Kitabı oku: «Homchen», sayfa 8
Feuer
Homchen war wieder auf dem buschigen Gelände angelangt, von dem aus es bei seinem Herwege die Felsen zum Meer herabgestiegen war, aber jetzt viel weiter westlich. Wollte es nach dem Walde der Heimat, so mußte es nach rechts, denn nördlich von ihm lag die weite Steppe, die zuletzt in das Drachenmoor ausging. Aber auch so hatte es immer noch ein tüchtiges Stück durch Buschwerk und weite Grasflächen zurückzulegen. Wie war das alles so ausgedörrt und trocken! Mit Mühe hatte es spärliche Nahrung und ein wenig Wasser gefunden, dort, wo die Felsen sich herabzusenken anfingen. Und dort beschloß es auch, die Nacht abzuwarten, weil es sich nicht bei Tage über die Steppe wagte. Hier gab es Höhlungen, in denen man sich bergen konnte. Da verkroch es sich todmüde und schlief ein.
Als es neu gestärkt aus seiner Höhle heraus auf die weite Fläche kletterte und Umschau hielt, war die Nacht angebrochen. Ein scharfer Wind wehte von Südwest, aber der Himmel war klar und die Sterne leuchteten. Da stand auch wieder der rötliche Stern. Von ihm her hatte die rote Schlange zuerst zu ihm gesprochen. Nun wußte es, daß sie nicht dort wohnte, daß sie in ihm wohnte, in ihm sprach. Immer deutlicher hatte sie in ihm gesprochen. Von der Welt, die noch nicht ist, wo die Echsen nicht herrschen, sondern die guten Tiere, die klugen Tiere. Ja es gab einen Weg in diese Welt, mochte er auch lang sein, mochte auch Homchen ihn nicht zu Ende gehen, aber späte Geschlechter werden ihn gehen. Es hatte ja seinen eignen Schädel gesehen, und über diesem Schädel war die Stimme jener späten Geschlechter erklungen.
Zu wem mochte jene Stimme gesprochen haben? Wohl schon zu den klugen, guten Tieren, die da kommen sollten, denn Homchen hatte vieles davon nicht verstanden. Aber einiges hatte es doch herausgehört, was es selbst schon erlebt und gedacht hatte; das gab ihm nun ein Licht im Dunkel, wie die leuchtenden Sterne des Himmels, zu denen die Echsen nicht aufsehen durften. Es mußte lächeln, daß es einst gezweifelt hatte, ob die Zierschnäbel nicht vielleicht doch recht hätten. Wie klein schien ihm jetzt das alles, was sie von der roten Schlange gesagt hatten. Die rote Schlange war viel, viel größer, sie war alles! Zu ihr konnte man nicht, aber immer klarer und klarer konnte sie in uns aufleben, wenn wir den Weg erkannt haben. Das Viele müssen wir zu dem Einen machen, das wir selbst sind, die Dinge verbinden in uns, und wenn wir das lernen mehr und mehr, so werden wir sie beherrschen. Das ist der Weg zur Freiheit. So hatte die Stimme gesagt. Das verstand Homchen. Aber wie war das gemeint mit der Waffe, mit der Wärme, mit den Dingen, die ihr Gesetz haben? Wie konnte man das Gesetz finden? Vertraue dir selbst, und du hast das Ziel. Erkenne das Gesetz, und du hast die Macht. Das Kleine wird groß durch das Gesetz.
Wie das? Wie kann man das Gesetz erkennen und die Macht gewinnen? Hatte die Stimme das nicht verkündet, oder hatte es Homchen nur nicht verstanden? Da mußten wohl erst die vielen Geschlechter kommen und vergehen, ehe das klar werden konnte? Und doch, was war denn geschehen, als die Stimme schwieg? Das rollende Tier war gekommen. Wer das besiegt, wer das beherrscht, ja, der hätte die Macht!
Groß werden, mächtig werden! Herrschen!
In dem Traume, nein, in dem Gesichte, das Homchen an dem feurigen, weißen, zitternden Berge gehabt hatte, da hatte es selbst auf dem rollenden Tier gestanden und hatte es beherrscht. Ist es ihm bestimmt, ihm oder erst jenem späten Geschlechte, dessen Stimme es vernahm, das rollende Tier zu zähmen, auf ihm durch die Länder zu sausen und mächtiger zu sein als alle Echsen? Was mußte es tun? Glut und Feuer waren es, die in dem Tiere lebten — — Glut und Feuer, wenn es die bezwänge! Und warum sollte es nicht auch die bezwingen? Hatte es sie nicht schon erprobt, als sie aus dem weißen Berge brachen, als sie aus dem Schlangentale quollen, als die heiße Asche Homchen bedeckte? Da war es tot gewesen, und doch war es wieder lebendig geworden und hatte die Asche abgeschüttelt.
