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Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 46

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»Ich muß es, wenn –«, er unterbrach sich und ging wieder auf und ab. Dann trat er an das Fenster. Torm hörte ihn leise stöhnen. Nun wandte er sich um. Er schritt auf Torm zu. Er sah verändert aus. Aus dem geisterhaft bleichen Gesicht leuchteten seine großen Augen wie von einem überirdischen Feuer. Vor Torm blieb er stehen und faßte seine Hände.

»Gehen Sie«, sagte er mit Bestimmtheit. »Gehen Sie, mein Freund, ich werde die Anzeige nicht erstatten. Was Sie gesprochen haben, der Kultor hat es nicht gehört – verstehen Sie –«

Torm schüttelte den Kopf.

»Sie werden es verstehen, binnen einer Stunde. Wohin gehen Sie? Nach Friedau? Sie haben nichts mehr zu befürchten. Gehen Sie – geben Sie sich zu erkennen – und seien Sie glücklich – gehen Sie –«

Er drängte Torm zur Tür. Ein Diener nahm ihn in Empfang und zeigte ihm den Weg durch die Gemächer und über die Treppen.

Sobald Ell allein war, sank er wie gebrochen auf einen Sessel. Er schloß die Augen und preßte die Hände vor die Stirn. Nur wenige Minuten. Dann stand er auf. Er wußte, was er wollte.

Mit fester Hand setzte er zwei Depeschen auf. Die eine war in martischer Kurzschrift, sie war an den Protektor der Erde gerichtet und trug den Zusatz: Als Lichtdepesche auf den Nu nachzusenden. Die andre ging an Grunthe: Sofort zu bestellen.

»Besorgen Sie dies eilends«, sagte er zu dem Diener. »Und nun wünsche ich nicht mehr gestört zu sein.«

Torm fand vor der Tür des Palais bereits einen Wagen halten, und als er herantrat, winkte ihm Isma entgegen. Sie hatte keine Ruhe im Schiff gefunden und wollte ihn hier erwarten. Angstvoll blickte sie ihm entgegen.

»Alles gut!« rief er und sprang in den Wagen, der sogleich sich in Bewegung setzte.

»Ich bin frei, wir sind sicher! Nun habe ich dich erst wieder!«

»Gott sei bedankt«, flüsterte Isma, an seine Schulter gelehnt. »Und was sagte Ell?«

»Gehen Sie nach Friedau, seien Sie glücklich!«

»Sonst nichts?«

»Nichts.«

Nach ihr hatte er nicht gefragt, für sie hatte er keinen Gruß, keinen Glückwunsch, ihr Name war nicht über seine Lippen gekommen. So klang es schmerzlich durch ihre Seele, während Torm, immer lebhafter werdend, seine Unterredung mit Ell berichtete.

Am Akazienplatz verließen sie den Wagen. Alsbald senkte sich das Luftschiff auf den menschenleeren Platz und nahm sie auf.

Gegen ein Uhr nachts ließ sich das Luftschiff wieder auf seinen Ankerplatz im Garten der Sternwarte von Friedau nieder.

Grunthe hatte die Rückkehr erwartet. Saltner holte ihn herbei.

»Es ist zwar schon spät, aber das hilft heute nichts, und aus den Beobachtungen wird auch nichts. Eine Stunde müssen Sie uns noch schenken. Ich feiere nämlich meine Hochzeit, schauen’s, da müssen Sie schon noch einmal lustig sein. Ich habe die ganze Expedition eingeladen.«

Als er in den Salon des Schiffes trat, fand er eine Tafel für sechs Personen nach Menschensitte gedeckt.

»Wir sind eigentlich zwei Brautpaare«, sagte Saltner zu Grunthe. »Von Ihnen verlangen wir nicht, daß Sie das dritte abgeben, aber eine Dame haben wir doch für Sie. Meine Mutter schläft freilich, aber hier – die Se kennen’s ja, wir haben uns wieder versöhnt.«

»Ausnahmsweise«, sagte Se lachend, »werde ich mich heute herablassen, mit euch fünf Menschen an einem Tisch zu essen, aber nur zu Ehren der drei Entdecker des Nordpols.«

Unter lebhaftem Gespräch hatte man an der Tafel Platz genommen. Torm wandte sich zu Se und sagte, sein Glas erhebend: »Die Vertreterin der Nume gestatte mir, nach unsrer Sitte ihr zu danken. Denn ihrem Scharfblick verdanke ich das Glück dieser Stunde.«

