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Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 12
Nun, wie dem auch sein mochte, wir konnten nicht mehr zur Erde zurück. Unsre Niedergeschlagenheit können Sie sich denken. Sie wurde noch größer, als wir erkannten, wie es mit unsrer Rückkehr zum Mars beschaffen sei.
Gingen wir in unsrer Bahn weiter, so kamen wir nach einem halben Erdenjahr wieder der Erde so nahe, daß wir sie hätten erreichen können. Aber dann hatte der Südpol Winter, und wir wären dort verloren gewesen. Der gewöhnliche Weg nach dem Mars war uns zum Unglück durch einen großen Kometen versperrt, dessen Anziehungsbereich wir berücksichtigen mußten. Ein zweiter Weg – Sie müssen bedenken, daß wir unsre Richtung und Geschwindigkeit nicht so oft und beliebig ändern konnten wie heutzutage –, ein zweiter Weg hätte uns bis in die Nähe der Asteroidenbahnen geführt, und das ist so, als wenn Sie auf dem Meer zwischen unbekannten Klippen segeln wollten. Denn wenn wir auch damals schon gegen 2.000 dieser kleinen Planeten kannten, so gibt es doch noch unzählige, die so klein sind, daß wir sie noch nie gesehen haben, kleiner als unsre Kugel, aber genügend, um uns in Grund und Boden zu bohren, wenn wir auf einen treffen. Außerdem hätte auch dieser Weg so lange Zeit in Anspruch genommen, daß es fraglich wurde, ob unser Proviant dazu ausreichte. Alle übrigen Wege waren noch weiter und mußten deshalb verworfen werden. Der Mars stand, wie ich bemerken will, hinter der Sonne, denn seit unsrer Abreise von ihm war ein halbes Erdenjahr vergangen.
Mitt hatte uns das Resultat seiner Berechnungen mitgeteilt und sich dann zu neuen Prüfungen in seine Kajüte zurückgezogen. Wir saßen in uns gekehrt da, jeder machte sich mit dem Gedanken vertraut, unsren lieben Nu nicht wieder zu betreten. Einer der Gefährten äußerte sich endlich dahin, man solle die jetzige Bahn einhalten, nach einem halben Jahr die Erde zu treffen suchen, diese aber am Nordpol anlaufen. Da alsdann dort Sommer wäre so würden wir wahrscheinlich eins unsrer Schiffe antreffen, von dem wir genügende Vorräte bekommen könnten, um im nächsten Südsommer nach dem Südpol zurückzukehren. Die Hoffnung freilich, unsre Gefährten noch zu retten, mußten wir wohl aufgeben, immerhin aber konnten wir auf diese Weise unsre Rückkehr nach dem Mars sichern, selbst für den Fall, daß wir kein Schiff daselbst antrafen. Wir konnten ja dann die günstigste Stellung zur Reise abwarten und fanden auf alle Fälle einige Vorräte in den Depots. Dieser Plan fand allseitigen Beifall, und wir schickten uns eben an, den Kapitän zu rufen, um ihm unsre Vorschläge zu machen, als dieser mit glänzenden Augen unter uns trat und rief: ›Freunde, wollen wir in sechzig Tagen auf dem Mars sein?‹
Wir sprangen auf und umringten ihn. Alle wollten wir näheres hören. Nun –«
Jo unterbrach sich und warf einen Blick auf die Uhr.
»Pik und Spe!« rief er. »ist das schon spät geworden! Nun, ich will schnell ein Ende machen!«
»O bitte, bitte, es ist noch Zeit.«
»Kurz und gut! Mitt hatte den kühnen Plan erdacht, in einer rückläufigen Hyperbel mit kurzer Periheldistanz quer über die Erdbahn weg auf den Mars zu stoßen. Er setzte uns das kurz auseinander. Allerdings mußten wir unsre Richtschüsse bis auf einen letzten, zum Landen bestimmten Notvorrat daran wagen. Nur eine Gefahr war dabei, und deshalb wollte Mitt nicht ohne unsere Einwilligung handeln – wir kamen der Sonne in einer Weise nahe, wie es noch kein Raumschiffer gewagt hatte, und es fragte sich, ob wir die Strahlung würden aushalten können.
Auch der Plan, auf der Erde am Nordpol anzulegen, schien Mitt sehr erwägenswert, und lange wurde hin und her überlegt, was zu tun sei.
