Kitabı oku: «Anna Karenina, 1. Band», sayfa 41

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Aleksey Aleksandrowitsch fuhr nach seiner Begegnung mit Wronskiy auf der Freitreppe, wie er beabsichtigt hatte, nach der italienischen Oper. Er wohnte dieser zwei Akte hindurch bei und begrüßte alle die, welche er sehen mußte. Nach Hause zurückgekehrt, besichtigte er aufmerksam den Kleiderhalter, und begab sich, nachdem er wahrgenommen hatte, daß ein Uniformrock nicht mit dahing, wie er zu thun pflegte, in seine Gemächer. Entgegen seiner Gewohnheit aber legte er sich nicht zur Ruhe nieder, sondern ging in seinem Kabinett auf und ab, bis drei Uhr nachts.

Das Gefühl des Zornes über das Weib, welches den Anstand nicht wahren, und die einzige ihr gestellte Bedingung, die, ihren Liebhaber nicht bei sich selbst zu sehen, nicht erfüllen wollte, ließ ihm keine Ruhe. Sie hatte seine Forderung nicht erfüllt und er mußte sie nun bestrafen, seine Drohung zur Ausführung bringen – die Trennung fordern und ihr das Kind nehmen. Er kannte alle Schwierigkeiten, die mit dieser Aufgabe verbunden waren, aber er hatte einmal gesagt, daß er dies thun werde, und jetzt mußte er seine Drohung ausführen.

Die Gräfin Lydia Iwanowna hatte ihm zu verstehen gegeben, daß dies der beste Ausweg aus seiner Lage sein werde und in der jüngsten Zeit hatte man auch die Praxis der Ehescheidungen zu solcher Vervollkommnung gebracht, daß Aleksey Aleksandrowitsch die Möglichkeit erkannte, die formellen Schwierigkeiten überwinden zu können. Hierzu kam indessen, wie ja ein Unglück nie allein kommt, daß auch die Angelegenheiten bezüglich der Lage der Ausländer und der Bewässerung der Fluren im Gouvernement Zaraisk für ihn so viele dienstliche Unannehmlichkeiten im Gefolge hatten, daß er sich in letzter Zeit stets in einem Zustande äußerster Gereiztheit befand. Er konnte die ganze Nacht kein Auge zuthun, und sein Groll, in einer Art ungeheurer Progression anwachsend, hatte bis zum Morgen die äußerste Grenze erreicht.

Hastig kleidete er sich an, und eilte, gleichsam eine Schale voll Wut tragend und befürchtend, von ihrem Inhalt zu verschütten, und zugleich damit an Energie einzubüßen, deren er zur Auseinandersetzung mit seinem Weibe bedurfte – zu ihr, sobald er gehört hatte, daß sie sich erhoben habe.

Anna, welche stets geglaubt hatte, ihren Mann so genau zu kennen, geriet in Bestürzung bei seinem Anblick, als er zu ihr ins Gemach trat. Seine Stirn war finster gerunzelt, seine Augen blickten düster, gerade aus, ihren Anblick meidend; sein Mund war fest und mit verächtlichem Ausdruck zusammengekniffen. Im Gang, in seinen Bewegungen, dem Ton seiner Stimme lag eine Entschlossenheit und Festigkeit, die sein Weib noch nie an ihm wahrgenommen hatte.

Er trat ins Zimmer und schritt, ohne ihr einen Morgengruß zu bieten, geradenwegs auf ihren Schreibtisch zu, ergriff die Schlüssel und öffnete das Schubfach.

„Was wollt Ihr!“ rief Anna Karenina.

„Die Briefe Eures Liebhabers!“ antwortete er.

„Hier giebt es keine,“ versetzte sie, den Kasten schließend, doch er erkannte an dieser Handlung, daß er richtig vermutet habe und riß, ihren Arm rauh wegstoßend, schnell eine Brieftasche an sich; in welche sie, wie er wußte, ihre notwendigsten Papiere zu legen pflegte. Sie wollte ihm die Brieftasche entreißen, allein er stieß sie von sich.

„Setzt Euch! Ich habe mit Euch zu reden,“ sagte er, die Brieftasche unter den Arm nehmend und sie so heftig mit seinem Ellbogen klemmend, daß sich seine Schulter hob.

Erstaunt und scheu blickte sie wortlos auf ihn.

„Ich habe Euch gesagt, daß ich Euch nicht gestatten könne, Euren Liebhaber bei Euch selbst zu sehen.“

„Ich mußte ihn sprechen, um“ —

Sie hielt inne, da sie keinen Vorwand fand.

