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Kitabı oku: «Liljecronas Heimat», sayfa 14

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Während dieser ganzen Rede hatte Maja Lisa immerfort überlegt, wie sie den Vater überzeugen könnte, daß sie das Briefchen nicht geschrieben habe. Ach, wenn ihr bei einer andern Gelegenheit diese Geschichte mit so großer Beredsamkeit vorgetragen worden wäre, wie gerührt wäre sie da gewesen! Jetzt aber drehten sich alle ihre Gedanken nur um die Ungerechtigkeit, die ihr widerfuhr, und zwar nicht nur von ihrem Vater. Sie dachte dabei nicht an die arme Frau, sondern an den Mann, der sie hierher begleitet hatte, um sie anzuklagen. Er glaubte also die Beschuldigung auch, glaubte, daß sie geschrieben habe, um sich einen Mann zu erbetteln, der einer andern gehörte!

Da wendete sie sich plötzlich von dem Vater ab und sah Liljecrona an.

Seine Augen waren nicht auf sie gerichtet; trotzdem zuckte er zusammen, als habe er ihren Blick gespürt. Er sah tief bekümmert aus; aber jetzt flog mit einemmal das gütige Lächeln über sein Gesicht. Er warf ihr einen beruhigenden Blick zu, gerade wie einem Kinde, das eine Torheit begangen hat, und schien sie bitten zu wollen, gefaßt zu sein, es sei keine große Gefahr vorhanden. Darauf sah er gleich wieder weg.

Ungeduldig wendete sich Maja Lisa von ihm ab; und während ihr Vater noch weitersprach, richteten sich ihre Augen auf die Großmutter.

Großmutters Blick begegnete den ihrigen mit tiefem Ernst und hatte beinahe denselben Ausdruck wie Liljecronas.

Offenbar dachte Großmutter ganz wie er: Hab’ keine Angst, sondern fasse dich! Und auch Großmutter sah gleich darauf nach einer andern Seite, nach derselben wie Liljecrona.

Da schaute auch Maja Lisa dorthin, und da sah sie, wen die beiden anderen betrachteten – die Stiefmutter.

Diese schien merkwürdig erregt zu sein. Sie war totenblaß, und ihre Augen schauten ganz irr und wirr, ungefähr wie an jenem Morgen, wo Maja Lisa ihr zum ersten mal begegnet war. Man sah deutlich, Mutter war von einem großen Schrecken erfüllt.

Einen Augenblick überlegte Maja Lisa, ob am Ende die Stiefmutter das Briefchen geschrieben habe; aber sie verwarf den Gedanken wieder, da die Mutter ja in der Schreibkunst nicht bewandert war. Überdies war es kein Wunder, wenn Mutter Angst hatte, denn der Vater war jetzt unnatürlich aufgeregt. Sie hatte alle Ursache, unruhig zu sein, wie das enden werde.

Was für ein Glück, daß Maja Lisa Mutter angesehen hatte! Dadurch war ihr wieder eingefallen, daß sie sich hüten mußte, ihren Vater zu erzürnen. Sie hörte ihm also ganz still bis zum Schlusse zu, und als er ausrief, daß er sie nicht mehr seine Tochter nennen wolle, sagte sie ganz demütig: »So tue der Herr Vater mit mir, wie er will. Wenn ich nicht mehr unter seinem Dach leben darf, muß ich wohl …«

Hier wurde sie von Pfarrer Liljecronas Frau unterbrochen, die jetzt rasch auf sie zutrat.

Jetzt müsse es aber genug sein, rief sie, indem sie angstvoll nach Maja Lisas Hand griff. Es habe weder in ihrer, noch in des Verwalters Absicht gelegen, daß von diesem Briefe weiter die Rede sein solle. Sie hätten ihn dem Pfarrer nur vorgelegt, um ihn zu überzeugen, daß seine Tochter Liljecrona gern habe. Sie selbst habe sich gestern nach Henriksberg begeben, weil sie ganz außer sich gewesen sei. Denn sie wolle nicht, daß Pastor Liljecrona ihretwegen zugrunde gehe. Sie habe auch den Verwalter nur fragen wollen, ob es denn keine Möglichkeit gebe, ihren Mann von ihr zu befreien? Sie wolle ihm die Scheidung anbieten, wolle ihm nie mehr unter die Augen treten, wenn sie nur die Gewißheit erhielte, daß er dann die bekäme, die er liebte. Und nur um darüber zu sprechen, seien sie und der Verwalter hierhergekommen. Sie hätten Maja Lisa nichts Böses antun wollen, nein, sie wollten nur, sie solle ihnen helfen, den zu retten, der im Begriffe stehe, sich zu verderben.

