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Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 45

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In solchen Gedanken wandelte sich seine Entrüstung in ernste Selbstprüfung, und immer wieder erwog er die Frage, ob er der Sache, die er durchzufechten entschlossen war, auch wohl an diesem Platz noch die rechten Dienste zu erweisen vermöge.

Da wurde ihm der Unterkultor von Wien gemeldet.

Als das Luftschiff Las, von dem Kriegsschiff verfolgt, den Blicken der Martier entschwunden war, hatte sich der Beamte sofort auf den Weg nach Berlin gemacht. Drei Stunden später war er dort angelangt. Er wurde sogleich vorgelassen. Empört beklagte er sich über die Behandlung, die sich Saltner gegen ihn herausgenommen, und verlangte die volle Strenge des Gesetzes gegen den Frevler, an dessen Ergreifung er nicht zweifelte.

Ell glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen, so überraschte ihn das, was er hören mußte.

»La?« fragte er. »Sind Sie auch sicher, La, die Tochter von Fru, des technischen Direktors im Ministerium für Raumschiffahrt? Sie hat Saltner in aller Form für ihren Gemahl, nach dem Rechte des Nu, erklärt und ihn in ihrem Luftschiff entführt?«

»Es ist kein Zweifel, die Papiere waren in Ordnung, der Beweis – wie ich ihnen sagte. Und dieser Bat wagte es, mich anzufassen, mich mit Gewalt ins Schiff hinabzuziehen, mich auszusetzen und mir höhnische Worte nachzurufen. Aber Sie werden –«

»Ich werde dem Gesetz gemäß verfahren. Ich bedaure tief dieses Ereignis. Entschuldigen Sie mich jetzt, aber halten Sie sich, bitte, in der Nähe, daß ich Sie eventuell noch einmal sprechen kann, ehe Sie nach Wien zurückkehren. Ich danke Ihnen für Ihren Bericht, Sie haben Ihrerseits korrekt gehandelt, Sie konnten nicht wissen, daß das Luftschiff Freunde und Helfer Saltners barg. Sorgen Sie dafür, daß eine etwaige Nachricht von dem verfolgenden Schiff mir sogleich mitgeteilt wird.«

Der Beamte hatte noch nicht die Tür erreicht, als das Signal am Depeschentisch erklang und zwei Telegramme, die mit eilig bezeichnet waren, sich auf die Platte desselben schoben.

Ell riß das erste auf und rief sogleich den Unterkultor zurück.

»Aus Lyon, vom Kommandanten des Kriegsschiffs«, sagte er. »Die Luftyacht ›La‹, mit unerreichbarer Geschwindigkeit fliegend, ist in einer unübersehbaren Wolkendecke verschwunden und konnte nicht mehr aufgefunden werden.«

Der Beamte stand starr.

»Ihrer Rückkehr nach Wien steht nun vorläufig nichts entgegen«, sagte Ell. »Das weitere werde ich veranlassen. Leben Sie wohl.«

Sobald Ell allein war, ließ er sich auf seinen Stuhl sinken und stützte die Hände in den Kopf.

Das hatte La getan! Er konnte es nicht begreifen. Um Saltners willen! Er sah sie vor sich, wie sie damals, als er auf dem Nu mit ihm stritt, Saltners mannhaftes Eintreten für das Vaterland mit einem Kuß belohnte, und eine Regung von Neid stieg in ihm auf, die er gewaltsam zurückdrängte. Mochte sie! Der Vorgang hatte für ihn eine ganz andere Bedeutung. Das war offne Auflehnung gegen die Herrschaft der Nume auf der Erde. Was Saltner getan hatte, freilich, das sah ihm ganz ähnlich, das mochte er selbst verantworten, ja er konnte es ihm nicht einmal verdenken. Und er hätte es ihm herzlich gegönnt, daß ihm die Flucht glücke. Gegen ihn einschreiten zu müssen, war ihm ein peinlicher Gedanke. Ja, wenn es Saltner aus eigner Kraft gelungen wäre, sich der Verfolgung zu entziehen! Aber daß es durch Las Hilfe geschehen mußte! Daß sie sich dazu hergab, den Schuldigen der Macht des Gesetzes zu entreißen! Wie konnte sie das vor sich selbst verantworten? Mag sein, daß sie sich keines ungesetzlichen Mittels bedient hatte, mag sein, daß sie glaubte, in gutem Recht bei ihrer Selbsthilfe zu handeln. Aber die Beihilfe zur Flucht war doch ein Faktum, das blieb. Und diesen Mann band sie in aller Form an sich – La, die Tochter Frus –, was mußte das wieder auf dem Mars für Aufsehen erregen! Daraus würden die Gegner Kapital schlagen. Schließlich würde man natürlich Ell verantwortlich machen, daß der Geist der Widersetzlichkeit nicht nur bei den Menschen geduldet werde, sondern sich durch die Berührung mit ihnen sogar auf die Nume fortpflanze. Und was würde La tun? Wohin wollte sie sich flüchten? Wenn sie nach dem Mars ging oder nach fremden Teilen der Erde, welch schwierige Auseinandersetzungen, Verhandlungen, neue Angriffspunkte ergaben sich da?

