Kitabı oku: «Homchen», sayfa 10
Die Großechse
Es war am späten Nachmittage. Vor einem Stein, unter dem Grase verborgen, lag eine borstige Kugel. Der Igel hatte eine Bewegung in der Nähe wahrgenommen und sich zusammengerollt. Da hörte er eine feine Stimme:
»Igel, Igel, Igel! Wo bist du? Homchen sucht dich.«
Vorsichtig legte der Igel seine Stacheln zurück und streckte sein spitzes Schnäuzchen heraus.
»Igel, Igel, Igel! Hier in der Nähe muß deine Wohnung sein, aber ich kann dich nicht finden.«
»Ist es möglich! Bist du es wirklich, Homchen? So komm nur herein zu mir, hier bin ich! Wo kommst du her?«
»Von weit, weit! Aber jetzt komm‘ ich vom Waldrand, wo die Kala schlafen. Von dir aber möcht‘ ich wissen, was die Drachen im Moore tun.«
»Die tun gar nichts. Die sind alle umgekommen im Feuer und im Wasser.«
»Wie? Was sagst du — alle umgekommen?«
»Ja, nur leider die Großechse nicht. Die kommt eben heranspaziert.«
»Das mußt du mir ausführlich erzählen.«
»Natürlich. Tritt nur erst hier in meine Tür. Wir wollen abwarten, bis die Großechse vorüber ist. Sie macht jetzt ihren Abendspaziergang, denn sobald es dunkel wird, wagt sie sich nicht mehr umzublicken. Du kannst dir sie hier in aller Ruhe ansehen, hier unten merkt sie uns nicht. So — jetzt ist sie vorbei. Siehst du, die Großechse und ich sind jetzt die beiden einzigen Bewohner der Hügel. Mich soll sie nicht im Winterschlaf stören, aber sie wird frieren. Und nun wollen wir — doch — hörst du nichts?«
»Ja, ja — es kommt etwas Großes, Gewichtiges — —«
Schwere Tritte ertönten und näherten sich allmählich. Vorsichtig spähte Homchen, auf dessen, scharfe Augen der Igel sich verließ.
Ein riesiges Tier, das, aufgerichtet, der Großechse an Höhe wenig nachgab, wandelte langsam über die Halde.
Es war der Iguanodon.
Manchmal hielt er still und schalt nach seiner Weise im Selbstgespräch.
»Unverschämte Gegend! Freche Steine im Grase, drücken mich an meine Zehen. Gibt‘s denn hier keine weiche Wiese? Muß doch nun bald am Drachenmoor sein. Die Sonne steht schon tief, ich habe nicht mehr viel Zeit.«
Jetzt erblickte er in der Ferne die Großechse.
»Krecks, Krecks!« rief er. »Echse da vorn — halt an, sag an, wo ist das Moor?«
Auf den Ruf drehte die Großechse sich um. Sie war wütend, daß es jemand wagte, sie anzurufen, dabei voll froher Gier, daß sich doch in dieser verlassenen Gegend noch eine Beute darböte. Sogleich eilte sie mit ihren schnellen, geräuschlosen Raubtierschritten zurück.
Inzwischen hatte der Iguanodon sich niedergelegt. Denn da er gerufen hatte, so war die Sache seiner Ansicht nach erledigt, und von seinem langen Wege taten ihm die an den weicheren Boden der Wiese gewöhnten Füße weh. So konnte die Großechse nicht so bald erkennen, wen sie vor sich habe, und gedachte, sich sogleich auf die freche Echse zu stürzen.
Bald aber bemerkte der Iguanodon, daß es die Großechse selbst war, die er gerufen hatte; er richtete sich auf und blickte ihr mit voller Spannung entgegen.
Die Großechse stutzte. Sie erkannte den Iguanodon. Ihre Adern schwollen, ihre Sehnen spannten sich, sie duckte sich zum Sprunge und ihr Schweif schlug mit furchtbarer Gewalt den Boden.
Das war der Iguanodon, der zum unfehlbaren Herrn der Echsen gewählt war, den man gewagt hatte, ihr, der Großechse vorzuziehen. Aber die Echsen waren fort, die Zierschnäbel waren fort, jetzt wird sie zeigen, daß der Iguanodon nichts zu sagen hat, jetzt wird sie ihn vernichten.