Die Pfarrerstochter sah diese einfache Frau an. Und mit einem Male wurde ihr klar, was für ein prächtiger junger Mann Pfarrer Liljecrona gewesen war, und sie begriff, wie entsetzlich unglücklich sich seine Frau fühlen mußte. Da gewannen bei Maja Lisa die gewohnte Freundlichkeit und Teilnahme wieder die Oberhand, und sie erwiderte mit bebender Stimme:

»Ach, ich kann es nicht! Gewiß würde ich ihm helfen, wenn ich es vermöchte; aber heiraten kann ich ihn niemals, denn er ist nicht der, den ich liebe.«

Sie fühlte, wie ihr bei diesem Geständnis eine heiße Röte Hals und Gesicht überflutete. Fast hätte sie geradezu den Namen dessen genannt, den sie liebhatte.

Doch der Vater machte wieder eine ungeduldige Bewegung, als wolle er all dies beiseiteschieben. »Du hast noch nicht …«

Aber jetzt wurde der Pfarrer unterbrochen, und zwar von Großmutter Beata, die von ihrem Lehnstuhl aus das Wort ergriff.

»Lieber Sohn!« sagte sie. »Mein lieber Sohn verfährt heute abend recht hart mit Maja Lisa. Er weiß doch, daß eine Siebzehnjährige gewiß nie zugeben wird, jemand liebzuhaben, am allerwenigsten im Beisein von so vielen Leuten. Hätte mein lieber Sohn allein mit Maja Lisa gesprochen, so würde sie sich wohl kaum geweigert haben zu sagen, wie alles zusammenhängt!«

Maja Lisa richtete unwillkürlich ihren Blick auf Großmutter. Es klang eine bestimmte Absicht aus ihrer Stimme, und es war ihr auch, als blinzle ihr Großmutter ganz verstohlen zu.

»Mein lieber Sohn nimmt diese Sache so heftig,« fuhr Großmutter fort, »weil er glaubt, er könne mit in sie hineingezogen werden; aber er soll sich nicht einbilden, daß irgend jemand den Verdacht hege, er könne seine Hand mit im Spiele haben. Jedermann weiß, daß mein lieber Sohn nichts getan hat, um Pfarrer Liljecrona anzuschwärzen und ihn dadurch zum Rücktritt zu zwingen, damit er selbst die große Pfarrei bekommen könnte.«

Ringsumher blieb es still; keines wußte, was es antworten sollte.

»Ich denke,« fuhr die Großmutter fort, »Maja Lisa kann es ruhig auf sich nehmen, den Brief geschrieben zu haben, und mein lieber Sohn kann ihr ruhig verzeihen. Jedermann wird verstehen, daß sie aus jugendlichem Unverstand so gehandelt hat. Daß es so schlimm ausfallen würde, konnte sie sich doch nicht denken.«

Maja Lisa sah, daß ihr die Großmutter zublinzelte, sie solle die Schuld auf sich nehmen; aber sie begriff nicht, warum Großmutter das wünschte. Da machte die Alte endlich eine schwache Handbewegung und deutete auf die Stiefmutter.

Diese saß noch ebenso von Schrecken erfüllt da wie vorher, und nun verstand Maja Lisa Großmutters Gedanken. Großmutter glaubte, Mutter habe das Briefchen abgeschickt, und da hielt sie es in Anbetracht des Vaters für besser, wenn sich Maja Lisa, die es ja aus Liebe und Unvernunft getan haben konnte, schuldig bekannte, als daß er erführe, daß die Gattin, die doch nur die größte Bosheit dazu getrieben haben konnte, die Schuldige war.

Ach, Maja Lisa kam dieses Verlangen zu schwer vor! In ihrer Unentschlossenheit wendete sie sich um und warf einen verstohlenen Blick auf den, der auch jetzt noch ganz still an dem Bücherregal stand. Ihr war, als erwidere er ihren Blick liebevoll und teilnehmend; aber das war wohl ein Irrtum, er mußte sie ja hassen.

»Lieber Herr Vater!« sagte dann Maja Lisa. »Verzeiht mir, daß ich geleugnet habe. Aber der Herr Vater hat mir so große Angst …«

Doch als sie fortfahren wollte, kam es ihr zum Bewußtsein, daß das, was sie auf sich zu nehmen im Begriff stand, so gemein und erniedrigend, ja ein zu großes Unrecht gegen sich selbst war. Sie brach in Tränen aus, warf sich in die Arme der Großmutter und schluchzte:

»Es ist zu schwer! Ich kann nicht!«

»Gewiß ist es schwer, ich begreife es gut«, sagte Großmutter. »Aber nun ist es ja gesagt. Jetzt kommst du hinüber zu mir, damit du dich ausweinen kannst.«

Zugleich legte die Großmutter den Arm um sie, und während sie noch immer schluchzte und versicherte, sie könne es nicht tun, führte Großmutter sie nach der Tür.