Aber Sie wissen ja, in jedem rechten Raumschifferherzen steckt die Lust, das Ungewohnte zu wagen, wenn es einigermaßen aussichtsvoll ist. Den Gefährten konnten wir in diesem Südpol-Sommer doch nicht mehr helfen, und so wurde beschlossen, die kühne Hyperbelfahrt zu versuchen.
Nun, Gott war gnädig, wir sind heimgekommen. Aber die zwei Tage, die wir um die Sonnennähe jagten, die möchte ich nicht wieder erleben. Ich habe manches durchgemacht – solche Glut noch nicht. Wir konnten unsre äußere Stellitkugel nur dadurch vor dem Schmelzen bewahren, daß wir sie schnell rotieren ließen; so strahlte sie die auf der einen Seite empfangene Hitze auf der andern wieder aus – weiß nicht, bekomme sogleich einen wahren Merkursdurst, wenn ich daran denke!«
Damit tat Jo einen tiefen Zug aus seinem Mundstück und erhob sich.
»Schade, schade, daß Sie morgen schon fortgehen!« sagte La zu Jo. »Von der Sonnennähe müssen Sie uns noch einmal erzählen!«
»Wenn’s einmal recht kalt ist!«
»Und All? Hat man nichts mehr von ihm gehört?« fragte Grunthe.
»Nichts! Auch bei wiederholten Besuchen des Südpols hat man keine Spuren mehr gefunden, keine Aufzeichnungen. Und nun, Gott befohlen! Auf Wiedersehen morgen vormittags!«
Jo schüttelte den Deutschen die Hände, und alle Martier wiederholten die Begrüßung. Dann zogen sie sich zurück. Nur La und Se blieben noch einige Minuten und redeten ihren Gästen zu, ihre Reise nicht im Winter zu wagen, sondern mit ihnen nach dem Mars zu gehen.
»Lassen Sie sich durch Jos Erzählung nicht bange machen«, sagte La lächelnd. »Wir nehmen jetzt soviel Richtschüsse mit, daß wir allen Hindernissen schleunigst ausweichen können. Die Gefahr lag ja früher darin, daß man auf der Erdoberfläche landen und von dort abreisen mußte; jetzt aber haben wir auf beiden Planeten Stationen außerhalb der Atmosphäre.«
»Solche Besorgnisse würden uns nicht abhalten«, sagte Grunthe ernst. »Wir hoffen ja später mit der Hilfe Ihrer Landsleute auf den Mars zu reisen.«
»Und was hält Sie denn ab, schon jetzt mit uns zu kommen?« fragte Se.
»Die Pflicht«, erwiderte Grunthe.
La und Se schwiegen einen Augenblick. Dann sagte Se mit einem Blick auf Saltner:
»Es gibt auch eine Pflicht gegen die Freunde.«
»Die Pflicht der Dankbarkeit gegen unsre Retter wird mir stets heilig bleiben«, sagte Grunthe, »aber im Falle des Widerstreits entscheidet die ältere –«
»Oder die höhere«, fiel La ein, »und das werden wir schon noch untersuchen.«
»Das wissen Sie ja«, sagte Saltner herzlich, »daß ich nichts lieber täte, als mit Ihnen zu gehen, wohin’s auch immer wäre.«
»Mit wem denn?« scherzte La. »Wir wohnen leider auf dem Mars dreitausend Kilometer voneinander.«
»Das ist nicht so schlimm«, erwiderte Saltner. »Sie haben dort gewiß so schnelle Beförderungsmittel, daß man einen Tag hier und einen da sein kann. Und das hat auch seine guten Seiten.«
»Das ist reizend«, rief Se. »Sie passen ausgezeichnet auf den Mars. Wenn wir Sie nun beim Wort nehmen?«
Se und La warfen sich einen Blick des Einverständnisses zu. Dann faßten sie jede einen seiner Finger und sagten gleichzeitig:
»Gebunden.«
Saltner machte ein etwas verdutztes Gesicht, da er nicht recht wußte, was das bedeuten sollte.
»Wieso?« fragte er. »Was soll das sein?«
»Ein Spiel!« rief La, und beide sahen ihn so sonderbar und freundlich an, daß ihm ganz seltsam ums Herz wurde.
»Gehen’s«, sagte er etwas verlegen, »Sie wollen mich gewiß zum besten haben. Was muß ich denn jetzt tun?«
»Das wird sich schon finden. Recht liebenswürdig sein müssen Sie!« sagte Se. »Und jetzt gute Nacht! Sie müssen morgen zeitig aufstehen, eigentlich schon heute, der Flugwagen nach der Außenstation geht um ein Uhr.«
»Auf Wiedersehen morgen am abarischen Feld!« rief La.
