Kitabı oku: «Der gruppendynamische Prozeß», sayfa 5
1.8Wie können gruppendynamisch bedingte Katastrophen vermieden werden?
Ich beginne mit der Darstellung eines Vorgehens, wie die Konflikte zwischen der formellen bzw. informellen Gruppendynamik nicht angegangen werden sollten:
Oftmals werden von der Betriebsleitung Trainer engagiert, die ein breitgefächertes Angebot an Managementkursen, Mitarbeiterseminaren, Fortbildungsveranstaltungen usw. anbieten.
Diese Kurse beginnen in der Regel mit einem einführenden Vortrag, setzen sich mit themenzentrierten Gruppengesprächen fort, über deren Ergebnisse im Plenum berichtet wird, und führen schließlich zu handlungsbezogenen, kopflastigen Schlußfolgerungen. Aber viele dieser Bemühungen bleiben ohne konkrete Wirkung auf die Betriebsgruppendynamik, weil sie nicht dort ansetzen, wo die Probleme tatsächlich liegen: bei den Sorgen und Klagen der betroffenen Menschen! Die Kurse sind von der ersten bis zur letzten Phase starr geplant, überstrukturiert und lassen keinen Raum für spontanes, prozeßhaftes Vorgehen, das die wirklichen Probleme erkennen und lösen läßt. Diese Trainings führen kaum zu einer bleibenden Erhöhung der sozialen Kompetenz, die sich dadurch manifestiert, daß sich die Menschen besser artikulieren und auseinandersetzen können. Sie dienen eher dem Training unspezifischer Fähigkeiten und der oberflächlichen Beleuchtung struktureller Konflikte. Sie zementieren letztlich das Geschehen und erschweren einen konstruktiven Zugang zu den tieferliegenden Kernproblemen. Zudem vermitteln sie eher den Charakter unterhaltsamer Gesellschaftsspiele, die kaum als Modell für die Lösung sozialer Probleme dienen können, als das ernsthafte Bemühen um ein tieferes menschliches Verständnis.
Wie die Beispiele "Kleinbetrieb" und "Sonderschule" demonstrieren, gibt es statt dessen zweckmäßige Möglichkeiten, sich durch flexibel angelegte, multiple Gespräche an die Problemfelder heranzutasten und durch zielgerichtetes Intervenieren die Konfliktherde zu öffnen.
Die Systematik des analytischen Vorgehens bei konflikthaften Verstrickungen im Betrieb möchte ich beispielhaft anhand eines "Problemlösungsalgorithmus" wie folgt darstellen:
- In einem ersten Informationsgespräch wird ein vertrauensvoller Kontakt mit der Betriebsleitung angebahnt. Diese muß spüren, daß alle Interventionen von seiten der externen Experten dem Wohl der Mitarbeiter und des Betriebes als Ganzem dienen. Schließlich werden die Problemfelder grob lokalisiert und abgegrenzt.
- In mehreren Gesprächen mit Betriebsangehörigen der mittleren und unteren Ebene wird eine Grobanalyse der einzelnen Problembereiche angestrebt.
- Erst durch den direkten Kontakt mit den Betriebsgruppen auf der untersten Stufe werden die Probleme deutlich sichtbar. Die Erfahrung zeigt, daß die betroffenen Menschen gut in der Lage sind, die Ursachen und Verläufe der Problementwicklung zu erkennen und zu analysieren. Aus diesen Diskussionen ergibt sich die Feinanalyse der einzelnen Konfliktkonstellationen.
- Gespräche mit besonderen Gruppen wie z.B. den "Dienstältesten", den "Frauen", dem "Büropersonal", den "alleinstehenden Müttern", den "Ausländern" oder "speziellen Randgruppen" vertiefen das Verständnis der Konflikte und berücksichtigen besondere Bedingungen der Problemsituation.
- Es ist wichtig, daß die Betriebsleitung kontinuierlich über den Fortschritt der Problemanalyse informiert wird. Es gilt, eine Zwischenbilanz vorzunehmen und das weitere Vorgehen in Kooperation mit der Betriebsleitung zu besprechen.
- An einer Betriebsversammlung wird die ganze Belegschaft über die Ergebnisse informiert. In Arbeitsgruppen werden letztere eingehend diskutiert und Vorschläge für die Problemlösung erarbeitet. Die Lösungsvorschläge werden gruppenweise vor dem Plenum vorgetragen.
- Erste Schlichtungsgespräche zwischen Untergebenen und Vorgesetzten fördern das gegenseitige Verständnis und dienen dem Abbau von ebenenübergreifenden Spannungen.
