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Kitabı oku: «Liljecronas Heimat», sayfa 8

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»Laßt jetzt die Leiter herunter! Der Knecht soll die beiden andern versorgen.«

Als der Fremde aus der Grube herausstieg, sah er wohl, wie bestürzt alle miteinander waren, sowohl Männer als Frauen. Niemand brachte ein Wort heraus. Die Frauen besonders waren so erschrocken, als sie ihn in die Grube hineinspringen sahen, daß sie noch immer zitterten, und die Männer schämten sich ein wenig, weil sie sich nicht selbst hineingewagt hatten.

Die Pfarrerstochter aber trat mit strahlenden Augen auf den Fremden zu:

»Jetzt hab’ ich doch einmal einen Mann gesehen«, sagte sie. »Danach hab’ ich mich mein ganzes Leben lang gesehnt.«

Er sah sie mit seinen schwermütigen Augen an.

»Alles auf der Welt ist gering und wertlos,« schienen sie zu sagen, »und ich bin am geringsten von allem.«

Zugleich aber flog das gütige Lächeln wieder über sein Gesicht.

»Ich dachte, es wäre schade, wenn man in die Grube hineinschießen müßte und sie dadurch unbrauchbar machte«, sagte er.

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Der Speziestaler

Man kann wohl sagen, das sei doch nicht der Mühe wert, sich so darüber zu grämen; aber da ging nun die Pfarrerstochter tatsächlich vierzehn Tage lang verzweifelt umher, weil sie nicht wußte, wie sie sich einen Speziestaler verschaffen sollte.

Wenn sie doch nur ihren Vater, wie es ihre Absicht gewesen war, gleich am Morgen nach der Hochzeit darum gebeten hätte! Aber da war sie von der Stiefmutter für das, was sie zu dem Schmied gesagt hatte, als er aus der Fuchsgrube herausgestiegen war, hart gescholten worden. Und nicht allein für das, was sie gesagt hatte, sondern auch weil sie in so auffallender Weise auf ihn zugeeilt war. Es habe ausgesehen, als wolle sie ihm an den Hals fliegen. Wann würde sie es endlich lernen, sich wie ein anständiger Mensch zu betragen und nicht wie ein zwölfjähriges Schulmädel?

Danach war ihr der Mut, um das Geld zu bitten, vollständig vergangen. Sie hatte auch ihren Vater durchaus nicht allein sprechen können, und wenn sie es der Stiefmutter gesagt hätte, so wäre damit nur ein neues Unwetter über sie losgebrochen.

Jedenfalls war es höchst unangenehm, daß sie ihr Vorhaben aufgeschoben hatte, denn am nächsten Tag konnte keine Rede mehr davon sein, mit dem Geständnis herauszurücken.

Da erst hatte nämlich die Stiefmutter erfahren, daß die Braut und der Bräutigam mit der Hochzeitsgesellschaft von Loby im Pfarrhaus gewesen waren. Das hatte die Stiefmutter aufs höchste erregt, und sie wäre sicher noch aufgebrachter geworden, wenn sie erfahren hätte, wie verschwenderisch Maja Lisa gewesen war. Einen ganzen Speziestaler zu verschenken, unerhört!

Aber je länger die Pfarrerstochter die Aussprache über den entlehnten Taler hinausschob, desto schwerer wurde es ihr, Vater und Mutter zu bekennen, wieviel Geld sie schuldig war. Und schließlich mußte sie sich selbst sagen, sie werde wohl niemals den Mut haben, um das Geld zu bitten. Nein, es blieb ihr nichts übrig, als sich den Taler woanders her zu verschaffen.

Sie sann und sann, dachte darüber nach, wenn sie an ihrer Näharbeit saß, und grübelte darüber, wenn sie bei Nacht in ihrem Bette lag. Denn soviel war sicher und gewiß, der Schmied mußte bezahlt werden. Diese Schmach hätte sie nicht ertragen können, daß sie dem Mann, der ihr so gutherzig zu Hilfe gekommen war, das Seine nicht wiedergegeben hätte.

Wenn sie doch nur zu Anna Brogren hätte reisen können! Aber daran war ja gar nicht zu denken. Nie und nimmer würde die Stiefmutter sie zu jemand reisen lassen, der sie liebhatte.