Und doch sprang sie noch nicht gegen den Feind an. Er saß so ruhig und sicher, hoch aufgerichtet da, mit scharfen Augen sie beobachtend. Er floh nicht und er zitterte nicht vor Furcht, wie die andern Tiere, wenn die Großechse nahte. Und von den vorgestrecken Armen ragten die Daumen wie zwei scharfe Spieße der Großechse entgegen. Mit dem Iguanodon hatte sie noch nie gekämpft: ehe sie wußte, wo sie ihn zu packen hatte, sprach der Iguanodon:
»Es freut mich, dich zu sehen, mächtige Großechse! Denn ich kam, dich und die Deinen im Drachenmoor zu suchen, von denen die Zierschnäbel mir Nachricht brachten.«
Die Großechse gab ihre Angriffsstellung auf. In der Art, wie der Iguanodon sprach, lag etwas, wie in der Stimme Grappignapps. Die Macht der Nachtgeister und der Zorn der roten Schlange traten wie schreckende Erinnerungen neben die Wut und Gier des Raubtiers, und die Großechse mußte weiter hören, was der Iguanodon ihr sagte.
»Warum kamt ihr nicht, wie ich befohlen hatte, den Wald zu brechen und die Säuger herauszutreiben? Wo ist der Atlanto? Wo ist das Moor? Führe mich zu den Echsen. Doch nein, warum soll ich mich länger bemühen? Hole sie hierher. Ich will sie sprechen.«
»Der Atlanto? Die Echsen? Das Moor? Soll es vielleicht auch hierherkommen?« schrie die Großechse. »Suche sie dir selbst! Sie sind nicht mehr da. Das Meer hat sie verschlungen, die rote Schlange hat sie vertilgt. Und du weißt es nicht? Haha! Iguanodon, du willst dich rühmen, im Namen der roten Schlange zu reden, und weißt nicht einmal —«
»Schweig!« rief der Iguanodon. »Ich bin kein Freund von langen Reden. Vertilgt sind die Echsen? Ich dachte es mir, warum haben sie meiner Botschaft nicht gehorcht —«
»Es ist gar keine Botschaft von dir gekommen —«
»Ich sandte doch die Zierschnäbel —«
»Sie kamen nicht wieder. Siehst du, daß du nichts weißt?«
»So muß ihnen Unheil widerfahren sein. Gleichviel. Ich brauche die Echsen nicht mehr. Die Säuger sind vor meiner Stimme geflohen. Der Wald ist verlassen, er braucht nicht mehr gebrochen zu werden.«
»Was willst du dann hier in meinem Gebiet? Hier bin ich der einzige Herr, ich wünsche dich nicht hier zu sehen. Gehe wieder auf deine Wiese an den Fluß und trinke dein süßes Wasser, weiser Iguanodon!«
»Meine Wiese kann ich nicht mehr bewohnen. Das Meer drang herein, die Wiese ist verschlämmt und versalzen. Darum brach ich durch den Wald. Ich werde mir hier einen Platz suchen, dort drüben am Waldrand, wo der Bach von den Hügeln herniederströmt. Die Wiese ist zwar nur schmal. Aber ich sah Kräuter, wie ich sie liebe. Dort werde ich mich hinsetzen.«
»Das wirst du nicht«, schrie die Großechse wütend. »Ich verbiete es.«
»Du mir verbieten? Mir, aus dem die rote Schlange spricht? Ich bin das klügste Wesen, ich bin mein Ideal. Ich werde die Tiere sammeln, die es hier gibt, und werde sie glücklich machen. Ich werde sie lehren, vom Grase der Wiese zu essen. Und wenn keine Säuger hier sind, und wenn die Echsen vertilgt sind, so will ich dich lehren, glücklich zu sein. Du sollst auf der Wiese am Bache leben und sollst kein Fleisch mehr genießen, damit kein Tier das andre störe. So habe ich‘s beschlossen und verkündet, und so muß es geschehen.«
Die Großechse stieß ein Hohngebrüll aus.
»Ich Gras fressen? Ich die Tiere nicht töten? Lächerlicher Großschnabel! Ich werde noch Tiere finden, und wenn ich keine andern finde, so werde ich dich fressen —«
»Wahnsinniger Drache! Mich, aus dem die rote —«
Der Iguanodon konnte nicht aussprechen. Mit einem furchtbaren Satze sprang die Großechse auf ihn zu, um die Krallen in seinen Körper zu schlagen und mit den langen Sichelzähnen ihm den Hals zu durchbeißen.