„Ich werde mich nicht auf Einzelheiten darüber einlassen, wozu ein verheiratetes Weib ihren Liebhaber bei sich sehen muß.“

„Ich wollte, ich war nur“ – sagte sie, in aufsteigender Gereiztheit. Diese Rohheit erzürnte sie und gab ihr Mut, „solltet Ihr nicht fühlen, wie leicht es Euch fallen muß, mich zu beleidigen?“ sagte sie.

„Beleidigen kann man nur einen Mann von Ehre oder ein ehrenhaftes Weib, aber einem Diebe sagen, daß er ein Dieb sei, ist nur die constatation d'un fait!“

„Diesen neuen Zug von Härte hatte ich noch nicht in Euch gekannt.“

„Ihr nennt es Härte, wenn ein Mann seinem Weibe die Freiheit giebt, ihr den Schutz ihres ehrlichen Namens nur unter der Bedingung lassend, daß sie den Anstand beobachtet? Das nennt Ihr Härte?“

„Das ist schmählicher als Härte: das ist Niedrigkeit, wenn Ihr es denn wissen wollt!“ rief Anna in einem Ausbruch der Wut und wollte aufstehend das Zimmer verlassen.

„Nein!“ rief er mit seiner dünnen Stimme, welche jetzt noch eine Note höher klang, als gewöhnlich; er ergriff sie mit seinen langen Fingern am Arm, so hart, daß rote Spuren von ihrem Armband darauf blieben, welches er mit gepreßt hatte, und setzte sie gewaltsam wieder auf den Stuhl. „Eine Niedrigkeit? Wenn Ihr das Wort einmal brauchen wollt, so ist es Niedrigkeit, daß man einen Gatten verläßt und einen Sohn, für einen Liebhaber, und dabei das Brot des Gatten ißt!“

Sie senkte den Kopf. Sie sagte nicht nur nicht, was sie gestern dem Geliebten gesagt hatte, nämlich daß jener ihr Gatte, dieser hier aber ein Überflüssiger sei – sie dachte gar nicht daran, denn sie empfand die ganze Wahrheit seiner Worte, und so antwortete sie nur leise:

„Ihr könnt meine Lage nicht schlimmer darstellen, als wie ich selbst sie kenne; aber weshalb sagt Ihr das alles?“

„Weshalb ich das sage? Weshalb?“ fuhr er fort, noch ebenso wutentbrannt. „Damit Ihr wüßtet, daß ich, da Ihr meinen Willen bezüglich der Beobachtung der Regeln des Anstandes nicht erfüllt habt, Maßregeln ergreifen werde, um diese Situation zum Abschluß zu bringen!“

„Bald, bald wird sie ihr Ende auch so erreicht haben,“ antwortete sie und wiederum traten ihr die Thränen bei dem Gedanken an den nahen, jetzt erwünschten Tod in die Augen.

„Es wird schneller vorbei sein, als Ihr mit Eurem Liebhaber gedacht haben mögt! Ihr bedürft der Befriedigung einer materiellen Leidenschaft.“ —

„Aleksey Aleksandrowitsch! Ich will nicht sagen, daß es nur wenig großmütig wäre, es ist nicht einmal in der Ordnung, einen Gefallenen noch zu schlagen!“

„Ihr denkt eben nur an Euch! Aber die Leiden eines Menschen, der Euer Gatte war, interessieren Euch nicht. Es ist Euch ganz gleichgültig, daß das ganze Dasein desselben vernichtet ist, daß er unsagbar gesi – gesitten!“ – Aleksey Aleksandrowitsch sprach so überstürzt, daß er sich verwickelte und nicht imstande war, das Wort „gelitten“ herauszubringen. Dies erschien ihm komisch, ja selbst beschämend, weil es ihr in diesem Augenblick lächerlich erscheinen konnte.

Zum erstenmal empfand sie für eine Sekunde etwas für ihn, sie versetzte sich in ihn und er that ihr leid. Aber was konnte sie sagen oder thun? Sie senkte das Haupt und schwieg. Er schwieg gleichfalls einige Zeit, und sprach dann mit weniger pfeifender, kalter Stimme weiter, einige willkürlich gewählte Worte sprechend, ohne daß sie eine besondere Wichtigkeit besessen hätten.

„Ich bin gekommen, Euch zu sagen,“ – begann er.