Aber an wen sonst konnte sie sich denn wenden? Großmutter war ebenso arm wie sie selbst und hatte nichts, als was sie von Vater erhielt. Und Ulla Moreus hatte wohl überhaupt noch niemals einen Speziestaler in ihrer Hand gehabt.

Ach, sie war wahrhaftig in großer Verlegenheit! Sie konnte doch wirklich auch nicht zum nächsten besten hingehen und zu ihm sagen, sie habe den Mut nicht, Vater und Mutter um einen Speziestaler zu bitten.

Als sie nun am allerratlosesten war, fiel ihr ein, daß noch eine Schwester ihrer Mutter lebte, und daß diese ihr wohl helfen könnte. Aber ach, sie konnte fast das Lachen nicht unterdrücken, als sie sich ausmalte, welche Miene die Tante aufsetzen würde, wenn sie ankäme und um Geld bitten wollte!

Und die Tante hätte auch allen Grund, stutzig zu werden, denn die Nichte war der Tante fremder als irgendein anderer Mensch auf der Welt. Ein großer, weiter, unübersteiglicher Abgrund gähnte zwischen ihr und Maja Lisa.

Nicht etwa, daß sie in Feindschaft miteinander gelebt hätten! Nein, nein! Aber die Tante war in ihren jungen Jahren hingegangen und hatte einen reichen Bauernsohn geheiratet, der es gewagt hatte, um sie zu freien. Nach dem, was Maja Lisa darüber gehört hatte, waren die beiden indes keineswegs aus Liebe ein Paar geworden. Er war ein hochmütiger Mensch gewesen und hatte gedacht, es wäre großartig, wenn er eine Pfarrerstochter zur Frau bekäme, und sie hatte gerade herausgesagt, sie wolle lieber in einem reichen Bauernhof herrschen, als daheim sitzen und auf einen armen Hilfspfarrer warten.

Seit die Tante auf den Bauernhof gezogen war, hatte sie sich freiwillig von ihrer ganzen Verwandtschaft entfernt gehalten. Sie wollte ganz und gar nichts mehr von ihrem früheren Leben wissen, und ganz besonders paßte sie auf, daß ihr niemand von Lövdala nahe kam.

Sie wohnte nicht so sehr weit entfernt, sondern noch im Broer Kirchspiel, kam aber niemals ins Pfarrhaus. Dafür fuhr entweder der Pfarrer oder die Großmutter oder Maja Lisa jedes Jahr einmal nach Svansskog und stattete ihr einen Besuch ab.

Ach, ach, Maja Lisa mußte gestehen, daß sie über diese Besuche auf dem Bauernhofe nie besonders erfreut gewesen war! Die Tante war im Lauf der Jahre eine echte und rechte Bauernfrau geworden; aber das war es nicht, was Maja Lisa die Besuche bei ihr verleidete, sondern eher das eigentümliche Benehmen der Tante, wenn sie von Lövdala Besuch bekam. Sie ging ihnen nicht auf die Freitreppe hinaus entgegen, um sie zu begrüßen; und wenn die Gäste ins Haus traten, konnte sie die Bemerkung, sie machten sich wirklich zuviel Mühe, indem sie auf einem Bauernhof zu Besuch kämen, nie unterdrücken. Aber gleich nachher konnte sie ihnen vorrechnen, wie lange es her war, seit sie zum letztenmal dagewesen waren; doch sie sagte dies alles durchaus nicht in freundlicher Weise, sondern so, daß die Gäste sich ganz unglücklich fühlten und nicht wußten, ob sie recht getan hatten, zu kommen, oder ob sie besser zu Hause geblieben wären.

Aber war es nicht zu dumm von Maja Lisa! Eines Morgens, als sie mit Vater und Mutter am Frühstückstisch saß, ließ sie ganz zufällig ein paar Worte über die Tante auf Svansskog fallen und sagte, man dürfe sie doch wohl nicht ganz vergessen.

Der Vater sah sofort von seinem Teller Grütze auf. Die Pfarrerstochter, die eine Bauernfrau geworden war, hatte ihm von jeher leid getan, und er war sehr darauf aus, sie immer wieder wissen zu lassen, daß sie in ihrer alten Heimat nicht vergessen war. Jetzt überlegte er, wann zum letztenmal jemand auf Svansskog gewesen war. Ja, es sei wohl schon eine gute Weile her, meinte er, und sie müßten eigentlich wieder hinfahren und einen Besuch dort machen.

