Kitabı oku: «Liljecronas Heimat», sayfa 7
Ja, auch die alte Mutter Moreus legte ein bittendes Wort ein.
»Maja Lisa und Britta sind miteinander in den Konfirmationsunterricht gegangen und seither immer innig befreundet gewesen«, sagte sie.
Die Antwort der Pfarrfrau fiel nicht allzu freundlich aus.
»Na ja, meine Liebe«, versetzte sie. »Es gibt gewiß im ganzen Kirchspiel nicht ein einziges Mädchen, mit dem Maja Lisa nicht innig befreundet wäre.«
Damit warf sie den Kopf in den Nacken und verließ die Giebelstube, und die andern wagten nichts mehr zu sagen.
Der Pfarrfrau war das Blut wieder in den Kopf gestiegen. Diese Leute sollten doch nicht glauben, sie habe nicht gemerkt, warum man sie in die Giebelstube gelockt hatte! Aus keinem andern Grund, als um von Maja Lisa anfangen zu können. –
Die Trauung war vorüber, und es war alles gut gegangen. Die Braut aber wußte wohl, daß jetzt alle Leute miteinander darüber flüsterten, wie sie während der Trauung ausgesehen hatte, und jetzt hätte sie sowohl ihrer Eltern als auch der Großeltern wegen gewünscht, ihr Gesicht wäre weniger verweint gewesen.
Wenn Mamsell Maja Lisa zur Hochzeit gekommen wäre, dann hätte sie alles mit einem frohen Gesicht durchgemacht. Die Pfarrerstochter hatte gar sooft gesagt, wie sehr sie sich freue, sie als Braut sehen zu dürfen. Ach, vielleicht hatte sie es nur gesagt, um ihr ein wenig Mut zu machen! Aber jetzt hatte sie das Gefühl, als sei ihr der einzige Grund zur Freude, den sie gehabt hatte, entrissen worden.
Während der Trauung hatte sie mehrere Male den Kopf gewendet und nach der Tür hingesehen. Sie hatte ja noch immer gehofft, Mamsell Maja Lisa würde sicher im letzten Augenblick noch erscheinen, und so hatte sie es nicht lassen können, sich immer wieder nach ihr umzusehen.
Ach, daß die Menschen so hart sein und ihr an einem solchen Tage das einzige, was ihr Herz begehrte, verweigern konnten! Die Tränen traten ihr in die Augen, sooft sie daran dachte.
Als der große in Hufeisenform aufgestellte Tisch gedeckt war, nahmen die Leute Platz und fingen an zu essen. Da entwickelte sich plötzlich eine frohe, lustige Stimmung ringsumher. Alle tranken und scherzten miteinander: nur die junge Braut fühlte immerfort dieselbe Beklemmung, und es war ihr unmöglich, auch nur einen Bissen hinunterzubringen. Langsam zerschnitt sie ein paar Brotscheiben, um sich doch den Schein zu geben, als esse sie.
»Wenn Mamsell Maja Lisa nur heute gekommen wäre,« dachte sie, »dann wäre alles ganz anders! Sie hätte mir diesen Tag leicht gemacht.«
Plötzlich warf sie einen verwirrten Blick auf ihren Bräutigam an ihrer Seite, und sie fragte sich, ob er am Ende etwas gehört habe. Es war ihr, wie wenn sie laut gedacht hätte.
Und nach einer Weile ging es wieder geradeso. Sie merkte, daß sie vor sich hinmurmelte: »Ach, ach, ach! Daß Maja Lisa nicht zu meiner Hochzeit kommen durfte!«
»Was sagst du denn vor dich hin?« fragte jetzt der Bräutigam.
Da wiederholte sie fast gegen ihren Willen.
»Ach, ach, ach! Daß Mamsell Maja Lisa nicht zu meiner Hochzeit kommen durfte!«
Der Bräutigam wußte wohl, wie sehr er hatte bitten und betteln müssen, ehe die reiche Bauerntochter sich hatte entschließen können, ihm ihr Jawort zu geben.
Es war auch da und dort getuschelt worden, die Großmutter hätte sie schließlich gezwungen; und wenn sie jetzt mit diesem Gesicht an der Hochzeitstafel saß, mußte ja das Gerücht wie ein Lauffeuer um sich greifen.
So begann er denn, sie zu ermahnen, und sagte, es gehe doch wirklich nicht an, daß sie so verdrießlich dasitze, sie könne ja an einem andern Tag mit der Pfarrerstochter zusammen sein.