Ja, vertraue dir selbst! Es ging in ihm auf wie eine heilige Gewißheit, die rote Schlange führe es ihren Weg zum Siege seines Geschlechts. Darum hatte es zu den Sternen geblickt, vor denen die Tiere sich fürchteten. Darum hatte es den Hohlschwanz besiegt. Darum hatte es vom Haupte der toten Seeschlange den Gesang der Muscheln gehört und war über das Meer gefahren auf dem Haupte der Schildkröte. Und darum hatte die rote Schlange ihm Rettung verliehen. Und mit der eignen Hand hatte es den Stein geschwungen, der die böse Schlange tötete. — — Oh, da war ihm ja schon die Macht gegeben, die das Kleine groß macht — das Kleine wird groß! Wo seid ihr, Feuer und Glut, daß ich euch bezwinge? Ich will euch nicht fürchten! Mich schützt die rote Schlange! Hinaus jetzt, hinweg zur Heimat!
Viel beschwerlicher war der Weg, als Homchen erwartet hatte. Erst zwar fiel die Steppe sanft ab, dann aber stieg sie wieder an, wurde immer steiniger und schließlich kam Homchen auf einen kahlen, felsigen Hügelrücken, über den es fort mußte. Nun ging es wieder eine Stunde durch das dürre hohe Gras, bis die breite Talmulde sich abermals zu einem steinigen Felsstreifen erhob. Und diese Bildung setzte sich fort. Ob es nicht in der Richtung der flachen Täler wandern konnte? Aber das war die Richtung nach dem Drachenmoor, die es nicht einzuschlagen wagte. Also wieder die kahlen Hügel hinauf. Nun spähte es in die folgende Bodensenkung hinab.
Was war das dort im Grase für ein Rascheln? Tiere liefen, sprangen dahin, alle in großer Eile, alle in der Richtung des Tales nach Norden fliehend.
Wo kamen sie her? Was ist dort im Süden? Jetzt erst vom Hügel kann Homchen es bemerken. Wolken ziehen herauf, aber sie sind gerötet, gerötet wie die Wolken über dem feurigen See. Und näher und näher kommt es mit Windeseile. Unter den Wolken ein Flammenmeer. Aber Homchen fürchtet sich nicht. Es blickt zurück nach der Talmulde, aus der es heraufgestiegen ist. Dort ist alles dunkel. Das Feuer kann nicht über den kahlen Rücken, es läuft mit dem Winde in dem breiten Tale vor ihm, es läuft geradeaus wie das rollende Tier. Und vor ihm fliehen alle Tiere. Ach, wenn es den Tieren sagen könnte, den dummen, die dort geradeaus rennen und fliegen, und doch langsamer sind als die Flamme — wenn es ihnen sagen könnte, kommt herauf, herauf auf die kahlen Felsen — aber es darf sich dort hinab nicht wagen, es ist zu spät — und die Tiere sind sinnlos, sie hören nicht, sie sehen nicht, sie kümmern sich nicht um einander. —
Und nun rast da unten die Flamme vorüber — Homchen kann es deutlich sehen und spürt doch kaum merklich die Hitze, denn der Wind weht schräg von ihm fort — nur wenige Minuten dauert es, dann sind die trocknen Grashalme verzehrt, es qualmt nur noch über dem Tale — aber hier und da brennt noch ein einzelner Dornbusch, ein Strauch — immer seltener werden die Flammen, es glüht nur noch vereinzelt hin und wieder in der Dunkelheit — der Steppenbrand ist vorbei. Homchen versucht seinen Weg fortzusetzen. Vorsichtig betritt es den Boden, über den die Flamme hinweggeeilt ist. Bald hier, bald da probiert es vorwärts zu kommen, aber es muß immer schnell wieder zurück, es wird ihm zu heiß unter seinen Füßen. Es läuft am