Und beide nickten ihm freundlich zu, grüßten Grunthe und schwebten mit ihrem leichten, gleitenden Schritt nach der Tür. Die Wolke glühender Funken wogte um Se, und über den schlanken Formen ihres Halses schimmerte der zarte Regenbogen ihres Haars. Über Las Haupt glänzte es wie ein Heiligenschein, und aus ihren tiefen Augen fiel ein langer Blick auf Saltner zurück. Dann schloß sich die Tür. Die Feen der Insel waren verschwunden.
Saltner stand noch lange stumm und blickte nach der geschlossenen Tür. Was meinten sie wohl? Wie sollte er sie verstehen? Und welche von beiden –
Dann drehte er sich auf dem Absatz herum und pfiff leise vor sich hin.
»Das ist gescheit«, sagte er, »die scheinen halt nicht eifersüchtig. Aber – am Ende ist das gar nicht sehr schmeichelhaft für mich. Wer kann sich auch gleich bei den Feen auskennen? Kommen Sie, Grunthe, wir wollen soupieren.«
Die beiden Männer zogen sich in ihr Zimmer zurück, aßen zu Abend und sprachen dabei hin und her über die Frage, ob sie imstande sein würden, dem Wunsch der Martier zu widerstehen und am Pol zurückzubleiben.
»Ich ging schon gern hin«, sagte Saltner endlich, »aber von Ihnen geh ich nicht, alter Freund. Und nun sehen Sie zu, was Sie durchsetzen.«
15 - 6.356 Kilometer über dem Nordpol
Grunthe und Saltner ruhten noch in ihren Betten, als bereits im abarischen Feld ein reges Leben herrschte. Die Martier, welche das Raumschiff besteigen sollten, begaben sich in Abteilungen von je vierundzwanzig Personen nach der Außenstation. So viele faßte der Flugwagen, der den Verkehr von der Insel nach dem Abgangspunkt der Raumschiffe vermittelte, nach jenem in der Höhe von 6.356 Kilometern über dem Pol schwebenden Ring. Es waren also, um die Reisenden und diejenigen ihrer Freunde, die sie bis an das Schiff begleiten wollten, nach dem Ring zu befördern, drei Flugwagen erforderlich. Der Aufstieg nahm ungefähr eine Stunde in Anspruch, und da sich niemals mehr als ein Wagen im abarischen Feld befinden durfte, so verließ der erste Wagen schon am frühsten Morgen, richtiger noch in der konventionellen Schlafenszeit, denn die Sonne ging ja nicht auf noch unter, die Inselstation. Dies war nach der Tageseinteilung, welche die Martier für den Nordpol der Erde festgesetzt hatten, um 11,6 Uhr, nach mitteleuropäischer Zeit ungefähr um 11 Uhr vormittags, eine Stunde vor dem Aufstehen, wie es sonst auf der Insel üblich war.
Diesmal mußten Grunthe und Saltner freilich etwas früher ihre Ruhe unterbrechen, denn der dritte Flugwagen, der sie nach der Außenstation bringen sollte, verließ die Insel gegen 0,6 Uhr, um eine Stunde vor der Abfahrt des Raumschiffes am Ring zu sein.
Die Martier waren schon fast vollständig in der Abfahrtshalle am abarischen Feld versammelt, als Grunthe und Saltner ankamen. Die meisten der Anwesenden waren ihnen bereits bekannt, und alle begrüßten sie aufs liebenswürdigste. Auch Hil, der Arzt, hatte sich eingefunden. Da die Menschen zum erstenmal eine Fahrt im abarischen Feld machten – wenn man die unfreiwillige in ihrem Luftballon nicht mitrechnen wollte –, so war es ihm von größtem wissenschaftlichem Interesse, ihr Verhalten dabei zu beobachten. Auch konnte man ja nicht wissen, ob nicht vielleicht unter den ungewohnten Bedingungen, denen die Menschen hier ausgesetzt waren, seine Hilfe vonnöten würde. Indessen wußten sich Grunthe und Saltner schon ganz geschickt zu benehmen, als sie die auf Marsschwere gestellte Vorhalle betraten. Zu ihrer Verwunderung sahen sie, daß die Martier die Pelzkragen nicht mehr trugen, in denen sie den Weg über die Insel zurückgelegt hatten, sondern sich in ihrer gewöhnlichen Zimmertoilette befanden.
Hil forderte sie auf, ebenfalls ihre Mäntel abzulegen, da sie nun bis zu ihrer Rückkehr nicht mehr ins Freie kämen. Wagen und Ringstation seien selbstverständlich künstlich erwärmt.