- Problemlösungsorientierte Gespräche in spontan gebildeten Interaktionsgruppen sowohl horizontal unter Gleichgestellten als auch vertikal zwischen Untergebenen bzw. Vorgesetzten unter der Leitung der externen Berater sollen zur endgültigen Lösung der analysierten Konflikte beitragen.
- Schließlich wird die Errichtung eines fest installierten Interventionssystems mit Supervisionsaufgaben durch externe Berater und Intervisionsgruppen zur kontinuierlichen Hilfestellung erwogen, diskutiert und gegebenenfalls beschlossen.
- In einem Schlußgespräch mit der Betriebsleitung werden die getroffenen Maßnahmen und die erzielten Erfolge zusammenfassend ausgewertet und diskutiert.
Der dargestellte "betriebliche Problemlösungsalgorithmus" soll nur eine von zahlreichen möglichen Lösungsstrategien sein. Jede Strategie muß auf das vorliegende Problem spezifisch zugeschnitten sein. In dieser Hinsicht ist es wichtig, schrittweise flexibel und selbstkritisch vorzugehen. Das analytische Vorgehen verlangt ein rücksichtsvolles und vorsichtiges Handeln, denn die Mitarbeiter sind in der Regel nicht gewohnt, öffentlich über ihre Gefühle zu reden, und die Vorgesetzten tun sich, wie das Beispiel "Spannungen in einer Sonderschule" zeigt, oftmals schwer damit, Kritik anzunehmen und sich in Frage stellen zu lassen.
An dieser Stelle möchte ich innehalten und die ersten Einsichten zur Gruppendynamik zusammenfassen. Das einführende Beispiel "Die Entmachtung des Lehrers" hat uns gezeigt, daß dem Lehrer bzw. der Lehrerin neben der Aufgabe des Lehrens eine gruppendynamische Funktion zukommt. Beide sind sowohl "Berufspersonen" als auch "Subjekte einer Gruppendynamik", die sich in jeder Schule bzw. in jeder Schulklasse entfaltet. Dabei stellen sich im Hinblick auf die Funktion der gruppendynamischen Leitung komplexe Aufgaben, an denen viele Lehrpersonen scheitern, nicht zuletzt deswegen, weil sie nicht kompetent auf diesen Aspekt des Lehrens vorbereitet wurden.
Wir habe weiter gesehen, daß die Lehrer-Schüler-Interaktionen von emotionalen Vorgängen überlagert werden, die wir "Übertragungen" nennen. Diese sind in ihrer Wirkungsweise wenig durchschaubar, kaum kontrollierbar und können in der Folge fatale Ergebnisse zeitigen.
Diese "Übertragungen" stellen nur einen einzigen Faktor im komplexen Geschehen der Gruppendynamik dar. Viele Faktoren zusammen, sowohl "kausale" Faktoren, solche aus der "Geschichte" der Institution, aus der umgebenden Gesellschaft als auch solche aus der aktuellen Gruppendynamik, bestimmen in jeder Institution die Definition der personenspezifischen "Rollen" und den Aufbau der gruppendynamischen "Strukturen". Dieser Aufbau hat Prozeßcharakter.
Aus diesem Prozeßcharakter, der einer naturgesetzlichen Dynamik unterworfen ist, ergibt sich die besondere Frage nach dem Ziel bzw. dem Ende des Prozesses. Die analytisch interpretierte Gruppendynamik hat deshalb sowohl einen "kausalen" als auch einen "finalen" Aspekt. Die "Kausalität" ergibt sich aus den Charakteren der teilnehmenden Subjekte der Gruppe, aus der Anzahl der Mitglieder, aus der Kompetenz der Leitung, der gruppendynamischen Technik, aus der Geschichte der Gruppe und durch das großgruppendynamische Umfeld. Die "Finalität" bezieht sich auf die Frage, wohin "die Reise" geht, welche Ziele sie anstrebt, mit welchen Mitteln sie erreicht werden und wie der Prozeß zum Stillstand kommt. Wegen der naturgesetzlichen Bedingtheit des gruppendynamischen Prozesses stellt die "Finalität" einen der zentralsten Begriffe der analytisch interpretierten Gruppendynamik dar.
Die Frage, wohin sich der gruppendynamische Prozeß tendenziell und naturgesetzlich entwickelt, wird uns sowohl im Hinblick auf die Theorie als auch auf ihre praktischen Anwendungen zentral beschäftigen. Denn gerade diese "Finalität" ist Ausdruck der inneren konstruktiven Kraft einer Gruppe und macht deren Studium besonders interessant. Die "Finalität" gibt uns schließlich auch die Antwort auf die abgeleiteten Fragen, welche Entwicklungstendenzen in allen Gruppen innewohnen, wohin sich betriebliche Gruppen, politische Gruppen und gegebenenfalls ganze Völkerschaften hinentwickeln werden.