Gab es denn heute keine Ruhe für ihn? Er mußte sie suchen. Wo? Zu Isma! Er wollte zu Isma. Er erhob sich. Da fiel sein Blick auf das zweite Telegramm. Mochte es liegen bleiben! Doch nein, das ging nicht, vielleicht war es doch wichtig. Er brach es auf. Oh, wie lang!

»Kalkutta. ... Der Kommissar der Marsstaaten hat die Ehre zu melden, daß es geglückt ist, unzweifelhafte Spuren des gesuchten Hugo Torm aufzufinden und daß die Beweise vorliegen. Torm war der Fremde, der wiederholt in den Verhandlungen mit Tibet erwähnt wurde und sich längere Zeit in Lhasa aufgehalten hat. Es sind Leute ermittelt worden, die mit ihm die Reise nach Kalkutta gemacht haben und sich im Besitz von Gegenständen befinden, die sie von Torm erhielten. Hier konnte festgestellt werden, daß Torm am 18. oder 19. August das Post-Luftschiff nach London benutzt hat. Sein gegenwärtiger Aufenthalt konnte hier nicht ermittelt werden.«

Ell sank auf seinen Platz zurück.

Torm lebte! Daran war nun kein Zweifel mehr möglich.

Ell fühlte, wie sich ihm das Blut in den Kopf drängte, wie seine Gedanken sich verwirrten –. Und jetzt brauchte er Klarheit, volle, nüchterne Klarheit!

Warum freute er sich denn nicht? Er mußte sich doch freuen, daß der bewährte Freund, der verdiente Forscher, der Mensch überhaupt gerettet war, und vor allem, daß –

Ja, er wollte ja zu Isma. Er wollte bei ihr Ruhe suchen und Trost. Jetzt konnte er sie ihr bringen. Jetzt konnte er ihre Hände fassen und ihr sagen: »Freue dich, Isma, er lebt!« Und er sah, wie sie die Augen aufschlug und ihn ungläubig ansah und er wieder sagte: »Er lebt«, und wie die blauen Augen sich mit Tränen füllten und sie aufschrie: »Er lebt!«, und wie sie an seine Brust sank und den Kopf an seine Schulter lehnte und schluchzte: »O mein Freund, mein Freund! Ich bin so glücklich!« Und es war ihm, als müßte er sie von sich stoßen, und doch war es solche Seligkeit, sie an sich zu pressen und die Lippen auf ihr Haar zu drücken, und zu sehen, wie dies geliebte Wesen sich nicht zu fassen wußte im unerhofften Glück –. Warum freute er sich denn nicht? Warum zögerte er auch nur einen Augenblick? Also vorwärts!

Er stand wohl auf, er schritt auf und ab, er blieb vor dem Telephon stehen, aber er konnte sich nicht entschließen, nach dem Wagen zu rufen. Nein, er konnte sich nicht freuen, er wollte nicht! Das Glück war ihm so nahe, die erträumte Zukunft so schön – und es sollte nicht sein? Aber was war denn geschehen? Würde es nicht so sein, wie es immer gewesen war? Würde sie ihn weniger lieb haben? Würde er sie nicht sehen, so oft er wollte? Hatte er sie je anders begehrt? Wußte er nicht seit Jahren, daß sie ihm nie anders gehören würde, und war er nicht glücklich gewesen trotz alledem mit der treuen Freundin?