Rande der Brandstätte hin nach der Richtung, aus der das Feuer gekommen. Oft sieht es tote Tiere liegen, erstickt, angekohlt, es schaudert. Und dort, was ist das? Eine ganze Herde — es schleicht so nahe wie möglich. Und nun erkennt es die Geschöpfe — Es sind Zierschnäbel! Die klugen Zierschnäbel, die allein mit der roten Schlange reden dürfen. Sie hat sie nicht geschützt, auch die Zierschnäbel hat das Feuer ereilt. Und das Feuer stammt doch von der roten Schlange. Das weiß Homchen — die Flamme kam aus dem weißen Berge, die Glut floß durch das Tal — irgendwie mochte sie dann herübergedrungen sein — vielleicht hatte der Wind die feurige Asche bis an den Rand der Steppe getragen, vielleicht hatten die Blitze, die aus den dunklen Wolken zuckten, das Gesträuch entzündet — aber ein Bote der roten Schlange war‘s doch —
Was glühte dort noch deutlich sichtbar in der Dämmerung, die über dem Tale aufstieg? Homchen mußte es näher sehen, es gelang ihm hier bis heran zu kommen. Zusammengestürzte Äste waren es jener merkwürdigen Pflanze, die in ihren festen, hohlen Rohrstengeln das trockne, mehlartige Mark barg. Da lagen noch ganz unversehrte Stücke, die das eilige Feuer nicht ergriffen hatte, als der Sturm die dorrende Pflanze zusammenbrach; nur an ihrem offenen Ende glimmte das Mark und leuchtete auf, wenn der Wind stärker darauf traf. Ein Stück lag weiter von den andern entfernt. Homchen griff danach mit seinen Händen — an den Enden war es heiß, aber in der Mitte ließ es sich berühren, ja es war kaum warm, Homchen konnte es zwischen die Zähne nehmen. Es lief damit ein Stück fort. Und im Laufe blies der Wind hinein, es kam eine kleine Wolke heraus, die Wolke des Feuers — Homchen trug das Feuer! Wollte es nicht das Feuer bezwingen?
Homchen saß vor dem Rohr und starrte darauf mit Ehrfurcht — ein Wunder war‘s, ein unbegreifliches Wunder. Es merkte nicht, daß nicht weit von ihm aus der Richtung, aus der es gekommen war, es dunkel und rasselnd durch die Luft zog, daß es sich am Rande des Tals niedersenkte und über die erstickten, halb verkohlten Leichname der Tiere herfiel und fraß und fraß. Hohlschwänze waren es, aber nicht einer, eine ganze Herde, die hier ihre Mahlzeit fanden, Homchens wütendste Feinde. Jetzt hatten sie die toten Zierschnäbel erblickt und stießen ein Freudengekreisch aus, indem sie sich auf die Leichname stürzten. Da schreckte Homchen empor. Es erkannte die furchtbare Gefahr. Wenn die Hohlschwänze mit ihrem Fraße fertig waren, mußten sie Homchen entdecken. Wie sollte es ihnen entgehen? Hier war kein Versteck, und mit so vielen Feinden konnte es keinen Kampf wagen. Vielleicht konnte die Flucht noch gelingen. Aber sie konnte nirgends anders hingehen als über die Steinhügel zurück in die Talmulde, aus der es gekommen, dort wurde es vielleicht von den Hohlschwänzen nicht bemerkt.
Homchen nahm sein Rohr wieder zwischen die Zähne und, rannte den Hügel hinauf. Oben wandte es sich um, ob es verfolgt würde. Da sah es die Hohlschwänze sich vom Boden erheben. Einer hatte es erspäht. »Der Kala, der Kala!« schrie er.
»Der Kala, der freche Kala!« kreischte die ganze Gesellschaft. »Tötet ihn!«
Und mit rasselndem Flügelschlag schickten sie sich zur Verfolgung an.