»Ich danke Ihnen«, erwiderte Se, »und ich freue mich, daß Sie nun dem Bild wieder ähnlich sehen, nach welchem ich Sie erkannte.«

»Und jetzt«, rief Saltner, die Gläser neu füllend, »wie damals, als wir zuerst den Pol erblickten, bring ich wieder ein Hoch aus auf unsre gnädige Kommandantin, auf Frau Isma Torm, und diesmal stößt sie selbst mit an, und das ist das beste. Und nun, Grunthe, können Sie wieder sagen: Es lebe die Menschheit!«

Grunthe erhob sich steif. Sein Unterarm streckte sich im rechten Winkel von seinem Körper aus, und seine möglichst wenig gebogenen Finger balancierten das Weinglas wie ein Lot, mit dem er eine Messung ausführen wollte.

»Es lebe die Menschheit«, sagte er, »so sprach ich einst. Ich sage es jetzt deutlicher: Es lebe die Freiheit! Denn ohne diese ist sie des Lebens nicht wert. Wenn die Freiheit lebt, so ist es auch kein Widerspruch, wenn ich mich dessen freue, was meine verehrten Freunde von der Polexpedition für ihre Freiheit halten, die Vereinigung mit einem Vernunftwesen, das kein Mann ist. Um aber den abstrakten Begriff der Freiheit durch eine konkrete Persönlichkeit unsrer symbolischen Handlung zugänglich zu machen, sage ich, sie lebe, die uns die Freiheit gebracht hat. Wie sie herabstieg von dem Sitz der Nume und den Wandel seliger Götter tauschte mit dem schwanken Geschick der Menschen, nur weil sie erkannte, daß es keine höhere Würde gibt als die Treue gegen uns selbst, so zeigte sie uns, wie die Menschheit sich erheben kann über ihr Geschick, wenn sie nur sich selbst getreu ist. Denn es gibt nur eine Würde, die Numen und Menschen gemeinsam ist, wie der Sternenhimmel über uns, das ist die Kraft, nachzuleben dem Gesetz der Freiheit in uns. Sie tat es, und so brachte sie die Freiheit diesen meinen Freunden, und allen ein Vorbild, wie Nume und Menschen gleich sein können. Darauf gründet sich unsre Hoffnung der Versöhnung, der wir entgegenstreben. Ihr aber, die in so hohem Sinn uns genaht und die Freunde der Not entrissen, ihr gelte unser Glückwunsch und Hoch. Und so sage ich nun: Es lebe La!«

Er blieb stehen, wie in Nachsinnen verloren, sein Glas starr vor sich hinhaltend, an das die andern mit Herzlichkeit anstießen.

Saltner küßte La und flüsterte: »Du kannst dir aber etwas einbilden, das ist das erste Mal, daß er eine Frau leben läßt!«

»Und das letzte Mal«, murmelte Grunthe, sich niedersetzend.

Saltner aber sprang auf und trat zu Grunthe und umarmte ihn, ehe er es verhindern konnte.

Grunthe wand sich verlegen. »Ich glaube«, sagte er, »ich meine ja eigentlich diese La, in der wir sitzen, das schöne Luftschiff –«

»Oh, oh!« rief Se, »das hilft Ihnen nichts mehr, Sie haben von ›Persönlichkeit‹ gesprochen – jetzt können Sie nichts mehr zurücknehmen.«

»Nein, ich will es ja auch nicht«, sagte er ernsthaft.

Da öffnete sich die Tür. Der Schiffer trat ein.

»Eine Depesche für Herrn Dr. Grunthe ist eben gebracht worden«, sagte er.

Grunthe stand auf und trat beiseite. Er las.

Dann kehrte er zum Tisch zurück. Er sah sehr ernst aus.

»Es ist etwas Wichtiges geschehen«, sagte er auf die fragenden Blicke der andern. »Ell hat sein Amt niedergelegt.«

»Wie? Was? Lesen Sie!«

Er reichte Saltner das Blatt. Dieser las:

»Ich benachrichtige Sie hierdurch, daß ich soeben bei Ill um Enthebung vom Kultoramt und um meine Entlassung aus dem Dienst der Marsstaaten eingekommen bin. Unter den obwaltenden Umständen ist mir die Fortführung unmöglich. Ich bitte Sie, meinen Besitz in Friedau als den Ihrigen zu betrachten. Ich selbst gehe nach dem Mars, um gegen die Antibaten zu wirken. Sie werden bald von mir hören. Glück dem Menschenbund! Saltner und Torm meinen Gruß. Ihr Ell.«

Isma wußte nicht, wohin sie blicken sollte. Sie fühlte, wie Blässe und Röte auf ihrem Antlitz wechselten. In der allgemeinen Erregung achtete man nicht auf sie.