Aber die Braut hörte nicht auf ihn. Sie schnitt wieder an ihrem Stück Brot herum, und nach einer Weile seufzte sie abermals: »Ach, ach, ach! Daß mich Maja Lisa nicht als Braut sieht!«
Noch einmal versuchte der Bräutigam, sie zur Vernunft zu bringen.
»Daß du dich deswegen zum Gespött der Leute machen willst!« sagte er. »Meinst du denn, Mamsell Maja Lisa mache sich soviel aus dir? Man weiß doch, wie wenig die Herrschaften nach uns Bauern fragen.«
Doch diesmal wendete sich die Braut hastig an ihren Bräutigam.
»So würdest du nicht sprechen, wenn du etwas wüßtest. Du würdest nicht da sitzen, wo du jetzt sitzest, wenn die Pfarrerstochter nicht für dich eingetreten wäre und gesagt hätte, sie glaube, du werdest gut gegen mich sein.«
Jetzt schwieg der Bräutigam, und zwar ganz beharrlich. Wenn die ihm Gegenübersitzenden mit ihm reden wollten, mußten sie laut rufen, bis er sie hörte.
Das konnte von den Hochzeitsgästen nicht unbemerkt bleiben. Auch sie wurden still und verschüchtert und sahen nur noch verstohlen nach dem Brautpaar hinüber.
Aber gerade als alles am betrübtesten aussah, wendete sich der Bräutigam an die Braut.
»Wenn du nur darüber unglücklich bist, so kann abgeholfen werden«, sagte er. »Mamsell Maja Lisa soll dich als Braut sehen, ich bin Manns genug, das einzurichten.«
Die Braut richtete ihre Augen erstaunt auf sein Gesicht, und da sah sie, daß es ihm Ernst war.
»Das werde ich dir nie vergessen,« sagte sie, »du mußt mich wirklich liebhaben, wenn du mir in dieser Sache helfen willst.«
In demselben Augenblick klärte sich auch ihr Gesicht auf, und sie war ganz wie ausgetauscht.
Die Pfarrerstochter saß daheim auf Lövdala in der Küchenkammer und weinte.
Die Tränen liefen ihr in Strömen die Wangen herab, und sie konnte sie nicht zurückhalten. Sie gab sich zwar alle Mühe, denn es war ihr höchst widerwärtig, zu denken, daß die Dienstboten glauben könnten, sie weine nur, weil sie allein daheim bleiben mußte, während die Eltern auswärts waren und sich vergnügten.
Aber das war es nicht, was sie so unglücklich machte. Nein, was sie sosehr bekümmerte, war, daß sie Britta ihr Wort nicht halten konnte. Wenn sie bedachte, wie oft sie miteinander von dieser großen Hochzeit gesprochen hatten! Es war ihr ja nicht möglich gewesen, die Braut ganz mit dem ihr vorgeschlagenen Bräutigam auszusöhnen; aber es hatte sie doch immer aufgemuntert, wenn Maja Lisa gesagt hatte, sie freue sich, Britta im Hochzeitsstaat zu sehen.
Ja, Maja Lisa hatte Grund zu weinen, sie hatte Britta ihr Wort brechen müssen; das war ihr zu schwer.
Plötzlich horchte sie auf! Wie sonderbar, es war ihr gewesen, als höre sie Schellengeklingel! Ja und auch Geigenspiel! Sie konnte sich nicht täuschen.
Deutlicher und deutlicher hörte sie es. So viel war sicher, irgend etwas hörte sie. Aber woher in aller Welt mochte es kommen? Sie stand auf und trat an das nach Osten gehende Fenster, wo sie auf die zum Pfarrhaus führende Allee hinaussehen konnte.
Als sie vor etwa einer Stunde Feuer im Ofen angezündet hatte, war es draußen schon dunkler Abend gewesen; jetzt war das Feuer niedergebrannt, und es war dunkel in der Kammer, während es draußen heller geworden war. Nun leuchtete eine klare, sternhelle Nacht draußen, der Schnee auf dem Boden und der Rauhreif auf den Bäumen hatten von selbst zu leuchten angefangen, und als die Pfarrerstochter ans Fenster trat, war es gerade, als schaue sie in einen hellerleuchteten Raum hinein.