In gewaltigen Sprüngen setzte Homchen den Hügel hinab, um sich womöglich im Grase zu verbergen. Hinter ihm tobte die Schar der Verfolger. Die eigentliche, zusammenhängende Grasfläche war noch entfernt, als schon die Hohlschwänze über dem Hügel erschienen und Homchen wieder erspähten. Aber einzelne mit Halmen bestandene Flecken und Streifen zogen sich hier und da schon hin. Mit Anstrengung aller Kräfte lief Homchen darauf zu. Der Atem drohte ihm zu vergehen. In der Eile des Laufs erglomm das Rohr stärker, das es noch immer treulich im Maule hielt. Es wurde heiß, aber noch hielt Homchen es fest. Da war der erste Grasfleck. Homchen sprang hinein, doch waren die Halme, obwohl dicht, noch nicht hoch genug, es zu verbergen. Die Hohlschwänze kreischten hinter ihm. Es mußte Atem schöpfen, das Rohr entfiel ihm. Es konnte es nicht wieder fassen, es war zu heiß, und Homchen mußte weiter hinein. Sein Weg lief dem Winde entgegen noch eine kurze Strecke, und das hohe Gras wäre erreicht gewesen, aber Homchen wußte, die Hohlschwänze waren zu schnell, es konnte ihnen nicht mehr entgehen. Es wandte sich um, um nicht von hinten und wehrlos erfaßt zu werden —
Aber was war das? Die Hohlschwänze waren ihm nicht mehr dicht auf den Fersen — sie hatten in ihrem Fluge innegehalten und stießen ein wirres Geschrei aus, denn unmittelbar vor ihnen, dort wo Homchen das Rohr hatte fallen lassen, breitete sich ein dichter Rauch aus und schreckte sie zurück. Und nun, unter der Kraft des starken Windes, schlug aus dem Rauch eine helle Flamme, im Nu lief sie den Streifen des dürren Grases entlang bis in das Tal hinein, flackernd flammte die Steppe auf, und ein breiter Feuerstreifen wälzte sich dahin, glücklicherweise fort von Homchen.
Der Rauch verhüllte die Hohlschwänze vor Homchens Blicken. Homchen saß wie betäubt. Was war geschehen? Von dem glimmenden Rohrstück, das es getragen, hatte das Gras sich entzündet! So konnte man das Feuer forttragen? So konnte man tun, was nur die rote Schlange vermochte, die Steppe verbrennen. Vor ihm nach Norden war der Himmel grau vom Rauche bedeckt. Der Tag brach an, aber der Himmel wollte sich nicht aufhellen. Wolken dehnten sich jetzt überall. Es begann zu regnen. Stärker und stärker!
Homchen schreckte aus seinem Sinnen auf. Wohin wollte es doch? Nach dem Heimatwalde! Wieviel Zeit hatte es schon versäumt. Es lief vorwärts, zuerst ein Stück im Tale hinab. Das Gras war verbrannt, aber der Regen hatte die Glut des Bodens rasch gekühlt, es konnte jetzt schnell von der Stelle kommen. So weit es sehen konnte, lag das Gras in Asche. Aber was lag dort?
Die Hohlschwänze! Die bösen Feinde — sämtlich ereilt von der Macht des Feuers, tot — alle!
Homchen hatte alle seine Feinde vernichtet.
Es wandte sich ab und lief den Hügel hinauf, durch das nächste Tal und wieder die Höhe hinauf — es wußte kaum, was es tat. Es war in einer andern Welt — nein, die Welt war in ihm, die Welt gehörte ihm —
Jetzt blickte es auf — vom Hügel herab sah es drüben über der Steppe einen dunklen Streifen — das war keine Steppe mehr. Es wußte, was es war — Noch ein kurzer, anstrengender Lauf, und es ruhte am Rande des Waldes.
Wieder im Walde
Bis zum Anbruch des Abends schlief Homchen im hohlen Stamme einer Buche am Waldesrand. Da würde es durch ein Rauschen im Walde erweckt. Es spähte hinaus. Der Regen hatte aufgehört, das Wetter war still und klar. Es war nicht der Regen, nicht der Wind, die durch die Äste fuhren, daß die Blätter raschelnd herniederglitten. Stimmen hörte man jetzt dazwischen, Zurufe von Tieren.
»Quih! Quih! Hi Kala! Hu Kusu! Eh! Eh! Gnu, Gnuru, Gnura! Quih!«
Homchen stieg hinauf zu einem der kahlen Äste, von denen es in den Wald hineinsehen konnte.
Näher kam es und näher. Tiere des Waldes, Trupp auf Trupp, ein ganzer Zug. Scharen der jungen Beutler, die Vorhut der Auswanderer. Gar nicht sehr weit von Homchen hatte die große Menge der Waldtiere den Tag über geruht, jetzt hatten sie ihren Weg nach Süden wieder aufgenommen.
Homchen wußte zunächst nicht, was es von der Bewegung der vielen Tiere halten sollte. Es beobachtete hinter einem Seitenaste verborgen. Manchmal kamen einzelne Tiere so nahe, daß Homchen glaubte, sie müßten es sehen. Wirklich, es waren die Säuger des Heimatwaldes! Was wollten sie hier?