Die Stiefmutter schwieg, weil sie von der Bauernfamilie nicht viel wußte, und so mußte Maja Lisa antworten, daß seit letzte Weihnachten niemand mehr auf Svansskog gewesen sei. Und sie wagte sogar hinzuzufügen, Tante würde sich gewiß am meisten freuen, wenn Vater und Mutter selbst hinkämen.

Aber so leichten Kaufs kam Maja Lisa nicht weg, das merkte sie bald: Vater lehnte sich in seinen Stuhl zurück und sah nicht sehr erfreut aus, und er dachte wohl, auch die Verwandtenliebe habe ihre Grenzen. Schließlich erklärte er, ihn habe die Tante oft genug gesehen, er brauche nicht nach Svansskog zu fahren, um sich zu zeigen. Aber die Mutter und Maja Lisa könnten noch am heutigen Tag hinfahren; es passe auch ganz ausgezeichnet, da sowohl der lange Bengt als der Rappe frei seien.

Da wurde der Besuch nun beim Kaffeetisch ausgemacht. Ach, Maja Lisa hätte sich am liebsten die Zunge ausgebissen! Warum hatte sie von Svansskog angefangen? Wie schrecklich, mit der Mutter zwei Stunden lang in ein und demselben Schlitten fahren zu müssen!

Aber nach dem Frühstück ging Mutter mit Vater ins Studierzimmer, und als sie wieder herauskam, war alles umgestoßen. Mutter sagte, es genüge vollständig, wenn Maja Lisa allein nach Svansskog gehe. Man könne ihr zwar wohl anmerken, daß sie keine große Lust dazu habe, aber es sei nützlich für die Jugend, wenn sie das tun müsse, was ihr zuwider sei. Auch könne sie nicht fahren, sondern müsse zu Fuß gehen, weil sie selbst heute den langen Bengt in der Küche beim Talghacken nicht entbehren könne; er werde aber am nächsten Tage kommen und Maja Lisa abholen.

Nicht mit einer Miene wagte die Pfarrerstochter zu zeigen, ob ihr diese Nachricht angenehm oder widerwärtig war. Aber in ihrem Herzen mußte sie sich sagen, wenn der Besuch auf Svansskog nun doch einmal nicht zu umgehen sei, sei es ihr immerhin noch lieber, wenn sie allein hingehen dürfe, anstatt mit der Mutter fahren zu müssen.

Da sie nun aber solange fortbleiben sollte, fragte sie, ob die Kleine dann nicht ab und zu bei Großmutter einsehen dürfe, um zu fragen, ob sie etwas brauche.

Aber die Stiefmutter konnte wohl nichts beistimmen, was Maja Lisa auch immer vorschlagen mochte. Sie befahl nun sofort, die Kleine solle mit nach Svansskog gehen; Maja Lisa werde doch wohl nicht denken, sie wisse so wenig, was sich schicke, daß sie Maja Lisa den weiten Weg allein gehen lassen würde. Und sie brauche sich auch wegen der Großmutter durchaus nicht zu beunruhigen, es seien wirklich Frauenzimmer genug auf dem Hofe, die nach ihr sehen könnten.

Jawohl, die Stiefmutter setzte ihren Willen durch, und schon nach einer Stunde waren die beiden, die Pfarrerstochter und die Kleine, unterwegs.

In der Allee, und solange man ihnen von Lövdala aus nachsehen konnte, gingen sie sehr ruhig und sittsam; aber bald kamen sie in ein Tannengehölz, wo vom Pfarrhaus niemand mehr einen Schein von ihnen entdecken konnte.

Ja, so viel ist sicher, die Pfarrerstochter hatte diesen Ausflug nach Svansskog für etwas recht Langweiliges und Unnötiges gehalten; aber nun war das herrlichste Winterwetter, das man sich nur denken konnte. Und vor ihr ging es den Hügel hinab, einen langen steilen Weg. Und sie war frei und vergnügt wie seit Monaten nicht mehr, es war ihr, als sei sie einem engen Käfig entflohen. Und die junge Siebzehnjährige ergriff die Hand der kleinen Dreizehnjährigen, und dann liefen beide mit langen Sprüngen davon, bis sie in die große Schneewehe am Fuße des Hügels hineingerieten, und da lagen sie und lachten aus vollem Halse.