Sie schaute ihn an. „Nein,“ dachte sie, sich den Ausdruck seines Gesichts vergegenwärtigend, wie er sich verwickelt und nicht richtig zu sprechen vermocht hatte, „nein, es schien mir wohl nur so; sollte dieser Mann mit den matten Augen, mit dieser selbstzufriedenen Ruhe, etwas fühlen können?“

„Ich vermag nichts zu ändern,“ flüsterte sie.

„Ich bin gekommen, Euch zu sagen, daß ich morgen nach Moskau reisen und nicht mehr in dieses Haus zurückkommen werde. Ihr werdet Nachricht über meine Entscheidungen durch meinen Rechtsanwalt erhalten, dem ich die Führung des Ehescheidungsprozesses übergeben will. Mein Sohn wird zu meiner Schwester übersiedeln,“ sprach Aleksey Aleksandrowitsch, mit Anstrengung sich ins Gedächtnis zurückrufend, was er betreffs des Sohnes hatte verfügen wollen.

„Ihr braucht Sergey, um mir ein Weh zuzufügen,“ sprach sie, ihn von unten herauf anblickend. „Ihr liebt ihn nicht! Laßt mir daher Sergey!“ —

„Ja, selbst die Liebe zum Sohne habe ich verloren, weil mit ihm sich mein Ekel vor Euch verbindet. Aber gleichwohl will ich ihn nehmen. Lebt wohl!“ —

Er wollte gehen, doch jetzt hielt sie ihn zurück.

„Aleksey Aleksandrowitsch, laßt mir Sergey!“ sprach sie noch einmal leise. „Nichts weiter habe ich Euch zu sagen. Laßt mir Sergey bis zu meiner – ich werde bald niederkommen – laßt ihn mir!“ —

Aleksey Aleksandrowitsch fuhr auf, riß seine Hand aus der ihren und verließ stumm das Gemach.

5

Das Empfangszimmer des berühmten Petersburger Rechtsanwaltes war gefüllt, als Aleksey Aleksandrowitsch dort eintrat.

Es befanden sich darin drei Damen; eine alte, eine junge, und eine Kaufmannsfrau; ferner drei Herren, ein deutscher Bankier, mit einem Ring am Finger, ein anderer, ein Kaufmann mit einem Barte, und der dritte war ein grimmiger Beamter in Uniform mit einem Stern am Halse. Alle schienen offenbar schon lange zu warten. Zwei Diätisten schrieben am Tische, mit den Federn schnarrend. Die Schreibutensilien, für welche Aleksey Aleksandrowitsch eine gewisse Vorliebe besaß, waren ungewöhnlich gut, er konnte nicht umhin, diese Wahrnehmung zu machen. Einer der Diätisten wandte sich, ohne aufzustehen, mit den Augen blinzelnd schroff an ihn:

„Was wünschen Sie?“

„Ich habe mit dem Rechtsanwalt zu thun.“

„Der ist jetzt beschäftigt,“ antwortete der Diätist schroff, mit der Feder nach den Wartenden weisend, und fuhr dann fort zu schreiben.

„Kann er nicht etwas Zeit für mich finden?“ frug Aleksey Aleksandrowitsch.

„Er hat keine freie Zeit, er ist stets in Anspruch genommen. Wollt doch gefälligst warten.“

„Dann macht Ihr wohl keine Schwierigkeiten, ihm meine Karte zu bringen,“ fuhr Aleksey Aleksandrowitsch würdevoll fort, die Notwendigkeit erkennend, daß er sein Inkognito fallen lassen müsse.

Der Schreiber nahm die Karte und ging, offenbar dem Inhalt derselben nicht trauend, zu einer Thür hinein.

Aleksey Aleksandrowitsch befand sich im Princip im Einverständnis mit der mündlichen Rechtskonsultation, doch in einigen Einzelheiten ihrer russischen Adoptation fühlte er sich nicht vollkommen in Übereinstimmung, zufolge der ihm bekannten höchsten Dienstverhältnisse, und er verwarf diese Einzelheiten, soweit er eine Institution von oben überhaupt verwerfen konnte. Sein ganzes Leben war in der administrativen Thätigkeit verflossen, aber seine Unzufriedenheit, wenn er mit etwas nicht übereinzustimmen vermochte, wurde daher durch die Anerkennung der Unvermeidbarkeit von Irrtümern herabgestimmt in der Erkenntnis der Möglichkeit von Verbesserungen bei jeglicher Sache. In den neuen Rechtsinstitutionen mißbilligte er die Grundsätze, auf denen die Advokatur beruhte, aber bisher hatte er noch nicht mit dieser zu thun gehabt, und sie daher nur in der Theorie verworfen – jetzt aber verstärkte sich seine ablehnende Haltung noch durch den unangenehmen Eindruck, den er in dem Empfangszimmer des Advokaten erhalten hatte.