»Also darum«, sagte Torm, »darum sagte er, in einer Stunde werde ich verstehen, warum der Kultor meinen Bericht nicht gehört habe –. Lassen Sie uns des edlen Freundes gedenken!«

»Auf Ell!« sagte Saltner. »Aber Sie müssen mir noch erklären –«

»Es muß ein politisches Ereignis eingetreten sein – vielleicht ist der Antrag über die Steuern angenommen«, bemerkte Torm. »Also auf Ell!«

Sie erhoben die Gläser. Ismas Hand zitterte. Als sie anstieß, entglitt das Glas ihren Fingern und zerbrach.

La allein hatte gesehen, was in Isma vorging. Kaum klangen die Scherben auf dem Tisch, als sie auch ihr Glas fallen ließ und mit einem leichten Stoß Saltner das seine aus der Hand schlug.

»Das ist recht!« rief sie.

»Fort alle mit den Gläsern und Flaschen! Auch der Nu will sein Recht haben. Ehe wir Abschied nehmen, meine lieben Freunde, noch einen Zug vom Nektar des Nu aus den Kellern der La!

Und dann hinauf in den Äther!«

59 - Die Befreiung der Erde

Zum zweiten Mal war es Herbst geworden, seit La und Saltner die Freunde in Friedau verlassen hatten, um zunächst außerhalb des Machtbereichs der Martier die Entwicklung der Dinge abzuwarten. Das ganze Gebiet der Vereinigten Staaten von Nordamerika stand ihnen zur Verfügung. Ihr Haus und ihr Glück führten sie mit sich. Ob in den blühenden Gärten des ewigen Frühlings an den Buchten der kalifornischen Küste, ob auf den Schneegipfeln der Sierra Nevada oder unter den Wundern des Yellowstone-Parks, für La und Saltner galt das gleich, das glänzende Luftschiff war ihre Heimat; ob es in den Lüften schwebte oder unter Palmen ruhte, treu barg es die Wonne der Vereinten und machte sie unabhängig von der Welt.

Nur über dieses Freigebiet hinaus durften sie sich nicht wagen. La mußte sich den Wunsch versagen, die Ihrigen auf dem Mars oder auch nur ihren Vater am Pol der Erde zu besuchen, und konnte ihn selbst bloß zu kurzem Besuch einigemal bei sich sehen. Se war alsbald nach dem Mars zurückgekehrt. Palaoro, der sich zum geschickten Luftschiffer ausgebildet hatte, war bei Saltner zurückgeblieben. Auch die beiden Martier, die in Las Diensten standen, blieben ihr treu, selbst als sich das Verhältnis von Martiern und Menschen schärfer zuspitzte.

Die Partei der Antibaten auf dem Mars hatte immer deutlicher ihre Ziele enthüllt. Den Menschen sollte die Würde der freien Selbstbestimmung abgesprochen, die Menschheit in eine Art Knechtschaft zum Dienst der Nume gestellt werden. Die Erde wollte man lediglich als ein Objekt der wirtschaftlichen Ausnutzung zugunsten des Mars behandeln und das Kulturinteresse der Menschheit nur insofern berücksichtigen, als es zum Mittel für die größere Leistungsfähigkeit dieser tributären Geschöpfe dienen konnte. Und diese Auffassung des Verhältnisses zur Erde war jetzt auf dem Mars zum Sieg gelangt. Sowohl im Parlament als im Zentralrat besaßen die Antibaten die Majorität. Die Abdankung von Ell, die unglücklicherweise kurz vor die Neuwahlen fiel, durch welche alle Marsjahre ein Drittel der Volksvertreter neu ernannt wurde, hatte zum Sieg der Antibaten bedeutsam mitgewirkt. Sie war als der sichtbare Beweis aufgefaßt worden, daß die bisherige Methode in der Regierung der Menschen nicht die richtige sei. Man verlangte ein rücksichtsloses Verfahren, höhere Revenuen, baldige Unterwerfung Rußlands und der Vereinigten Staaten. Mit dem Sieg der Antibatenpartei begann diese neue Politik. Maßregel folgte auf Maßregel, um die Erde dem Dienst des Mars zu unterwerfen.

