Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 44
56 - Selbsthilfe
Kaum war der Widerhall verklungen, als noch eine andere, unerwartete Antwort ertönte. »Holla! Wer da?« Die Grenzjäger traten aus dem Wald. Sie waren nicht wenig erstaunt, hier Saltner und Palaoro auf dem Verdeck des fremden Schiffes zu sehen.
»Grüß Gott, Herr Saltner«, rief Pitzthaler, sich auf sein Gewehr lehnend. »Da sind’s wohl gar schon gefangen?«
»Das bin ich schon«, rief Saltner lustig. »Es tut aber nichts. Es ist ganz schön hier.«
»Aber um die Belohnung haben’s mich gebracht. Es sind hundert Gulden ausgesetzt.«
»Darum sollt Ihr nicht kommen. Da habt’s an Hunderter, und da noch einen.« Die Scheine flatterten hinab.
Von innen rief eine Stimme: »Wollen die Herren ins Schiff kommen? Wir werden bald aufsteigen.«
Saltner und Palaoro verschwanden. Die Luken schlossen sich.
La zog Saltner in den Salon. »Du sollst deine La sehen«, sagte sie, sich an ihn schmiegend, »die fliegende und die wandelnde, denn beide haben ihren Herren gefunden.«
Er blickte um sich, und von dem zarten Schmuck der Wände, von dem Reichtum der Ausstattung schweiften seine Blicke nach der wonnigen Gestalt, die ihn umschlungen hielt.
»Es ist ein Märchen«, sagte er. »Eine Fee hat mich in ihr Zauberschloß geführt, und ich wundre mich über nichts mehr. Und ich würde es nicht glauben, wenn ich nicht diese Lippen –«
»Glaubst du es nun?« fragte La, sich endlich aus seiner Umarmung lösend.
»Was du willst. Aber ich habe dich so unendlich viel zu fragen. Wie konntest du mich finden? Wie kamst du auf diese Stelle? Wie kamst du überhaupt zu diesem Schiff? Und zu diesem Menschen? Und doch habe ich noch keine Ruhe. Die Mutter wird sich ängstigen, sie ist noch nie in einem Luftschiff aufgestiegen. Ich glaube, wir müssen zu ihr gehen.«
»Sei ganz ruhig. Ich verließ sie, die Hände auf dem Schoß gefaltet, mit geschlossenen Augen im Lehnstuhl liegend. Ich schob den Fenstervorhang vor und schickte die Magd zu ihr. Sie wird jetzt schlafen und merkt nichts von der Fahrt. Doch ich will schnell sehen.«
Im Augenblick war sie zur Tür geschlüpft und wieder zurück.
»Sie schläft«, sagte sie. »Und nun kannst du fragen. Doch ich will es dir sagen.«
Und sie begann zu erzählen, von ihrem Kampf mit sich selbst, von ihrem Entschluß, von ihrer Prüfungsreise auf der Erde – und inzwischen löste sich das Schiff von seinem Lager, langsam sanken die Felswände hinab, heller strahlte die Sonne –
»Wir steigen«, sagte La, sich unterbrechend.
»Und sieh«, rief Saltner, »das Nächstliegende hab ich vergessen in der Überraschung, dich zu haben. Was hast du mit dem Schiff des Unterkultors abgemacht? Was tust du jetzt, wenn sie von dir unsere Auslieferung verlangen? Wie kannst du überhaupt uns befreien?«
»Sie riefen mich an, als ich hierherkam, weil sie wußten, daß ich deinen Zug und die Verfolgung gesehen hatte, und verlangten durch Signale, daß ich sie unterstützen sollte. Ich ging darauf ein, um bei der Hand zu sein, und besetzte den unteren Ausgang. Ich dachte mir, daß du hier herabkommen würdest, wenn der Weg oben versperrt ist. Und so hab ich dich gefangen. Aber ans Ausliefern denke ich nicht, wenn du – du – bei mir bleiben willst.«
»Und wenn sie dich zwingen? Das Gesetz ist auf ihrer Seite.«
»Gesetz gegen Gesetz – wenn du willst, wenn du bestimmst, daß ich dein bin und du mein nach dem Gesetz der Numenheit – dann darf ich dir das Geheimnis sagen des unverletzlichen Asyls. Doch wisse, du darfst es nur bestimmen, wenn es dein freier Wille ist, um deinet- und meinetwillen, nicht aber um deiner Rettung willen. Darum darfst du nicht sorgen; ich rette dich vor jeder Gefahr, auch wenn du frei bleiben willst ohne mich – ich muß es dir sagen, damit kein fremder Gedanke, keine Sorge dich beeinflußt. Dieses Schiff ist das schnellste das je gebaut worden. Niemand kann es einholen. Ich bringe dich mit der Mutter hinüber über den Ozean, wo du sicher bist, und auch auf den Unterhalt brauchst du nicht zu denken. Denn ich bin nicht zur Erde gekommen, um Freiheit aufzuheben, sondern Freiheit zu bringen, dir und mir.«
Er hatte ihr zugehört, den Blick tief in ihre Augen versenkt und ihre Hände in den seinen haltend, und dann antwortete er:
»Ich weiß nicht, ob ich alles verstehe, aber wenn’s darauf hinauskommt, ob es mein freier Wille ist, daß du mein Weib sein sollst –. O La, die du das getan hast, von der Höhe deines Nu herabzusteigen zu diesem Jammertal, um diesem Menschen das Leben zurückzugeben –. Wie kannst du das fragen, meine La, mein Glück und mein alles – freilich will ich’s, bestimm’ ich’s, ich, Josef Saltner, so wahr ich hier sitze und dich in meine Arme ziehe, ich will’s.«
»Und ich«, sagte La feierlich, »auch ich will. Und nun ist es Gesetz, und ich bin dein. Und damit du es beweisen kannst, so komm, Ohr an Mund, und höre, was niemand wissen darf, außer uns beiden.«
Sie flüsterte in sein Ohr, und dann barg sie das Gesicht an seiner Schulter.