Vergeblich sah sich Saltner nach La und Se um. Schon ertönte das Signal zum Einsteigen, als La eilig hereinkam und die Anwesenden begrüßte. Ihre Blicke flogen alsbald zu Saltner, der sich ihr noch schnell näherte und ihr die Hand reichen wollte. Sie aber legte beide Hände auf seine Schultern und sah ihm zärtlich in die Augen. Die Begrüßung überraschte ihn, er mußte sich einen Augenblick sammeln, denn er wußte, daß diese Form des Willkomms nur unter ganz nahestehenden Freunden oder Liebenden üblich war und ungefähr die Bedeutung eines Kusses unter den Menschen besaß. Aber ihre Blicke gaben ihm schnell den Mut, sie zu erwidern, und zu seiner großen Freude glückte es ihm, ihre Schultern mit seinen Händen zu berühren, ohne zu hoch in die Luft zu greifen, und sie auch wieder zu entfernen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Nur das rosig schimmernde Haar streiften seine Finger, und er fühlte diese Berührung wie ein leises Überspringen elektrischer Funken.
Schon bestiegen die übrigen den Flugwagen. Hil geleitete Grunthe hinein. La faßte Saltner an der Hand, um ihn beim Hinaufsteigen der ungewohnten Stufen ins Innere des Wagens zu unterstützen. Ehe er dieselben betrat, blickte er noch einmal zurück, um nach Se zu schauen, ob sie nicht käme.
»Heute nicht«, sagte La, seinen Gedanken erratend, »morgen sehen Sie sie wieder. Heute müssen Sie mit mir vorliebnehmen.«
Es war keine Zeit zu Erklärungen. Der Wagen wurde geschlossen. Dies geschah, indem der außenstehende Beamte die Falltür hob, durch welche die Reisenden in das Innere des Wagens gestiegen waren. Der Boden bildete jetzt die ebene, mit weichen Teppichen belegte Fläche eines geräumigen Zimmers. Die Decke war gleichfalls eben, während der ganze Wagen äußerlich die Gestalt einer vollkommenen Kugel besaß. In den beiden Segmenten, welche durch Boden und Decke gebildet waren, befand sich je ein Wagenführer, die beide durch Signale mit der untern wie mit der oberen Station verkehrten.
Nirgends zeigte sich ein Fenster, von der Außenwelt war nichts zu sehen. Eine Anzahl von Kugeln, welche an unsichtbaren Lisfäden von der Decke herabhingen, verbreitete ein angenehmes Licht. Die Deutschen sahen hier zum erstenmal die künstliche Beleuchtung der Martier durch fluoreszierende Lampen, die nur aus absolut luftleer gemachten, durchscheinenden Kugeln bestanden und infolge der schnellen Wechselströme leuchteten, welche von dem mittleren Teil der Wagenwand ausgingen. In diesem befand sich auch der Heizapparat. Das Zimmer hatte im Grundriß die Gestalt eines Quadrats, so daß zwischen seinen Wänden und der Kugel noch Raum für einige kleinere Gelasse blieb. Die Ausstattung war die bei den Martiern übliche mit einem festen Tisch in der Mitte, der zugleich als Büffet diente. Nur dadurch unterschied sie sich von der eines gewöhnlichen Gesellschaftszimmers, daß sich ringsum an den Wänden auffallende Gestelle hinzogen, deren Zweck Grunthe nicht zu erraten vermochte. Er war geneigt, sie für Turngeräte zu halten, und etwas Ähnliches waren sie auch. Eigentümlich waren ferner die Stühle, sämtlich mit Seitenlehnen und Leisten an den Füßen versehen. Diese Stühle konnte man zwar, infolge einer besonderen Mechanik, nach Verlangen hin- und herschieben, nicht aber vom Boden aufheben.
Kaum war der Wagen verschlossen, als ein zweites Signal ertönte. Schnell suchte sich jeder der Martier eines der Gestelle am Rand des Zimmers und begab sich in dasselbe. Grunthe und Saltner wurden angewiesen, wie sie sich dabei zu benehmen hätten. Sie steckten die Füße in schuhartige Vorsprünge am Boden, so daß sie nicht ausgleiten konnten, stemmten sich mit den Armen fest an den zur Seite befindlichen Griffen und lehnten sich mit dem Rücken an die gepolsterte Wand, während der Kopf zwischen weichen Kissen wie in einer Grube ruhte.