Letztlich möchte ich auch hier daran erinnern, daß die Änderung von Beziehungen und Strukturen, wie sie im gruppendynamischen Prozeß naturgemäß vorkommen, mit heftigen Gefühlsreaktionen verbunden sind. Gefühle sind der "Inbegriff" des Lebens und helfen, uns im Chaos der einströmenden Sinnesreize situationsadäquat zurechtzufinden. Weil die Gefühle aufs engste mit unseren existentiellen Bedürfnissen zusammenhängen, ist es nicht erstaunlich, daß sie gerade da eine wichtige Rollen spielen, wo der Kern unserer Persönlichkeit im Rahmen gruppendynamischer Prozesse berührt wird.
Anhand der ersten Beispiele haben wir festgestellt, daß sich neben der "formellen" Struktur einer Institution unterschwellig auch "informelle" Strukturen bzw. Beziehungsstrukturen herausbilden, deren Netzwerke nur selten deckungsgleich sind.
Ausgehend von der Gegensätzlichkeit der beiden Formen stellt sich nun die spannende Frage, wie sich diese Strukturen in Belastungssituationen verhalten. Welche Strukturen sind widerstandsfähiger, leistungsfähiger oder gegebenenfalls überlebensfähiger, die "formellen (Macht-)Strukturen", die anhand von bewußten Entscheidungsprozessen auf dem Reißbrett gesetzt werden oder die "informellen (Beziehungs-)Strukturen", die sich im Verlauf der gruppendynamischen Prozesse spontan herausbilden?
1.9Welche Gruppenstrukturen sind leistungsfähiger, die "formellen (Macht-) Strukturen" oder die "informellen (Beziehungs-)Strukturen"?
Um diese Frage zu beantworten, suchen wir nach Gruppen, die ihre Effizienz unter extremen Belastungen unter Beweis stellen müssen. Solche Situationen finden wir z.B. im Krieg.
Die Armee stellt im Hinblick auf die Gruppendynamik einen interessanten Sonderfall dar. Es gibt keine andere Großgruppe, die in dieser Weise streng "formell" diszipliniert, gegliedert und hierarchisiert ist. Die straffe Hierarchie garantiert nach Meinung der Militärexperten schnelle Entscheidungen, klare Befehlswege, eine hohe Beweglichkeit und eine effektive Kontrolle des an sich chaotischen Geschehens im Krieg. Es stellt sich jetzt die entscheidende Frage, wie diese Gruppendynamik unter extremen Bedingungen, z.B. unter der Belastung während einer kriegerischen Kampfhandlung bzw. unter der Todesdrohung, funktioniert?
Für militärische Strategen ist obige Frage schnell beantwortet: Die "formelle" Militärorganisation sei den "informellen" Beziehungsstrukturen überlegen! - und - Voraussetzung dieser Überlegenheit sei das Postulat absoluten Gehorsams. Ohne diesen unbedingten Gehorsam lasse sich, meinen wiederum die Militärexperten, keine Armee führen.
Die strenge Hierarchisierung, die Befehlsstruktur, der Drill und der unbedingte Gehorsam führen zu einer totalen Versteifung der "formellen" Gruppenstruktur, die das "Dynamische" in der Gruppendynamik unterdrückt. Diese Unterdrückung der lebendigen gruppendynamischen Vorgänge kann zu einem immer weiteren Auseinanderklaffen zwischen der "formellen" Struktur und der "informellen" Gruppendynamik führen.
Die "informelle" Struktur ist ein Abbild der tatsächlich stattfindenden Verschiebungen in den Beziehungen zueinander und gibt einen Hinweis auf die sich verändernden "informellen" Machtstrukturen. In dieser Hinsicht hat die "informelle" Gruppenstruktur eine höhere innere Evidenz als die "formelle" Hierarchie, sie wird aber von der letzteren so lange beherrscht, wie sich das ganze System in einem stabilen Gleichgewicht befindet.
In Friedenszeiten ist das Gleichgewicht nicht gefährdet. Aus diesen Gründen unterhalten die Armeen inoffiziell eine "Friedensorganisation". In dieser haben andere Ziele Vorrang als in der "Kriegsorganisation". Während des Friedens stehen die Ausbildung der Offiziere und Soldaten, pädagogische Fragen, Organisationsprobleme und Probleme der Friedenssicherung, der Katastrophenhilfe, des inneren sozialen Friedens und gegebenenfalls des Einsatzes von Sicherungstruppen im Ausland im Vordergrund. Bei der Auswahl der Offiziere spielen pädagogische und organisatorische Fähigkeiten eine größere Rolle als die direkte Führungskompetenz im Kampfeinsatz. Die Friedensorganisation ist nicht zuletzt auf den Frieden ausgerichtet und deshalb nur bedingt kriegstauglich.