Da klopfte es am Telephon.
»Das ist der Schiffer«, sagte La. Sie warf einen Blick aus dem Fenster. »Ah, dort ist das Regierungsschiff. Laß uns hören.«
Als sich der Unterkultor überzeugt hatte, daß Saltner mit seiner Begleitung unter Zurücklassung des Tragstuhls und Gepäcks in die Schlucht hinabgestiegen war und somit entweder den Feldjägern oder dem von ihm zu Hilfe gezogenen Luftschiff nicht entgehen konnte, begab er sich mit seinen Beds wieder nach seinem Schiff zurück. Sobald Las Schiff über der Berglehne erschien, signalisierte er ihm, daß es sich zu ihm begeben solle, um die Gefangenen, die er dort vermutete, an ihn auszuliefern. La wollte sich dieser gesetzlich begründeten Forderung nicht entziehen und ließ daher ihr Schiff in der Nähe des Kultorschiffes sich niedersenken. Unmittelbar darauf erschien der Beamte selbst an Bord der ›La‹ und wurde vom Schiffer in den Salon gewiesen, in welchem er La und Saltner fand.
Der Unterkultor war ein vornehmer Mann mit entschiedenem Wesen. Ohne Saltner weiter zu beachten, begrüßte er La höflich und sagte, daß er den Kommandierenden des Schiffes zu sprechen wünsche.
»Er steht vor Ihnen«, sagte La, ihn mit ruhiger Würde anblickend. »Ich war bis vorhin Besitzerin dieser Privatyacht, habe aber jetzt das Eigentum und das Kommando derselben abgetreten an meinen Gemahl, Josef Saltner, dessen Name Ihnen bekannt ist und den ich mir hiermit vorzustellen erlaube.«
Der Beamte machte eine Bewegung des Unwillens und der Überraschung. Seine Augen wanderten prüfend über La und Saltner. Dann sagte er kühl: »Die Höflichkeit verbietet mir, Zweifel in Ihre Worte zu setzen. Doch muß ich Sie bitten, mir die Papiere des Schiffes und Ihre eigene Legitimation vorzuweisen.«
La trat an den Wandschrank und reichte ihm die Papiere, die er sorgfältig prüfte. Sie enthielten die Schenkungsurkunde Frus über die Luftyacht ›La‹, die zu Las vollkommen freier Verfügung gestellt war; ferner einen Freipaß vom Verkehrsministerium des Mars, gültig für das ganze Sonnensystem und bestätigt für die Erde von Ill, dem Protektor der Erde, und alles, was für die Legitimation Las erforderlich war.
Der Beamte gab die Papiere ehrfurchtsvoll zurück.