»Nun bin ich nur neugierig, was das soll«, sagte Saltner. »Hoffentlich brauchen wir nicht zwei Stunden lang hier als Mumien zu stehen.«
»Es dauert nicht lange«, sagte einer der Martier.
»Halten Sie sich ganz fest«, fügte La hinzu, »von dem Augenblick, in welchem die tiefe Glocke erklingt und das Licht sich verdunkelt, bis es wieder hell wird, und rühren Sie sich ja nicht.«
»Ich folge blindlings –«
»Warum –« Grunthe wollte etwas fragen. Da erscholl das Signal. Das Licht wurde so schwach, daß man eben nur noch die Stellen sah, wo die Lampen hingen.
Es erfolgte ein dumpfer Knall. Die Insassen der Kugel erlitten eine leichte Erschütterung und fühlten sich kräftig gegen den Boden gedrückt. Unter die Kugel war nämlich ein Behälter mit stark komprimierter Luft gebracht worden, durch deren Entspannung der Flugwagen mit einer Geschwindigkeit von 30 Metern pro Sekunde in dem abarischen Feld aufwärtsgeschleudert wurde. Gleichzeitig wurde die Schwere im Feld vollständig kompensiert. Während bisher die Schwerkraft innerhalb der Kugel, der Gewohnheit der Martier entsprechend, immer noch ein Drittel der Erdschwere betragen hatte, war sie jetzt gänzlich aufgehoben.
Das Gefühl, welches die Menschen ergriff, war nicht unangenehm und keineswegs stark, ähnlich wie in einem Bad, nur daß die Berührungsempfindung des Wassers fehlte. Man gewöhnte sich schnell daran und gewahrte nur einen schwachen Blutandrang nach dem Kopf.
Die Lampen wurden wieder hell, und ein Teil der Martier kam vorsichtig aus den Gestellen hervor. Sie machten sich das Vergnügen, in dem absolut schwerelosen Raum durch einen leichten Stoß gegen den Boden bis zur Decke in die Höhe zu schwingen und sich von dort wieder abzustoßen oder eine Zeitlang ohne jede Unterstützung völlig frei in der Luft zu schweben.
Saltner hätte dies gern auch einmal probiert, aber La riet ihm dringend, sein Gestell noch nicht zu verlassen, da es längerer Übung bedürfe, ehe man sich in dem schwerelosen Raum geschickt bewegen könne. Dagegen forderte sie zwei Damen, welche die Fahrt mitmachten, zu einem kleinen Tänzchen auf, und die drei graziösen Figuren schwebten nun, indem sie mit geschickten Bewegungen sich vom Boden und den Wänden abstießen, Hand in Hand um das Zimmer. In ihren wehenden Schleiern glichen sie den Elfen des Märchens, die in der Mondnacht ihren luftigen Reigen führen. Darauf zogen sie sich wieder auf ihre Plätze zurück.
Grunthe nahm sein Fernrohr aus der Tasche, streckte die Hand aus und öffnete sie dann. Das Fernrohr blieb frei in der Luft schweben, ohne zu fallen. Er konnte es sich nicht versagen, selbst einmal zu versuchen, wie es sich ohne Schwere gehe, und trat aus seinem Gestell. Sobald er aber dasselbe losgelassen und den Fuß zum ersten Schritt erhob, verlor er das Gleichgewicht und focht mit Händen und Füßen in der Luft herum, ohne wieder auf den Boden kommen zu können. Es sah ungeheuer possierlich aus, wie der ernste Mann hin- und herstrampelte, und Saltner war sehr froh, daß er Las Rat gefolgt war, sich nicht von seinem festen Punkt fortzuwagen. Erst durch Hilfe einiger Martier kam Grunthe wieder auf den Boden zu stehen und wurde in sein Gestell zurückgeführt.
»Es schadet nichts«, sagte er, »man muß alles versuchen.«
Jetzt erscholl ein neues Signal, worauf alle sich schleunigst in ihre Gestelle begaben. Gleich darauf wurde es ganz dunkel bis auf den matten Schimmer einer Lampe, welche genau die Mitte des Zimmers einnahm. Doch reichte ihr Schein nur aus, ihre Stelle zu bezeichnen, nicht aber, irgendwelche andere Gegenstände zu erkennen.
»Was kommt denn nun?« fragte Saltner.