»Du brauchst nichts mehr zu sagen«, tröstete sie. »Der Herr Vater versteht alles. Du bist ja noch ein Kind.«

Da, als sie schon auf der Türschwelle standen, kam endlich Leben in Liljecrona.

Er trat vor und machte Großmutter die Tür auf, und als er sah, daß die Haustür auch eingeklinkt war, ging er mit hinaus und machte auch diese auf.

Als er dann sah, daß die Stufen vor dem Hause steil und für einen alten Menschen beschwerlich waren, und daß es überdies auch nach dem Brauhaus ziemlich steil abwärts führte, ging er noch weiter mit und stützte die Großmutter auf dem ganzen Wege. Dann kam noch die schwierige Treppe zu Großmutters Zimmer hinauf. Da konnte er nicht umkehren, sondern geleitete sie auch noch da hinauf.

Aber als sie dann in Großmutters Zimmer angelangt waren, schlang er plötzlich, ohne ein Wort zu sagen, beide Arme um Großmutters Hals und küßte sie auf die Wange. Und dann machte er es bei Maja Lisa geradeso. Er zog sie in seine Arme und küßte sie.

Und ohne ein einziges Wort zu sagen, war er dann verschwunden.

Aber alles, was dieser Mensch tat, kam plötzlich und überraschend, gerade wenn man es am wenigsten erwartete, so daß man nicht sich dagegen wehren konnte –

Schließlich war es dann die Kleine und niemand anders, die die Sache zu Ende führte.

Gleich nachdem Mamsell Maja Lisa die Großmutter in die Brauhauskammer hinunterbegleitet hatte, verabschiedeten sich auch die Fremden und fuhren sofort ab. Dem Pfarrer aber mußte es nicht ganz wohl sein, denn er blieb in seinem Stuhl sitzen und begleitete sie nicht einmal auf die Treppe hinaus. Sobald die Fremden fort waren, kam die Pfarrfrau zu ihm herein und sagte, sie habe im Saal ein kleines Abendbrot hergerichtet. Nach alledem, was er heute durchgemacht habe, müsse er sich ein wenig stärken. Aber er sagte nur, man solle ihn jetzt in Frieden lassen. Es sei Samstagabend, und er müsse seine Predigt noch fertigmachen.

Er nahm auch seine Papiere aus der Schreibtischschublade heraus und kritzelte ein paar Zeilen nieder. Aber mehr wurde nicht daraus, und er warf die Feder wieder weg.

Dann schob er den Stuhl zurück, ging eine Zeitlang im Zimmer hin und her, und schließlich legte er sich auf das Ecksofa.

Nun war es ganz still geworden, so still, daß die Kleine sich fragte, ob er am Ende eingeschlafen sei. Durch einen Spalt in der Schranktür konnte sie sehen, daß er auf dem Sofa lag; aber es gelang ihr nicht, herauszubringen, ob er die Augen geschlossen hatte.

Wenn sie ganz sicher sein dürfte, daß er schliefe, wollte sie jetzt den Versuch machen, sich davonzuschleichen. Sie war unbeschreiblich müde von dem langen Stehen in dem engen Schrank. Und dabei war es doch so notwendig, daß sie herauskam, damit sie mit der Pfarrerstochter und Frau Beata sprechen konnte! Sie, sie konnte ihnen ja etwas mitteilen, über das sie sich sehr freuen würden.

Jetzt hatte der Pfarrer so lange stillgelegen, daß es gar nicht anders möglich war, er mußte eingeschlafen sein. Sie meinte, sie dürfe die Schranktür wohl ein klein wenig zurückschieben, um zu erfahren, wie es stehe. Ganz leise ging die Tür auf; aber der Pfarrer schlief nicht, sondern starrte regungslos auf die gegenüberliegende Wand. Gerade als die Kleine die Tür wieder zuziehen wollte, sah er auf und erblickte sie.

Er richtete sich auf und ging auf den Schrank zu. Da blieb der Kleinen nichts anderes übrig, als die Tür aufzustoßen und herauszusteigen.