Im Kriegsfall wird die Friedensorganisation, die sich vom obersten Kommando bis zur untersten Stufe der Kampfgruppe etabliert hat, auf ihre Tauglichkeit überprüft. Im Krieg gelten andere Maßstäbe. Es geht um Leben oder Tod, nicht nur für einzelne Soldaten, sondern auch um die Existenz des ganzen Volkes. Das Gleichgewicht wird destabilisiert, und die "formellen" Strukturen drohen zu zerbrechen. Aus diesen Gründen ist die Ausbildung während des Krieges härter, unerbittlicher, konsequenter als im Frieden. Die einfachen Soldaten müssen lernen, den Gegner zu töten und dem eigenen Tod ins Auge zu sehen. Den Offizieren wird das Führen der Verbände unter extremsten Bedingungen abverlangt. Unter dieser Erschwernis entsteht eine "Kriegsorganisation", mit Offizieren, die unter diesen Bedingungen bestehen können.
Noch im 2. Weltkrieg wurden die Truppen in der Nacht vor der Schlacht in die Ausgangsstellungen geführt. Diese Hinführung zur Ausgangsstellung war vorwiegend eine organisatorische Aufgabe und sollte im Sinne des militärischen Führens möglichst geordnet ablaufen. Im Morgengrauen begann der Kampf. Dabei wurde das Tageslicht als unabdingbare Voraussetzung für große und kombinierte Operationen angesehen. Die Vorstellung, wie ein konkreter Kampf von Mann zu Mann geführt, geschlagen bzw. beendet werden sollte, wie sich jeder einzelne Soldat in der Schlacht verhält, waren sehr vage und im Grunde kaum vorstellbar. Schematische Kampfformen wurden in der Schulung zwar mit scharfer Munition geübt, z.B. "der Feuerüberfall", "Feuer und Bewegung", "der Stoßtrupp", "die Verteidigung" und insgeheim auch "der Rückzug", aber alles bei Tage. Das Üben des Kämpfens bei Nacht war gefährlich, unbequem und unergiebig.
Mit dem Eintreten der Chinesen in den Koreakrieg in der Nacht des 26. November 1950 änderte sich die infanteristische Kampftaktik mit einem Schlag (MARSHALL, 1959):
Die amerikanischen Stützpunkte am Chongchon, einem Fluß in der Nähe der chinesischen Grenze, wurden von den chinesischen "Freiwilligen" in einem Sturmlauf überrannt. Die Chinesen liefen in stockdunkler Nacht zugweise in Viererkolonnen an den verdutzten Außenposten vorbei in den amerikanischen Stützpunkt hinein und deckten die Gräben als erstes mit einem Schwall platzender Handgranaten ein. Der ganze Stützpunkt schien zu explodieren. Als die amerikanischen Soldaten ihren Kampf begannen und ihren ersten Schuß abgaben, waren viele schon verwundet. Jeder Kämpfer war auf sich allein gestellt, in einem völlig chaotischen Inferno, in dem weder die eigenen Kameraden noch die Feinde zu unterscheiden waren. Der Kampf war zu Ende, wenn sich nichts mehr regte, wenn die Munition aufgebraucht war, wenn alle amerikanischen Soldaten entweder tot oder schwer verwundet waren oder wenn sich die Chinesen unter großen Opfern zurückzogen. Am nächsten Morgen galt es, die kläglichen Reste der Stützpunkte zu räumen und den opferreichen Zug nach Süden bis zur späteren Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea anzutreten.
Die amerikanische Armee wurde sowohl von der neuen Kampftaktik der chinesischen Soldaten, von deren unerbittlicher und todesmutiger Entschlossenheit und von der unvorstellbaren Maße der Soldaten völlig überrascht. Aus diesen Gründen, um die Auswirkungen der neuen Kampftaktik zu studieren, stellte sich der amerikanische General S.L.A. MARSHALL, wie er es schon im 2. Weltkrieg in Europa und Südostasien getan hatte, mit seinen Mitarbeitern am Morgen nach der durchkämpften Nacht hinter die vorderste Front und interviewte die überlebenden Kämpfer vor ihrer Rückkehr in die rückwärtigen Stellungen.