Hil antwortete ihm. »Bis jetzt«, sagte er, »sind wir ohne Schwere durch den gegebenen Anstoß mit gleichmäßiger Geschwindigkeit gestiegen, und zwar sechs Minuten lang. Wir haben dadurch eine Höhe von ungefähr 10.000 Metern erreicht. Die Luft ist hier dünn genug, daß wir eine größere Geschwindigkeit annehmen können. Das Feld wird jetzt überkompensiert, das heißt, die ›Gegenschwere‹ überwiegt nun die Schwere, und wir ›fallen‹ nach oben, nach dem Ring zu. Sie werden bald merken, daß unsere Geschwindigkeit stark zunimmt, denn unser Fall nach dem Ring beschleunigt sich natürlich rasch.«
In der Tat bemerkten Grunthe und Saltner bald dasselbe Gefühl, welches sie bei sehr beschleunigtem Fallen des Ballons zu haben pflegten. Es war, als würde ihnen der Boden unter den Füßen entzogen.
»Was ist denn das?« rief Saltner. »Wir stürzen ja ab!«
»Freilich fallen wir«, lachte La, »aber nach oben, das heißt, von der Erde fort.«
»Ich fühle doch, daß der Boden unter den Füßen sich senkt.«
»Ganz richtig, aber wo, glauben Sie, daß die Erde sich befindet?«
»Nun, doch unter uns!«
»Fehlgeschossen! Sie stehen jetzt auf dem Kopf wie ein Antipode. Die Erde ist über Ihrem Scheitel, unsre Füße sind dem Ring der Außenstation zugekehrt, wohin jetzt die Richtung der Fallkraft hinweist.«
»Ach, liebste La, wollen Sie mich denn vollständig verdreht machen?«
Als Antwort hörte er ihr leises Lachen.
Es wurde wieder hell. Nichts im Zimmer hatte sich verändert.
Die Martier verließen nun ihre Gestelle und bewegten sich wie gewöhnlich im Zimmer.
Auch Grunthe und Saltner bemerkten, daß sich das eigentümliche Gefühl des Fallens ziemlich verloren hatte. Doch kam dies nur daher, daß sie sich daran gewöhnt hatten. Tatsächlich flog die Kugel mit immer größerer Geschwindigkeit auf ihr Ziel zu, von der Erde fort, und diese Geschwindigkeit sollte sich allmählich bis auf die kolossale Zahl von gegen zweitausend Meter in der Sekunde steigern.
Der untere Teil der Kugel, unter dem Fußboden, war beschwert, so daß sich die Kugel je nach der Richtung der Fallkraft immer mit dem Boden des Zimmers nach unten einstellte. Diese Drehung hatte sich sofort vollzogen, als das Feld überkompensiert wurde und die Beschleunigung nach oben begann. Aber die Insassen hatten gar nichts davon bemerkt, da sie fest in ihren Gestellen ruhten und die Wirkung der Schwere im Anfang so gering war, daß es zu ihrer Aufhebung keiner merklichen Muskelkraft bedurfte. Sie standen jetzt, im Vergleich zu ihrem Aufenthalt am Pol, tatsächlich auf dem Kopf; im Vergleich zu der auf sie wirkenden Anziehungskraft befanden sie sich jedoch in der normalen Lage; sie standen auf ihren Füßen. Immerhin mußten sich Grunthe und Saltner vorsichtig bewegen, da das Feld nur um ein Drittel der Erdschwere überkompensiert war, das heißt so, daß die Insassen der Kugel unter einer anziehenden Kraft standen, wie sie sie auf dem Mars gewohnt waren. Die Menschen zogen es daher vor, sich auf den Sesseln am Tisch niederzulassen und dort zu bleiben. Es fehlte nicht an Unterhaltung mit den Martiern, die jetzt zu ihren Piks gegriffen hatten. Hil hatte sich überzeugt, daß die Menschen die Schwerelosigkeit leicht ertrugen. Saltner saß Hand in Hand mit La in vertraulichem Gespräch. Niemand kümmerte sich um sie.