»Was soll das heißen?« sagte der Pfarrer. »Was hast du in meinem Schrank zu tun?«

Er sah so streng aus, daß das arme Ding Angst bekam. Aber der Pfarrer und sie waren immer gute Freunde gewesen; sie hatte ihn am liebsten von allen auf dem Hofe, nach seiner Tochter natürlich. Und da sie nicht wollte, daß er etwas Schlechtes von ihr denken solle, beeilte sie sich, zu erzählen, daß die Pfarrfrau sie hier in dem Schrank zurückgelassen habe, während er und die Fremden im Wohnzimmer gewesen seien. Sie seien nur hereingekommen, des Herrn Pfarrers Sonntagsanzug zu holen.

Der Pfarrer blieb nachdenklich stehen. Dann sagte er: »Du kannst ruhig die Wahrheit sagen, denn schlimmer als es ist, kann es nicht mehr werden. Nicht meine Frau, sondern Maja Lisa ist es wohl gewesen, die dich hier in den Schrank gesperrt hat?«

Die Kleine war so außer sich, daß sie kaum die Worte herausbringen konnte.

»Die Pfarrerstochter!« rief sie. »Sie sollte mich in einen Schrank einsperren, um da zu horchen? Da ist sie sich wirklich zu gut dazu.«

Der Pfarrer seufzte. »Es gibt wohl nicht viel, für das sie sich zu gut ist«, sagte er. »Glaube ja nicht, ich werde noch ärgerlicher über dich werden, wenn du gestehst, daß dich Maja Lisa hier hineingestellt hat. Du sollst weder wegen des einen noch wegen des andern gescholten werden, wenn du nur die Wahrheit sagst.«

Die Kleine wußte ganz bestimmt, daß sie, seitdem sie nach Lövdala gekommen war, auch nicht ein unwahres Wort gesprochen hatte, und das sagte sie dem Herrn Pfarrer auch.

Aber das war dem Pfarrer jetzt höchst gleichgültig. »Ich begreife ja, daß Maja Lisa allen Grund hatte, Angst zu haben«, sagte er. »Und deshalb begreife ich auch, daß sie dich gebeten hat, hier hereinzugehen, um zu erlauschen, was wir hier sprachen. Die Frau Pfarrer aber hat ja mit der Sache gar nichts zu tun.«

Die Kleine stand still da und erwiderte kein Wort. Sie wußte nicht, was sie sagen durfte. Von der Pfarrerstochter war ihr streng verboten, dem Pfarrer irgendeine Klatscherei über die Pfarrfrau zu hinterbringen, und ihre eigene Mutter hatte dasselbe gesagt. Es war hier nicht wie in Svansskog; dort hatte sie alles, was es auch sein mochte, erzählen dürfen.

Als sie schwieg, schien der Pfarrer bestimmt anzunehmen, daß alles sei, wie er glaubte, und er gebot ihr, sich zu entfernen.

Sie kam auch bis zur Tür; aber da rief er sie zurück. Es war ihm noch etwas in den Sinn gekommen, worüber er sie befragen wollte.

»Hör’ einmal!« begann er. »Da du solche Aufträge für Maja Lisa besorgt hast, bist du vielleicht auch die, die ihr beim Schreiben dieses Briefes geholfen hat? Denn er ist mit einer Kinderschrift geschrieben, und du kannst ja lesen und schreiben.«

»Für Mamsell Maja Lisa habe ich nie einen Brief geschrieben«, sagte die Kleine. »Aber für die Frau Pfarrer habe ich einmal einen geschrieben.«

»Ach so, du hast nur für die Frau Pfarrer geschrieben,« sagte der Pfarrer, »aber für Maja Lisa nicht?« Man konnte es seinem Ton wohl anmerken, daß er auch jetzt nicht glaubte, sie sage die Wahrheit. »Vielleicht kannst du dich noch darauf besinnen, wovon der Brief handelte, den du für die Frau Pfarrer geschrieben hast?«

Die Kleine erwiderte, sie könne ihn, wenn es der Herr Pfarrer wünsche, Wort für Wort hersagen; und da befahl er ihr, es zu versuchen.

»Eigentlich bin ich des Schreibens nicht recht fähig,« fing nun die Kleine an aufzusagen, »und so bitte ich, daß die geschätzte Jungfer selbst nachdenken möge. Pfarrer Liljecrona hat jetzt eine gefunden, die ihn glücklich machen würde, wenn Ihr nicht im Wege stündet. Wenn die Jungfer gutwillig fortginge, so dürfte sie einer nie aufhörenden Dankbarkeit gewiß sein, und für die Zukunft würde gesorgt werden. Außerdem möge die Jungfer auch bedenken, daß man in der neuen Gemeinde eine Pfarrfrau von unbescholtenem Lebenswandel verlangen würde …«

Der Pfarrer winkte mit der Hand ab. »Das genügt«, sagte er, und dann sah er die Kleine lange und prüfend an. »Und das soll in dem Brief gestanden haben, den du für die Frau Pfarrer geschrieben hast?«

Ohne zu zögern, bejahte es die Kleine. Die Pfarrfrau habe ihr zwar verboten, davon zu sprechen, daß sie lesen und schreiben bei ihr lernte, aber von diesem Brief habe sie nie etwas gesagt.