Doch, es war anders, es war eben nicht mehr so wie früher. Er wußte es, sie selbst hatte sich frei gefühlt, sie hatte sich mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß sie den Gatten nie wiedersehen würde, sie hatte den Schmerz durchlebt und langsam sich gewöhnt, an den Verschollenen zu denken als an einen Verlorenen. Und wenn sie je die Zukunft erwog, so sah sie einen andern neben sich. Und er, Ell, er glaubte nur zu sicher zu wissen, daß diese Zukunft ihm gehörte, zu fest hatte sich die Hoffnung in ihm gegründet, daß er sie nun bald sein nennen würde in einem andern Sinne, ganz sein. Er mochte das namenlose Glück nicht ausdenken, nur das wußte er, wie viel leichter er dann die Schwere seines Ringens und Kämpfens ertragen würde. – Ja, es war anders geworden, er sah schon lange nicht mehr in ihr die Freundin, der er geschworen hatte zu dienen ohne Verlangen. In verzehrenden Flammen loderte in ihm die Leidenschaft, sie zu besitzen! Sie wieder zurückkehren zu sehen in die Arme eines andern – nein, es war nicht mehr möglich. Es konnte nicht mehr so sein, nimmermehr konnte er neben ihr hergehen in ehrlicher Entsagung. Wenn er jetzt die Geliebte verlor, so verlor er auch die Freundin, so hatte er sie ganz und auf immer verloren –. Dann mußte er fort, er durfte sie nicht mehr sehen – sie war ihm verloren – verloren –

Und das sollte er ertragen? Und das sollte er dulden? Und dabei wissen, daß sie ihn liebte? Wo war denn der Mann? Er war ja nicht da. Zurückgekehrt, ein Totgeglaubter, und der erste Schritt war nicht zu seiner Frau? Warum kam er nicht und nahm sein Recht in Besitz? Warum verbarg er sich? Kam er vielleicht doch niemals wieder? Und wäre dieser Kampf mit sich selbst und der Sturm, den die Nachricht in Ismas Herzen erregte, wären sie unnütz, zwecklos? Doch nein, die Nachricht war zu sicher. Aus einem Postluftschiff der Martier steigt man an einer Station aus, aber man verunglückt nicht. Und wenn man in einem der zivilisierten Staaten ausgestiegen ist, so verschwindet man nicht spurlos, wenn man nicht will, wenn man nicht gute Gründe dazu hat. Warum also verbirgt sich Torm? Nur in seinem Gewissen muß der Grund liegen, er muß etwas getan haben, das ihn zur Flucht vor der Welt veranlaßt. Aber warum auch vor Isma? Also auch vor ihr muß er sich scheuen? Er will vielleicht gar nicht zu ihr? Offenbar, er will nicht! Und vor diesem Mann, der vielleicht Ismas nicht mehr würdig ist, der sich vor ihr verbirgt, sollte er, Ell, das Feld räumen? Wenn Torm sich gegen die Nume vergangen hatte, so war es Ells Pflicht, dies zu sühnen. Welche Rücksicht sollte er nehmen, wenn Torm selbst seine Rechte aufgab oder das Recht der Nume sie ihm absprach? Und deshalb sollte Ell den grausamen Verzicht auf sich nehmen, der ihm das Liebste, das Teuerste entriß, der ihm die Wurzel im innersten Gemüt zerstörte, aus dem seine Energie, sein Mut, sein Vertrauen, die ganze große Aufgabe seines Lebens die besten Kräfte zog?

Ell ballte die Faust. »Hab ich mein Sein hingegeben für die Sache, so will ich auch mein Glück mir erobern! Wo ist er, dem ich sie geben soll, die ich mir verdient habe, die mir gehört? Wo ist er? Verschwunden –, nun gut – er bleibe verschwunden!«

Er sank in seinen Stuhl zurück und verfiel in dumpfes Brüten. Tiefe Stille herrschte in dem weiten Raum, nur von Zeit zu Zeit entrang sich seiner Brust ein Seufzer, ohne daß er darum wußte. Und er wußte nicht, daß die Zeit verging, daß das Dunkel des Abends sich über die Stadt gelegt hatte –

Und wenn Torm doch kam? Ja, verhindern konnte er es wohl, aber mit diesem Wissen vor Isma treten – das konnte er nicht. Und sie sein nennen um den Preis einer Schuld – das konnte er nicht, das war ja unmöglich. Und wer weiß – er hatte Isma mehrere Tage nicht gesehen –, wenn – wenn Torm schon gekommen wäre? Er fuhr in die Höhe, von einem plötzlichen Schrecken aufgejagt. Wenn sie bei ihm wäre, und ihm nichts davon gesagt hätte, wenn –

Jetzt bemerkte er, daß es dunkel war. Ein Handgriff schaltete das Licht ein. Dann stand er vor dem Telephon.

Wie es auch werden mochte, verbergen durfte er ihr nichts! Er fragte an, ob Isma zu Hause wäre. Sie war da. Sie freue sich sehr, ihn bald zu sehen.