»Die Legitimation ist unanfechtbar«, sagte er. »Ich freue mich, in Ihnen die Tochter eines Mannes begrüßen zu können, dessen technischer Tätigkeit bei der Besitzergreifung der Erde wir zu so großem Dank verpflichtet sind. Doch«, setzte er sehr ernst hinzu, »ich habe, wie Sie hier sehen, den Auftrag von den Residenten der europäischen Staaten, aufgrund der gesetzmäßig geführten Untersuchung, Josef Saltner von Bozen nebst seiner Mutter Marie und der Magd Katharina Wackner zu verhaften. Es ist nichts darüber bekannt, noch aus Ihren Papieren zu entnehmen, daß Saltner ihr Gemahl sei; auch kann weder dieser Umstand, der überdies zu beweisen wäre, noch der Aufenthalt auf diesem Schiff die Verhaftung aufheben oder verhindern. Ich bedauere daher, dazuschreiten zu müssen –«
Er wandte sich zu Saltner, der an der gegenüberliegenden Wand des Salons stand, und wollte auf ihn zuschreiten, um ihn zum Zeichen der Verhaftung zu berühren. Doch La trat dazwischen, und auf einen Wink von ihr flüsterte Saltner einige leise Worte gegen ein kleines Schild, das rosettenartig in der Wand angebracht war. Sofort wich die Wand an dieser Stelle auseinander und schloß sich wieder hinter ihm.
»Die Verhaftung ist jetzt nicht mehr möglich«, sagte La.
Der Beamte warf einen finsteren Blick auf sie. »Ich muß Sie bitten«, sprach er, »mir dieses Zimmer zu öffnen, oder ich müßte die Öffnung erzwingen.«
La blickte ihn stolz an.
»Das werden Sie niemals wagen«, rief sie. »Haben Sie nicht gesehen, daß die Tür eine akustische ist, die sich nur auf das Losungswort öffnet? Und wenn ich Ihnen sage, daß dieses Wort niemand wissen darf, außer mir und – ihm? Werden Sie nun glauben, wer er ist?«
»So ist es«, rief der Unterkultor zurückweichend, »das ist – Ihr –«
»Mein Zimmer.«
»Dann allerdings. Der Beweis ist geführt. Dieser Raum ist unverletzlich.«
Er lächelte gezwungen.
»Und ich glaube, unsere Unterhandlungen sind damit erledigt«, sagte La kalt.
»Nicht ganz«, erwiderte der Beamte nach kurzem Schweigen. »Doch fürchten Sie nicht, daß ich Sie aufhalte. Geben Sie nur Auftrag, mich zu Frau Saltner und ihrer Magd zu führen. Diese Personen können Sie nicht schützen.«
La wollte entrüstet erwidern. Doch erschrocken hielt sie inne. Jetzt war das Gesetz auf seiner Seite. Sie stand stumm.
»Sie werden sich nicht weigern«, sagte er.
»Und wenn ich es tue?«
»So muß ich Gewalt gebrauchen. Ich werde das Schiff durchsuchen lassen.«
Er schritt nach der Tür, um die Beds zu rufen, die vor dem Schiff auf seine Befehle warteten. Zu diesem Zweck mußte er auf das Verdeck steigen, von wo die Landungstreppe nach außen ging.
La klopfte das Herz. Was sollte sie tun? Bis jetzt hatte sie die Gesetze nicht verletzt. Aber wie sollte sie die Mutter schützen?
Da öffnete sich die Tür ihres Zimmers. Saltner stand neben ihr. Rasche Worte bestätigten die Vermutung, die ihn ohne Rücksicht auf seine Sicherheit herausgetrieben hatte, um La und der Mutter zu Hilfe zu eilen.
»Wir werfen die Leute hinaus!« rief er.
»Beim Nu, ich bitte dich, das dürfen wir nicht.«
»Warum nicht? Ich darf mich ja doch nicht mehr hier sehen lassen.«
»Aber Gewalt, das ist etwas anderes. Es versperrt uns die Rückkehr zum Nu, es beraubt dich deines Bürgerrechts.«
»Und doch sehe ich keinen andern Ausweg. Den Nu oder mich! Wenn der Mann nicht freiwillig geht, wirst du wählen müssen.«
La blickte ihn an, die Hände zusammenpressend. Dann warf sie die Arme um seinen Hals.
»Dich, dich!« rief sie.
»Habe ich das Kommando?«
»Ja, ja.«
Saltner sprang dem Beamten nach. La folgte pochenden Herzens. Der Unterkultor stand auf dem Verdeck, er winkte den Beds.
»Wie wird die Treppe aufgezogen?« fragte Saltner La hastig.
»Vom Steuerraum aus automatisch.«
»Sage dem Schiffer, daß er sich bereithält. Hoffentlich verläßt der Kultor das Schiff. Wenn nicht, bleibt doch nichts übrig, als ihn hinauszuwerfen.«
»Sal – er ist bewaffnet – ich bitte dich –«
Leise stieg Saltner die Treppe zum Verdeck hinauf.