Und da — da eilte ein Trupp junger Kala heran — einer hielt still und blickte nach Homchen hin — er spitzte die Ohren und richtete sich auf — dann sprang er mit einem Freudenschrei auf Homchen zu:
»Homchen, Homchen, bist du‘s?«
»Ja, Puhs, mein Bruder, ich bin‘s!«
»Homchen ist da, Homchen!« So schallte es zu den Kala.
Die umringten Homchen mit Jubel, neue kamen herbei, andere eilten auf den Freudenruf wieder zurück, und alle die Jungen sammelten sich um Homchen und bestürmten es mit Fragen.
Homchen schwoll das Herz in Freude und Stolz, als es sich so von seinen Brüdern und Freunden, von der ganzen Jugend des Waldes begrüßt sah. Und nun erfuhr es, was in der Heimat geschehen. Die Seinigen waren auf der Flucht vor den Echsen. In den Süden wollten sie, in den warmen, immer blühenden Wald mit den süßen Früchten, wo es keine Echsen gab? Dazu hätte Homchen seinen Weg zur großen Schlange angetreten und durchgeführt, damit ihnen der Heimatwald geraubt werde, damit sie im üppigen Süden ihre Stärke, ihren Mut, ihre spitzigen, scharfen Zähne verlieren sollten? War das der Weg zur Macht, den es den kommenden Geschlechtern zeigen wollte? Nein! Homchen war entschlossen, daß das nicht sein dürfe.
Während Homchen so schweigend überlegte, erschollen zwischen den Erzählungen der Tiere Fragen und Ruhmeserhebungen. »Wie sieht die rote Schlange aus? Wieviel Feinde hast du getötet? Ist es wahr, was der singende Flieger sang? Welche Schlange hast du besiegt? Es lebe Homchen, der Sieger, der die Schlange fraß! Führe uns, Homchen, nach dem Süden, daß uns die Echsen nicht fressen! Schütze uns vor dem Iguanodon, schütze uns vor dem Zorn der Zierschnäbel, daß uns die rote Schlange wieder gnädig wird! Sie sagen, du hättest die rote Schlange getötet und die Welt gehe zu Grunde. Sage, daß es nicht wahr ist!«
»Es ist nicht wahr!« rief Homchen in das Gewirr der Stimmen hinein. »Die rote Schlange kann niemand töten. Sie ist mit uns! Sie hat mich geschützt in tausend Nöten und mir Macht gegeben über alle Feinde! Sie wird uns auch gegen die Echsen schützen, wenn ihr mich hören wollt.«
Und Homchen sprang auf einen noch höhern Ast und rief laut sein Lied, daß die Tiere schwiegen, als es durch den Wald scholl:
»Homchen heiß‘ ich,
Echsen beiß‘ ich,
Mehr als alle Tiere weiß ich.
Schlangen schlag‘ ich,
Flammen trag‘ ich,
Neue Wunder sag‘ und wag‘ ich.«
Die Tiere bildeten ehrfürchtig einen Kreis um Homchen, das stolz und sicher auf sie niederblickte.
Da drängte sich durch die Menge ein Kala, dem sie willig Raum gaben.
»Homchen, mein Sohn!« rief Mea.
Homchen sprang herab von seinem Sitz und barg sich an der Brust der Mutter.
»Homchen lebt! Homchen ist da!« drang die Kunde weiter und weiter in den Wald. Und nun sammelten sich auch die Alten und verweilten auf ihrem Zuge. Aber nur Knappo eilte zu Homchen, die andern hielten sich zweifelnd und zürnend zurück.
Sie hielten Rat. Wie sollte man sich zu Homchens Rückkehr stellen? Homchen war vom Walde gebannt. Sollte man ihn jetzt wieder aufnehmen? Man war nicht mehr im Heimatwalde. Man war hier selbst fremd und konnte Homchen nicht vom Walde vertreiben. Aber Homchen war schuldig an dem ganzen Unglück der Säuger, er hatte den Zorn der Echsen veranlaßt, seinetwegen mußte man die Heimat verlassen. Durfte man ihm also erlauben mitzuziehen? Durfte er wieder in die Sippe zurückkehren? Wenn er nun wirklich die rote Schlange versöhnt hätte? Die Meinungen waren geteilt, aber Graukopf und die Mehrzahl der Alten waren gegen Homchen.