Wenige Minuten später saß Ell in seinem Wagen. Er ließ so schnell fahren, als es der Straßenverkehr ermöglichte, aber der Weg war weit. Er sah es jetzt ein, er durfte ihr die Nachricht nicht vorenthalten. Wenn Torm nicht zu ihr zurückkehrte, so mußte sie trotzdem wissen, daß er hätte zurückkehren können.

Aber wie würde dies auf sie wirken? Nun sorgte er sich wieder um die Freundin. Doch er hatte sich einmal angemeldet –. Er wollte sie sprechen, er konnte ja vorsichtig sein, die neue Hoffnung für sie nur andeuten –

Der Wagen hielt, diesmal direkt vor der Tür. Ell eilte die Treppen hinauf. Die Wirtin öffnete. Ell wollte mit flüchtigem Gruß an ihr vorüber.

»Der Herr Kultor werden verzeihen«, sagte sie verlegen. »Frau Torm sind nicht zu Hause.«

Ell prallte zurück. »Nicht zu Hause? Aber ich habe ja vor einer halben Stunde mich angemeldet.«

»Ja, Frau Torm haben es mir auch gesagt, wir waren gerade bei Tisch, aber dann – dann –«

»Was war dann?« fragte Ell ungeduldig und hart.

»Der Herr Kultor mögen verzeihen, ich weiß es ja nicht –. Es kamen die beiden Damen wieder –«

»Welche Damen?«

»Nun die Damen vom Mars, die gestern schon hier waren und die Partie gemacht haben mit Frau Torm.«

»Welche Damen? Welche Partie? Sagen Sie alles!«

»Um Gottes willen, ich weiß ja nichts weiter, sie waren drin im Zimmer, nur kurze Zeit, und auf einmal kam Frau Torm herausgestürzt im Mantel und Hut, ganz eilig, und rief nur ›Ich muß fort‹, und die beiden Damen gingen mit ihr, ich weiß ja nicht wohin. Und ich wollte noch fragen, was ich denn nun sagen sollte, wenn der Herr Kultor kämen, aber weil die beiden fremden Damen vom Mars dabei waren, getraute ich mich nicht. Und ich bin noch die Treppe hinuntergelaufen und habe gesehen, es stand ein Wagen vor der Tür, in dem fuhren sie alle drei fort –«

»Wie lange ist das her?«

»Noch keine zehn Minuten.«

»Führen Sie mich ins Zimmer, ich werde warten.«

»Ach, entschuldigen Sie nur, Herr Kultor, das habe ich noch ganz vergessen, Frau Torm hat mir zugerufen, sie käme die Nacht nicht zurück.«

»So will ich doch nachsehen, ob sie nicht eine Nachricht für mich hinterlassen hat.«

Ell sah sich vergeblich im Zimmer um. Kein Zeichen für ihn. Isma hatte offenbar ganz vergessen, daß sie ihn erwartete. Er ging.

Er wußte nicht, was er denken sollte. Mit Torm mußte dieser plötzliche Aufbruch zusammenhängen, das war das einzige, was er sich sagte, aber weiter kam er nicht. Und so konnte sie ihn verlassen, ohne auch nur mit einem Wort seiner zu gedenken? Und die Damen vom Nu?

Völlig niedergeschlagen kam er zu Hause an. Neue Depeschen waren eingetroffen. Er las sie durch – von Isma war nichts darunter. Er fühlte sich nicht imstande, zu arbeiten.

Ein Gedanke drängte sich ihm immer wieder vor: Verloren! Verloren! Das hatte er um sie verdient?

Es war zehn Uhr geworden. Da klang es noch einmal am Depeschentisch. Die tiefe Glocke. Das war etwas Besonderes, eine Lichtdepesche vom Mars.

Er öffnete das Stenogramm und sah nach der Unterschrift: »Für den Zentralrat, der Präsident der Marsstaaten.«

»Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß der Zentralrat Ihnen seine ernste Mißbilligung aussprechen muß über die Nachsicht, mit welcher im deutschen Sprachgebiet die Übergriffe der Menschen gegen unsre Beamten behandelt werden. Der Zentralrat erwartet von Ihnen sofortige entschiedene Maßregeln, wodurch den Menschen begreiflich gemacht wird, daß sie der Herrschaft der Nume sich unter allen Umständen ohne Widersetzlichkeit zu beugen haben. Zugleich mögen Sie Vorbereitungen treffen, daß die nach dem nächstens zu veröffentlichenden Gesetz auf das deutsche Sprachgebiet fallende Kontribution von einer Milliarde Mark rechtzeitig erhoben werden kann.«

Ell schleuderte das Blatt auf den Tisch.