„Man wird sogleich erscheinen,“ sagte der Diätist, und in der That zeigte sich nach Verlauf von zwei Minuten in der Thür die schmächtige Figur eines bejahrten Klienten, der sich mit dem Rechtsanwalt beriet und die Erscheinung des letzteren selbst.

Dieser war nicht groß von Gestalt, untersetzt und kahlköpfig, mit schwärzlich rotem Bart, blonden langen Brauen und übertretender Stirn.

Er war wie ein Bräutigam gekleidet, von der Halsbinde an und der doppelten Uhrkette bis zu den Lackstiefelchen. Sein Gesicht sah klug und grob aus, die Kleidung war geckenhaft und geschmacklos.

„Ist es gefällig,“ sagte der Rechtsanwalt zu Aleksey Aleksandrowitsch gewendet, und ließ diesen mit ernstem Gesicht an sich vorüber eintreten, worauf er die Thür schloß. „Ist es gefällig?“ Er wies auf einen Sessel am Schreibtisch, der mit Schriftstücken bedeckt war, und ließ sich selbst auf seinem Konsulentenplatz nieder, die kleinen Hände mit den kurzen, von weißen Härchen bestandenen Fingern reibend und den Kopf auf die Seite neigend. Kaum war er indessen in seiner Pose zur Ruhe gekommen, als über dem Tische eine Motte aufflog. Der Rechtsanwalt riß mit einer Schnelligkeit, die man von ihm nicht hätte erwarten sollen, die Hände auseinander, fing die Motte und nahm dann seine frühere Lage wieder ein.

„Bevor ich von meiner Angelegenheit zu sprechen beginne,“ sagte Aleksey Aleksandrowitsch, der mit verwunderten Blicken den Bewegungen des Rechtskonsulenten gefolgt war, „muß ich bemerken, daß die Angelegenheit, in welcher ich mit Euch zu reden habe, ein Geheimnis bleiben muß.“

Ein kaum bemerkbares Lächeln bewegte die roten, hängenden Schnurrbartspitzen des Advokaten voneinander.

„Ich müßte kein Advokat sein, wenn ich die Geheimnisse nicht zu bewahren wüßte, die mir anvertraut werden. Aber wenn ich Euch versichern darf“ —

Aleksey Aleksandrowitsch blickte auf sein Gesicht und gewahrte, daß die grauen klugen Augen lachten, als ob sie schon alles wüßten.

„Ihr kennt meine Familie?“ fuhr Aleksey Aleksandrowitsch fort.

„Ich kenne Euch und Eure verdienstvolle“ – er fing abermals eine Motte – „Wirksamkeit so, wie jeder russische Unterthan,“ sagte der Advokat mit einer Verbeugung.

Aleksey Aleksandrowitsch seufzte und faßte sich; da er sich einmal entschlossen hatte, so fuhr er fort mit seiner pfeifenden Stimme, ohne in Verlegenheit zu kommen oder stecken zu bleiben, und gewisse Worte besonders hervorhebend.

„Ich habe das Unglück,“ begann Aleksey Aleksandrowitsch, „ein betrogener Ehegatte zu sein und wünsche auf dem Wege des Gesetzes die Beziehungen zu meinem Weibe abzubrechen, das heißt mich von ihr scheiden zu lassen; jedoch in der Weise, daß mein Sohn nicht bei der Mutter verbleibt.“

Die grauen Augen des Advokaten bemühten sich, nicht zu lachen, aber sie hüpften förmlich in nicht zu verhaltender Freude, und Aleksey Aleksandrowitsch sah, daß es sich hier nicht allein um die Freude eines Menschen handelte, welcher einen guten Auftrag erhalten hatte, sondern daß hier ein Triumph, ein Entzücken, ein Glanz wahrnehmbar wurde, der jenem bösartigen Feuer ähnlich war, wie er es in den Augen seines Weibes gesehen hatte.