Die Beds hatten nicht sogleich die Winke des Beamten bemerkt, weil sie ihre Aufmerksamkeit nach der entgegengesetzten Seite in die Luft gerichtet hatten. Dort zeigte sich in großer Höhe von Südosten her ein dunkler Punkt, das andre Schiff der Martier, das jetzt die beiden Schiffe auf dem Bergrücken bemerkt hatte und, ohne sich zu übereilen, auf sie zuhielt. Es war ein Stationsschiff aus Rom, eines jener großen und furchtbar schnellen Kriegsschiffe, mit allen Waffen ausgerüstet, wie sie in den Hauptstädten der Erde den obersten Beamten zur Erhöhung der Autorität des Nu beigegeben waren.
Ein paar rasche Schritte brachten Saltner hinter den Kultor. Dieser wandte sich nach ihm um, aber in demselben Augenblick hatte Saltner ihm mit einem raschen Griff den Telelytrevolver aus der Tasche gerissen und ihn weit hinweggeschleudert.
»Was wagen Sie?« rief der Kultor. »ich verhafte Sie –«
»Bedaure sehr – verlassen Sie sofort das Schiff, wenn Sie nicht eine unfreiwillige Spazierfahrt machen wollen –«
Auf den Ruf des Kultors waren die Beds aufmerksam geworden, sie blickten her. Saltner durfte ihnen keine Zeit lassen, sich mit dem Kultor zu verständigen, denn wenn sie von ihren Telelytwaffen Gebrauch machten, war er verloren. Er kommandierte: »Die Treppe herauf! Aufsteigen! Schnell!«
Im Augenblick schlug sich die Treppe in die Höhe und schob sich auf dem Verdeck ineinander, während das Schiff in die Höhe schoß. Die Beds sahen ihm erstaunt nach, wußten aber nicht, was sie tun sollten, da Palaoro gleichzeitig auf einen Wink Saltners den Kultor ins Innere des Schiffes gezogen hatte. Sein Protest wurde nicht beachtet.
»Was machen wir mit dem Mann?« sagte Saltner. »Wir wollen ihn doch nicht mitschleppen. Dort hinter dem Felsvorsprung können uns die Beds und das kleine Schiff nicht sehen. Dort setzen wir ihn ab. Mag er schauen, wie er heimkommt.« Saltner erteilte dem Schiffer die nötigen Befehle. Nach zwei Minuten lag das Schiff wieder still.
Der Kultor stieg in stummem Ingrimm die Schiffstreppe hinab, die sich sofort wieder hob.
»Nehmen Sie’s nicht übel, Herr Kultor«, rief ihm Saltner nach. »Aber es ging nicht anders. Habe die Ehre.«
Der Kultor wandte sich um. »Ich warne Sie«, rief er wütend. »Ergeben Sie sich noch jetzt. Ich lasse Sie sonst rücksichtslos durch das Kriegsschiff verfolgen und vernichten.«
»Tut mir leid«, antwortete Saltner. »Muß jetzt notwendig auf meine Hochzeitsreise. B’hüt euch Gott.«
Man konnte nicht mehr verstehen, was der Kultor erwiderte, die ›La‹ war schon wieder zu hoch gestiegen. Aber man sah, daß das Kriegsschiff auf den Ort zuhielt, wo es den Kultor bemerkt hatte, der ihm mit den Armen winkte. Auch das kleinere Schiff erschien jetzt.
La war neben Saltner getreten. »Komm herab«, sagte sie,
»wir müssen die Luken schließen und uns beeilen. Das Schiff dort ist ein schnelles Kriegsschiff, wir können ihm nur durch schleunigste Flucht entgehen.«
Saltner warf einen Blick zurück, dann umfaßte er La und sprang, sie in die Höhe hebend, die Treppe hinab, auf der jetzt Marsschwere herrschte.
»Wenn wir ausreißen müssen, so übernimm du wieder den Oberbefehl. Ich weiß ohnehin nicht, wohin wir eigentlich wollen.«
»Die Luken zu!« befahl La. »Volle Diabarie!«
Die ›La‹ schoß senkrecht in die Höhe. Schnell war sie bedeutend höher als das niedrig schwebende Kriegsschiff. Aber dieses erhob sich jetzt schräg und gewann, da es in voller Fahrt war, bald einen Vorsprung nach Norden. Es kehrte nun in einem Bogen zurück, um der ›La‹ den Weg abzuschneiden. Es hatte gar nicht angelegt, um den Kultor aufzunehmen, da inzwischen dessen eigenes Schiff eingetroffen war, von dem aus er sich mit dem Kriegsschiff durch Signale verständigte.