Oß und einige andere höhere Beamte der Martier auf der Erde waren allerdings aus ihren Stellungen abberufen worden, da sie zweifellos von jener nervösen Störung befallen waren, die man vulgär als Erdkoller bezeichnete. Aber ihre Ersatzmänner verfolgten die Politik der Unterdrückung nur mit größerer Klugheit. An Ells Stelle war der Martier Lei gekommen, ein ausgesprochener Antibat, ein sehr energischer Mann, der selbst vor gewalttätigen Eingriffen nicht zurückscheute. Ell war auf den Mars gegangen und hatte dort mit aller Kraft zugunsten der Erde zu wirken versucht, vorläufig ohne erkennbaren Erfolg. Gleich ihm waren seine früheren Untergebenen in das Privatleben zurückgetreten und agitierten nun auf dem Mars als seine entschiedenen und gefährlichen Gegner.

Ells Oheim, der Protektor der Erde und Präsident des Polreichs, Ill, kämpfte noch eine Zeitlang gegen die vom Zentralrat gewünschten Maßregeln. Als man aber gegen seinen ausdrücklichen Rat ihn beauftragte, die Vorbereitungen zu treffen, um im nächsten Frühjahr die russische Regierung erforderlichenfalls mit Gewalt zu veranlassen, auch in ihrem Gebiet die Einsetzung martischer Residenten und Kultoren zuzulassen und einen jährlichen Tribut von 30 Milliarden Mark zu zahlen – um sie zu zwingen, die ausgedehnten Steppen und Wüsten im Süden und Osten mit Strahlungsfeldern zu bedecken –, da legte auch Ill mit schwerem Herzen sein Amt nieder. Die Erde war nun der Gewalt einer den Menschen feindlich gesinnten Partei ausgeliefert.

Rußland machte einen Versuch zum Widerstand. Aber der Geist, der jetzt auf dem Mars herrschte, war weniger ›human‹ als in den ersten Kriegen mit den europäischen Staaten. Die Martier scheuten sich nicht, den Hafen von Kronstadt und das blühende Moskau ohne Rücksicht auf Menschenleben zu zerstören. Der Zar gab nach, da er sah, daß alles auf dem Spiel stand und seine Herrschaft zu zerfallen drohte. Es gab keine Mittel für Rußland, der vernichtenden Gewalt der Luftschiffe zu widerstehen. Der russische Kaiser wurde Vasall der Marsstaaten. Das war im Sommer des dritten Jahres nach der Entdeckung des Nordpols.

Schwer lag die Fremdherrschaft über Europa und den von ihm abhängigen Ländern. Die Geldsummen, welche in Gestalt von Energie nach dem Mars flossen, waren ungeheuer. Jedoch nicht diese Leistungen waren es, die als drückend empfunden wurden. Zwar erhoben die Staaten, um die auferlegten Tribute zu bezahlen, Steuern in einer Höhe, die man vorher für unmöglich gehalten hätte. Aber dies war nur die Form, in welcher ein Strom des Reichtums nach dem Mars hin mündete, dessen schier unerschöpfliche Quelle in der Sonne lag und nun zum erstenmal von den Menschen bemerkt und benutzt wurde. Es fehlte nicht an Geld, vielmehr, der Nationalreichtum stieg sichtlich, und zwar in allen Schichten der Bevölkerung, die Lebenshaltung hob sich, und von wirtschaftlicher Not war nirgends die Rede. Denn zahllose Arbeitskräfte fanden zur Herstellung und Bearbeitung der Strahlungsfelder Beschäftigung, und selbst die gefürchtete Entwertung von Grund und Boden trat nicht ein. Mit dem Fortschritt in der Herstellung billiger chemischer Nahrungsmittel fanden sich zugleich andere Methoden der Bodenausnutzung. Der Verkehr blühte. Das Hauptzahlungsmittel bestand in Anweisungen auf die Energieerträge der großen Strahlungsfelder. Die aufgespeicherte Energie selbst kam nur zum kleinen Teil in den Verkehr, die geladenen Metallpulvermassen, die ›Energieschwämme‹, wurden zum größten Teil direkt nach dem Mars exportiert, die Scheine über diese Erträge aber wanderten von Hand zu Hand und in die Regierungskassen als Steuern. Von hier wurden sie als Tribut an die Marsstaaten verrechnet.