Eine halbe Stunde etwa nach der Abfahrt von der Erde mußten die Insassen des Wagens auf das gegebene Signal noch einmal ihre Plätze in den seitlichen Verschlägen einnehmen. Der Wagen hatte jetzt seine größte Geschwindigkeit erreicht und über die Hälfte seines Weges zurückgelegt. Es kam nunmehr darauf an, seine Geschwindigkeit zu vermindern und so zu regulieren, daß er gerade innerhalb des Ringes zur Ruhe kam. Dies geschah, indem man die Erdschwere wieder wirken ließ. Diese besaß jedoch in dieser Höhe nicht mehr die volle Stärke wie am Pol, sondern war nur noch etwa so groß wie auf dem Mars, ja auf dem Ring selbst betrug sie nur ein Viertel der unten herrschenden Schwere. Der Wagen glich jetzt einem Körper, den man mit großer Geschwindigkeit in die Höhe geworfen hat und der sich nun mit abnehmender Geschwindigkeit dem höchsten Punkt seiner Bahn nähert. Der Fußboden des Wagens mußte sich demnach wieder der Erde zuwenden, und diese Drehung wartete man bei verdunkeltem Wagen in den schützenden Gestellen ab. Den übrigen Teil der Fahrt über konnte man sich nach Belieben im Wagen bewegen, nur kurz vor der Ankunft wurden die Gestelle wieder aufgesucht. Denn der letzte Teil des Weges mußte mit gleichmäßiger, nicht sehr bedeutender Geschwindigkeit zurückgelegt werden, um das Anhalten des Wagens im richtigen Zeitpunkt zu regulieren. Dazu aber war es notwendig, diese Strecke abarisch, ohne jede Schwere zu durchlaufen, bis das Wiedereinstellen der Schwere in der letzten Sekunde den Wagen anhielt.
Man bemerkte kaum das Anhalten des Wagens, so allmählich war es geschehen. Das Fallnetz hatte sich unter ihm geschlossen und war nach der Befestigung des Wagens wieder entfernt worden. Die Tür im Boden wurde geöffnet.
Ehe die Reisenden den Wagen verließen, versahen sich alle mit Schutzbrillen für die Augen, da hier oben das direkte Sonnenlicht durch keine Atmosphäre gemildert war und alle Gegenstände, auf die es traf, in blendendem Glanz erscheinen ließ, während sich die Schatten tiefschwarz abhoben. Nun trat man in die mittlere Galerie des Ringes.
Die Martier durchschritten dieselbe und begaben sich sogleich durch die Tür, welche die Überschrift trug ›Vel lo nu‹ – ›Raumschiff nach dem Mars‹ –, nach der oberen Galerie, über welcher das Raumschiff ruhte. Grunthe und Saltner dagegen wurden von Hil und La zunächst durch eine andere Tür nach der unteren Galerie geleitet, und zwar nach derjenigen, welche den Ring auf seiner äußeren Seite umzog.
Eine zweite solche untere Galerie umgab den Ring auf der inneren Seite und enthielt die Apparate, durch welche das abarische Feld kontrolliert wurde. Hier befanden sich auch die Arbeitsräume der Ingenieure. Um nach der äußeren Galerie durch einen Verbindungsweg zu gelangen, mußte man zunächst die innere durchschreiten, und La begrüßte ihren Vater Fru, dem die Leitung der Außenstation oblag. Die äußere, sechs Meter breite Galerie sprang noch etwa zwei Meter über die Seitenwand des Ringes vor, so daß man an dieser vorüber in die Höhe blicken konnte. Sie diente als Aussichtsraum, von welchem aus der Blick auch nach der inneren Seite des Ringes frei war, so daß man nach unten den ganzen Horizont beherrschte.
Ihrer vollen Länge nach hatte man nach Art eines Balkons eine Brüstung angebracht, so daß man glaubte, von diesem erhabenen Standpunkt aus direkt ins Freie zu sehen. Tatsächlich war man durch den vollkommen durchsichtigen Stoff der Außenwand vom luftleeren, eisigen Weltraum geschieden. Aber die in weiten Zwischenräumen sich folgenden Träger dieser Galerie hinderten ebensowenig die Aussicht wie der weiter oberhalb sich drehende durchbrochene Schwungring. Die Stelle, an welcher Grunthe und Saltner mit ihren Begleitern die Galerie betraten, lag von der Sonne abgewendet, so daß die Strahlen derselben, trotz ihres niedrigen Standes, durch die ganze Breite des über der Galerie befindlichen Ringes abgeblendet wurden. Sie standen in einer geheimnisvollen Dämmerung, die nur durch den Reflex des Mondlichtes auf dem einen Rand der Galerie und durch denjenigen des Erdlichtes an der Decke über ihnen erhellt wurde.
Tiefschwarz lag der Himmel ringsum, über ihnen, an den Seiten, zu ihren Füßen; auf dem schwarzen Grund glänzten die Sterne in nie geschauter Klarheit, ohne zu funkeln, als tausend ruhig leuchtende Punkte. Im ersten Augenblick glaubten die Forscher in einen tiefen See zu blicken, in welchem der Himmel sich spiegele. Dann erst erkannten sie, daß sie zu ihren Füßen einen großen Teil der Sternbilder des südlichen Himmels vor sich hatten. Denn ihr Blick beherrschte den Himmel bis zu sechzig Grad unter den Horizont des Nordpols.