Jetzt sah sie ganz deutlich, daß ein Hochzeitszug durch die Allee und zwischen den alten Wirtschaftsgebäuden des Hinterhofs dahergefahren kam. Im ersten Schlitten saßen die Musikanten mit den Geigen unter dem Kinn und fiedelten aus Leibeskräften auf den Saiten herum. Im nächsten saßen Braut und Bräutigam; und die Braut hatte sich nicht einmal einen Schal über den Kopf geworfen, sondern ließ die Krone im weißen Schneelicht schimmern. Darauf kam Schlitten um Schlitten mit Hochzeitsgästen. Maja Lisa erkannte den Schimmel des Küsters Moreus, den roten Schlitten des Kirchenvorstehers und –
Es schwindelte ihr vor den Augen, und sie mußte sich auf einen Stuhl neben dem Fenster niederlassen. Sie konnte nicht begreifen, was das bedeuten sollte. Warum fuhr die Hochzeitsgesellschaft von Loby hierher ins leere Pfarrhaus?
Aber vielleicht war es nur ein Wahngebilde, das vor ihr auftauchte, weil sie den ganzen Tag hindurch mit allen ihren Gedanken bei der Hochzeit gewesen war.
Jetzt hielt der Zug vor der Freitreppe; sie hörte es deutlich. Die Haustüre ging auf, und die ganze Gesellschaft drängte in den Flur herein. Sie aber blieb unbeweglich sitzen.
Nicht etwa, weil sie sich gefürchtet hätte! O nein, aber wie jammerwürdig wäre es, wenn sie nun hinausginge, die Gäste zu begrüßen, und dann niemand draußen vorfände!
Jetzt waren sie im Saal, und jetzt rissen sie die Küchenkammertüre weit auf.
Die Spielleute voran. Dann Küster Moreus mit seiner Ulla am Arm. Dann Braut und Bräutigam, von zwei Brautführern mit dreiarmigen Leuchtern hell beleuchtet, und hinter diesen eine ganze Schar Jugend, Burschen und Mädel.
Als alle hereingekommen waren, hörten Jan Öster und sein Kamerad auf zu geigen. Der Küster Moreus trat vor die Pfarrerstochter und hielt eine kleine Rede. Er sagte, Britta von Loby habe ausdrücklich verlangt, daß die Pfarrerstochter sehe, wie schön sie als Braut sei; sie und ihr Mann hätten allein hierherfahren wollen, aber dann hätte er und die andern gedacht, die Freude sei nicht so groß für Mamsell Maja Lisa, wenn sie nur die Braut und nicht auch den übrigen Hochzeitszug zu sehen bekäme, deshalb hätten sich jetzt alle angeschlossen, die nach dem Hochzeitsschmaus nicht zu schläfrig dazu gewesen wären.
Die Pfarrerstochter war, seit sie eine Stiefmutter hatte, immer ärmlich angezogen. Aber daran zu denken, vergaßen sie und die Hochzeitsgäste vollständig, denn die Freude über dieses unerwartete Kommen hatte ihr Gesicht so verklärt, daß sie ganz unwiderstehlich liebreizend aussah.
Ja, es war ganz wahr, was man von den Pfarrerstöchtern von Lövdala sagte: sie seien imstande, alle Menschen zu bezaubern. Es war unbegreiflich, wie sie es machte; aber als sie die Braut umarmte und dann dem Bräutigam und den andern die Hand drückte, da war es allen, als sei jetzt erst die rechte Hochzeitsfreude angebrochen.
Ja, die Pfarrerstochter konnte ihre Sorgen ganz abwerfen und so froh werden, daß alle andern Menschen auch dachten: »Es gibt doch nichts Schöneres als zu leben! Es ist nicht wahr, wenn es heißt, das Leben sei schwer und traurig. Nur schön ist es.«
Die Pfarrerstochter brauchte die Braut nur anzusehen, ihre Brautkrone und ihr Hochzeitskleid zu loben, da wurden aller Augen aufgetan. Vorher hatten sie gar nicht gemerkt, wie schön sie in ihrem Staat war.
Als Maja Lisa sich dann auch an den Bräutigam wendete und ihm dankte, daß er mit Britta gekommen sei, und ihm zugleich zu seiner Frau beglückwünschte, da ging auch ihm gleichsam ein Licht auf, und nun verstand er, daß er nicht allein den größten Hof in Loby, sondern auch die beste Bauerntochter geheiratet hatte.
Was sie zu Britta sagte, konnte niemand verstehen; aber man sah Britta nachher an, daß es gerade das gewesen war, was sie gebraucht hatte, um den ganzen Tag froh und glücklich zu sein.
Sie hatten »Hochzeitsversucher« mitgebracht, die jetzt aufgedeckt wurden, denn Maja Lisa mußte auch das Hochzeitsessen versuchen. Und man sah ihr wohl an, wie sehr ihr alles gefiel; aber sie durfte nicht essen, ehe die andern wieder fortgefahren waren. Lange könnten sie nicht wegbleiben, das werde sie verstehen, es sei merkwürdig, daß sie überhaupt fortgekommen wären.
