möglich, daß nach dem Verlassen der Erdatmosphäre wegen der mangelhaften Beschaffenheit unsres Schiffes die erste Ortsbestimmung fehlerhaft gewesen ist und dieser Fehler auf die Beurteilung unsrer Richtung oder Geschwindigkeit nachgewirkt hat. Infolgedessen wäre der Korrekturschuß unrichtig abgegeben worden. Es konnte aber auch die Beobachtung als richtig vorausgesetzt und der Rechnung durch die Hypothese genügt werden, daß wir, ohne es zu wissen, während des Schlafs der Wache durch einen unbekannten kosmischen Körper abgelenkt worden sind, den wir, obgleich er ziemlich groß gewesen sein muß, nachträglich nicht bemerkten, weil er bereits in den Erdschatten getreten war.