Verschwitzt, verwundet, blutverschmiert und völlig erschöpft gaben die Soldaten Auskunft über das, was sich in den Gräben und Linien kurz zuvor ereignet hatte, welcher Soldat wann, wie und wo tatsächlich gelegen und gekämpft, wie sich der Kompaniekommandant, der Zugführer, die Gruppenführer verhalten hatten und wo mit welchen Mitteln und Gefühlen Wirkung erzielt wurde.
Die Ergebnisse der Befragungen waren lehrreich:
1. Infanteristische Kampfhandlungen fanden nur bei Nacht, bei fast vollständiger Dunkelheit statt. In der Regel herrschte in den angegriffenen Stellungen fast immer ein unbeschreibliches Chaos. Leuchtmaterial war meistens Mangelware oder beim Ausbruch der Kämpfe nicht griffbereit.
2. Von allen Soldaten in den Kampfstellungen kamen nur ca. 15 % zum direkten Schuß. Alle anderen waren im entscheidenden Moment bereits tot, verwundet, angstgelähmt oder aus anderen Gründen kampfunfähig. Die Hauptursache des "Versagens" war die Angst vor dem Töten, nicht vor dem Getötetwerden.
3. Der wirklich erfolgreiche Kampf wurde nur von wenigen Soldaten getragen, die im richtigen Augenblick die Situation richtig beurteilten und richtig reagierten. Diese "Helden" waren vorher nicht als solche zu erkennen. Sie zeigten erst im Kampf ihr wahres "Können". "Manche der tüchtigsten Einzelkämpfer, …, hatten die meiste Zeit vorher im Arrest zugebracht".
4. Die Motivation, im entscheidenden Augenblick zu kämpfen, bezog sich auf den kleinen Kreis der Gruppe. Die amerikanischen Soldaten kämpften nicht für den Kapitalismus oder für Amerika, sondern für ihren Freund, für ihre Kameraden, für die Gruppe. Eine übergeordnete Motivation war nicht mehr handlungsrelevant. Auch die Gedanken an die Eltern bzw. an die Familie spielten für die Kampfmotivation unter Feuer nur eine geringe Rolle.
5. Der Kampferfolg war von Gruppe zu Gruppe verschieden. Gruppen ohne inneren Zusammenhalt sowie gruppendynamische Außenseiter versagten im Kampf vollständig. Erfolgreich waren nur Gruppen, die von Vorgesetzten geführt wurden, die anerkannt und respektiert wurden, und die eine starke emotionale Bindung zueinander entwickelt hatten.
6. Unfähige oder überforderte Vorgesetzte verloren ihre Autorität sofort. Unter der emotionalen Anspannung brach ihre Persönlichkeit zusammen: "Ein Bataillonskommandant stürzte (irre geworden) unvermittelt gegen den Feind und verschwand für immer in der dunklen Nacht …"
Als Fazit konnten aus dieser Untersuchung folgende Schlüsse gezogen werden:
Unter der Wucht des Feuers brach die "formelle" Organisation sofort auseinander. "Die erste Wirkung des Feuers ist die Auflösung jeder sichtbaren Ordnung" (MARSHALL, 1959). Im direkten Kampf bewährten sich nur Gruppen, die gruppendynamisch geschlossen und einen engen ("informellen") Zusammenhalt entwickelt hatten. In diesen Gruppen war die "informelle" Gruppendynamik mit der "formellen" annähernd deckungsgleich. Der Soldat kämpfte in der Regel für seine nächsten Kameraden, für seine Gruppe und nicht für eine Ideologie oder sein Vaterland. Ungelöste innere Konflikte in der Kampfgruppe wirkten sich verheerend aus. Überforderte Vorgesetzte, Vorgesetzte ohne Anerkennung durch die Untergebenen, Außenseiter in der Gruppe, psychisch vorbelastete Soldaten usw. versagten unter feindlichem Feuer vollständig.
Diese Feststellungen besagen deutlich, daß die "informellen Strukturen" unter extremer Belastung widerstandsfähiger und erfolgreicher sind als "formelle" Organisationsformen. Zwar lassen sich auch "formelle Organisationsstrukturen" optimieren (BLINDENBACHER, 1997). Die Effektivität bzw. Effizienz einer Gruppenleistung bleibt aber in erster Linie abhängig vom Prozeß ihres Zustandekommens (BOOS, 1996). Die "informellen" Bindungen sind der wahre "Kitt der Gruppe" und die Pflege der internen Kontakte zwischen den Gruppenmitgliedern und zwischen den Mitgliedern und der Leitung sind für jede Gruppe von existenzieller Bedeutung.
Nachdem wir die Ausgangsfrage dieses Kapitels hinreichend beantwortet haben, möchte ich mich einer neuen Frage zuwenden:
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