Nun erzählte Ulla Moreus, wie sie sich gleich nach dem Essen davongeschlichen hätten. Die Alten hätten ein bißchen ermattet dagesessen und sich nach einem Mittagsschläfchen gesehnt. Sie hätten auch gar nichts von der ganzen Sache gemerkt, bis die Jugend auf und davon gegangen war; aber sie müßten natürlich gleich wieder zurückfahren, sobald die Braut mit Maja Lisa getanzt hätte.
Darauf gingen sie in den Saal hinaus, und die Leute stellten sich den Wänden entlang auf, um dem Tanz zuzusehen. Der Spielmann Jan Öster stimmte eine Polka an, und die Braut tanzte mit der Pfarrerstochter im Saal herum. Aber während die beiden noch zum ersten Male im Saal herumtanzten, wurde die Pfarrerstochter ängstlich. Sie hatte vor lauter Freude noch gar nicht an das übliche Tanzgeld gedacht. Am Hochzeitstag mußten alle Menschen, große und kleine, mit der Braut tanzen, und wer immer mit ihr tanzte, war verpflichtet, ihr das »Tanzgeld« zu geben. Aber sie armes Mädchen besaß nicht einmal eine einzige Scheidemünze!
Die Braut dagegen hatte nichts vergessen. Drüben auf dem Tisch in der Ecke des Saals stand die Flasche mit Riechwasser und der Brautschrein mit Pastillen und Rosinen, die Brautgewürze, die die Braut nach dem Tanze anbieten mußte.
Ach, das war das schwerste, was Maja Lisa durchmachen mußte! Die alten Bräuche durften nicht gebrochen werden. Die Leute hätten geglaubt, das bringe Unglück.
Britta mußte indes ihre Angst geahnt haben, denn sie flüsterte ihr während des Tanzes zu, Mamsell Maja Lisa solle nur so tun, als lege sie ihr etwas in die Hand. Wenn man sie so unerwartet überfalle, könne sie selbstverständlich kein Tanzgeld bereit haben.
Die Pfarrerstochter besaß ein Paar goldene Ohrringe und eine goldene Brosche, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Sie hätte Britta gern eines von diesen beiden Schmuckstücken gegeben, wußte aber nicht, ob sie durfte. Wie sollte es gehen, wenn es der Stiefmutter nachher zu Ohren kam!
Es war nicht Sitte, mehr als einmal mit der Braut im Saal herumzutanzen, aber die Pfarrerstochter machte, während sie so überlegte, zweimal, ja dreimal die Runde durch den Saal. Eigentlich ist es indes unrichtig, wenn man sagte, sie habe überlegt; sie war in zu großer Not, die Gedanken wirbelten ihr nur so durch den Kopf.
Sie tanzte so langsam, als sie konnte, und jetzt dachte sie an einen silbernen Löffel, den sie als Patengeschenk erhalten hatte. Aber wenn sie so etwas Kostbares verschenkte, war Raclitza am Ende imstande, am nächsten Tag ins Hochzeitshaus zu gehen und es zurückzufordern.
»Es bleibt mir nichts anderes übrig, als Britta zu sagen, sie werde ihr Tanzgeld ein anderes Mal bekommen«, dachte sie.
Aber plötzlich fuhr sie zusammen, und darauf tanzte sie das letzte Stück rasch und vergnügt. Irgend jemand hatte die Gelegenheit wahrgenommen, als sie an ihm vorübergetanzt war und ihr ein Geldstück in die Hand gedrückt.
Und siehe! Als sie zu tanzen aufhörte, konnte sie einen ganzen blanken Speziestaler in Brittas Hand legen.
Die Braut war darüber so verdutzt, daß sie ganz und gar vergaß, ihr die Brautgewürze anzubieten, und die Pfarrerstochter mußte sie erst fragen, ob sie nichts bekommen solle.
Während sie dann von dem Riechwasser nahm, ließ sie rasch ihren Blick im Saal umherschweifen, um herauszubringen, wer ihr den Speziestaler zugesteckt hatte.
Sie wußte, sie hatte ihn erhalten, als sie eben am Ofen vorbeigekommen war; dann war es wohl der große dunkle Mann, der dort drüben zwischen dem Ofen und dem Schrank stand, gewesen, der ihr geholfen hatte.
Jetzt beugte sie sich vor und nahm einige Pastillen aus der Lade. Zugleich flüsterte sie der Braut zu, sie habe geglaubt, sie kenne jeden Menschen im Dorfe, aber an den Mann, der dort drüben am Schranke stehe, könne sie sich absolut nicht erinnern.