Die ›La‹ stieg weiter kerzengerade empor, während das Kriegsschiff ihr in immer engeren Spiralen folgte. Der Horizont erweiterte sich schnell, schon lagen die Bergriesen der Alpen tief unten, die Eishäupter der Ortlergruppe erschienen als flache Schneehügel; im Norden und Süden tauchten die Ebenen auf und verschwammen mit der Luft des Himmels. Palaoro war bei dem zweiten Schiffer im Steuerraum. In den drei Räumen, in denen sich Menschen befanden, wurden die Sauerstoffapparate in Tätigkeit gesetzt, um die Luft atembar zu erhalten. Die Höhe von zwölf Kilometern war erreicht. Fern im Westen schien der Himmel von Wolken bedeckt zu sein. »Dort müssen wir hin«, sagte La. »Im Nebel können wir die Richtung ändern, ohne daß es bemerkt wird. Wir müßten sonst vielleicht die Flucht so weit fortsetzen, bis wir in den Erdschatten kommen, und das führt uns zu weit vom Ziel ab.«
»Und welches ist das Ziel?«
»Berlin.«
»Aber La?«
»Du sollst alles hören. Erst aber wollen wir einmal sehen, ob das Kriegsschiff uns nachkommen kann. Richtung nach West! Voll Repulsit!« sagte sie zum Schiffer.
Das Schiff wandte seine Spitze nach Westen mit einer sanften Neigung nach oben. Der Reaktionsapparat wirkte. Es sauste durch den luftverdünnten Raum. Die Geschwindigkeit steigerte sich allmählich auf 400 Meter in der Sekunde.
Das Kriegsschiff war der ›La‹ gefolgt. Sobald es erkannt hatte, in welcher Richtung die ›La‹ zu entkommen suchte, schlug es ebendieselbe ein. Aber nun zeigte sich die Überlegenheit der Yacht. Die Entfernung von dem Verfolger wuchs schnell. Nach fünfundzwanzig Minuten hatte das Schiff einen Weg von 600 Kilometern zurückgelegt. Von der Erde erblickte man nichts, eine dichte Wolkendecke lagerte hier unten. Das Kriegsschiff war nur noch als ein Punkt zu erkennen. Nach weiteren fünf Minuten umhüllten Wolken die Yacht. Alsbald wurde der Lauf gemäßigt. »Wenden Sie sofort«, sagte La zum Schiffer, »und benutzen Sie die Wolken soweit wie möglich nach Nordost. Kommen wir aus den Wolken heraus, und ist dann das Kriegsschiff nicht mehr sichtbar, so fahren Sie so schnell wie möglich nach Berlin. Dort wird man uns zunächst auf keinen Fall suchen.«
»Das scheint mir doch fraglich«, sagte Saltner. »Sobald das Kriegsschiff sieht, daß wir ihm entkommen, wird es nach der nächsten Stadt hinabgehen und nach allen Richtungen telegraphieren. Man wird uns, wo wir hingelangen, sofort erkennen.
Es wird wohl also nichts übrig bleiben, als bis über Europa hinauszugehen.«
»Das ist wahr. Wir können erst in der Dunkelheit nach Berlin. Aber wo bleiben wir so lange? Wir wollen doch nicht immerfort hier in den Wolken herumfahren?«
»Warum willst du nicht sogleich nach Amerika?«
»Ich werde es dir dann erklären.«
»Wo sind wir denn eigentlich?«
»Wir müssen mitten in Frankreich sein. Wir wollen hinab und uns einmal umsehen.«
»Dann laß uns doch lieber nach irgendeinem abgelegenen Gebirge gehen, wo es einsam ist und so bald keine Nachrichten hinkommen, dort können wir warten, bis es Zeit ist, nach Berlin zu reisen.«
»Du hast recht. Fahren Sie also weiter nach Südwest, mit mäßiger Geschwindigkeit, und suchen Sie auf den Pyrenäen einen guten Landeplatz. Dort warten wir bis gegen Abend. Dann gelangen wir gerade zur rechten Zeit nach Berlin. Und jetzt komm! Wir wollen einmal nach der Mutter sehen, und dann – ich habe dir noch soviel zu erzählen. Und es ist auch noch jemand hier, den du begrüßen mußt.«
Se trat ihnen im Salon entgegen.
»Sind wir endlich in Sicherheit?« fragte sie. Und Saltner die Hand reichend, fuhr sie lächelnd fort: »Sobald man mit Ihnen zusammenkommt, ist man seines Lebens nicht sicher.«
»Seien Sie mir nicht böse. Ich werde von nun ab ganz vernünftig werden.«
»Bei soviel Glück?«
»Ja, es macht mich bescheiden.«
57 - Das Spiel verloren
Die letzte Woche war für Ell im höchsten Grad aufregend gewesen. Er arbeitete von früh bis spät in die Nacht und konnte doch die Last verantwortungsvoller Entscheidungen nicht bewältigen, die ihn bedrückte und seine ganze Tatkraft in Anspruch nahm. Er fühlte, wie eine nervöse Abspannung sich seiner bemächtigte, deren er nicht Herr zu werden vermochte. Selbst zu einem Besuch bei Isma, nach welchem er sich sehnte, hatte er noch nicht Zeit finden können.