Der Pfarrer zuckte nur die Achseln. »Jetzt siehst du selbst, wie du lügst«, sagte er müden Tones. »Denn da du die ganze Zeit über in dem Schrank dort gestanden hast, mußt du auch gehört haben, daß Maja Lisa eingestanden hat, den Brief geschrieben zu haben.«

Die Kleine fühlte, daß sie rot wurde. Das konnte sie doch wirklich nicht auf sich sitzenlassen. Es war zu schrecklich, daß der Herr Pfarrer glaubte, sie lüge.

»Du kannst jetzt gehen«, sagte der Pfarrer. »Zuerst konnte ich nicht begreifen, wie es gekommen sein könnte, daß der Brief nicht von Maja Lisas Hand geschrieben war. Aber jetzt ist mir auch das klar. Du kannst zu ihr gehen und ihr das sagen.«

Aber die Kleine ging nicht. »Es ist die Frau Pfarrer gewesen, die mich den Brief hat schreiben lassen«, sagte sie. »Und sie ist es auch gewesen, die mich in den Schrank eingesperrt hat.«

»Ihr beide, du und Maja Lisa, habt wohl miteinander ausgemacht, daß ihr so sagen wollt?«

Der Pfarrer sah allmählich ernstlich böse aus, und die Kleine begriff, daß sie fortgeschickt wurde, wenn sie ihn jetzt nicht durch irgend etwas überzeugen konnte. Ratlos blickte sie sich nach allen Seiten um. Da fiel ihr Blick auf die alte Einliegerin, die gerade am Fenster vorüberging.

»Sehet, Herr Pfarrer, da geht die vorbei, die mit dem Brief nach Svansskog geschickt worden ist,« sagte sie, »und die könnte man gut fragen, ob es die Pfarrerstochter oder die Pfarrfrau war, die sie damit hingeschickt hat.«

Schon wollte der Pfarrer antworten, er wolle jetzt nichts mehr von der Sache hören; aber in der Hartnäckigkeit der Kleinen lag etwas, was ihn bezwang. Er stand auf und schritt auf die Tür zu. Als er diese dann aber rasch öffnete, stieß er gegen jemand, der dicht, ganz dicht davorgestanden hatte. Es war die Pfarrfrau.

Er warf einen Blick auf sie, blieb stehen und sah sie noch einmal an, wie um sich zu vergewissern, daß sie es auch wirklich sei; darauf trat er auf die Treppe hinaus und richtete ein paar Fragen an die Alte. Als er zurückkehrte, war die Pfarrfrau verschwunden.

Nachdem er sich wieder auf seinen Stuhl am Schreibtisch niedergelassen hatte, rief er die Kleine zu sich her. »Nun sollst du mir noch erzählen, wie es zuging als du den Brief schriebst«, sagte er.

Und das Kind gab ihm so genaue Auskunft, daß ihm auch nicht der leiseste Zweifel mehr blieb.

»Ich sehe, ich habe dir unrecht getan, Nora Sausewind«, sagte er dann. »Zur Belohnung dafür darfst du jetzt zu Maja Lisa hinuntergehen und ihr alles erzählen.«

Das brauchte er der Kleinen nicht zweimal zu sagen. Im nächsten Augenblick schon war sie drüben in der Stube des Brauhauses, wo noch großer Jammer herrschte, und erzählte alles, was vorgefallen war. Die Pfarrerstochter hörte im Anfang kaum auf das, was sie sagte; aber schließlich begriff sie doch, daß der geliebte Vater jetzt die Wahrheit wußte, und da sprang sie auf und rief: »Großmutter, Großmutter! Ich muß jetzt gleich zum Herrn Vater hinüber und sehen, wie es ihm geht!«

Aber im selben Augenblick ging die Tür auf, und der geliebte Vater stand selbst auf der Schwelle.

Und es war nicht der Vater von gestern und heute, sondern vor ihr stand der Vater der vergangenen Jahre, ein guter, liebevoller, treuer Vater, der die Arme nach ihr ausbreitete!

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Der Ruhestein

Ein paar Tage nach der großen Entdeckung war Maja Lisa zur gewohnten Zeit draußen und ging mit der Kleinen auf der Landstraße spazieren.