Aber so schnell die Großechse war, der Iguanodon bemerkte den Angriff. Sein Körper, auf die mächtigen Schenkel und den gewaltigen Schweif gestützt, wurzelte felsenfest, aber den schlanken Hals warf er blitzschnell zur Seite, sich weit hinwegbeugend, und der Drache schoß an ihm vorüber mit Kopf und Vorderkrallen, während sein Leib gegen den Körper des Iguanodon anprallte. Durch den Stoß zur Seite geworfen, lag die Großechse einen Augenblick am Boden, und sogleich wandte sich der Iguanodon mit seinem Oberkörper und umfaßte den Hals der Großechse mit seinen Armen. So hielt er sie von hinten umklammert, und nur so war es ihm möglich, sich der tödlichen Bisse des Raubtiers zu erwehren. Die Großechse suchte sich vom Boden aufzuschnellen. Der Iguanodon wandte alle seine Kraft auf, ihren Hals zusammenzudrücken und seine Stacheldaumen durch ihren Knochenpanzer zu bohren. Die Lage der Großechse ermöglichte ihr nicht ihre volle Stärke zu entfalten, dennoch merkte der Iguanodon, daß er sie nicht mehr lange werde niederhalten können, wenn es ihm nicht gelänge, ihren Hals zu durchstoßen oder zu zerdrücken. Während er seinen Feind so umklammerte, führte dieser furchtbare Schläge, mit seinem Schweife nach ihm, die der Iguanodon erwiderte. Und beide Gegner zerwühlten, sich im Kreise drehend, ringsum den Boden. Weithin hallten die Hügel vom Krachen der Schweifschläge. Aber der Iguanodon war im Nachteile, weil ihn sein schwacher Schuppenpanzer weniger schützte als die Großechse ihre Knochenschilde, und seine Hoffnung bestand nur noch darin, den Gegner ersticken zu können.
Jetzt traf ein schmetternder Schlag des Drachenschwanzes den Iguanodon und lahmte seine Kraft, er ließ den Hals der Großechse auf einen Augenblick fahren. Sie schnellte sich vom Boden auf, aber sie vermochte nicht, sich sogleich auf den Iguanodon zu stürzen, sie mußte erst Atem schöpfen. So zog sie sich ein Stück zurück, um sich dann im gewohnten Ansprang auf den Gegner zu werfen.
Auch der Iguanodon richtete sich auf und streckte seine Arme zur Abwehr vor. Aber er fühlte, daß er dem neuen Ansturm nicht mehr gewachsen sein würde.
So lauerten die beiden Riesentiere vor einander:
In höchster Spannung hatte Homchen dem Streite gelauscht und dem furchtbaren Kampfe zugeschaut. Jetzt sprang es auf einen höheren Stein und blickte sich nach dem Himmel um. Die Sonne war im Nebel gesunken, aber oben war es klar.
»Wo willst du hin, Homchen!« rief der Igel ängstlich. »Die Großechse wird dich sehen! Warum bleibst du nicht hier?«
»Ich muß jetzt fort. Aber ich komme wieder. Später wollen wir in Ruhe alles erzählen.«
»Bleibe doch hier. Was willst du tun?«
»Ich will die Großechse töten.«
»Homchen, bist du von Sinnen?«
»Warte ab!«
Die Großechse rührte sich jetzt. Sie machte sich zum Sprunge bereit und erhob ihren Hals.
Da rief der Iguanodon: »Die frierenden Geister der Nacht werden dich töten.«
Die Großechse zuckte zusammen. Sie bemerkte jetzt, daß die Dämmerung hereinbrach. Und sie schrie:
»Glaube nicht, daß du mir entgehen kannst. Wenn du entfliehst, so hole ich dich morgen ein und fresse dich.«
»Wenn du mich angreifst, werde ich wieder mit dir kämpfen«, sagte der Iguanodon. »Sonst aber habe ich keine Lust, mich mit dir abzugeben. Ich werde tun, was ich will, denn das ist weise.«
Mit diesen Worten schritt der Iguanodon so gravitätisch, als es seine Wunden ihm erlaubten, dem Waldrande zu. Die Großechse aber wagte nicht mehr das Haupt zu erheben, sondern blieb auf dem Kampffelde liegen und schlug nur von Zeit zu Zeit wütend mit dem Schweife, bis der Schauer der Nacht und die Ermattung sie ihr Haupt in das Gras wühlen ließ. Da entschlief sie.