Die Übergriffe der Beamten hatten sich wiederholt. Es war nicht immer ein krankhafter Zustand, ausgesprochener Erdkoller, wie bei Oß, der dazu Veranlassung gab, sondern eine schärfere Tonart begann Platz zu greifen, die leicht zu Konflikten führte. Und dies kam daher, daß die auf der Erde angestellten Nume eine starke Partei auf dem Mars hinter sich wußten. Die Antibaten, welche auf ein härteres und entschiedeneres Vorgehen gegen die Menschen als eine untergeordnete und nur durch Gewalt zu zügelnde Rasse drangen, hatten im Parlament wie im Zentralrat an Einfluß gewonnen. Ells Tätigkeit bot ihnen einen willkommenen Angriffspunkt, auf den sie zunächst ihre Kräfte richteten. Die Strenge, mit welcher Ell jedem Übergriff der Instruktoren und Beamten entgegentrat, wurde in der Presse in übertriebener Weise erörtert und als eine Voreingenommenheit für die Menschen hingestellt und getadelt. Die Absetzung von Oß, die sofort nach der vom Wiener Unterkultor vorgenommenen Untersuchung verfügt worden war, wurde besonders aufgebauscht, da Oß eine angesehene und als Techniker um den Staat verdiente Persönlichkeit war. Schon daß sich Saltner durch die Flucht auf die Berge der Strafe entzogen hatte, war als ein Zeichen von Nachlässigkeit gedeutet und Ell zum Vorwurf gemacht worden. Unter diesem Druck, auf den Ell nicht Rücksicht nehmen wollte, hatte der italienische Kultor das Kriegsschiff zur Verfügung gestellt, um Saltner aufzusuchen.
Die gegen die Menschen gerichtete Strömung auf dem Mars war ja nichts Neues. Ell hatte stets mit ihr rechnen müssen, und er hatte ihr Anwachsen mit Besorgnis verfolgt. Doch vertraute er fest auf die Macht der Vernunft in den Numen und die Reinheit seiner eigenen Absichten, und in diesem Glauben hatte ihn Isma aus innerstem Herzen bestärkt. Jetzt aber begannen die direkten Angriffe auf ihn offener hervorzutreten, und er hatte zu seinen übrigen Arbeiten seine Verteidigung in der Presse zu führen. Ein lebhafter Wechsel von Lichtdepeschen, die alle über den Nordpol nach dem Mars gingen, fand zwischen Berlin und Kla statt.
Aber ganz ohne Einfluß auf Ell war dieser vom Mars, das heißt von einem Teil seiner Bevölkerung ausgeübte Druck doch nicht geblieben. Er sah sich veranlaßt, die ihm zu Gebote stehenden Machtmittel rücksichtsloser zu gebrauchen, und je mehr ihn das Mißverständnis und der Tadel seiner Handlungen verdroß, um so mehr gewöhnte er sich, auf seine eigenen Entscheidungen und Entschlüsse zu vertrauen und jede anderweitige Beratung abzulehnen. Mit Erschrecken sagte er sich zuweilen im stillen, daß die Furcht, er werde dahin kommen, sein Kultoramt in autokratischer Weise zu handhaben, nicht unberechtigt sei. Und immer wieder nahm er sich vor, unter keinen Umständen sich dazu drängen zu lassen, als Selbstherrscher zu verfahren oder den antibatischen Forderungen nachzugeben.
Der einflußreichste Teil der Martier ging ja, wie bei der Besitznahme, so auch bei der Behandlung der Erde von rein idealem Gesichtspunkt aus. Die Kultur des Mars, den Geist der Numenheit auf der Erde zu verbreiten, war ihr Ziel; eine Beherrschung der Menschheit, soweit sie notwendig schien, nur ein vorübergehendes Mittel, eine Art notwendigen Übels. Aber gerade hier verstimmte es vielfach, daß die Menschen im großen und ganzen so wenig Entgegenkommen und Verständnis für das zeigten, was die Martier ihnen bringen wollten. Man erkannte wohl Ells Tätigkeit in gewisser Hinsicht an, aber man hielt seinen Weg doch für etwas umständlich. Die Hebung der Bildung konnte natürlich nur allmählich geschehen, und sie war die notwendige Vorbedingung für das Gelingen des zivilisatorischen Werkes, das die Nume an der Erde ausführen wollten. Aber man meinte, daß eine entschiedenere Wegräumung der Hindernisse hinzukommen müsse. Ein solches Hindernis sah man in Deutschland noch immer vor allem in der politischen Übermacht der reaktionären Parteien. Man verlangte einen entschiedenen Bruch mit den oligarchischen Traditionen, die sich von dem Gedanken einer bevorzugten und herrschenden Klasse nicht trennen konnten. Man wünschte hier ein entschiedenes Vorgehen, das aber wieder ohne Anwendung von Gewaltmaßregeln, die Ell verhüten wollte, nicht möglich gewesen wäre.