Die Braut antwortete halblaut, das sei nicht merkwürdig, denn dieser Mann sei gar nicht aus dem Dorfe; es sei ein Schmied vom Henriksberger Hüttenwerk in Västmarken, der gerade heute nach Loby gekommen sei, um von ihrem Großvater Heu zu kaufen. Sie wisse nicht, warum er mit hierhergekommen sei, er gehöre nicht zur Hochzeitsgesellschaft und sei ja auch nicht im Hochzeitsstaat.
Und wirklich – trug dieser Fremde nicht einen Rock aus schwarzem Schaffell mit einem Ledergürtel um den Leib! Die Pfarrerstochter wußte nicht recht, ob sie zu ihm hingehen und sich bedanken sollte; aber jedenfalls fand sie keine Gelegenheit mehr dazu, denn jetzt brach die Gesellschaft auf und verabschiedete sich. Maja Lisa dankte allen für ihr Kommen, half ihnen in die Mäntel hinein, ging mit ihnen hinaus und winkte ihnen dann noch von der Freitreppe aus zu.
Als sie darauf wieder eintrat, erschrak sie doch ein wenig, als sie den großen fremden Mann noch mitten im Saal stehen sah.
Aber sie fand bald eine Erklärung, warum er zurückgeblieben war. Er wollte wohl wissen, wann er den Speziestaler, den er ihr geliehen hatte, wiederbekommen könnte. Wer weiß, vielleicht hatte er ihn von dem Gelde genommen, das der Verwalter ihm zum Bezahlen des Heus mitgegeben hatte!
Offenbar hätte er indes am liebsten ganz abgeleugnet, was er getan hatte. Und als die Pfarrerstochter darauf bestand, äußerte er, es sei nicht der Mühe wert, davon zu reden.
Aber sie konnte doch wirklich nicht einen ganzen Speziestaler von einem Fremden annehmen. Deshalb sagte sie, gleich morgen werde sie ihren Vater um das Geld bitten und es nach dem Hochzeitshaus schicken, damit er das Heu bezahlen könne.
Da flog ein gütiges Lächeln wie heller Sonnenschein über sein Gesicht.
Er sagte, sie solle es nur ganz so einrichten, wie es ihr am besten passe, er habe Geld genug und könne auch ohne den Speziestaler auskommen.
Die Pfarrerstochter sah ihn fragend an.
Ach so, fuhr er fort, sie meine wohl, er sei wegen des Geldes zurückgeblieben?
Ja, warum denn sonst?
Da strich er sich eine lange Haarlocke aus der Stirn und sah an ihr vorbei nach der gegenüberliegenden Wand.
»Ach, ich weiß es selbst nicht«, sagte er. »Vielleicht hab’ ich noch etwas sagen wollen.«
Die Pfarrerstochter schwieg und machte einen Schritt nach der Türe; sie wurde ungeduldig.
Jetzt sah sie der Fremde wieder mit seinem gütigen Lächeln an.
»Ich kann die andern nicht begreifen, daß sie von hier fortgekommen sind«, sagte er.
Bei diesem Wort errötete die Pfarrerstochter; sie machte noch einen Schritt auf die Türe zu.
»Sie hätten Euch nicht hier allein lassen, sondern zum Tanze mitnehmen sollen.«
Seine Stimme hatte dabei einen so wohlwollenden Klang, daß Maja Lisa nicht ärgerlich werden konnte, und so wendete sie sich ihm wieder zu und lachte.
»Ach, nun macht mir das Alleinsein nichts mehr aus, denn jetzt bin ich glücklich. Gehet jetzt nur auch; ich bin so froh, daß sich meinetwegen niemand zu beunruhigen braucht.«
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Die Fuchsgrube
Am nächsten Morgen stand der lange Bengt schon in aller Frühe mit einer Laterne vor der Fuchsgrube und leuchtete hinein. Das war doch merkwürdig! In seinem ganzen Leben hatte er noch niemals eine Fuchsgrube so zugerichtet gesehen.
Der lange Bengt wußte, wenn er etwas auf der Welt konnte, so konnte er eine Fuchsgrube herrichten. Und am gestrigen Abend hatte er diese nicht weniger pünktlich angelegt als sonst auch.