So hatten die Martier allerdings durch ihre Tributforderungen die Menschen gezwungen, der neuen Quelle des Reichtums in der direkten Sonnenstrahlung sich zuzuwenden und der Menschheit einen ungeahnten wirtschaftlichen Fortschritt verliehen. Aber sie hatten dies nicht, wie die Menschenfreunde auf dem Mars wollten, durch allmähliche Erziehung zur Freiheit getan, sondern durch Zwang. Und dieser Zwang war es, der die Menschen des äußeren Segens nicht froh werden ließ. Es war Fremdherrschaft, die auf ihnen lag, und je leichter ihnen der Gewinn des Unterhalts wurde, um so schwerer empfanden sie den Verlust der Freiheit und Selbständigkeit. Und der gemeinsame Druck ward wider Willen der Martier ein schnell wirkendes Mittel zur Erziehung des Menschengeschlechts. Er weckte das Bewußtsein der gemeinsamen Würde.

Je schwerer die Hand der Martier auf den Völkern ruhte, um so rascher und mächtiger verbreitete sich der allgemeine Menschenbund. Seine Prinzipien waren noch dieselben: Numenheit ohne Nume! Erringung der Kulturvorteile, die der höhere Standpunkt der Martier bieten konnte, um die Erde unabhängig von ihrer Herrschaft zu machen – auf friedlichem Weg.

Aber was Ill und Ell als das eigene Ziel betrachtet hatten, darin sahen die neuen Gewalthaber eine gefährliche Überhebung der Menschen, die nur zu Unbotmäßigkeit führen würde. Und sie begingen den großen Fehler, den Menschenbund zu verbieten.

Damit wurde aus dem Bund eine geheime Gesellschaft, die nur um so fester zusammenhing. Er wurde ein wirklicher Bund der Menschen, der aufklärend und verbrüdernd wirkte zwischen allen Nationen und Stämmen, zwischen allen Gesellschaftsklassen und Bildungsstufen. Ein jeder fühlte nun, daß er nicht bloß Franzose oder Deutscher, Handarbeiter oder Künstler, Bauer oder Beamter sei, sondern daß er dies nur sei, um ein Mensch zu sein, um eine Stelle auszufüllen in der gemeinsamen Arbeit, das Gute auf dieser Erde zu verwirklichen. Die Gegensätze milderten sich, das Verbindende trat hervor. In den Staaten, in denen herrschende Klassen die hergebrachte Scheu vor der Geltung des Volkswillens noch immer nicht überwunden hatten, machte sich nun doch die Einsicht geltend, daß allein in der Einigkeit des ganzen Volkes die Kraft zur Erhebung zu finden sei. Längst erstrebte Forderungen einer volkstümlichen Politik wurden von den Fürsten zugestanden. Man lernte, jeden eignen Vorteil dem Wohl des Ganzen unterzuordnen. Und während ein ohnmächtiger Zorn gegen den Mars in den Gemütern kochte, erhoben sich die Herzen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, und ein machtvoller, idealer Zug erfüllte die Geister: Friede sei auf Erden, damit die Erde den Menschen gehöre!

Der Menschenbund war der Träger dieser Ideen, aber man zweifelte nun, sie auf friedlichem Weg durchführen zu können. Rettung, so schien es, war nicht mehr zu hoffen vom guten Willen der Martier; man mußte sie zu erobern suchen durch eine allgemeine gewaltsame Erhebung gegen die Bedrücker – »zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr verfangen will, ist uns das Schwert gegeben« –. Der Menschenbund wurde eine stille Verschwörung zur Abschüttelung der Fremdherrschaft. Aber wo war ein Schwert, das nicht vom Luftmagneten emporgerissen, vom Nihilit nicht zerstört wurde, das hinaufreichte zu den schwerelosen, pfeilgeschwinden, verderbenbringenden Hütern der martischen Herrschaft?