Homchen aber umschlich, ohne auf die Warnungen des Igels zu hören, den schlafenden Drachen und betrachtete sorgfältig die Umgebung. Dann ging es noch einmal zum Igel und sprach:
»In dieser Nacht habe ich noch viel zu tun, damit ich die Großechse töte. Willst du mir helfen?«
»Nein«, sagte der Igel, »das kannst du nicht verlangen. Was könnte ich gegen den Drachen?«
»Aber eins kannst du tun. Gib acht, woher der Wind weht, und wenn Tiere von dem Walde sich her verlieren, so sag ihnen, sie sollen gegen den Wind laufen.«
»Das will ich wohl tun«, sagte der Igel.
Homchen aber lief noch oft hin und her zwischen Waldrand und Hügel und baute geheimen Zauber um die schlafende Großechse.
Die Waldtiere berieten in der Nacht. Hin und her gingen die Meinungen. Nur darüber waren alle einig — wenn die Sicherheit vor den Echsen nur durch Homchens Maßnahmen zu erreichen sei, so könne man doch nicht bleiben. Denn Holz suchen und Wache stehen und zagen vor dem unheimlichen Wunder des Feuers, das sei nichts für die Waldtiere. Daß Homchen den Hohlschwanz besiegte, war eine Tat des Muts, das verstanden die Tiere, darum wollten sie Homchen vertrauen. Aber was Homchen auf seiner Reise getan, was es jetzt verlangte, das waren Zauberdinge. Darin konnte ja niemand Homchen nacheifern. Danach konnten sie sich nicht richten. Das war so ganz anders, so fremd, so ungewiß — das war nicht der Tiere Art — —
Mitten in die Versammlung kamen plötzlich Mea und Puhs gestürzt. Sie hatten sich entfernt, um Homchen zu suchen. Aber sie waren nicht weit gekommen, da hatte sie das Geräusch schwerer Tritte zurückgeschreckt. Was es war, wußten sie nicht. Aber aufgescheucht von den Tritten war eine kleine Flugeidechse aus ihrem Versteck aufgeflogen, und die hatten sie überrascht und gefangen. »Preßt mich nicht, freßf mich nicht«, rief das kleine Tier. »Ich will euch Gutes sagen. Wir Kleinen haben euch nie Böses getan, und nun wird euch nie wieder eine Echse Böses tun. Ich will euch alles erzählen!«
Und nun hörten die Beutler, was geschehen war am Drachenmoor. Die Echsen vernichtet, alle vernichtet! Nur die Großechse allein lebte noch.
Jubel scholl in der Versammlung, daß es durch den nächtlichen Wald hallte. Was schadete das jetzt? Es gab keine Echsen mehr. Nun brauchte man sich um Homchen nicht zu kümmern. Nun konnte man im alten Heimatwalde bleiben.
»Aber die Großechse?«
»Die Großechse allein kann uns nicht schaden, sie kann nicht den ganzen Wald vernichten, es bleibt Raum genug für uns.«
»Und der Iguanodon?«
»Der tut uns nichts, wenn wir uns nur nicht vor ihm sehen lassen. Wir ziehen in den Wald am Flusse, dort ist er jetzt nicht mehr, dort können wir ruhig leben.«
»Aber ob es auch alles wahr ist, was die Flugechse erzählt?«
»Ja, ob es wahr ist?«
»Das müssen wir sehen!« rief Knappo. »Laßt uns alle nach den Hügeln hinausziehen und nach dem Drachenmoor schauen. Jetzt in der Nacht können wir es wagen, wir haben dann Zeit zu fliehen, wenn wirklich die Echsen dort sind. Denn jetzt schlafen sie.«
Der Zug setzte sich in Bewegung. Vorsichtig klommen die Nachttiere über die Hügel — nirgends traf man Echsen — bis sie auf der andern Seite hinüber nach dem Drachenmoor schauen konnten. Der Mond war aufgegangen, aber Nebel wogten hin und her. Doch sahen die Tiere wohl, daß das Wasser viel näher an den Hügeln war als sonst. Und so ermutigt stiegen sie hinab. Da war keine Wiese mehr mit Weidenstämmen, da war kein Sumpf, da war keine Echse. In regelmäßigen Atemzügen schlummerte das Meer — die Wogen schlugen plätschernd an die Hügel — — —
Fast übermütig stürmten sie wieder die Hügel hinauf, um in den Wald zu gelangen, ehe das erste Dämmerlicht sich zeigte.