Als sie in Svansskog ankamen, war es erst ein Uhr mittags. Sie hatten auch recht Glück gehabt und nur die Hälfte des Weges zu Fuß gehen müssen; denn schon von Broby an ließ sie ein Knecht von Svansskog aufsitzen, der einen Fremden gefahren hatte und mit dem leeren Schlitten heimkehrte.

Svansskog war zugleich Nachtherberge, obgleich sie lange nicht so besucht war wie die auf Broby, wo die Leute beständig kamen und gingen. Nach Svansskog, das ganz im Norden des Kirchspiels lag, kam höchstens ein Reisender am Tag, und oft konnte gewiß eine ganze Woche vergehen, ohne daß jemand einen Wagen verlangte.

Hier auf Svansskog war alles unverändert. Weder die Tante noch eine ihrer Mägde erschien, um der Pfarrerstochter und der Kleinen aus dem Schlitten herauszuhelfen.

Ach, ach! es wurde Maja Lisa so bang zumute, die Angst schnürte ihr die Brust so zusammen, daß das Herz fast keinen Raum mehr zum Klopfen hatte. Unterwegs war sie hoffnungsvoller gewesen; aber als sie jetzt aus dem Schlitten stieg, hatte sie das bestimmte Gefühl, daß die Tante ihr nicht helfen werde.

Svansskog war ein großes Gebäude mit dem Eingang mitten auf der Langseite und nicht in der einen Ecke, wie das sonst bei den Bauernhäusern der Fall war. Vor der Haustür war auch eine kleine überdeckte Freitreppe mit einer Veranda, die zwar nicht ganz so groß war wie die auf Lövdala, aber ihr sonst durchaus ähnlich sah und auch ganz dasselbe Dach und ganz dieselbe Art von Pfeilern hatte.

Ja, es war wirklich sonderbar! Nun war die Pfarrerstochter schon sooft hier gewesen, aber noch nie war ihr diese Veranda mit der Freitreppe davor aufgefallen. Sie mußte erst ein Weilchen stehenbleiben, um sie zu betrachten. Ja, und auch noch anderes fiel ihr auf. Das Wohnhaus war alt, aber es war zu der Tante Zeiten renoviert und verändert worden, und da hatte sicher die Kinderheimat als Muster gedient. Es waren hier ebenso viele und ebenso große Glasscheiben in den Fenstern wie dort, und die halbrunden Bodenfensterchen hätte man ganz gut von dem einen Dach aufs andere hinübersetzen können, ohne daß jemand einen Unterschied gemerkt hätte.

Da war es Maja Lisa gleich ein wenig leichter ums Herz. Vielleicht war es schließlich doch keine so große Dummheit, daß sie hierhergekommen war! Vielleicht war die ursprüngliche Pfarrerstochter doch nicht so ganz verschwunden, wie sie sich selbst und anderen weismachen wollte!

Der Flur war hier kleiner als auf Lövdala. Wie dort fanden sich auch hier halbrunde Eckschränke, die Wände waren auch grau angestrichen und mit schwarzen und weißen Ölfarbenpunkten übersät. Das Treppenhaus hatte grobe Balkenwände gerade wie daheim, und die Bodentreppe führte gefährlich steil aufwärts mit kleinen schmalen Stufen. Hier konnte man sicher ebensogut wie auf Lövdala das Geländer hinabrutschen, ohne mit den Füßen nachhelfen zu müssen.

Dem Eingang gegenüber, in der Mitte des Flurs, war eine Tür, die in ein großes Zimmer führte, das stets für die Reisenden bereitstand. Dort traf man niemals jemand von der Familie; aber die Pfarrerstochter drehte doch den Schlüssel um und warf einen Blick hinein. Ja, es war ganz so, wie sie erwartet hatte. Stühle aus gelbem Birkenholz und ein weißer Klapptisch, genau wie in dem Saal auf Lövdala, nicht einmal die große Kalla fehlte an dem einen Fenster.

Eines jedoch war verschieden. Wohl waren auch hier blaue Bodenläufer, aber die hatten nicht dasselbe Muster wie daheim. Als Maja Lisa jedoch darüber nachdachte, fiel ihr ein, daß das nicht der Fehler der Tante war; sie hatte nach den alten Bodenläufern gewoben, die in ihrer Jugend auf Lövdala gewesen waren; dort aber hatte man das karierte Muster verändert.

Die Pfarrerstochter schloß die Türe wieder zu und blieb dann noch einen Augenblick im Flur stehen. Die Tränen waren ihr in die Augen getreten; aber sie dachte, die Tante werde sicher keine Freude an irgendeiner Art von Empfindsamkeit haben, und so wollte sie mit einem ruhigen, fröhlichen Gesicht bei ihr eintreten.

Ach, auch hier verfolgte sie ihr gewöhnliches Glück! Als sie die Wohnstubentüre öffnete, sah sie, daß die Tante mitten in einer großen Wäsche war. Auf dem Feuer brodelte ein mächtiger Waschkessel, und der ganz mit Wäsche gefüllte Waschzuber, aus dem die Brühe langsam auf den Boden heraussickerte, stand mitten in der Stube. Ach, nun war die Tante gewiß noch übellauniger als sonst, wenn Gäste kamen! Es war viel Wasser auf dem Boden verschüttet, und auf einer langen Bank lagen frisch gewaschene, grobe Wäschestücke. Ja, Maja Lisa mußte zugeben, niemand würde erfreut sein, wenn er in einem Zimmer, das in solcher Unordnung war, Gäste empfangen müßte.

In diesem Zimmer erinnerte nichts an Lövdala, es war eine ganz gewöhnliche Bauernstube. Maja Lisa hatte aber doch immer gedacht, es sei ein schönes, ehrwürdiges Gemach, mit seinen großen deckenhohen Schränken, dem gewaltigen Himmelbett und den langen, an den Wänden festgemachten Bänken. Aber jetzt hatte die Wäsche alles Behagliche verscheucht.

Die Tante stand mit dem Rücken gegen die Türe und rieb und knetete aus Leibeskräften. Maja Lisa war oft erzählt worden, ihre Mutter und deren Schwestern seien ebenso groß und schlank gewesen wie sie selbst, aber die Tante war jetzt breit und untersetzt und sah durchaus nicht zart aus. Sie trug einen schwarzen Friesrock und ein rotes Leibchen mit dem dazugehörigen weißen Hemd. Die kurze weiße Schafpelzjacke, die auch zu der Tracht gehörte, hatte sie während der Arbeit ausgezogen.

Die Tante wendete sich nicht der Türe zu, als Maja Lisa diese öffnete, und sie sagte auch kein Wort. Ach, soviel war sicher, Maja Lisa wünschte sich hundert Meilen weg!

Aber es half alles nichts, sie mußte zu der Tante hingehen und ihr die Hand geben, um sie zu begrüßen.

Die Tante hatte beide Hände im Wasser drinnen. Sie zog die eine heraus, und ohne sich erst die Mühe zu nehmen, sie abzutrocknen, legte sie den Rücken ihrer Hand in die der Nichte.

»Also diesmal hat man dich schließlich geschickt«, sagte sie. »Die neue Pfarrfrau ist wohl zu vornehm, um uns Bauersleuten einen Besuch zu machen?«

Sie sagte wirklich nichts weiter als das und sprach auch nicht unfreundlicher als sonst, aber Maja Lisa konnte diesmal wohl nicht so geduldig sein, sondern brach in Tränen aus. Vielleicht nahm sie es sich auch nur deshalb sosehr zu Herzen, weil sie doch auf einem Bittgang war, und nun war es ihr, als könnte sie ihre Bitte niemals vorbringen.

Aber als sie die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, war sie erst recht unglücklich. Ach, ach, daß sie sich selbst auf diese Weise vor dieser Tante, die doch kein Herz für sie hatte, preisgab! Ach, und nicht ein paar Tränen drängten sich aus ihren Augen, die leicht weggewischt werden konnten! O nein, in richtigen kleinen Bächlein liefen sie ihr die Wangen herunter, und der Hals war ihr wie zugeschnürt, sie konnte kein Wort herausbringen.

Ach, sie hatte bitterlich Mitleid mit sich selbst!

Jetzt weinte sie darüber, daß sie überhaupt weinte; und das weiß man ja, wenn es erst so weit ist, dann kann man nicht mehr aufhören.

Am liebsten wäre sie auf und davon gegangen und geradeswegs wieder nach Hause gelaufen. Sie ging auch bis an die Türe; aber als sie diese erreicht hatte, versagten ihr die Knie. Dicht bei der Türe stand ein niederes Bänkchen, auf dieses sank sie nieder, und da blieb sie sitzen.

Und dabei konnte sie sich so gut vorstellen, was die Tante über diese Nichte dachte, die nur hereinkam, um gleich zu weinen, und sie mitten in der Wäsche störte. Das heißt, die Tante sah gar nicht aus, als sei sie sosehr aufgeregt. Sie hörte auf zu waschen, nahm sich aber ruhig Zeit, noch eine Schöpfkelle heißes Wasser in den Zuber zu gießen, und sie legte auch noch ein Scheit Holz aufs Feuer, ehe sie zu der weinenden Nichte an der Türe trat.

»Du wirst doch keine Angst vor mir haben«, sagte sie; »ich bin vielleicht gar nicht so schlimm, wie ich aussehe.«

Aber wenn die Tante gemeint hatte, sie werde die Pfarrerstochter mit diesen Worten trösten und den Tränenstrom zum Versiegen bringen, dann hatte sie sich verrechnet. Diese Tränen kamen aus einer so tiefen, reichen Kummerquelle, die, nachdem sie nun einmal übergeflossen war, stundenlang fortfließen mußte.

Auch jetzt noch konnte Maja Lisa kein Wort herausbringen, obgleich sie sich sagte, der Tante werde die Geduld ausgehen, und sie dürfe ihre Wäsche nicht zu lange im Stich lassen. Aber die Tante wußte sich zu helfen, sie wendete sich einfach an die Kleine, die sich die ganze Zeit dicht neben der Pfarrerstochter gehalten hatte und nun ganz erschrocken sachte deren Hand streichelte.

»Vielleicht weißt du, warum Maja Lisa weint?« fragte sie. »Sie kann sich’s doch wohl nicht so zu Herzen genommen haben, daß ich nicht gleich Zeit hatte, sie ordentlich zu begrüßen.«

Man konnte ihrer Stimme anhören, daß sie am liebsten darüber gelacht hätte, und das mußte die Kleine verstanden haben, denn diese wurde plötzlich ganz wütend.

»Soll sie nicht weinen, wenn Ihr Euch so gegen sie benehmt?« rief sie. »Da kommt sie zur leiblichen Schwester ihrer Mutter, um sie um Hilfe zu bitten, und dann sagt diese nicht ein einziges freundliches Wort zu ihr.«

Maja Lisa legte der Kleinen eiligst die Hand auf den Mund; aber das half nichts, denn die Kleine konnte es nicht ertragen, Mamsell Maja Lisa weinen zu sehen, und nun war sie in der richtigen desperaten Laune, gerade wie damals in dem Sturm.

Die Tante ließ sich nichts anmerken, ob sie über die Kleine ärgerlich wurde, aber sie sprach jetzt in breiterem Bauerndialekt als vorher, und was sie sagte, kam ängstlich und langsam heraus.

Womit sie wohl Maja Lisa helfen könnte? Maja Lisa gehe es doch wohl ausgezeichnet auf Lövdala, und sie brauche sicherlich keine Hilfe von einer armen Bauernfrau?

Etwas Besseres hätte sie nicht sagen können, um die Zunge der Kleinen recht in Gang zu bringen.

»Ihr seid gewiß aus demselben Holz geschnitten wie Mamsell Maja Lisas Stiefmutter«, sagte sie. »Im übrigen aber kann ich Euch etwas sagen; sie ist hierhergekommen, Euch zu bitten, ihr einen …«

Aber da packte die Pfarrerstochter die Kleine so fest beim Arm, daß diese verstummte. Die Tante schien indes die Unterbrechung gar nicht zu bemerken, sondern fuhr fort:

»Ist es denn wirklich so schwer für Maja Lisa, daß sie eine Stiefmutter bekommen hat? Es heißt zwar, wer eine Stiefmutter bekommt, bekommt auch einen Stiefvater, aber so ist es ihr doch sicher nicht gegangen. Sollte es irgend etwas geben, das sie sich wünschte und nicht bekäme? Das ist doch wohl unmöglich?«

Die Pfarrerstochter machte der Kleinen alle möglichen Zeichen; aber was half das, wenn die Tante sie auf diese Weise reizte?

»Oh, Ihr könntet recht wohl selbst sehen, wie es ihr geht,« fuhr die Kleine fort, »wenn Ihr nur die Augen aufmachen wolltet. Sie ist ja nicht besser angezogen als ich und ist nur noch Haut und Knochen. Es heißt freilich, Blut sei dicker als Wasser, aber das ist bei Euch wohl nicht so? Euch ist es einerlei, ob die Stiefmutter sie zu Tode plagt.«

All dies war sehr peinlich für die Pfarrerstochter. Es war schon schlimm genug, daß sie ihrer Tränen nicht Herr werden konnte; aber daß die Tante alles mögliche aus der Kleinen herauslockte, war noch viel schlimmer. Wer konnte wissen, wie die Tante es aufnahm! Vielleicht nährte sie einen geheimen Groll gegen die Tochter ihrer Schwester in ihrem Herzen und freute sich nur, wenn sie das alles zu wissen bekam.

Nein, Maja Lisa konnte es nicht länger aushalten! Deshalb stand sie auf und tastete nach der Türe. Aber als sie die Klinke aufmachen wollte, war irgend etwas daran nicht in Ordnung, Maja Lisa konnte sie nicht gleich aufbringen, sondern zog und rüttelte – und sank plötzlich zusammen – und fiel zu Boden –

Als sie wieder zu sich kam, lag sie in dem Zimmer mit den blau karierten Bodenläufern im Bett. Sie ruhte auf so weichen Kissen und so feinen Laken, wie sich auf Lövdala kaum welche fanden. Neben dem Bett stand ein Tisch und auf dem Tisch ein Kaffeebrett und auf dem Brett eine Schale, die mit einem Tuch zugedeckt war.

Ja, Maja Lisa verspürte ein wenig Hunger, und rasch nahm sie das Tuch von der Schale. Aber nichts Eßbares lag darunter, nichts als ein großer, glänzender, prächtiger Speziestaler!

Zuerst konnte sie nicht begreifen, wie alles zusammenhing. Aber dann ging ihr ein Licht auf. Die Tante hatte natürlich die Wahrheit aus der Kleinen herausgelockt! Ach, Maja Lisa fühlte sich so gerührt und beglückt, daß sie wieder weinen mußte, und nachdem sie eine Weile geweint hatte, schlief sie ein.

Sie schlief ununterbrochen, bis die Wanduhr in der Wohnstube drei Uhr schlug. Als sie jetzt aufschaute, war der Speziestaler verschwunden; aber dafür stand eine Menge guter Sachen zum Essen neben ihrem Bett. Zuerst erschrak sie ein wenig, weil das Geldstück verschwunden war; aber dann dachte sie, sie sei jetzt sicher in guten Händen. Damit beruhigte sie sich, und dann aß sie.

Als sie sich satt gegessen hatte, wurde sie über diese Beweise von Güte wieder so gerührt, daß sie abermals weinen mußte, und während sie noch weinte, schlief sie aufs neue ein.

Als sie das nächste Mal erwachte, war es dunkler Abend. Im Ofen flackerte ein lustiges Feuer; die Tante aber stand vor ihrem Bett und betrachtete sie.

Das erste, was sie sagte, war, Maja Lisa solle entschuldigen, aber sie habe sich die Freiheit genommen, den Speziestaler dem Manne zu schicken, von dem er entlehnt worden sei. Es sei jetzt am Abend ein Wagen nach Henriksberg geschickt worden, und da habe sie dem Knecht den Taler gegeben mit dem Auftrag, sich zu erkundigen, welcher von den Schmieden um Weihnachten das Heu in Loby gekauft habe. Diesem solle er das Geldstück mit einem Gruß von der Pfarrerstochter übergeben. Sie habe es so fürs beste gehalten; denn Maja Lisa hätte wahrscheinlich von Svartsjö aus nicht so leicht einen Boten nach Henriksberg schicken können.