Die herrschende Gärung konnte den Martiern nicht verborgen bleiben. Die Partei der Menschenfreunde auf dem Mars machte sich die Tatsache zunutze, daß die Unzufriedenheit auf der Erde nicht zu leugnen war. Sie wies auf die Gefahren hin, die hieraus entstehen mußten. Unermüdlich war Ell an der Arbeit, die Tendenzen der Antibaten zu bekämpfen und die Nume mit dem Wesen, der geschichtlichen Entwicklung und den Bestrebungen der Menschen bekannter zu machen. Und seine Anhänger wuchsen an Zahl. Aber gerade weil die Antibaten bemerkten, daß sie Gefahr liefen, an Macht einzubüßen, wurden sie um so verblendeter in den Mitteln zu ihrer Erhaltung. Aufs neue gewann die Absicht deutlichere Gestalt, den Menschen durch ein Gesetz direkt das Recht der Freiheit als sittliche Personen abzusprechen. Und gegen den Menschenbund wurde ein System von Verfolgungen in Szene gesetzt. Die Erbitterung nahm zu. Die Martier aber erkannten, daß die Fäden der Verschwörung nach den Vereinigten Staaten hinwiesen. Der Sitz der Zentralleitung des Bundes war nicht mehr in Europa, er befand sich in einem Land, das ihrer Macht nicht unterworfen war.

Es kam zu einer stürmischen Sitzung im Parlament und im Zentralrat des Mars, etwa ein Jahr nach der Unterwerfung Rußlands. Man verlangte, daß nun auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika gezwungen werden sollten, sich der direkten Regierung durch die Marsstaaten zu fügen. Eher werde man vor den Umtrieben des Menschenbundes und der Widersetzlichkeit der Erde nicht sicher sein. Und die Antibaten siegten wieder, obwohl mit geringer Majorität. Den Vereinigten Staaten wurde die Forderung gestellt, die Häupter des Menschenbundes, unter denen man Saltner als eines der gefährlichsten bezeichnete, auszuliefern und Residenten und Kultoren der Marsstaaten in die Hauptstädte der einzelnen Staaten aufzunehmen.

Der Beschluß fand in einem großen Teil der Marsstaaten keineswegs Billigung. Die Ansichten Ells, der bei einer Nachwahl in das Parlament berufen worden war, wurden in weiten Kreisen geteilt. Man sagte sich, daß ein etwaiger Widerstand der Vereinigten Staaten zur Niederwerfung viel größere Mittel erfordern würde als die Bezwingung des russischen Reiches. Denn hier war die Sache entschieden, wenn der Zar sich beugte. In Amerika aber war anzunehmen, daß, wenn auch die zentrale Regierungsgewalt aufgehoben werde, jeder Staat für sich einen Widerstand leisten könne, der bei der weiten Ausdehnung des Gebietes zu umfangreichster Machtentfaltung und wahrscheinlich zu traurigen Verheerungen zwingen würde. Aber der Beschluß war nun gefaßt und mußte durchgeführt werden. Das Ultimatum wurde gestellt. Es enthielt die Drohung, daß im Fall irgendeiner Feindseligkeit gegen die zur Ausführung der verlangten Bestimmungen eintreffenden Luftschiffe das Gesetz als sanktioniert zu gelten habe, wonach die gesamte Bevölkerung der Erde des Rechts der freien Selbstbestimmung für verlustig erklärt werde.

Die Vereinigten Staaten antworteten mit der Kriegserklärung.

Drei Tage darauf erfolgte von seiten der Marsstaaten die Verkündigung des angedrohten Gesetzes: Die Bewohner der Erde besitzen nicht das Recht freier Persönlichkeit.

Es war eine Zeit unbeschreiblicher Aufregung in allen zivilisierten Staaten. Man empfand die Erklärung als eine Beschimpfung der gesamten Menschheit. In Europa herrschte eine ohnmächtige Wut. Jeder bangte davor, sich zu äußern oder zu widersprechen, weil er den Schutz des Rechtes von sich genommen fühlte. Ein letzter Rest der Hoffnung ruhte noch auf den Vereinigten Staaten. Aber die Hoffnung war gering. Wie wollten sie der Macht der Martier widerstehen? Und wirklich – die Überflutung der Staaten durch eine Luftschifflotte von gegen dreihundert Schiffen ging vor sich, ohne daß Widerstand versucht wurde. Die martischen Schiffe verteilten sich auf die Hauptverkehrspunkte in dem ganzen ungeheuren Gebiet. Eine merkwürdige Ruhe herrschte im Land, ein passiver Widerstand, der unheimlich war. Die Kultoren und Residenten waren da, aber außerhalb des Nihilitpanzers ihrer Schiffe wagten sie nichts zu unternehmen. Die Martier stellten eine dreitägige Frist zur Übergabe der Regierungsgewalt und drohten im Fall der Weigerung mit Verwüstungen in großem Maßstab, vor allem auch mit Unterbrechung des Verkehrs. Es schien keine Rettung. Mit Zittern und Bangen verfolgte man auf der ganzen Erde die Vorgänge in Nord-Amerika. In dumpfem Schmerz beugten sich die Gemüter. Sollte auch das letzte Bollwerk der Freiheit auf der Erde vernichtet werden? Das war das Ende der Menschenwürde!