Da erblickten die Vordersten im Schimmer des Mondes eine dunkle Masse. Sie stutzten, die Tiere sammelten sich.
»Wenn es die Großechse wäre?« sagte eines leise.
»Hi! hi! Ihr Waldtiere! Es ist die Großechse!« sagte eine feine Stimme. »Geht nicht zu nahe heran! Geht hier herum, gegen den Wind!«
»Ach, der Igel! Aber warum hier herum? Dann wird sie uns wittern.«
»Das schadet nichts. Sie wird jetzt nicht jagen.«
»Fürchtest du dich nicht?«
»Ich krieche in meinen Bau.«
»Kommt, kommt! Laßt uns schnell in den Wald hinüber.«
»Halt, halt! Da ist etwas — ein Helles!«
»Das ist Homchen! Das ist wieder der Weg des Feuers!«
»Fort! Fort!«
Die Tiere stürmten nach dem Walde zu. Aber bald blickten sie dennoch neugierig zurück. Der Anblick des Feuers ließ sie nicht los. Und drüben ragte noch die riesige Gestalt des schlafenden Drachen. Und Homchen lief gerade darauf los.
»Quih, Quih! Homchen, Homchen!« rief Mea verzweifelnd. »Du wirst die Großechse wecken! Sie wird dich zermalmen!« Aber sie rief es nicht laut, denn sie fürchtete selbst den Drachen zu wecken. Sie wollte auf Homchen stürzen, doch der Schrecken lahmte ihre Füße. In zitternder Angst hockten die Tiere auf den Steinen. Was wollte Homchen?
Ehe Homchen die schlafende Großechse verlassen, hatte es so viel Brennmaterial als möglich in der Nähe des Drachen zusammengeschleppt und wohlbedacht geordnet. Jetzt sprang es bis nahe an das Untier heran, ließ seinen Feuerbrand fallen und schrie so laut es konnte:
»Krecks! Krecks! Die Geister der Nacht wollen dich töten!«
Die Großechse bewegte sich im Halbschlaf.
Homchen wiederholte seinen Ruf. Dann nahm es den Feuerbrand wieder auf und sprang damit vor dem Kopfe der Großechse umher. Die riß die Augen auf und drückte sie wieder zu — das Funkeln der Flamme verwirrte sie, sie zitterte in Wut und bebte zugleich in Angst.
Die Tiere schrien in Furcht auf ihren Plätzen, als sie Homchen so nahe bei dem Drachen erblickten — aber nun lief Homchen ein Stück zurück und warf die Fackel in das Reisig und das trockne Gras — die Flamme loderte auf, die feuchteren Stellen der Halde qualmten — und die Großechse, von Hitze und Rauch bedrängt, richtete sich empor und drehte sich, furchtbar mit dem Schweife schlagend, im Kreise.
Homchen aber rannte weiter fort, dem Winde entgegen, und entzündete mit seinem Feuerbrande Gras und Gestrüpp der Halde.
Die Großechse schlug jetzt mit dem Schweife in die sie umgebenden Flammen. Sie brüllte vor Schmerz, und ein Funkenregen flog bei jedem Schlag in die Höhe und verbreitete den Brand und blendete ihre Augen. Und nun rannte das Untier blindlings geradeaus, auf die Tiere zu.
In wahnsinniger Angst, mit Geschrei und Gequiek, sprangen sie, ohne sich umzublicken, flüchtend dem Walde zu.
Der Großechse entgegen aber wälzte sich die Flamme. Nichts nutzten der Gewaltigen ihre Schläge, ihre Bisse. Der Qualm nahm ihr den Atem. Das Gebrüll hörte auf: Sie fiel zur Seite. Die Riesenglieder zuckten. Die Großechse starb.
Die Einsiedler
Nicht weit abwärts von der Wohnung des Feuers rinnt ein Bächlein von den Hügeln. An seinen Ufern grünt eine Wiese, und hohe Buchen stehen um den stillen Platz und entfalten die jungen Blätter im Sonnenschein.
Heiß liegt der Mittag über den weichen Halmen.