„Ihr wünscht nun meine Mitwirkung für die Vollziehung der Ehescheidung?“

„Allerdings, doch ich muß Euch zuvor darauf hinweisen, daß ich mir erlaube, Eure Aufmerksamkeit zu mißbrauchen. Ich bin zunächst nur gekommen, um mich vorläufig mit Euch zu beraten. Ich wünsche die Trennung, aber für mich sind die Formen wichtig, unter denen sie zu ermöglichen ist. Es könnte leicht der Fall sein, daß ich, wenn die Formen mit meinen Forderungen nicht zusammenfallen, von einer gesetzlichen Ehescheidung absehen würde.“

„O, das bliebe ja immer in Euer Ermessen gestellt,“ antwortete der Rechtsanwalt, und senkte dabei die Augen nach den Füßen Aleksey Aleksandrowitschs in dem Gefühl, daß er mit dem Ausdruck seiner unbezähmbaren Freude den Klienten verletzen könnte; dann schaute er nach einer Motte, die vor seiner Nase tanzte und machte eine Armbewegung, fing sie aber nicht, aus Achtung vor der Lage Aleksey Aleksandrowitschs.

„Obgleich mir in allgemeinen Umrissen unsere gesetzlichen Bestimmungen über diesen Gegenstand bekannt sind,“ fuhr dieser fort, „so würde ich doch im allgemeinen diejenigen Formalitäten zu erfahren wünschen, nach welchen in der Praxis Angelegenheiten ähnlicher Art zur Erledigung gelangen.“

„Ihr wünscht,“ antwortete der Rechtsanwalt, ohne die Augen zu erheben, und nicht ohne Vergnügen auf den Ton der Rede seines Klienten eingehend, „daß ich Euch die verschiedenen Verfahren nach denen eine Erfüllung Eurer Absicht möglich wird, angebe.“ Auf das bestätigende Kopfnicken Aleksey Aleksandrowitschs fuhr er fort, nur bisweilen verstohlen auf das mit roten Flecken sich bedeckende Gesicht Aleksey Aleksandrowitschs schauend – : „Die Ehescheidung nach unseren Gesetzen,“ – er sprach mit einem leichten Anflug von Mißbilligung der russischen Gesetze – „ist möglich, wie Euch bekannt, in folgenden Fällen“:

– „Warten!“ – wandte er sich zu dem in der Thür erscheinenden Diätisten, stand aber gleichwohl auf, sprach einige Worte und ließ sich erst dann wieder nieder; —

„In folgenden Fällen: Dem der physischen Unfähigkeit der Gatten; in dem einer fünfzigjährigen Verschollenheit des einen Teils;“ er sagte dies, den einen kurzen mit Haaren bewachsenen Finger ausstreckend, „ferner bei Ehebruch;“ er hob dieses Wort mit sichtlichem Vergnügen hervor, „die folgenden Unterabteilungen,“ er fuhr fort, seine dicken Finger auszustrecken, obwohl sich die drei Hauptfälle und die Unterabteilungen offenbar nicht fortlaufend mit Ziffern bezeichnen ließen, „physische Unfähigkeit des Mannes oder des Weibes; ferner Ehebruch seitens des Mannes oder des Weibes,“ als alle Finger ausgestreckt waren, spreizte er sie auseinander und fuhr fort: „Dies ist die theoretische Anschauung, doch glaube ich, Ihr gebt mir die Ehre, nochmals zu mir zu kommen, damit ich die thatsächliche Lage kennen lernen kann. Dann muß ich, an der Hand der Antecedenzfälle, Euch noch mitteilen, daß die Ehescheidungsfälle alle von den letzteren abhängen. Physische Unfähigkeit ist nicht vorhanden, wie ich annehmen darf? Auch nicht Verschollenheit.“ —

Aleksey Aleksandrowitsch nickte bestätigend mit dem Kopfe.

„Es handelt sich also um den dritten Punkt, den Ehebruch des einen der beiden Gatten und die Überführung des verbrecherischen Teils unter gegenseitiger Einräumung, oder auch in Ermangelung einer solchen Einräumung – die zwangsweise erreichte Überführung. Der letztere Fall, muß ich bemerken, findet sich in der Praxis allerdings selten,“ sagte der Rechtsanwalt und schwieg dann, verstohlen auf Aleksey Aleksandrowitsch blickend, wie ein Pistolenverkäufer, der die Güte dieser oder jener Waffe beschrieben hat und die Wahl des Käufers nun erwartet.