»Das bedeutet den Sieg der Antibaten!« rief er aus.

58 - Lösung

Zu derselben Zeit, als Ell in seinem Wagen nicht schnell genug durch die Straßen Berlins jagen konnte, saß Torm an einem der großen Tische des Bibliothekzimmers in der Friedauer Sternwarte. Er beugte sich über seine Arbeit. Wohl zuckte es häufig in seiner Hand, die Blätter mit den langen Zahlenreihen zurückzuschieben, aber er bezwang sich; denn er wußte, daß ihn dann die bohrenden Gedanken nur noch heftiger quälten.

Durfte er noch länger hier zögern? Und was sollte er tun? Grunthe hatte sich an den Protektor Ill selbst gewandt, um zu erfahren, welche Motive den neuen Nachforschungen nach Torm zugrunde lägen. Aber die Antwort war noch nicht eingetroffen. Wie die Zeitungen meldeten, hatte sich der Protektor, vom Zentralrat berufen, zu einer wichtigen Konferenz nach dem Mars begeben. Ehe er zurückkehrte, konnten, trotz der gegenwärtigen günstigen Stellung der Planeten und der neuerdings erzielten kolossalen Geschwindigkeit der Raumschiffe doch noch gegen zwei Wochen vergehen. So lange noch hier auszuhalten, erschien Torm manchmal als eine Unmöglichkeit. Und was dann, wenn die Antwort ungünstig ausfiel?

Alle seine Willenskraft bot er auf, um die Sehnsucht nach Isma zurückzudrängen. Und doch grübelte er immer wieder, ob es nicht richtiger sei, ihr selbst die Entscheidung zu überlassen, sich zu ihm zu bekennen oder nicht. Doch nein, das hieße, sie zu einem verhängnisvollen Entschluß treiben. Aber er, er selbst, sollte er nicht für sich auf die Entscheidung seines Schicksals dringen, indem er Ell benachrichtigte? Er fand die Antwort nicht und versenkte sich aufs neue in seine Rechnungen.

Da klang plötzlich durch die Stille des Raums aus dem Nebenzimmer, in welchem Grunthe arbeitete – die Tür war nur angelehnt –, eine helle Stimme, die Torm emporfahren machte.

»Grüß Gott, Grunthe!« erscholl es.

»Saltner!« hörte er Grunthe freudig überrascht rufen.

»Ja, ich bin’s. Und ich will Sie nur ins Schiff holen, hier getraue ich mich nicht herein. Aber eins, sagen Sie gleich – ist Torm hier? Na, machen’s keine Sperenzen, ich weiß, daß er bei Ihnen logiert. Wo ist er?«

»Er arbeitet in der Bibliothek.«

»Dann heraus mit ihm, rufen Sie ihn. Frau Isma ist hier. Wir haben sie mitgebracht.«

Da flog die Tür auf. Torm stand im Zimmer.

»Wo?« fragte er bloß. Aber er wartete keine Antwort ab. Es konnte ja nicht anders sein – sie war im Schiff, und das Schiff lag natürlich im Garten. Mit einem Satz war er an der Tür der Veranda und riß sie auf.

Hier lehnte Isma am Geländer der Treppe. Pochenden Herzens wartete sie auf den Erfolg von Saltners Botschaft.

Einen Moment blieb Torm stehen, als er sie erkannte, nur einen Moment. Dann hielt er sie in den Armen. Wie lange, sie wußten es nicht.

»Komm herein!« sagte er endlich. Noch vermochte er nichts anderes zu sprechen. Er trug sie fast in das Zimmer. Es war leer. Grunthe und Saltner hatten es durch eine andere Tür verlassen.

Sie hielten sich an den Händen und blickten sich an. Isma zitterte. Die Tränen drängten sich in ihre Augen. Das war er! Der von ihr geschieden war in der blühendsten Kraft des Mannes, hoffnungsfroh und siegesgewiß – das Haar war ergraut, tiefe Falten hatten Anstrengung und Sorge in seine Stirn gegraben –, sie hätte Mühe gehabt, ihn wiederzuerkennen – aber die blauen Augen strahlten ihr in der alten Innigkeit entgegen.

Sie schluchzte. »Ich habe dich wieder!«

Wieder warf sie ihre Arme um seinen Hals, er aber löste sich sanft und sah sie nun an mit einem ernsten Blick voll Kummer und Liebe.