Er hatte die obere Öffnung der tiefen Grube mit einem so hinterlistigen Dach aus Birkenruten, Stroh und Schnee versehen, daß es nicht einmal die verschlagenste Füchsin vom gewöhnlichen Erdboden hätte unterscheiden können; und die Ente, die auf dem großen hohen Pfahl in der Mitte der Grube sitzen mußte, um den Fuchs herbeizulocken, war, mit einem Strick um die Flügel, so fest auf den Pfahl gebunden gewesen, daß sie sich nicht rühren konnte. Es war die beste Ente auf dem Hof gewesen, die die stärkste Stimme von allen hatte. Der lange Bengt hatte sie in der Nacht schreien hören, nachdem sie schon auf den Pfahl festgebunden war. Ihre Jammerrufe hatten gellend und ohrenzerreißend durch die Winternacht getönt.
Für den, der die Fuchsgrube gerichtet hatte, war es eine große Schande, wenn die Ente so schlecht angebunden war, daß sie der Fuchs mit fortreißen konnte; aber das war dem langen Bengt noch nie passiert. Ja, und was auch der Fuchs tat: ob er mit der Ente in den Wald entfloh oder sie mit in die Grube hinabriß, die Schande war in beiden Fällen gleich groß.
Die Stallmagd brachte die Ente immer nur sehr ungern herbei. Und das wußte Bengt genau: sollte je einmal eine verlorengehen, dann verspottete sie ihn in alle Ewigkeit jeden Tag, weil er gemeint hätte, er könne eine Fuchsgrube herrichten.
Und nun war ihm dieses Mißgeschick passiert! Als er mit der Laterne vor sich hinleuchtete, sah er, daß keine Ente mehr auf dem Pfahl war und nur noch die Strickenden daranhingen.
Vor lauter Ärger wollte Bengt schon kehrtmachen und seiner Wege gehen.
Aber wie, möglicherweise war der Fuchs doch gefangen worden! Wieder leuchtete er mit der Laterne umher. An mehreren Stellen war das Dach eingebrochen. Wenn er doch nur begreifen könnte, wie dieser Fuchs es gemacht hatte, um soviel Stroh mit sich in die Tiefe zu reißen!
Es gelang Bengt nicht, bis auf den Grund der Grube hinabzuleuchten, soviel er auch die Laterne drehte und wendete. Da ließ er den Laternenschein auf den Schnee fallen, um nach Spuren zu sehen. Wenn zwei Füchse in der Grube wären, dann könnte er besser verstehen, warum das Dach so zerrissen war, und dann wäre es auch keine so große Schande, daß die Ente mitgerissen worden war.
Er fand auch wirklich Spuren im Schnee und hielt die Laterne dicht darüber. Dann bückte er sich, tiefer und tiefer. Schließlich nahm er die Kerze aus der Laterne, ließ sich auf die Knie nieder und leuchtete auf dem Boden umher.
Als er sich wieder aufrichtete, fühlte er, daß seine Knie zitterten. Glücklicherweise sah ihn niemand in diesem Augenblick!
Nicht rasch genug konnte er in den Stall kommen, um ein Seil zu holen. Als er damit zurückkam, band er die Laterne daran und senkte sie in die Grube hinunter. Jetzt konnte er bis auf den Grund sehen, und plötzlich ging ein Grinsen über sein Gesicht. Seine Augen wurden ganz klein und funkelten, und seine Zähne schimmerten zwischen den geöffneten Lippen hervor. Jetzt hatte er es nicht mehr eilig, er blieb im Gegenteil mit höchst befriedigtem Gesicht über die Grube gebeugt stehen.
Nach einer Weile richtete der lange Bengt seine Schritte nach dem Wohnhaus.
Aber er nahm den Weg nicht durch die Küche, sondern stieg mit wuchtigen Schritten die Freitreppe hinauf und ging in den Flur hinein. Es war kaum fünf Uhr, und außer der alten Haushälterin war noch niemand auf. Sie hörte jemand nach der Türklinke tasten und trat ängstlich näher, um zu öffnen.
»Was in aller Welt, der lange Bengt! Was ist denn mit dir los, daß du durch den Haupteingang hereinkommst?«
Aber der lange Bengt schob sie auf die Seite, ohne sie eines Wortes zu würdigen, und steuerte geradeswegs auf die Schlafstube zu, wo der Pfarrer und die Pfarrerin noch im besten Schlafe lagen, und machte die Türe auf.
»Was gibt’s? Was gibt’s?« fragte der Pfarrer, indem er sich im Bette aufrichtete.