Aber an diesem Abend wandelte sie nicht mutlos und schwach mit müden Schritten dahin, sondern jetzt waren es zwei, die das Echo hervorriefen, zwei, die in der Sandgrube nach Katzengold suchten, zwei, die den Bach eindämmten, und zwei, die auf der Weide Anemonen pflückten!

Zu einer Neckerei mit dem Käuzchen aber hatte Maja Lisa doch keine Lust, und so ließ sie die Kleine bei der großen Birke und ging allein den Hügel zum Ruhestein hinauf. Übrigens mußte das Käuzchen heute geselliger als gewöhnlich sein, denn die Kleine gesellte sich weder bei dem Gespenstermäuerchen noch später zu ihr.

Als Maja Lisa so weit gekommen war, daß sie den Ruhestein sehen konnte, blieb sie plötzlich stehen. Dort oben, nicht auf dem schmalen ausgehauenen Sitz, sondern auf dem Felsblock selbst, wurde sie eines Menschen gewahr. Er kauerte auf dem Stein und stützte das Kinn in die Hände. Sein Blick aber haftete nicht am Boden, sondern war auf die Baumwipfel gerichtet, und er war eifrig beschäftigt, einer Drossel zu pfeifen, die auf einer großen Tanne jenseits des Weges saß; er ahmte den Drosselschlag nach und brachte den Vogel so in Eifer, daß diesem fast die Kehle zersprang.

Beide, die Drossel und der Mann, waren so in ihr Spiel vertieft, daß sie Maja Lisas Kommen nicht bemerkten. Sie blieb eine Weile regungslos stehen und hörte zu, während sie den Mann höchst verwundert betrachtete. Sooft sie ihn vorher getroffen hatte, mußte er immer von einem schweren Kummer bedrückt gewesen sein. Und deshalb hätte sie bis zum heutigen Abend nie geglaubt, daß er erst fünfundzwanzig Jahre sein könnte. Jetzt sah er wie ein richtiger Junge aus, und sie war über diese Entdeckung so verdutzt, daß sie unwillkürlich hell auflachte.

Er wandte den Kopf ein wenig, um zu lauschen, während sich sein Blick gleichzeitig auf einen andern Baumwipfel richtete, als meinte er, der Ton sei von dorther gekommen.

Da brach Maja Lisa aufs neue in helles Lachen aus. Und jetzt hörte er, was es war. Rasch sprang er von dem Felsblock herunter und eilte auf sie zu. Gerade auf sie habe er hier gewartet, sagte er. Er sei bei ihrer Freundin Britta in Loby gewesen, um sich zu erkundigen, wie er es anstellen müsse, Mamsell Maja Lisa allein zu treffen. Und Britta habe ihm gesagt, sie pflege jeden Abend bis zum Ruhestein spazierenzugehen.

Maja Lisas Herz begann heftig zu schlagen, als habe es eine große Freude erwartet. Ach, ach, wie konnte es nur so unvernünftig sein! Es mußte doch nachgerade wissen, daß er mit keiner angenehmen Botschaft kommen würde. Wahrscheinlich wollte er wegen seines Bruders mit ihr sprechen, wollte sicher den Vorschlag der Schwägerin unter ruhigeren Verhältnissen noch einmal vorbringen.

Und es war so, wie sie gedacht hatte. Er geleitete sie überaus höflich, fast etwas umständlich, zu dem Ruhestein hin, half ihr auf den Felsblock hinauf, wo er eben gesessen hatte, blieb aber selbst auf dem Wege stehen. Dann begann er sie ganz feierlich zu fragen, ob es sich wirklich so verhalte, daß sie eine Neigung zu seinem Bruder habe.

Und dann war er gerade wieder so wie in Svansskog. Sie wußte nicht, warum sie auf einmal ärgerlich und gerührt zugleich war, auch nicht, warum der Ärger die Oberhand bekam, und ziemlich gereizt erwiderte sie, sie begreife nicht, warum er sich überhaupt die Mühe mache, zu fragen. Er meine wohl, sie könne mit seinem Bruder nicht ein paar Stunden zusammengewesen sein, ohne sich gleich in ihn verliebt zu haben.

Aber er ließ sich nicht anmerken, ob ihn ihr unfreundlicher Ton gekränkt hatte. Sie konnte überhaupt fast nicht glauben, daß dies derselbe Mensch sein sollte, der vorhin hier gesessen und der Drossel gepfiffen hatte. Er war jetzt so abgemessen, als handle es sich um eine Geschäftssache, und als habe er sich jedes Wort, das dabei gesprochen wurde, vorher genau überlegt. Ganz so sah er gewiß aus, wenn er Eisen verkaufte oder einen Kontrakt mit den Kohlenfuhrleuten abschloß.