Der gegenwärtige Protektor der Erde und Präsident des Polreichs, Lei, war mit der Exekution gegen die Vereinigten Staaten beauftragt worden. Sein Admiralsschiff lag auf dem Kapitol zu Washington. Am 11. Juli sollte die zur Unterwerfung gestellte Frist ablaufen. Es war am Morgen dieses Tages, der die Geschichte der Menschheit entscheiden mußte, als der Protektor durch den Lichtfernsprecher der Außenstation am Nordpol den Auftrag geben wollte, eine Nachricht durch Lichtdepesche nach dem Mars zu senden. Vergeblich versuchte der Beamte zu sprechen. Der Apparat versagte – man mußte auf der Außenstation den Anschluß nicht zustande bringen können. Es wurde nun nach der Polinsel Ara telegraphiert. Die Leitung war nicht unterbrochen. Aber lange erhielt man keine Antwort. Endlich kam eine Depesche: »Anwesenheit des Protektors sofort erforderlich.« Das Schiff des Protektors raste nach dem Nordpol, von einer kleinen Schutzflottille gefolgt. Im Lauf des Nachmittags bemerkte man, daß die übrigen in Washington befindlichen Luftschiffe der Martier ebenfalls nach Norden hin sich entfernten. Gleiche Nachrichten liefen aus allen übrigen Städten ein. Sobald das letzte Schiff der Martier die Hauptstadt verlassen hatte, tauchten vorher in den Häusern verborgen gehaltene amerikanische Truppen überall auf, die martischen Beamten, die allein den Verkehr mit dem Pol hatten vermitteln dürfen, sahen sich plötzlich für gefangen erklärt, und die nächste Depesche nach dem Pol lautete, nicht mehr in martischer, sondern in englischer Sprache: »Wir sind im Besitz des Telegraphen. Die feindlichen Schiffe sind fort.«

Und die Antwort, gezeichnet vom Bundesfeldherrn Miller, lautete:

»Großer Sieg! Die Außenstation ist erobert, achtzehn Raumschiffe mit 83 Luftschiffen fielen in unsere Hände. Lei gefangen. Von den zurückkehrenden Luftschiffen sind bereits über fünfzig genommen. Ruft alle Völker zum Kampf auf!«

Das Unglaubliche war geschehen. Was niemand für möglich gehalten hatte – die Macht der Martier war gebrochen, die Unbesiegbaren waren gefangen in ihrem eigenen Bollwerk! Eine Vereinigung von lange vorbereiteter Überlegung, von unerhörter Tatkraft und schlauem Mut hatte es zustande gebracht. Die Nume waren vollständig überrascht worden.

Tief verborgen in der Einsamkeit des Urwalds war ein Verein von Ingenieuren seit Jahr und Tag tätig gewesen. Der Opfersinn amerikanischer Bürger und die von der ganzen Erde zusammenströmenden Mittel des Menschenbundes hatten hier eine mit unbeschränktem Kapital arbeitende Werkstatt ins Leben gerufen. Man hatte auf dem Mars die Technik des Luftschiffbaus schon längst studieren lassen, und auf der Erde diente das Luftschiff ›La‹ als Muster. Es war gelungen, durch schlaue Operationen große Quantitäten von Rob, Repulsit und Nihilit einzuführen, und der allmächtige Dollar hatte es in Verbindung mit Kühnheit und Intelligenz fertiggebracht, daß hier in aller Stille eine Flotte von dreißig Luftschiffen hergestellt worden war. Die nötige Mannschaft war eingeübt worden. Das Letztere war hauptsächlich Saltner zu verdanken, der diesen Dienst auf seinem eigenen Luftschiff gründlich erlernt hatte. So war es gekommen, daß die Vereinigten Staaten ohne Wissen der Martier über Luft-Kriegsschiffe verfügten, die den martischen an Geschwindigkeit nichts nachgaben.

Freilich, diese wenigen Schiffe konnten gegen die Übermacht der Martier und ihre überlegene Übung nichts ausrichten. Aber General Miller, der Generalstabschef der Union, hatte einen Plan ausgedacht, zu dessen Durchführung sie ausreichen konnten.