»Isma«, sagte er langsam, »du weißt nicht, wen du umarmst.«

»Ich weiß es, Hugo, ich weiß es! Die Freunde, die treuen, die mich hierherbrachten, haben es mir gesagt. Ich weiß, warum du fernbliebst, warum du nicht zu mir eiltest. Es war nicht recht, doch ich versteh’ es – ich aber gehöre zu dir, drum bin ich hier –«

»Über mir schwebt das Gericht und die Not, die Schande, die den Frevler am Gesetz trifft. Du weißt nicht alles –. Ich brach das Vertrauen der Nume am Pol, ich nahm von ihrem Gut, ich floh mit Gewalttat und stieß den Wächter hinab ins Schiff Ich bin ein Geächteter, solange die Nume herrschen. An dich aber hab ich kein Recht, du stehst im Schutze des Nu, du bist frei. Warum kommst du, mich in die furchtbare Qual zu stürzen, wieder von dir fliehen zu müssen, nachdem ich dich gesehen – oh, es ist furchtbar!«

»Nein, nein«, rief sie, aufs neue sich an ihn schmiegend. »Ich lasse dich nicht von mir, jetzt nicht wieder, und es ist nicht furchtbar. Was du auch getan, du tatest es, um zu mir zu kommen, nun trag ich mit dir, was geschehen soll. Aber du brauchst nichts zu fürchten. Unsere Freunde führen uns, wohin der Arm der Nume nicht reicht.«

Er schüttelte den Kopf. »Das geht nicht«, sagte er finster. »Ich nehme keine Gnade an von denen, die ich als Feinde der Menschheit betrachte, von den Vernichtern meines Glücks – das geht nicht!«

»Oh, wie kannst du so sprechen! Saltner ist in derselben Lage, er hat nicht gezögert, Las Hilfe anzunehmen, er hat sie zur Frau genommen nach den Gesetzen des Nu –«

»Dann kann er es tun, weil er sie liebt. Ich aber hasse diese Nume. Und wir beide sind geschieden nach dem Gesetz des Nu –«

»Geschieden, wir? Wer hat das bestimmt? Dieses Gesetz ist nichts ohne unsern Willen. Es schützt unsern Willen gegen fremden Eingriff, aber gegen unsern Willen kann es weder fesseln noch scheiden. Und ich habe niemals und werde niemals – o Hugo, wie kannst du glauben, ich würde dich verlassen, ich, die ich selbst die Schuld trage unsrer Trennung – hier stand ich, an dieser Stelle, da beschwor ich Ell, mich mitzunehmen nach dem Nordpol, denn binnen Tagesfrist gedacht ich dich zu finden, und es wurden zwei Jahre – nicht durch meine Schuld –«

»Erinnere mich nicht an ihn«, unterbrach er sie hart. »Diese zwei Jahre – oh! Als ich zurückkam und umkehrte vor deiner Tür, da trat er heraus –«

»Hugo«, sagte sie flehend, »das Leid hat dich verbittert, sonst würdest du so nicht reden. Ja, er ist mein Freund, der treueste, beste, das weißt du, und das wird er uns immer beweisen. Eben sagtest du, ich sei frei, wo aber findest du mich? In den Prunkzimmern des Kultorpalais oder hier im Asyl des Geächteten, der mich nicht will?«

Er blickte sie lange an, dann zog er sie an sich.

»Verzeih mir«, sagte er, »es ist wahr, ich habe dich ja hier, du geliebte Frau. Was kümmert uns der Menschen Rede? Ich habe gelitten, und das Elend war über mir. Aber die Philister sollen nicht über uns sein. Wie wollen wir den Numen trotzen, wenn wir nicht uns selbst die Freiheit im Gefühl zu wahren wissen? Mir aber zerreißt es das Herz, daß ich dich nicht halten kann mit offnem Trotz, weil ich selbst keine Stätte mehr habe, so weit die Planeten kreisen. Denn eins will ich bewahren, den Stolz, und Rettung will ich nicht durch ihre Gnade!«

Isma beugte sich zurück und sah ihm groß in die Augen.

»Wenn nicht durch ihre Gnade«, sagte sie langsam, »dann gibt es nur eins: durch die Wahrheit!«

Seine Augen erweiterten sich, als er erwiderte: »Wenn ich dich recht verstehe –«

»Vertraue dich Ell an. Sage ihm alles und höre, was er für richtig hält. Und wenn es nötig ist, stelle dich ihrem Gericht. Ich aber werde bei dir sein.«

Er zögerte. »Das heißt, ich gebe mich in seine Hand.«

»Er ist edel und groß.«

Torm runzelte die Stirn. Er dachte lange nach. Endlich sagte er: »Ich sehe keinen andern Ausweg. Und nun du zu mir kamst, darf ich nicht länger zögern, mein Schicksal zu entscheiden. Ich werde gehen.«

Sie fiel ihm um den Hals. »Geh«, rief sie, »gehen wir, und sogleich!«

»Jetzt? Auf der Stelle? Wie meinst du das? Es ist Abend – und ich, in meiner Überraschung, ich habe noch nicht einmal gefragt, wie kamst du her?«

»Komm mit zu La, und du wirst alles begreifen.«

Er schloß sie noch einmal in seine Arme. Dann gingen sie Hand in Hand durch das Zimmer nach der Veranda, in den Garten.