Ein weiterer Grund zur Unzufriedenheit, der sich allerdings gegen die Regierung der Zentralstaaten selbst und gegen Ill als den Protektor der Erde wendete, war die bisherige Beschränkung der Kulturtätigkeit auf die westeuropäischen Staaten. Man verlangte die effektive Ausdehnung des Protektorats auf die ganze Erde, vor allem die Einbeziehung Rußlands und der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Ill sah voraus, daß dies zu neuen schweren Kämpfen geführt hätte; er hoffte, sie zu vermeiden, wenn man es der Zeit überließ, von selbst den Einfluß zu gewinnen, der bei der kulturellen Überlegenheit der Martier auf die Dauer nicht ausbleiben konnte. Aber diese weise Zögerung hatte doch zur Folge, ungeduldigere Köpfe der antibatischen Strömung zuzuführen. Ihre hauptsächliche Kraft indessen zog die Partei der Antibaten aus dem Teil der Bevölkerung, in welchem die idealen Kulturziele von eigennützigen Absichten getrübt waren. Zwar hatte man auf dem Mars geglaubt, für immer der Gefahr enthoben zu sein, daß der reine Wille der Vernunft zum Guten in Kampf geraten könne mit selbstischen Interessen, mit dem Bestreben, wenn auch nicht für den einzelnen, so doch für den Staat, Vorteile auf Kosten der Gerechtigkeit gegen alles Lebendige zu gewinnen. Aber sobald mit der Erschließung der Erde das Gefühl der Macht und die Möglichkeit sich eingestellt hatte, Wesen, die man nicht für seinesgleichen hielt, auszubeuten, erhoben sich in den weniger hochstehenden Elementen der Bevölkerung, an denen es nicht fehlte, wieder jene niederen Instinkte eines unter dem schönen Namen des Patriotismus sich verbergenden Egoismus. Man erklärte es für eine nationale Pflicht des Martiers, von der Erde alles zu gewinnen, was das wirtschaftliche Interesse des Mars irgend daraus ziehen konnte. Mit einem Worte, was man wollte, war nichts anderes als die Erhöhung der Revenuen des Mars, aber nicht bloß durch den berechtigten Handelsverkehr, sondern durch die direkte Arbeit der Menschen für die Martier. Zwar hatte man schon bedeutende Energiemengen von der Erde bezogen durch Anlegung von Strahlungsfeldern in Tibet, in Arabien und in den äquatorialen Gegenden von Afrika. Aber diese wurden von martischen Gesellschaften auf ihre Kosten, obwohl mit hohem Gewinn, betrieben. Man wollte jedoch von Staats wegen zur Erhöhung der Privatrente aller Bürger eine Besteuerung der Menschen, um diese zu größerer Arbeit im Sinne der Martier zu zwingen. Man führte aus, daß die Menschen bei ihrer natürlichen Indolenz nur dann dazu gebracht werden könnten, sich die Technik der Martier und damit ihre Kultur anzueignen, wenn man sie durch eine hohe Steuer veranlasse, die von der Sonne ihnen zuströmende Energie unter Anleitung der Martier auch wirklich auszunutzen.
Auf Grund dieser populären Erwägung wollte jetzt die Antibatenpartei ihren ersten größeren Schlag führen. Er sollte, wie sich wenigstens die Entschiedenen sagten, nur die Vorbereitung sein, um die den Menschen zugesprochenen Rechte sittlicher Persönlichkeiten überhaupt in Zweifel zu stellen und schließlich aufzuheben. Die Erde sollte zu einer Werkstatt für die Erhaltung des Mars durch eine Riesenrente erniedrigt werden. Diese letzten Gesichtspunkte wurden zwar noch verschleiert, aber die Gegner enthüllten sie in ihrer ganzen Unsittlichkeit und Torheit, ohne doch die Anhänger einer Besteuerung der Menschen überzeugen zu können, welche schiefe Bahn sie zu beschreiten im Begriff waren.