Und dort, den langen Hals ausgestreckt, die riesigen Glieder den warmen Strahlen darbietend, ruht der Iguanodon.
Von den Hügeln herab, auf den breiten Ästen von Baum zu Baum springend, kommt Homchen. Die Sprünge sind nicht mehr so weit und schnell wie auf der Wanderung nach der heißen Wolke, und als es sich jetzt in die Sonne auf die Wiese setzt, dem Iguanodon gegenüber, spielt sein Pelzchen ins Graue. Die großen Augen leuchten freundlich und hell und manchmal ein wenig müde —
»Wie geht es dir heute, weiser Iguanodon?« fragte Homchen.
Der Iguanodon hob den Kopf und versuchte den Schweif zu bewegen.
»Ich will ihn nicht mehr heben«, antwortete er. »Aber merkwürdig, je weniger ich mich mit der Bewegung abgebe, um so besser geht es mit dem Denken. Ich habe nachgedacht.«
»Das tust du immer.«
»Es ist wahr. Aber weißt du, was ich gedacht habe? Ich habe gedacht, es war doch recht gut, daß ich dich nicht aufgespießt habe, wie ich eigentlich wollte, als ich die Großechse getötet hatte.«
»Ja, das war sehr gut, denn sonst hättest du gar nicht erfahren, daß die Großechse tot war.«
»Du hättest es mir nicht gesagt, wenn ich dich gespießt hätte?«
»Nein, dann hätte ich es dir nicht gesagt.«
»Dann hätte ich also selbst auf die Hügel steigen müssen, um die tote Großechse zu sehen.«
»Und das hättest du nicht gekonnt. Denn deine Wunden taten dir zu wehe.«
»Das ist richtig. Deshalb konnte ich dich auch nicht fangen, als du am Morgen auf die Wiese kamst.«
»Ja, und deshalb wolltest du mich auch nicht aufspießen. Aber warum hast du es später nicht getan?«
Der Iguanodon dachte nach. Dann sagte er:
»Später war es nicht mehr nötig. Denn erstens hast du dich wegen deiner früheren Frechheiten entschuldigt, und zweitens bist du doch aus dem Walde heraus auf die Wiese gekommen, wie ich es dir geboten habe.«
»Ja«, sagte Homchen, »ich mußte dir doch beim Denken helfen. Deswegen war es wohl gut, daß du mich nicht gespießt hast?«
»Bilde dir nichts ein, Homchen. Es war nur gut, weil sonst niemand dagewesen wäre, dem ich meine Gedanken mitteilen konnte.«
»Das wäre freilich sehr schade gewesen.«
»Ich habe das auch gedacht. Es hat mir etwas gefehlt, du warst in den letzten Tagen nicht hier. Wo warst du?«
»Ich war wieder einmal im Walde am Flusse, wo du früher wohntest.«
»Wo deine Verwandten wohnen — was tun sie?«
»Meine Eltern sind tot, das weißt du ja. Und die andern — sie tun, was sie immer getan haben — sie essen Nüsse und Emsen und springen auf den Bäumen —«
»Daß sie Emsen essen, kann ich nicht billigen. Warum verbietest du es ihnen nicht?«
»Du weißt, sie lassen sich nichts verbieten von mir. Sie wollen nichts von mir wissen. Sie fliehen vor mir und nennen mich den Holzsucher, den Schlangentöter, den Steppenbrenner, den Zauberer.«
»Ich habe auch darüber nachgedacht. Du hast mir erzählt, daß du die große Schlange gesucht hast, und daß sie dich beschützt, daß sie mit dir ist und daß du sie den Deinen bringen wolltest. Aber sie mögen nichts von ihr wissen. Du hast viele Gefahren bestanden und bist über das Wasser geschwommen. Du wolltest die Deinen glücklich machen. Sie aber haben dich verstoßen. Nun sage mir, Homchen wozu das alles? Was wolltest du eigentlich? Ich verstehe es nicht, also versteht es niemand.«
»Und wenn es auch niemand versteht, so mußte ich doch so denken und so handeln. Denn ich habe die Stimmen gehört der guten und klugen Tiere. Es wird eine Zeit kommen, da werden alle die Stimmen hören, und sie werden sie verstehen viel besser als ich, und noch viel mehr vernehmen. Aber die Zeit ist noch nicht da.«
»Du hast es falsch angefangen. Du brauchtest dir nicht so viel Mühe zu geben. Ich bin nicht zur heißen Wolke gewandert, ich habe auf meiner Wiese gesessen, und ich hätte doch die Tiere glücklich gemacht, wenn sie auf mich gehört hätten. Meine Zeit war allerdings auch noch nicht da, aber sie wäre gekommen, wenn — ja wenn — hierüber denke ich eben noch nach.«
»Weiser Iguanodon, diese Zeit wird nicht kommen. Es war eine Zeit, da waren die Echsen gewaltig, und diese ist vorüber. Nun kommt eine Zeit, da werden die Säuger gewaltig, das weiß ich gewiß. Die rote Schlange hat es mir gezeigt. Aber jetzt weiß ich, worin ich sie nicht richtig verstanden habe. Ich habe geglaubt, wenn einer die rote Schlange hört, wenn er das sieht, was einst alle verstehen werden, und das tut, was einst alle tun können, so werde er die Tiere gut und klug machen, so werde er das Neue, das Gewaltige in die Welt bringen, was die Macht gibt und die Freiheit. Und ich habe geglaubt, daß es dabei ankäme auf Wenige, auf Einen, und daß die anderen mitgerissen werden. Aber jetzt weiß ich, das ist falsch.