Abermals war die Pfarrerstochter tiefgerührt, sie konnte kaum antworten. Aber die Tante ließ es nicht wieder zum Weinen bei ihr kommen, sondern fing nun an, sie über Lövdala auszufragen. Sie erwähnte die Stiefmutter oder irgend etwas anderes Unangenehmes gar nicht, sondern fragte nur nach Sachen, die Maja Lisa keinen Kummer machten. Wie es der Großmutter gehe? Ob ihre Stube im Brauhaus noch immer so blitzblank sei? Wie es bei der alten Bengta im Gesindehaus aussehe. Wohl noch ebenso schmutzig wie früher? Ob das Käuzchen noch auf dem Boden hause? Ob die Drossel noch in dem Tannenwipfel über dem Ruhestein sitze und an den Frühlingsabenden so herrlich zwitschere? Ob es auch in den letzten Jahren noch Maiblumen in dem Birkengehölz hinter dem Obstgarten gegeben habe? Ob das alte, auf Pfosten errichtete Vorratshaus noch stehe? Und ob das neue Pfarrhaus, das Maja Lisas Vater hatte bauen lassen, ganz so wie das alte sei? Und ob in dem alten düsteren Schafstall auch jetzt noch Schafe seien?

Voller Verwunderung hörte die Pfarrerstochter zu. Nach allem fragte die Tante, nichts, nichts vergaß sie.

Zum Schluß sprach sie auch noch ein wenig von sich selbst.

»Siehst du, Maja Lisa, in der ersten Zeit nach meiner Verheiratung ging ich heim nach Lövdala, sooft ich nur konnte. Ich sah wohl, daß das den Leuten hier auf Svansskog nicht angenehm war; aber ich ging trotzdem, denn ich hatte Heimweh, und im Anfang war ich gar nicht glücklich hier. Es war nicht so leicht für mich, das kann ich dir sagen. Ich hatte hier eine Schwiegermutter, die gerade so gegen mich war, wie deine Stiefmutter gegen dich ist. Und noch ein anderer war auch sehr streng und hart. Wir waren damals keine so guten Freunde, wie wir später geworden sind, und das, das war das Schlimmste für mich.

Aber dann wurde mir eines klar: Sooft ich wieder nach Lövdala ging, wurde mir die Rückkehr immer schwerer. Und schließlich konnte ich nicht mehr anders, ich mußte mit mir selbst ins Gericht gehen und mich fragen, wie ich es eigentlich haben wollte. Diesen Ort hier hatte ich mir zur Heimat erwählt, und hier mußte ich leben, und da war es doch wohl dumm, wenn ich mein Leben mit dem Heimweh nach dem, was ich verlassen hatte, vertrödelte. Da faßte ich meinen Entschluß: Nie wieder wollte ich nach Lövdala gehen, und nichts mehr wollte ich mit den Leuten auf Lövdala zu tun haben, ganz und gar wollte ich vom Alten wegkommen. Und das war das Richtige für mich. Von da an wurde ich selbst ruhiger; und als die anderen begriffen, daß ich ihnen im Ernst angehören wollte, änderten sie ihr Benehmen gegen mich; sie beobachteten mich scharf, wenn ihr mich besuchtet, aber sie sahen und verstanden, daß ich mir alle Mühe gab, mich auch gegen euch fremd zu stellen.

Ja, ich hatte eine dicke, feste Mauer zwischen mir und euch aufgerichtet und meinte, nichts auf der Welt könnte sie je wieder einreißen. Aber das hatte ich allerdings nicht mit in Rechnung genommen, daß jemals eine Pfarrerstochter von Lövdala, ebenso klein und zart wie ich in ihrem Alter auch gewesen war, zu mir kommen und mich um Hilfe bitten würde. Siehst du, da war es zu Ende mit aller meiner Kraft.

Aber glaube ja nicht, ich werde deshalb irgendwelche Unannehmlichkeiten hier haben. Weißt du, was ich vorhin, als du schliefst, getan habe? Oh, da zog ich meinen Mann am Ärmel, nahm ihn mit hierher an die Türe und ließ ihn durch einen Spalt einen Blick auf dich hineinwerfen. Und dann erzählte ich ihm, wie alles zusammenhing, und fragte ihn, ob er etwas dagegen hätte, wenn ich dir helfe. Aber nun sollst du hören, was er darauf sagte.

Das sagte er: ‘Die, die da drinnen liegt, sieht ganz genau so aus, wie du selbst ausgesehen hast, als du zuerst zu mir kamst; und das sage ich dir, wer der da drinnen nicht hilft und beisteht, der bekommt es mit mir zu tun.’«

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Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
280 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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