»Ich bin’s, der lange Bengt. Herr Pfarrer, ich wollte nur sagen, daß die Ente heute Nacht von der Fuchsgrube verschwunden ist.«
»Das ist allerdings schlimm, Bengt. Aber deshalb hättest du mich doch nicht mitten in der Nacht –«
»Alle beide, der Fuchs und die Ente, sind in der Grube drunten.«
»Ich glaube, du bist verrückt, Bengt! Du weißt doch, daß ich erst vor ganz kurzem von der Hochzeit zurückgekommen bin, und ich war eben erst eingeschlafen.«
Aber nachdem der lange Bengt eine passende Pause gemacht hatte, begann er wieder:
»Ein Wolf ging der Spur des Fuchses nach, und er ist auch in der Grube drunten.«
Jetzt erwiderte der Pfarrer rasch: »Sag’ in der Küche draußen, man solle hier Licht machen, damit ich aufstehen kann.«
Aber der lange Bengt blieb stehen, wie wenn er taub wäre.
»Ein zweiter Wolf ist der Spur des ersten Wolfs gefolgt, und der ist auch in der Grube.«
Sprach’s, machte kehrt und ging geradeswegs zur Tür hinaus.
Als es ordentlich Tag geworden war, versammelten sich alle Bewohner des Hofes um die Fuchsgrube. Alle waren da: der Pfarrer und die Pfarrfrau und die Pfarrerstochter, die Haushälterin, die fünf Mägde, die Einliegerin und die Kleine. Dann auch der lange Bengt und seine Mutter, die alte Bengta, sowie Bengts Frau, die muntre Maja, ferner die beiden Vettersbuben, der Spielmann Jöns und der alte Backmann, ein Soldat, der im Pfarrhaus auf Arbeit war.
Alle umstanden schweigend die Fuchsgrube, alle beugten sich vor, sahen ein paar Augenblicke hinunter und traten dann wieder zurück.
Die Kleine war etwas auf die Seite gedrängt worden und hatte nicht bis zum Grubenrand hingelangen können. Der Pfarrer bemerkte es und winkte sie herbei. Sie sollte auch herankommen und hinuntersehen.
Vorher hätte sie sich gerne durchgedrängt; aber jetzt konnte sie keinen Schritt machen; ein kalter Schauder rieselte ihr durch den Körper, sie wagte es nicht, die Wölfe anzusehen.
Das Kind hatte noch nie einen Wolf gesehen, aber es hatte sie im Walde um Koltorp heulen hören, und sie wußte, die Wölfe waren die schrecklichsten Ungeheuer, sie waren viel schlimmer als Basilisken.
Der Pfarrer war an diesem Morgen frischer, als die Kleine ihn je vorher gesehen hatte. Er packte sie am Kragen ihrer Pelzjacke und sagte:
»So, nun halte ich dich fest, Nora Sausewind, damit du nicht hineinfällst. Du mußt in die Grube hinuntersehen, obgleich du nur ein Kind bist, damit du, wenn du einmal alt bist, der Jugend erzählen kannst, daß wir hier auf Lövdala in einer einzigen Nacht zwei Wölfe und einen Fuchs in unserer Grube gefangen haben.«
Jetzt stand sie am Rand der Grube und sah schließlich hinunter. Die Grube war ein viereckiges, mit Brettern verkleidetes Loch, wie ein Brunnen, nur viel weiter.
Die Kleine sah hinein nach den großen Ungeheuern mit dem fürchterlichen Rachen, in dem so ein kleines Mädchen wie sie auf einen Happ verschwinden konnte. Aber sie konnte sie nicht entdecken; da wandte sie den Kopf zurück und sah den Pfarrer an.
»Sieh in die Ecken!« sagte er.
Noch einmal beugte sie sich vor. Es war ziemlich düster in der Grube, aber jetzt konnte sie etwas unterscheiden. Vier Tiere waren da drunten, in jeder Ecke eines; alle saßen regungslos da, nur ihre Augen, mit denen sie zum Tageslicht und den Menschen hinaufschauten, funkelten.
In der Ecke gerade vor ihr lag der Fuchs; der war nicht größer als ein Sofakissen. In der nächsten Ecke lag ein Tier so groß wie ein großer struppiger Hund. In der dritten Ecke stand die Ente fest und gerade auf ihren beiden breiten Füßen, und in der vierten Ecke lag noch einer von den großen struppigen Hunden.
Die vollkommene Stille da drunten war ganz sonderbar und unheimlich; und die Kleine verhielt sich ebenso still wie alle andern, als sie vom Grubenrand zurücktrat.
Als alle zur Genüge hinuntergeschaut hatten, traten die Männer zusammen, um zu beraten. Die Wölfe mußten ja getötet werden, aber sie wußten nicht, wie sie es bewerkstelligen sollten.
Natürlich wäre es ein leichtes gewesen, sie zu erschießen; aber wenn Blut in die Grube floß, wurde diese unbrauchbar, dann konnte man nie wieder ein Tier darin fangen.