Er bat, Maja Lisa solle ihn doch nicht für aufdringlich halten; er habe nur gefragt, weil er sich, ehe er fortfahre, vergewissern müsse, ob ihr Herz noch frei sei.

Aber in Maja Lisa erwachte eine unwiderstehliche Lust, ihn zu reizen und ihn aus seiner großen Sicherheit etwas aufzurütteln.

»Das ist noch nicht so ganz selbstverständlich, daß mein Herz frei ist, weil ich Pastor Liljecrona nicht liebe«, warf sie ein. »Vielleicht gibt es andere …«

Er verneigte sich ein wenig verächtlich. »Das ist durchaus richtig«, sagte er. »Und wenn Ihr nur die geringste Aussicht habt, daß der, an den Ihr denkt, um Eure Hand anhalten wird, dann werde ich nichts mehr sagen.«

Das Blut schoß ihr in die Wangen; aber sie sah ihm fest in die traurigen Augen, als sie antwortete: »Nein, ich habe ganz und gar keine Aussicht dazu.«

»Nun, dann möchte ich Euch um einen Rat bitten«, sagte er, indem er sein Taschentuch herauszog und ihm einen fest zusammengefalteten, versiegelten Brief entnahm, den er aber in der Hand behielt, ohne sie die Adresse sehen zu lassen. »Vielleicht seid Ihr so freundlich, mir zu sagen, ob ich dieses Schreiben abschicken oder zerreißen soll?«

Maja Lisa erwiderte nichts. Sie mußte unwillkürlich an jenen Morgen denken, wo er in die Fuchsgrube hinabgesprungen war. Damals ging es: hier ein Schlag und da ein Schlag, und in einem Nu war alles geschehen. »Warum kann er jetzt nicht einen raschen Sprung machen und zuschlagen, daß ich erfahre, was er eigentlich meint?« dachte sie. »Woher kommt es, daß er jetzt so umständlich vorgeht?«

»Diesen Brief hier, Mamsell Maja Lisa,« fuhr er fort, und seine Stimme klang, wenn möglich, noch kühler und geschäftsmäßiger als vorher, »diesen Brief hat ein junger Mann geschrieben, der vor ein paar Jahren an dem Grab seiner Braut stand und dort das Gelübde ablegte, sein ganzes Leben einsam zu bleiben, um nur immer an sie denken zu können. Seither hat der junge Mann nie einen Augenblick daran gedacht, sein Gelübde zu brechen, ja, er hat sich nicht einmal je dazu versucht gefühlt. Er hat sein Herz mit der Geliebten ins Grab hinabgesenkt, und es kann nicht wieder lebendig werden. Aber, Mamsell Maja Lisa, dieser junge Mann traf vor ein paar Monaten mit einem armen, einsamen und verlassenen Kind zusammen. Er las in dessen Augen die holdeste Vereinigung von Freundlichkeit und Demut, noch mehr aber überraschte ihn eine wunderbare Ähnlichkeit mit der Geliebten. Sofort empfand er die größte Sympathie für sie. Es war ihm, als flüstere ihm die Verstorbene zu, er müsse dieser jungen Einsamen, die ihr Ebenbild sei, zu helfen suchen. Da machte der junge Mann einen Versuch, sie mit dem edelsten Mann, den er kannte, mit seinem eigenen Bruder, zusammenzubringen. Er sah sie beieinander, sah sie vor dem Herde Seite an Seite sitzen und träumte schon von einem großen Glück für beide; aber dann schoben die widerlichsten Umstände sich dazwischen. Dieses Vorgehen des jungen Mannes brachte Unglück über die beiden, deren Glück er hatte begründen wollen. Der geliebte Bruder geriet zuerst in das gräßlichste Elend, und bei dem Versuch, der zu seiner Rettung unternommen wurde, wurde auch das junge Mädchen völlig unverdient in die schwierigste Lage versetzt. Nun aber glaubte der junge Mann Tag um Tag die Stimme seiner Verlobten zu hören, die ihm aus dem Grabe zurief, dem jungen Mädchen wenigstens bei sich ein Heim anzubieten, wo er dann mit der zärtlichsten Fürsorge versuchen könnte, sie glücklich zu machen, und wo sie in sicherem Schutz vor der harten Hand wäre, die jetzt über sie herrsche. So lagen die Dinge, liebste Mamsell Maja Lisa, als der junge Mann diesen Brief schrieb. Er hatte die Absicht, ihn diesen Morgen abzuschicken; aber dann wurde er wieder unschlüssig, und er hielt es für notwendig, erst Euch, Mamsell Maja Lisa, zu Rate zu ziehen.«

Er schwieg, und ohne noch etwas hinzuzufügen, ließ er den Brief in ihren Schoß niedergleiten. Sie las die Adresse. Der Brief war an den hochgelehrten Herrn Hilfsprediger Erik Lyselius gerichtet, also an ihren Vater.