Der Rat wurde in unerwarteter Weise unterbrochen. Mitten in die Versammlung drängte sich das Heer der Jungen, Homchen an ihrer Spitze. Zornig verwies ihnen Graukopf die Störung, aber die dichte Menge der Eindringlinge wich nicht zurück. Homchen sprang über die Köpfe der Versammlung auf einen Baum und begann zu reden. Und schon hatte der Ruhm, der um Homchen einen Sagenkreis gewoben, auch die Meinung seiner Gegner beeinflußt, daß man es nicht wagte, Homchen mit Gewalt zu entfernen. Allmählich drang seine Stimme durch den Lärm, und aufmerkend, wenn auch unwillig, hörte man auf seine Worte.
»Ja, die rote Schlange sprach zu mir«, rief Homchen, »sie zürnt mir nicht, sie zürnt uns nicht! Glaubet mir, ihr Säuger des Waldes! Das Große wird klein und das Kleine wird groß! Die Zeit der Echsen ist vorüber. Sie sollen vertilgt werden wie die Schlangen, die ich schlug mit dem Stein des Berges, sie sollen dahinschwinden wie die Hohlschwänze, die ich verbrannte mit der Glut der Steppe. Glaubet nicht den Zierschnäbeln, daß die Echsen immer herrschen, daß die Waldtiere immer sich fürchten sollen im Dunkel. Die Zierschnäbel lügen! Sie sagen, die Echsen seien aus dem Ei gekommen, das die rote Schlange in den Tag legte, das war die Sonne. Und aus dem Ei, das sie in die Nacht legte, seien die Waldtiere gekommen, das war der Mond. Und darum müßten die Waldtiere in der Nacht bleiben, die Echsen aber sollten herrschen wie der Tag. Ich aber sage, die Zierschnäbel lügen. Wenn es so wäre, wie sie sagen, so könnten Sonne und Mond nicht mehr scheinen, denn aus ihnen wären Echsen und Säuger geworden. Ihr wißt aber, daß die Sonne alle Tage scheint! Und ihr wißt — doch blickt euch um, was steigt dort empor zwischen den Ästen des Waldes? Blutigrot schimmert es euch ins Antlitz — Sehet ihr? Es ist der Mond — und so sind wir nicht gekommen aus dem Monde!«
Ein Schauer ging durch die Zuhörer, als sie sich umblickten und groß und feierlich das Nachtgestirn sich erheben sahen.
»Die Zierschnäbel lügen«, fuhr Homchen fort. »Sie haben nichts voraus vor den anderen Tieren. Es ist nicht wahr, daß sie allein den Weg zur roten Schlange kennen, daß sie allein mit ihr reden dürfen. Jeder kann den Weg gehen, jeder kann mit der Schlange reden. Denn ich habe sie gefunden. Ich brauchte mich nicht mit ihr zu versöhnen, denn sie hat mir nie gezürnt. Sie spricht aus mir, in jedem will sie sprechen, der sie sucht. Denn sie ist nahe bei uns.«
Still war‘s ringsrum im Walde. Kaum zu atmen wagten die Tiere. Nur hell und laut klang Homchens Stimme.
»Durch die Steppe sprang ich zur Nacht. Vor mir floh die sengende Flamme, denn mit mir war die rote Schlange. Und die Flamme fraß die Zierschnäbel, als sie zurückkamen vom Moore. Dort waren sie gewesen, um die Echsen aufzureizen, damit sie den Wald vertilgten und euch vertrieben. Auf meinem Wege fand ich die verbrannten Leichname der Zierschnäbel. Die rote Schlange schützte sie nicht. Ich aber nahm das Feuer zwischen meine Zähne und trug es davon. Und mich schützte die rote Schlange. Und also will sie auch euch schützen, wenn ihr auf sie hört.
Glaubet mir, es kommt eine Zeit, da weiß man nichts mehr von den dummen Echsen. Es kommt eine Zeit, da herrschen die klugen, die guten Tiere. Groß und stark werden sie und treten bei Tage aus den Wäldern, aufgerichtet auf zwei Füßen, und heben die Augen auf zum Lichte des Himmels. Und sie schwingen den Stein und den Baumstamm, daß sie ihnen gehorchen, und sie tragen die Flamme und locken sie hervor, daß sie ihnen dient und sie schützt und wärmt in der Kälte des Winters. Und die Macht der klugen Tiere wird groß auf der weiten Erde, und nicht der Berg und nicht der Fluß noch das Meer können sie hemmen. Denn in ihnen lebt die rote Schlange.
Euch aber sage ich, die da wollen, daß die Zeit komme, in der unsre Enkel herrschen über die Erde, in der nicht die Bestie gewaltig ist, wie sie will, und an sich reißt, was sie kann, sondern in der auch der Schwache stark ist durch die Güte und Klugheit, die in allen zusammenwirkt, wer das will, was die rote Schlange verheißt, der höre auf mich! Der ziehe nicht nach dem Süden, der kehre um zum Heimatwalde! Der fasse Mut und folge mir! Folget mir alle!«
Homchen wartete keine Gegenrede und keine Beratung ab. Während die Versammlung noch überrascht und erschreckt von dem Unerhörten, von der neuen Verkündigung und der kühnen Forderung, schweigend verharrte, sprang Homchen, gefolgt von seinen Getreuesten, in der Richtung der Heimat durch den Wald. Nach kurzer Strecke hielt es an und wartete, ob sich die Säuger alle anschließen würden. Es kamen auch die jüngeren fast alle, von den älteren nur wenige, unter ihnen seine Eltern und die nächsten aus der Kala-Sippe.
Graukopf aber und die Mehrzahl der Alten blieben zurück. Sie berieten lange. Alle fragten nach dem Taguan, aber der Taguan war nicht zu sehen. Man wußte nicht, wo er hingekommen war. Endlich beschloß man, den Zug nach dem Süden fortzusetzen. Ein Bote eilte zu Homchen, um seine Partei zum Anschluß aufzufordern. Er kam unverrichteter Sache zurück. Und so trennte sich das Geschlecht der Beutler.
Die einen zogen nach Süden. Monatelang wanderten sie umher. Dann fanden sie immergrüne Wälder mit reicher Nahrung und milder Luft. Da lebten sie und ihre späten Geschlechter ungestört als kleine Beuteltiere. — Homchen aber und die anderen zogen nach Norden, ungewissem Schicksal entgegen, wilden Feinden und rauhen Wettern, aber mit Mut und Hoffnung in den trotzigen Herzen. Und doch — ein Schauer des Unheimlichen überfiel sie, wenn sie Homchens Rede gedachten.
Nahe am Waldrande hielt sich ihr Weg. Als der Morgen anbrach, suchten sie sich Nahrung und sichere Plätze auf den Bäumen, denn sie waren müde und mußten schlafen.
Nur Homchen konnte nicht schlafen. Eine Sorge war in ihm lebendig. Wenn die Echsen gegen den Wald zogen, wie sollte es die Seinen verteidigen, wie sollte es sie vor den Echsen schützen? Wohl wußte es, die rote Schlange würde ihm helfen. Es mußte ein Mittel geben gegen die Gewalt der Echsen! Hatte es nicht die Steine gegen die Schlange geschleudert? Hatte es nicht die Hohlschwänze mit Feuer verbrannt? Aber woher sollte es das Feuer nehmen?
Homchen schlich sich bis an den Rand des Waldes und spähte hinaus. Hier hatte es nicht geregnet. Drüben im Westen war der Himmel von Wolken umzogen, die im Widerschein des Frührots seltsam leuchteten. Hier saß es lange still.
Durch das Schweigen des Morgens flatterte eilig ein Tier am Rande des Waldes hin.
»Taguan!« rief Homchen.
»Hik! Hik! Homchen bist du es? Hast du die Deinen nicht unterwegs getroffen?«
»Ich habe sie getroffen und die Jungen sind mit mir zurückgekehrt. Sie schlafen drin im Walde. Ich führe sie nach der Heimat.«
»Und die anderen?«
»Sie ziehen nach Süden.«
»O Homchen, wie konntest du die Kala bereden, umzukehren? Komm zurück. Komm eilend zurück! Nur im Süden ist Rettung.« .