Der Schnellste mag die Tiere führen, die da laufen können; aber die Pflanzen des Waldes kann er nicht führen, die keine Beine haben, sondern Wurzeln. Meine Genossen werden noch viele, viele Geschlechter im Walde klettern, ehe sie lernen den Stein werfen und die Flamme tragen. Das Kleine wird groß, aber nur ganz langsam. Ich kann nicht die junge Eiche ausstrecken, daß sie groß wird; sie muß, aus sich herauswachsen durch Sommer und Winter. Das Kleine wird nicht groß dadurch, daß das Große hinzukommt; das Große muß aus dem Kleinen werden, durch das viele Kleine, auf dem es stehen kann. Wenn das Viele zu Einem wird, dann wird es groß. Meine Genossen müssen noch lange wachsen, ehe sie das Eine haben, was sie groß macht.«
Der Iguanodon hatte die Augen geschlossen und war ein wenig eingeschlafen. Jetzt, als Homchen schwieg, wachte er wieder auf und sagte:
»Schon gut, schon gut! Du weißt, ich bin kein Freund von langen Reden. Aber was hast du nun davon?«
»Ich habe gesehen, daß die Herrschaft der Echsen vertilgt ist. Ich weiß jetzt, daß ein Raum ist für die Welt, die mir die rote Schlange gezeigt hat. Ich weiß, daß das andere sein kann, was noch nicht ist. Vielleicht ist es nur darum so schön, weil es noch nicht ist. Dann habe ich doch das Schönste erlebt, weil es noch nicht ist. Und ich habe getan, was noch niemand getan hat, ich habe das Feuer getragen. Ich hab‘ es gehegt in meiner Höhle. Es wird vergehen. Aber einst wird es wiedererstehen, einst —- Dann wird es kluge Tiere geben, die das Feuer nicht fürchten, da wird ein neues Homchen kommen — das braucht vielleicht das Feuer nicht zu nähren in der Höhlung, das kann es vielleicht herauslocken aus dem Stein oder Holz —«
Der Iguanodon bewegte langsam den Kopf:
»Ich habe das Feuer noch nicht gesehen, kein Tier mag es sehen.«
»Die das Feuer nicht fürchten, werden keine Tiere mehr sein, wie wir kleinen Beutler. Ich habe ihre Stimme gehört —«
»Ist denn dein Feuer noch lebendig? Vielleicht bin ich doch das Tier, das kein Tier mehr ist. Ich gehe auf zwei Beinen, ich breche die Äste, ich denke nach. Ich habe nachgedacht. Ich will dein Feuer sehen.«
»Da müßtest du dich beeilen, denn es wird nicht mehr lange brennen. Ich bin nicht mehr kräftig genüg, um die Nahrung genügend herbeizutragen. Bräche der Sturm nicht die trocknen Äste in der Nähe, mein Feuer wäre schon längst verlöscht. Nun kann ich die schweren Äste nicht mehr schleppen. Das Feuer wird sterben. Und dann werde auch ich sterben.«
Homchen saß still und sah mit seinen großen Augen in die Weite. Der Iguanodon richtete sich auf. Er stöhnte, als er sich auf seinen Schwanz stützte. Homchen wußte nicht, was er wolle. Es sprang erschrocken beiseite.