Wenn es sich sonst nur um einen Fuchs handelte, sprang ein Mann in die Grube hinein, versetzte dem Fuchs einen Schlag auf den Kopf, daß er die Besinnung verlor, legte ihm dann eine Schlinge um den Leib und ließ ihn hinaufziehen.
Wenn man zu einem Fuchs hineinsprang, war keine Gefahr dabei; wenn sich aber zwei lebende Wölfe in der Grube befanden, war das eine ganz andere Sache.
Der lange Bengt nahm den Knüppel, dessen er sich bediente, wenn er dem Fuchs den Schlag versetzte, mit dem er ihn bewußtlos machte. Damit trat er an den Grubenrand, sah hinunter, schüttelte den Kopf und trat dann wieder zu den andern.
Nun holte einer der Knechte ein Seil und knüpfte eine Renntierschlinge. Mit dieser stellte er sich an die Grube und ließ die Schlinge dicht vor dem einen Wolf hinunter. Wenn es ihm gelang, die Schlinge über den Kopf des Wolfes zu streifen, konnte dieser leicht heraufgezogen werden.
Die Schlinge senkte sich tiefer und tiefer hinab, ja sie kam bis auf die Nase des Wolfs, ohne daß sich dieser rührte. Aber plötzlich fuhr er mit dem Kopf vor, heulte einmal laut auf, zwei Zahnreihen schimmerten, und die Schlinge fiel abgebissen auf den Boden der Grube.
Aller Herzen begannen ängstlich zu klopfen, als sie dies sahen. Nein, es war kein Vergnügen, sich mit einem Tier einzulassen, das ein Seil mit einem Schnapper durchbeißen konnte.
»Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als in die Grube hineinzuschießen«, sagte der Pfarrer. »Wir müssen uns eben im nächsten Winter eine neue graben.«
Jetzt trat ein Mann an den Rand, der bis dahin etwas hinter den andern gestanden hatte. Es war niemand anders als der Schmied von Henriksberg, der am vorhergehenden Abend nach Loby gekommen war, um Heu zu kaufen. Aber im Hochzeitshaus hatte man so viele Gäste zu beherbergen gehabt, daß man ihm keine Lagerstatt mehr anbieten konnte, und da hatte Björn Hindriksson Pfarrers gebeten, ihn aufzunehmen.
Nun, im Pfarrhaus stand ja die Gaststube auf dem Bodenraum immer bereit, und da hatte er in der Nacht geschlafen. Aber jetzt am Morgen waren aller Gedanken nur mit den Wölfen beschäftigt gewesen, und so hatte kein Mensch mehr an ihn gedacht.
Er sah in die Grube hinunter, nahm dann Bengts Knüppel und wog ihn in der Hand; aber niemand dachte, er tue es aus einem andern Grunde als zum Zeitvertreib. Der Mann war sehr groß, aber auch sehr schlank und sah nicht gerade riesenstark aus. Seine Hände waren schmal und weiß, ganz und gar keine Schmiedsfäuste. Nein, er sah nicht aus, als habe er ordentlich Schneid. Wenn man ihn ansah, dachte man unwillkürlich, alles Leid, das dieser Mensch je erfahren habe, sei ihm in die Augen gestiegen, aber nie fortgeweint worden, und wenn er sich bewegte, hatte man auch das Gefühl, als trüge er eine Last, die ihn schwer bedrückte; denn seine Bewegungen waren langsam und müde wie die eines erschöpften Menschen.
Eine Weile noch hörte er den Beratungen der andern zu; als er aber sah, wie unschlüssig und ratlos sie waren, trat er rasch wieder dicht an die Grube und sprang geradeswegs zu den wilden Tieren hinunter.
Und ehe noch irgendeiner auch nur einen Gedanken fassen konnte, sauste der Knüppel – ein dumpfer Schlag ertönte. Da hatte der eine Wolf seinen betäubenden Schlag auf die Hirnschale bekommen – dann wieder ein Schlag – und dann noch einer.
Indessen hatte sich der andere Wolf aufgerichtet, und dieser bekam den ersten Schlag aufs Rückgrat, daß er zusammenbrach. Dann kam auch für ihn der tödliche Schlag auf die Hirnschale.
»Jetzt das Seil!« rief der Fremde den andern zu.
Der lange Bengt warf ihm das Seil mit der Schlinge zu. Der Fremde streifte es zuerst dem einen Wolf über den Kopf, dann dem andern, und dann ließ er beide miteinander hinaufziehen.
Der Fuchs war indessen lebendig geworden. Mit großen Sätzen warf er sich gegen die Grubenwand, aber der Fremde kümmerte sich nicht um ihn.