Gestern hatte Ell die Nachricht erhalten, daß der Antrag eingebracht worden war – und nicht ohne Aussicht auf Annahme –, für die westeuropäischen Staaten eine vorläufige Jahressteuer von 5.000 Millionen Mark anzusetzen, indem man anführte, daß die Hälfte davon bereits durch die Verminderung der Militärlasten gedeckt sei. Außerdem sollten von nun ab die Menschen die Kosten der martischen Verwaltung selbst tragen, was man in Rücksicht auf die zu zahlenden Schulgelder auf ebensoviel veranschlagen mußte.
Ell sagte sich, daß eine solche Maßregel, wenn sie sich verwirklichen sollte, ihm die Fortführung seines Amtes unmöglich machen würde. Sein ganzes Streben war auf die Versöhnung, auf die freiwillige Anpassung der Menschen an die Kulturwelt des Mars gerichtet. Der Aufruf zur Begründung eines allgemeinen Menschenbundes, der zwar die Befreiung der Erde von der Herrschaft des Mars anstrebte, aber durch ein Mittel, das zu demselben versöhnenden Ziel führen sollte, das er ersehnte, war ihm daher willkommen. Er tat nichts, um diesen Ideen und ihrer Ausbreitung entgegenzutreten. Bei der Antibatenpartei auf dem Mars wurden jedoch die Tendenzen des Menschenbundes unter ganz anderem Gesichtspunkt betrachtet. Hier wollte man ja nicht das Kulturheil der Erde, sondern ihre Ausnutzung, und man sah daher in dem Bund eine große Gefahr, ein revolutionäres Unternehmen. Die neue Steuerlast, die man den Menschen zudachte, sollte sie belehren, daß sie auf keine freiwillige Aufgabe der Mars-Herrschaft zu rechnen hätten. Siegten die Antibaten mit ihrem Vorhaben, so mußte dies auf der Erde erneute Erbitterung hervorrufen und die Menschen über die Absichten der Nume enttäuschen. Es würde also der von Ell angestrebten Versöhnung entgegengewirkt werden, und seine eigene Arbeit wäre nicht nur in Frage gestellt, sondern es wäre damit auch sein vom Zentralrat gebilligter Plan gewissermaßen zurückgewiesen worden. Ell mußte sich die Frage vorlegen, ob er dann seine Tätigkeit noch für nutzbringend halten dürfte.
Heute nun brachten ihm die neuen Zeitungen vom Mars ihn persönlich kränkende Nachricht. Man hatte ihm in einer Parlamentsrede seine Abstammung von den Menschen mütterlicherseits zum Vorwurf gemacht und die Regierung getadelt, daß sie einen Mann in eine so verantwortliche Stellung eingesetzt habe, dem man als Halb-Numen kein Vertrauen entgegenbringen könne.
Ell ging entrüstet in seinem Zimmer auf und ab. Sollte er nicht diesen Leuten sein Amt vor die Füße werfen? Aber das hieße die Sache aufgeben, der er sein Leben gewidmet hatte. Durfte er nicht hoffen, wenn er selbst festhielt, doch seine Ansicht zum Sieg zu führen und Gutes auf der Erde zu wirken? Ja, wenn er sich nur selbst sicherer gefühlt hätte. Wenn nicht in jenem Vorwurf ein Kern von Wahrheit gelegen hätte! War nicht seine Heimat auf zwei Planeten, und hatte er die Kraft gehabt, im entscheidenden Moment allein der Stimme der Numenheit zu folgen, die ihn hieß, nichts anderes im Auge zu haben, als die große Aufgabe, das Verständnis der Planeten anzubahnen? Hatte er nicht als ein schwacher Mensch geschwankt in seiner Pflicht, ganz sich selbst zu vergessen um des Ganzen willen, hatte er nicht seiner Neigung Gehör gegeben und der Freundin zuliebe die Erde verlassen, wo er hätte wirken sollen? Gewiß, es war nicht seine Absicht gewesen, sich dieser Pflicht zu entziehen, äußere Umstände hatten ihn verhindert, rechtzeitig zu ihr zurückzukehren. Aber eben diesen Umständen durfte er keinen Spielraum des Zufalls gestatten, er hätte sich der Gefahr nicht aussetzen dürfen, die Pflicht zu versäumen. Das war seine Schuld. Er hatte eine Schuld auf sich geladen. Durfte er dann noch sich als den Mann betrachten, der hoch genug stand, um die Kultur zweier Planeten zu vermitteln? Durfte er sich die Kraft zutrauen, gegenüber den Angriffen von beiden Seiten die Verantwortung zu tragen und die Machtfülle nicht durch menschliche Leidenschaften zu entstellen?