Sobald die Flotte der Martier zur Besetzung der Staaten aufgebrochen war, hatte sich die kleine Unionsflotte unbemerkt in das nördliche Polargebiet begeben. Äußerlich besaßen die Schiffe ganz das Ansehen und die Abzeichen der martischen Kriegsschiffe. So näherten sie sich unbefangen der Polinsel Ara. Keiner der hier anwesenden Martier konnte vermuten, daß es sich um feindliche Schiffe handeln könne. Die Insel war überhaupt nicht eigentlich militärisch besetzt, denn sie war durch ihre Lage am Nordpol vollständig gegen eine Überrumpelung geschützt gegenüber einem Feind, der keine Luftflotte besaß. Außerdem ließ sich die ganze Insel auf dem Meer durch einen Nihilit-Kordon gegen jede Annäherung zu Schiff absperren. Es befanden sich daher nur einige Avisos zum Nachrichtendienst hier. Auf den benachbarten Inseln waren noch große Werkstätten errichtet, wo die vom Mars eingeführten Luftschiffe montiert und bemannt wurden. Daneben befanden sich ausgedehnte Werke zur Komprimierung von Luft, die nach dem Mars verfrachtet wurde. Im ganzen hatte sich so hier eine Kolonie von einigen tausend Martiern angesiedelt, die aber in keiner Weise auf einen kriegerischen Angriff eingerichtet war.

Die Überrumpelung der Insel gelang vollkommen. Zwei Schiffe drangen unmittelbar an den inneren Rand des Daches der Insel. Die Besatzung dieser Schiffe bestand aus lauter Freiwilligen, die geschulte Ingenieure waren und die Einrichtungen des abarischen Feldes sorgfältig studiert hatten. Ehe man in den Maschinenräumen wußte, was vorging, waren die martischen Ingenieure überwältigt oder durch die vorgehaltene Waffe zur Ausführung der Befehle der Amerikaner gezwungen. Sie wurden verhindert, eine Nachricht durch das abarische Feld nach der Außenstation zu geben. Den nächsten Flugwagen, der zum Ring der Außenstation auffuhr, bestieg General Miller selbst mit einer auserwählten Schar von Offizieren, Ingenieuren und Mannschaften. Eine Stunde später waren sie auf dem Ring. Auch hier wurden die Ingenieure, welche das abarische Feld bedienten, ohne Schwierigkeit überrumpelt und gefesselt. Dann drang man in die obere Galerie, die große Landungshalle der Raumschiffe vor. Hier lag die größte Schwierigkeit. Mehrere hundert Martier waren damit beschäftigt, die Raumschiffe zu entladen, denn es waren neue Raumschiffe gekommen mit Kriegsmaterial, vor allem mit neuen Luftschiffen. Dies waren hauptsächlich Mannschaften der Kriegsflotte, die mit Telelytrevolvern bewaffnet waren. Sobald sie die erste Überraschung überwunden hatten, setzten sie sich zur Wehr und zwangen das kleine Häuflein der Angreifer, sich schleunigst in das untere Stockwerk zurückzuziehen. Hier erhielten diese zwar nach einiger Zeit Verstärkung durch einen zweiten Flugwagen, dennoch konnten es beide Teile nicht auf einen Kampf ankommen lassen – die Telelytwaffen, die hier gegeneinander wirksam geworden wären, hätten binnen wenigen Minuten zur vollständigen Vernichtung von Freund wie Feind geführt. Die Menschen aber befanden sich im Besitz des abarischen Feldes und der Elektromagneten der Insel – sie drohten, den ganzen Ring durch Veränderung des Feldes zum Sinken zu bringen und die Außenstation zu zerstören, wenn sich die Martier nicht auf der Stelle ergäben.

Die Martier konnten zwar auf ihren Raumschiffen die Außenstation verlassen, doch hätte es mehrere Stunden gedauert, ehe sie dieselben klar zum Raumflug hätten machen können. In dieser Zeit konnte, wenn die Menschen ernstmachten, das Kraftfeld der Station und damit das Gleichgewicht des Ringes gestört werden. Überhaupt sagten sie sich, daß sie bald Hilfe und Ersatz von den Ihrigen bekommen müßten, und wollten deshalb nicht diese wichtigste ihrer Anlagen auf der Erde gefährden. So blieb ihnen nichts übrig, als sich gefangenzugeben.

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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