In der Mitte zu ihren Füßen schwebte die Erde als eine glänzende Scheibe. Sie hatte die Gestalt des zunehmenden Mondes kurz nach seinem ersten Viertel, doch erblickte man auch den von der Sonne nicht beleuchteten Teil, da ihn das Licht des Mondes in einen schwachen Schimmer hüllte. Die ganze Scheibe der Erde erschien unter einem Gesichtswinkel von sechzig Grad und erfüllte somit gerade den dritten Teil des Himmels unterhalb des Horizontes. Die Schattengrenze schnitt das Eismeer in der Nähe der Jenisseimündung, so daß der größte Teil Sibiriens und die Westküste Amerikas im Dunkel lagen. Hell glänzten die Gletscher an der Ostküste Grönlands im Schein der Mittagssonne, und als ein strahlender weißer Fleck hob sich Island aus den dunklen Fluten des Atlantischen Meeres. Der westliche Teil des Ozeans und der amerikanische Kontinent waren nicht zu erkennen. Über ihnen ruhte eine nur selten unterbrochene Wolkenschicht, deren obere Seite die Sonnenstrahlen in blendendem Weiß zurückwarf, so daß ihr Anblick ohne die schützenden Augengläser unerträglich gewesen wäre. Dagegen lag die Karte von ganz Europa, wenigstens in seinem nördlichen Teil, in günstigster Beleuchtung vor den entzückten Blicken. Unter dem Einfluß eines ausgedehnten Hochdruckgebiets war die Luft dort völlig klar und rein, so daß man die nördlichen Inseln und Halbinseln und die tief eingeschnittenen Meeresbuchten deutlich erkannte. Weiterhin verschwammen die Formen der Ebenen in einem bläulich-grünlichen Luftton, aber als feine helle Linien blitzten für ein scharfes Auge die Ketten der Alpen und selbst des Kaukasus auf. In matterem Licht schimmerte der Rand des beleuchteten Teils der Scheibe, und nur an der Schattengrenze bezeichneten einige helle Lichtpunkte den Untergang der Sonne für die Schneegipfel des Tianschan und des Altai.
In tiefem Schweigen standen die Deutschen, völlig versunken in den Anblick, der noch keinem Menschenauge bisher vergönnt gewesen war. Noch niemals war es ihnen so klar zum Bewußtsein gekommen, was es heißt, im Weltraum auf dem Körnchen hingewirbelt zu werden, das man Erde nennt; noch niemals hatten sie den Himmel unter sich erblickt. Die Martier ehrten ihre Stimmung. Auch sie, denen die Wunder des Weltraums vertraut waren, verstummten vor der Gegenwart des Unendlichen. Die machtvollen Bewohner des Mars und die schwachen Geschöpfe der Erde, im Gefühl des Erhabenen beugten sich ihre Herzen in gleicher Demut der Allmacht, die durch die Himmel waltet. Aus der Stille des Alls sprach die Stimme des einen Vaters zu seinen Kindern und füllte ihre Seelen mit andächtigem Vertrauen.
La hatte Saltners Hand ergriffen, sanft lehnte sie sich an seine Schulter, und mit der Rechten auf den hellsten der Sterne weisend, der unterhalb des Horizonts des Pols leuchtete sagte sie leise: »Dort ist meine Heimat.«
Saltner zog sie an sich und sprach: »Und dort meine Erde, ist sie nicht schön?«
Grunthe holte sein Relieffernrohr hervor und trat dicht an den inneren Rand der Galerie, welcher den Blick auf den Nordpol gestattete. Auch ihn hatte die Erinnerung an die so greifbar nahe vor ihm ausgebreiteten und doch so unerreichbaren fernen Lande seiner Heimat weichgestimmt. Aber er wollte nichts wissen von dem, was La und Saltner sich zu sagen hatten. Ihn beschäftigte jetzt, nachdem das Überwältigende des ersten Eindrucks vorüber war, vor allem der Gedanke, wie er es ermöglichen könne, die Reise über die Eisfelder und Meere des Polargebiets zurückzulegen. Und er wollte die günstige Gelegenheit benutzen, von hier oben den Weg zu überblicken, den er auf den Karten der Martier schon wiederholt studiert hatte. Ein kleiner dunkler Fleck direkt unter ihm stellte das Binnenmeer am Pol vor, und mit seinem Glas konnte er die Insel in der Mitte desselben erkennen. Er wandte sich mit einer Frage an Hil, der ihn an eine andere Stelle der Galerie führte.