Aber Aleksey Aleksandrowitsch schwieg und der Anwalt fuhr daher fort, „das gewöhnlichste, einfachste und verständigste ist, meine ich, die Ehebruchsklage unter gegenseitigem Einverständnis. Ich würde mir nicht gestatten, mich einem Ungebildeten gegenüber so auszudrücken,“ sagte der Anwalt, „glaube aber, daß dies für Euch verständlich ist.“

Aleksey Aleksandrowitsch war indessen so zerstreut, daß er nicht sofort den Begriff Ehebruch mit beiderseitigem Einverständnis erfaßt hatte, und dieses Unvermögen in seinem Blicke zeigte; der Anwalt kam ihm daher sogleich zu Hilfe.

„Es können zwei nicht mehr miteinander leben – das ist das Faktum. Und wenn beide darin einverstanden sind, dann werden die Einzelheiten und die Formalitäten die nämlichen. Dies ist das einfachste und sicherste Mittel.“

Aleksey Aleksandrowitsch hatte jetzt vollständig begriffen. Aber er stand unter dem Einflusse religiöser Grundsätze, welche ihn an der Gestattung dieser Maßregel verhinderten.

„Das steht außerhalb der Frage im gegenwärtigen Falle,“ sagte er. „Hier ist nur ein Fall möglich, die zwangsweise Überführung, gestützt auf Briefwechsel, den ich besitze.“

Bei der Erwähnung von Briefen kniff der Advokat die Lippen ein und ließ einen feinen, Kondolenz und Indignation ausdrückenden Ton hören.

„Da müßte ich Euch darauf hinweisen,“ begann er, „daß Angelegenheiten dieser Art, wie Euch bekannt sein wird, von dem geistlichen Ressort entschieden werden. Die Herren Protopopen aber sind in derartigen Sachen große Liebhaber der kleinsten Einzelheiten,“ sagte der Rechtsanwalt mit einem Lächeln, welches seine Übereinstimmung hierin mit dem Geschmack der Protopopen dokumentierte. „Die Briefe können unzweifelhaft die Thatsache teilweise bestätigen, aber die Beweisgründe müssen auf direktem Wege erlangt werden, das heißt durch Augenzeugen. Wenn Ihr mir indessen im allgemeinen die Ehre erweisen wollt, mich mit Eurem Vertrauen zu bedenken, so überlaßt mir die Auswahl derjenigen Maßregeln, die erforderlich sein würden. Wer Resultate wünscht, muß sich auch zur Anwendung von Mitteln verstehen.“

„Wenn es so steht,“ – begann Aleksey Aleksandrowitsch, plötzlich erbleichend; doch im nämlichen Moment erhob sich der Rechtsanwalt und ging abermals zu seinem in der Thür erscheinenden Schreiber.

„Saget der Dame, daß wir nicht in billigen Sachen machen,“ rief er diesem dann zu, und kehrte zu Aleksey Aleksandrowitsch zurück.

Auf seinem Platze wieder angelangt, fing er ganz unmerklich noch eine Motte, „da wird mein Rips gut werden für den Sommer,“ dachte er dabei ärgerlich.

„Ihr wolltet vorhin sagen.“ – wandte er sich an Aleksey Aleksandrowitsch.

„Ich werde Euch meinen Entschluß brieflich mitteilen,“ antwortete dieser, und stand auf, sich am Tische festhaltend. Nachdem er eine Weile schweigend so gestanden hatte, hub er an: „Aus Euren Worten kann ich schließen, daß eine Ehescheidung folglich möglich ist. Ich würde Euch nun bitten, mir auch mitzuteilen, wie Eure Bedingungen hierfür lauten.“

„Möglich ist alles, sobald Ihr mir Vollmacht zu handeln gebt,“ antwortete der Anwalt, ohne auf die Frage zu antworten. „Wann kann ich darauf rechnen, Nachricht von Euch zu empfangen?“ frug er weiter, sich nach der Thür wendend, während seine Augen und seine Lackstiefeln dabei glänzten.

„In acht Tagen. Eure Antwort, ob Ihr die Vermittelung der Angelegenheit auf Euch nehmt und zu welchen Bedingungen, seid Ihr wohl so gütig, mir mitzuteilen?“

„Sehr wohl.“

Der Rechtsanwalt verneigte sich voll Ehrerbietung, ließ seinen Klienten aus der Thür hinaustreten und gab sich dann, allein geblieben, seinen angenehmen Empfindungen hin. Er war so zufrieden mit sich, daß er gegen seine Grundsätze der Kaufmannsfrau einen Nachlaß in den Kosten bewilligte und aufhörte Motten zu fangen, da er sich nunmehr fest entschlossen hatte, im nächsten Winter sein Meublement mit Sammet zu beziehen, wie es bei Sugonin war.

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02 mayıs 2017
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