Sie standen vor dem Luftschiff.

»Verzeih mir«, sagte Torm zu Isma, »aber jetzt in die Gesellschaft der andern zu gehen, sie zu begrüßen, zu reden – es ist mir unmöglich – und es ist doch schon zu spät, um Ell noch zu sprechen, selbst wenn La uns wirklich so schnell und noch jetzt –«

»Ich werde La rufen.«

Die Beratung mit La dauerte nicht lange.

»Sie, Torm«, sagte sie, »wird Ell jederzeit empfangen, und Sie haben nicht eher Ruhe, bis die Entscheidung gefallen. Für uns aber ist es erwünscht, noch heute nacht alles abzuwickeln, denn der Boden Europas brennt uns unter den Füßen, und wenn die Sonne aufgeht, möchte ich hoch über den Wolken sein. In einer halben Stunde können Sie in Ells Zimmer stehen.«

»Ihr Interesse entscheidet«, sagte Torm. »Meinetwegen dürfen Sie sich nicht aufhalten. Ich bin bereit.«

La führte Torm und Isma ins Schiff. Sie sahen noch, wie La mit Grunthe sprach, der das Schiff verließ. Dann blieben sie allein im kleinen Salon. Was hatten sie nicht alles sich mitzuteilen! Sie glaubten eben erst begonnen zu haben, als La eintrat und sagte:

»Wir sind auf dem Vorbau des Kultorpalais, auf dem Anlegeplatz für die Luftschiffe, steigen Sie schnell aus und lassen Sie sich melden. Da Sie an dieser nur für Nume zugänglichen Tür Einlaß verlangen, wird man keine Schwierigkeiten machen. Unser Schiff finden Sie am Akazienplatz, wohin Sie eine der vor dem Palais haltenden Droschken in wenigen Minuten bringt. Und nun viel Glück auf den Weg!«

Isma umarmte ihn schweigend, dann stieg Torm die Schiffstreppe hinab. Von den Türmen der Stadt schlug die elfte Stunde, als der diensttuende Bed Torm nach seinem Begehr fragte. Ein Besuch um diese Zeit mußte wohl etwas sehr Wichtiges sein, darum zögerte er nicht anzufragen, ob der Kultor noch empfange. Er arbeitete noch.

Ell erbleichte, als er die Karte las.

»In mein Privatzimmer«, sagte er.

Die beiden Freunde standen einander gegenüber. Beide fühlten sich nicht frei. Beide hatten gegen die Macht eines Verhängnisses gekämpft, das stärker war als sie, dem sie sich nun ergeben mußten. Auch in Ells Zügen hatten Überarbeitung und Sorgen ihre Spuren zurückgelassen. Es war nur ein Moment, daß ihre Blicke aufeinander ruhten. Und jeder sah im andern ein stilles Leid, das an ihm zehrte, und die Erinnerung stieg auf an die Jahre treuer, gemeinsamer Freundesarbeit und kühner Hoffnung, und die Rührung des Wiedersehens umschleierte ihre düsteren Blicke mit milder Freude. Sie eilten aufeinander zu, und ihre Hände lagen ineinander.

»Sie werden vor allen Dingen wissen wollen, wo ich war«, begann Torm endlich »ich aber komme, um von Ihnen zu hören – Sie empfangen mich als Freund, wie aber empfängt mich der Kultor – was habe ich zu erwarten?«

»Ich verstehe Sie nur halb«, erwiderte Ell betroffen. »Was veranlaßt Sie zu der Frage? Sprechen Sie offen –. Kommen Sie aus Tibet über Kalkutta?«

Torm zuckte zusammen. »Ach, Sie wissen? Doch nun hören Sie erst alles.«

Er berichtete kurz über seine Flucht vom Pol und aus dem Luftschiff und die Ereignisse, die sich dabei zutrugen. Er verheimlichte nichts. Er erzählte, was ihn veranlaßt hatte, weder seine Frau noch Ell aufzusuchen, sondern sich in Friedau verborgen zu halten, wo Se ihn erkannt habe; daß ihn Isma infolgedessen aufgesucht hätte und er jetzt hier sei, um den Rat Ells zu vernehmen und die Folgen seiner Handlungen zu tragen.