»Fürchte dich nicht!« sagte der Iguanodon. »Du bist ein gutes Tier. Du sollst noch nicht sterben. Und ich will dein Feuer sehen. Ich bin noch stark genug. Ich werde bis an deine Höhle steigen. Sieh diese Arme. Sie sind gewaltig, sie brechen die große Buche am Waldrand. Ich will sie vor deine Höhle tragen, damit dein Feuer Nahrung hat. Zeige mir den Weg.«
Und der alte, steife Iguanodon begann zu schreiten. Langsam, vorsichtig. Zuweilen blieb er stehen. Dann trank er an dem klaren Bach. Homchen sprang voran. Allmählich gelangten sie bis an die Hügel. Homchen zeigte von fern auf die Höhle. Eine schwache Rauchsäule kräuselte sich über den Steinen.
Der Iguanodon sog die Luft ein. Ein Zittern ging durch seinen Körper. Dann sagte er mit einer seltsamen Stimme:
»Dort wohnt die rote Schlange. Ich will sie sehen. Ich fürchte mich nicht.«
Er schritt auf die alte, vermorschte Buche zu. Er umklammerte den größten Ast. Ein gewaltiger Ruck, ein schweres Stöhnen. Und nun noch ein Ruck. Ein lauter Krach. Der morsche Stamm bricht auseinander, die Äste stürzen, mit ihnen der Iguanodon. Er hatte seine Kraft überschätzt. Er raffte sich auf. Der Schmerz machte ihn wütend. Er vergaß seinen Zustand und faßte den stärksten der Äste und, an nichts denkend als an sein Ziel, stieg er über die Halde gegen die Höhle.
Homchen war vorangesprungen, als es sah, daß der Iguanodon nicht zu halten war. Es wälzte einen Stein fort und warf den Rest seines Reisigvorrats auf das kümmerliche Feuer, daß es wieder hell auflohte. Noch hatte der Iguanodon, mit dem Aste beladen, die Flamme nicht gesehen. Nun war er dicht dabei. Homchen fürchtete, er werde ihm das Feuer zerwerfen, und rief:
»Lege das Holz hin! Du bist nahe am Feuer!«
Da blickte der Iguanodon auf. Die Flamme flackerte licht empor. Seine Augen fielen auf das Wunder — er stutzte einen Augenblick, dann brach er mit dem schweren Aste zusammen.
Sein Körper zuckte vor Schmerz, bald aber ward er ruhig. Den Hals weit vorgestreckt lag er auf dem Boden. Seine Augen richteten sich starr auf die Flamme.
»Ich sehe sie, ich sehe sie, die rote Schlange«, begann er. »Ich fürchte mich nicht. Ich bin das klügste Tier.«
Ein neuer Schauer ging durch seinen Riesenleib. Doch er erhob den Kopf.
»Es ist ein großer Zauber«, sagte er wieder. »Die ihn haben, werden sehr mächtig sein. Ich kann die rote Schlange sehen. Ich bin das Tier, das da kommen wird — ich bin das — glücklichste — Tier —«
Die Augen fielen ihm zu, der Kopf sank zwischen die brechenden Zweige. Der letzte Iguanodon war tot.
Lange saß Homchen vor der Höhle.
Das Feuer brannte langsam weiter, es ergriff den herangeschleppten Baum, es wurde größer und größer — und Homchen konnte nichts dazu tun. Der Iguanodon hatte sich selbst den Scheiterhaufen errichtet.
Das Feuer sollte lange, lange brennen: das hatte er durch seine Riesenkraft gewollt. Nun brannte es rasch und immer rascher. Homchen stieg hinauf auf die Hügel. Und als die Nacht hereinbrach, sah es unten die verglimmende Glut. —
Am Himmel gingen die leuchtenden Geister der Nacht ihren stillen Weg. Statt des Gekrächzes und Geschnarchs der Drachen hörte man das leise Rauschen des kalten Meeres. Aus der Dunkelheit winkte gespenstisch das gebleichte Gerippe der Großechse, ein Denkmal des Vergangenen.
Und die Sterne rückten weiter, und die Zeit ging hin, langsam — ganz langsam.
Homchen schloß die Augen und die geliebten Träume stiegen empor, und leise sprach es:
»Und das rollende Tier kommt doch!«
Ende