»Ich fürchte mich nicht vor den Echsen. Die rote Schlange wird uns beschützen.«
»Glaube das nicht. Die rote Schlange gerade versperrt euch den Weg.«
»Was soll das heißen?«
»Ich weiß es selbst nicht, aber ich habe es von fern gesehen. Ich flog noch einmal zurück. Ich wollte sehen, ob noch Säuger im Walde verlassen geblieben wären, ja ich wollte sogar bis zum Igel, um ihm Lebewohl zu sagen. Ihr Kletterbeutler braucht so viel Zeit zum Wandern, inzwischen mache ich dreimal den Weg. Aber als ich weiter nach Norden kam, vielleicht noch eine Nachtreise für euch von hier, da wehte es heiß von der Steppe her und es leuchtete durch die Nacht, daß ich erschrak. Da flog ich weiter im Walde, bis ich an die Schlucht kam, die sich von den Hügeln herein erstreckt, und immer weiter in ihr nach Norden. Und als es Tag ward, hing ich mich dort zum Schlafe auf. Doch ich schlief nicht lange. Ein erstickender Geruch weckte mich auf, der mir den Atem benahm. Nicht weit von mir qualmte die ganze Schlucht. Es krachte in den Bäumen, es zersprang die Rinde, ich floh hinauf nach dem Innern des Waldes. Und zuweilen blickte ich nach der Schlucht. Dicke Wolken lagen darüber. Und als der Abend kam, glühte darin ein feuriges Meer. Du weißt, da liegen die alten Blätter und Nadeln der Bäume in dicker Schicht. Das alles schwelte in Hitze. Und dazwischen standen feurige Riesen. Das ging so fort bis an den Felsenkessel, wo der Waldsee liegt. Dort hörte es auf. Ich aber fürchtete mich und kehrte zurück. Noch schaudere ich, wenn ich daran denke. O Homchen, es ist ein Zeichen der roten Schlange! Du sollst nicht wieder zurück in den Wald.«
Da rief Homchen: »O rote Schlange, ich danke dir! Taguan, mein Freund, ich danke dir für die Nachricht. Ja, es ist ein Zeichen der roten Schlange. Ein Zeichen, daß sie mit mir ist, daß sie uns schützen wird gegen die Echsen. Lebe wohl, ich muß fort! Ich muß nach der Schlucht, solange die Riesen noch feurig sind und der Boden noch glüht. Du führe die Alten nach Süden. Wir aber wollen zurück! Lebe wohl und sorge nicht um Homchen.«
Vergeblich rief der Taguan, Homchen war schnell in den Wald gesprungen. Erst gedachte der Taguan, ihm zu folgen; dann besann er sich, daß er schon zu lange von den Auswandrern, die weiter zogen, entfernt war, und flog weiter.
Homchen aber setzte sich nachdenklich hin, nicht fern von den schlafenden Genossen. Es schloß die Augen, aber es schlief nicht. Wie ein wundersames Zeichen war ihm das Wort des Taguan gekommen. Die rote Schlange sprach mit ihm. Wenn sie sprach, so war‘s wie ein buntes Schweben und Neigen von Gestalten, wie Baumblätter gegeneinander schwingen im Lufthauch. Blätter der Erinnerung, Blüten der Hoffnung wehten vor dem geschlossenen Auge. Aber in Homchens Seele wuchs ein heller Schein wie das Licht des Tages, das klarer und klarer durch die Zweige glänzte. Und dann wußte es, was die Schlange gesprochen hatte.
Die Flamme der Steppe war in die Schlucht gedrungen, sie hatte die morschen Stämme entzündet. Sie tanzte leise um die dürre Rinde, sie schlief in der glimmenden Kohle. Homchen würde sie wecken. Aber sie durfte nicht wieder fliehen. Homchen mußte sie bewahren. Und es verstand jetzt, was einst die Stimme sprach: In der Felsenhöhle wirst du die glühende Kohle hegen und nähren.
Ja, die Flamme ließ sich tragen. An den Hügeln gab es Höhlen, trocken lagen die Steine übereinander getürmt. Man trug die Flamme hinein. Die Genossen mußten lernen, die Nahrung der Flamme im Walde zu suchen, Nahrung für die rote Schlange. Homchen wird sie zur Höhle tragen jeden Tag.
Auf den Hügeln am Waldesrand müssen kluge Kala Wache halten. Wenn die Echsen kommen, so müssen sie schnelle Botschaft bringen zum Walde und zu Homchen. Dann werden sie die Flamme hinaustragen aus der Höhle, dann werden sie die Glut in den Weg der Echsen werfen, aufs Gras der Hügel. Und die Echsen werden fliehen vor dem Zorn der roten Schlange. Das Kleine wird groß, wenn sie zusammenstehn — das Viele zum Einen machen! So muß es gelingen. Die Vielen müssen tun, was für alle ist.
Rote Schlange ich danke dir!
Homchen sprang auf und weckte die Seinen.