Ell hörte schweigend zu, den Kopf sinnend auf die Hand gestützt. Er unterbrach ihn mit keinem Wort, keine Miene verriet, was in ihm vorging.

Das hatte er nicht gewußt. Die Tat gegen den Wächter des Schiffes war verderblich für Torm. Ell, als oberster Beamter der Nume hierselbst, mußte sie verfolgen. Der eben erhaltene Erlaß hatte ihm seine Pflicht eingeschärft. Wenn er dieser Pflicht folgte, wenn er die Mahnung des Zentralrats annahm, so war Torm verloren. Torms Schicksal war in seine Hand gelegt. Ein Druck auf diese Klingel, und er kehrte nicht mehr aus diesem Zimmer zurück, nicht mehr zu Isma –. Und dann? Isma war frei. Aber wo war sie? Ohne ein Wort des Abschieds hatte sie ihn verlassen und war zu ihrem Mann geeilt. Ein tiefer, bitterer Schmerz gekränkter Liebe durchzuckte ihn. Durch Jahre hatte sie ihn in hoffnungsfroher Freundschaft gehalten, bis die Erwartung des nahen Glücks ihn ganz eingenommen, und jetzt – nun war er ihr nichts mehr. Das war Isma! Ja, er konnte sich rächen. Er konnte auch –. Und durfte er denn schweigen? Durfte er Torm, nun er um sein Verbrechen wußte, unbehelligt ziehen lassen? Ihn der Gattin zurückgeben und sie in ihrem Glück schützen? Und wie dann den Gedanken an sie ertragen?

Torm hatte längst geendet. Ell saß noch immer, den Kopf in die Hand gestützt, die seine Augen beschattete, ohne zu sprechen. Torm wartete geduldig, obwohl sein Herz pochte. Denn jetzt mußte sich alles entscheiden.

Endlich richtete sich Ill auf und blickte Torm an. Er begann ruhig, fast gleichgültig:

»Ihr Prozeß am Pol und was damit zusammenhängt, die Entwendung des Sauerstoffs – wovon übrigens nichts bekannt geworden ist –, die unerlaubte Benutzung des Luftschiffs zur Flucht – darüber können Sie beruhigt sein. Ich sehe dies als eine zusammenhängende einzige Handlung an, die unter die Friedensamnestie fällt. Sie können deswegen nicht verfolgt werden. Ich nehme es auf mich, diese Akten kassieren zu lassen. Aber das andere! Das ist traurig, das ist schwer! Wenn es zur Anzeige kommt, sind Sie verloren.«

Torm sprang auf.

»Sie wissen es, so bin ich verloren.«

Auch Ell erhob sich. Er schritt durch das Zimmer auf und nieder, noch immer mit sich kämpfend. Dann blieb er wieder vor Torm stehen.

»Wenn es zur Anzeige kommt, sage ich, und wenn Sie bei Ihrem Geständnis stehen bleiben.«

»Wie kann ich anders.«

»Denn es ist nichts davon bekannt geworden. Es ist etwas geschehen, was Sie nicht wissen. Das Schiff mit der gesamten Besatzung ist auf der Rückkehr bei Podgoritza durch die Albaner vernichtet worden, ehe irgendeine Nachricht von ihm zu uns gelangt ist. Niemand wurde gerettet, alle Papiere und Aufzeichnungen sind verbrannt oder verschwunden. Niemand kann beweisen, was Sie getan haben, außer Ihnen – und mir!«

»O ich Tor!« murmelte Torm; bleich und finster blickte er auf Ell.

»Wollen Sie widerrufen, was Sie mir gesagt haben? Es war vielleicht nur eine poetische Ausschmückung ihres Abenteuers? Sie haben den Wächter nur leicht beiseite gedrängt?«

»Ich schlug ihn vor die Stirn, ich hörte ihn mit einem Aufschrei dumpf auf die Kante der Treppe schlagen. Hätte ich gewußt, was ich jetzt weiß, ich hätte vielleicht geschwiegen. Lügen werde ich nicht. Und doch – komme, was da kommen will, es ist besser so. Gewißheit konnte ich nicht anders erlangen, als daß ich mit Ihnen sprach. Gewißheit mußte ich erlangen, und die Wahrheit mußte ich sagen, wenn ich überhaupt sprach. Und Sie müssen meine Bestrafung einleiten.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
820 s. 1 illüstrasyon
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Public Domain
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