Nie, niemals in ihrem ganzen Leben, hatte sich Maja Lisa so gekränkt gefühlt. Wenn er jetzt das tat, was sie nie erwartet hatte, wenn er jetzt um sie freite, warum mußte es auf diese Weise sein? Nur weil sie ihm leid tat! Ihr erster Gedanke war, aufzuspringen, den Brief zu zerreißen und ihm die einzelnen Stücke ins Gesicht zu werfen. Sie war jetzt aufgebrachter über ihn als über ihren Vater, da dieser die Raclitz geheiratet hatte. Und sie dachte: »Ach, lieber Gott, es kommt mir vor, als könnte ich nur auf die Leute richtig böse sein, die ich liebhabe!«

Aber Maja Lisa hatte seit jenem Tage, wo sie sich dem Vater und der Raclitz gegenüber nicht hatte beherrschen können, viel erlebt, und sie hatte sich jetzt ganz anders in der Gewalt. Sie glitt nur von dem Stein herab, ließ den Brief auf den Weg fallen und begann, ohne ein Wort zu sagen, den Hügel hinunterzugehen.

Und sie durfte eine tüchtige Strecke, ganz bis zum Steinmäuerchen, hingehen, ohne daß ihr jemand nachkam.

Während sie so bergab schritt, merkte sie erst, wie schön der Abend war. In den Bäumen zwitscherten die Vögel, in der Luft tanzten die Mücken, auf dem jungen Grün der Blätter spielte die Frühlingssonne, das Bächlein plätscherte lustig im Graben, überall keimten und sprossen Pflanzen und junge Triebe hervor, ja es war fast, als könne man das Gras wachsen hören.

Aber wie merkwürdig! Gerade das vergrößerte ihren Zorn. Er hätte doch begreifen müssen, daß man an einem solchen Abend, wenn man überhaupt kommen wollte, nur in der richtigen Weise kommen durfte. Ach, wenn er doch so klug gewesen wäre, es bleibenzulassen! Sie wäre nicht so unglücklich gewesen, wenn sie nur ganz im stillen von ihm geträumt hätte.

Außerdem hätte er sich klugerweise auch erst darüber Gewißheit verschaffen müssen, wie es ihr ging, ehe er sich aufmachte und ihr diese große Demütigung zufügte. Hätte er gewußt, daß sie mit ihrem Vater versöhnt war, und daß die Stiefmutter am selben Abend noch, wo er mit seiner Schwägerin auf Lövdala gewesen war, fortgelaufen, ja auf und davon gegangen war, ohne irgendeinem Menschen auch nur ein Wort davon zu sagen, und daß sie auch bis jetzt noch nicht zurückgekommen war, dann hätte er sie mit diesem Beweis seines Erbarmens verschonen können.

An der Sache selbst hätte es freilich nichts geändert. Und wenn sie sich in der allergrößten Not befunden hätte, sie wäre ebenso böse auf ihn geworden, weil er nur aus Mitleid um sie warb. Auf einen andern wäre sie nicht so aufgebracht geworden, auch nicht auf seinen Bruder, wenn es dieser ebenso gemacht hätte.

Plötzlich blieb sie stehen. Warum war sie denn gerade über ihn so erregt? Die Antwort brach wie eine Offenbarung über sie herein. Weil – weil sie ihn liebte!

Ja, ach ja! Dies war die Liebe! Die Liebe! Sie hatte in den Büchern von ihr gelesen, hatte in Liedern von ihr gesungen, aber im eigenen Herzen hatte sie sie bisher noch nie verspürt gehabt. Nun aber hatte es den ganzen Frühling hindurch wie ein schwaches Feuer in ihr geglimmt, sie aber hatte das Gefühl nicht mit Namen nennen können. Doch jetzt schlug die Liebe in ihr empor wie ein loderndes Feuer, und sie verwunderte sich fast, daß die Flammen nicht aus ihr herausschlugen.

Da wandte sich Maja Lisa um. Alles war auf einmal ganz anders geworden. In ihrem Herzen brannte die Liebe. Seit dieses große Wunder geschehen war, war sie nicht mehr dieselbe. Sie konnte dem, der schuld daran war, daß sie die Liebe kennengelernt hatte, nicht mehr böse sein.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
280 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain