Kitabı oku: «Auferstehung», sayfa 12

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Neunundzwanzigstes Kapitel.

Die Maslowa kehrte erst um sechs Uhr abends nach Hause in ihre Zelle zurück. Sie war müde und krank an den Füßen, nachdem sie fast fünfzehn Werst auf ungewohntem Steinpflaster zurückgelegt hatte. Zudem war sie hungrig und durch das unerwartet strenge Urteil niedergedrückt.

Als, noch während einer Unterbrechung der Verhandlung, die Gerichtsdiener neben ihr Brot und hartgekochte Eier zu essen begannen, wässerte ihr der Mund und sie fühlte, daß sie hungrig sei, aber die Diener um etwas zu bitten, erschien ihr erniedrigend. Als aber seitdem noch drei Stunden verflossen waren, wollte sie schon nicht mehr essen und empfand nur Schwäche. In solchem Zustande vernahm sie das unerwartete Urteil. Im ersten Augenblick meinte sie, sich verhört zu haben, sie vermochte nicht daran, was sie hörte, sogleich zu glauben, sich selbst mit dem Begriffe einer Zwangsarbeiterin zu identifizieren. Aber als sie die ruhigen, geschäftsmäßigen Gesichter der Richter und Geschworenen sah, die dieses Urteil wie etwas durch aus Selbstverständliches aufnahmen, da empörte sich, ihre Seele, und sie schrie durch den ganzen Saal hin, daß sie unschuldig sei.

Als sie sah, daß auch ihr Schrei als etwas Natürliches, Erwartetes, als etwas, was die Sache nicht zu ändern vermochte, aufgenommen wurde, begann sie laut zu weinen. Sie fühlte, daß sie sich der grausamen und für sie unerwarteten Ungerechtigkeit, die an ihr begangen wurde, fügen müßte.

Besonders setzte sie der Umstand in Erstaunen, daß sie so grausam von Männern verurteilt worden war, von jungen, nicht von alten Männern, von denselben, die sie immer so freundlich anzusehen pflegten. Den einen von ihnen, den Staatsanwaltsadjunkt, hatte sie in einer ganz anderen Verfassung gesehen . . . Als sie in Erwartung der Eröffnung der Verhandlung und dann während der Pausen im Arrestantenzimmer gesessen hatte, hatte sie wohl bemerkt, wie diese Männer unter dem Vorwande, irgend welche Geschäfte zu besorgen an ihrer Thür vorbeigegangen oder ins Zimmer getreten waren, nur, um sie zu betrachten. Und jetzt plötzlich verurteilten sie dieselben Männer, Gott weiß warum, zur Zwangsarbeit, obwohl sie unschuldig war.

Sie weinte, wurde dann aber ruhiger und saß im Zustande völliger Gefühlslosigkeit im Arrestanten zimmer, in der Erwartung, abgeholt zu werden. Sie wollte jetzt nur eines, — rauchen. In diesem Zustande fanden sie Kartinkin und die Botschkowa vor, die nach der Urteilsverkündigung in dasselbe Zimmer abgeführt wurden. Die Botschkowa begann sofort, die Maslowa zu schimpfen und sie eine Zwangsjacke zu nennen.

»Hast Du was ausgefressen? . . . Dich heraus gelogen? . . . ’s ist nicht so leicht . . . Du Luder . . . Hast gekriegt, was Du verdient hast . . . In Sibirien wirst Du der Vornehmthuerei schon satt werden . . .

Die Maslowa saß, die Hände in die Ärmel des Schlafrockes gesteckt, ohne sich zu regen da, starrte zwei Schritte vor sich hin auf die aus getretene Diele und sagte nur:

»Ich rühre Euch nicht an, also laßt mich . . . Ich rühre Euch nicht an . . . «, wiederholte sie einige Mal und schwieg dann ganz. Sie lebte nur dann etwas wieder auf, als Kartinkin und die Botschkowa abgeführt wurden und ein Gerichtsdiener eintrat, der ihr drei Rubel brachte.

»Bist Du die Maslowa?« fragte er. »Da hast Du, eine Dame schickt es Dir«, sagte er, ihr das Geld reichend.

»Welche Dame?«

»Nimm und red’ nicht viel . . . Werd’ mich mit Dir nicht einlassen . . . «

Das Geld hatte die Kitajewa, die Inhaberin des Toleranzhauses, geschickt. Als sie das Gericht verließ, wandte sie sich an den Gerichtskommissar mit der Frage, ob sie der Maslowa etwas Geld übergeben dürfte. Der Gerichtskommissar sagte ja. Nachdem sie die Erlaubnis bekommen hatte, zog sie den schwedischen Handschuh mit drei Knöpfen von der dicken Weißen Hand und holte aus den hinteren Falten des seidenen Rockes eine moderne Geldtasche hervor. Sie suchte aus einem ziemlich großen Päckchen Coupons, die sie eben von ihren wohlerworbenen Wertpapieren abgeschnitten hatte, einen Coupon zu zwei Rubel und fünfzig Kopeken heraus, that dazu noch zwei Zwanzigkopekenstücke und ein Zehnkopekenstück und übergab alles dem Gerichtskommissar. Der Kommissar rief einen Gerichtsdiener herbei und übergab ihm in Gegenwart der Spenderin das Geld.

»Bitte geben Sie es recht ab . . . « sagte Karolina Aljbertowna dem Diener in gebrochenem Russisch.

Der Gerichtsdiener hatte sich durch dieses Mißtrauen beleidigt gefühlt und war darum mit der Maslowa so barsch umgegangen.

Die Maslowa freute sich über das Geld, denn es ermöglichte ihr das, wonach sie jetzt allein Verlangen trug.

»Wenn ich nur Cigaretten bekommen könnte, einige Züge . . . « und alle ihre Gedanken konzentrierten sich auf dem Wunsche zu rauchen. Sie fühlte ein so starkes Verlangen danach, daß sie die Luft gierig einatmete, wenn sie den Geruch des Tabaks spürte, der aus den Thüren der Kabinette in den Korridor drang.

Aber sie mußte noch lange warten, denn der Sekretär, der sie entlassen sollte, hatte sich mit einem Advokaten in einen Streit wegen irgend eines Zeitungsaufsatzes vertieft und die Gefangene vergessen.

Endlich um fünf Uhr wurde sie entlassen, und die Eskortesoldaten, der aus Nishnij-Nowgorod und der Tschuwasche, führten sie durch einen Hinterausgang aus dem Gerichtsgebäude hinaus. Noch im Flur hatte sie ihnen zwanzig Kopeken übergeben, mit der Bitte, ihr zwei Brödchen und Cigaretten zu kaufen. Der Tschuwasche lachte, nahm das Geld und sagte gebrochen: »Gut, werden kaufen.« Und wirklich kaufte er die Cigaretten und Brödchen. Das übrige Geld gab er ehrlich zurück. Unterwegs durfte nicht geraucht werden, sodaß die Maslowa sich dem Gefängnis mit demselben unbefriedigten Bedürfnis zu rauchen näherte.

Um dieselbe Zeit, als sie vor dem Gefängnisthor ankam, trafen dort auch gegen hundert, von der Eisenbahn kommende Arrestanten ein, mit denen sie im Durchgang zusammenstieß.

Die Arrestanten, bärtige und rasierte, alte und junge, Russen und Nichtrussen, manche mit halb rasierten Köpfen, rasselten mit den Fußschellen und erfüllten das Vorhaus mit Staub, Getrampel, Geschrei und mit beißendem Schweißgeruch. Während sie an der Maslowa vorbeigingen, sahen sie sich alle nach ihr um und einige näherten sich und griffen nach ihr.

»Ei Mädel . . . schön . . . « sagte der eine.

»Der Frau Tante meine Empfehlung«, rief ein anderer, schelmisch mit dem Auge zwinkernd.

Ein schwarzer Kerl mit rasiertem blauen Nacken und mit einem Schnurrbart sprang auf sie zu und umarmte sie, wobei er sich in den rasselnden Ketten verwickelte.

»Hast den Liebsten nicht erkannt? Na, zier’ Dich nur nicht . . . « rief er die Zähne fletschend und mit den Augen funkelnd, als sie ihn wegstieß.

»Was machst Du, Spitzbube, hier!« schrie der von hinten herangetretene Gehilfe des Inspektors.

Der Arrestant zuckte zusammen und sprang eilig zurück. Der Gehilfe aber fuhr die Maslowa an:

»Wozu bist Du hier?«

Die Maslowa wollte antworten, daß sie vom Gericht komme, aber sie war so müde, daß sie zu faul war, etwas auszusprechen.

»Aus dem Gericht, Ew. Wohlgeboren!« sagte der ältere Eskortesoldat, indem er vortrat und die Hand an die Mütze legte.

»Na, also liefere sie dem Ober ab. Was ist das für ein Skandal hier . . . «

»Zu Befehl, Ew. Wohlgeboren!«

»Sokolow, in Empfang nehmen!« rief der Gehilfe.

Der Oberaufseher trat heran, stieß geärgert die Maslowa an die Schulter, winkte ihr mit dem Kopfe und führte sie in den Korridor der weiblichen Abteilung.

Im Korridor wurde sie von oben bis unten befühlt und durchsucht, und als man bei ihr nichts gefunden hatte — denn die Cigaretten hatte sie im Brödchen versteckt — in dieselbe Zelle eingelassen, aus der sie am Morgen herausgekommen war.

Dreißigstes Kapitel.

Die Zelle, in welcher die Maslowa saß, war ein zweifenstriges Zimmer von neun Arschin Länge und sieben Arschin Breite, mir einem ab gesprungenen Ofen und Pritschen von ausgetrockneten Brettern, die etwa zwei Drittel des Raumes einnahmen.

In der Mitte, der Thür gegenüber, hing ein dunkles Heiligenbild mit davorgeklebter Wachskerze und einem daruntergehängten bestäubten Immortellensträußchen. Links von der Thür war auf der Diele eine schwarzgewordene Stelle, wo eine stinkende Kufe ihren Platz hatte.

Die Kontrolle war eben beendet und die Frauen waren schon für die Nacht eingeschlossen. Die Zelle wurde von fünfzehn Personen, zwölf Frauen und drei Kindern, bewohnt.

Es war noch ganz hell und nur zwei von den Frauen lagen auf der Pritsche: eine bis über den Kopf mit dem Schlafrock zugedeckte Blödsinnige, die wegen Legitimationslosigkeit verhaftet worden war und die fast immer schlief, und eine andere, Schwindsüchtige, die ihre Strafe wegen Diebstahls abbüßte. Diese schlief nicht. Sie lag, den Schlafrock unter den Kopf geschoben, mit weitgeöffneten Augen da und mühte sich, den kitzelnden, auf und abziehenden Schleim in der Kehle zurückzuhalten, um nicht zu husten.

Von den übrigen Frauen, die alle ohne Kopftücher und in groben Leinenhemden waren, saßen einige auf der Pritsche und nähten, während andere am Fenster standen und auf die über den Hof gehenden Arrestanten hinuntersahen.

Von den drei nähenden Frauen war eine die Korabljowa, dieselbe Alte, die die Maslowa begleitet hatte. Sie war ein starkes, hochgewachsenes Weib von finsterem, mürrischem Aussehen. Ihr Gesicht war mit Falten bedeckt, unterm Kinn hing ein Hautsack, das blonde, an den Schläfen ergraute Haar war in ein Zöpfchen geflochten, und auf der Wange sah man eine behaarte Warze. Sie war zu Zwangsarbeit verurteilt worden, weil sie ihren Mann mit dem Beil erschlagen hatte. Erschlagen hatte sie ihn aber darum, weil er sich an ihre Tochter gemacht hatte. Die Korabljowa versah das Amt der Ältesten der Zelle, sie besorgte auch den geheimen Schnapshandel. Sie trug beim Nähen eine Brille und hielt die Nadel in der großen Arbeitshand nach Bauernart mit drei Fingern und die Spitze gegen sich gekehrt.

Neben der Korabljowa saß eine kleine stumpfnasige schwärzliche Frau mit kleinen schwarzen Augen, gutmütig und geschwätzig, und nähte ebenfalls Säcke aus Segeltuch. Dies war eine Wächterin bei einem Bahnwärterhäuschen, die zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil sie beim Vorüberfahren des Zuges nicht mit der Signalfahne herausgekommen, infolgedessen der Zug verunglückt war.

Die dritte von den nähenden Frauen war Fedoßja oder Fenitschka, wie sie die Genossinnen nannten, eine weiße, rotbackige, noch ganz junge, sehr liebliche Frau mit klaren blauen Kinderaugen und zwei langen blonden Zöpfen, die um den Kopf gewunden waren. Sie befand sich wegen eines Versuches, ihren Mann zu vergiften in Haft. Diesen Vergiftungsversuch hatte sie sogleich nach ihrer Verehelichung gemacht; sie war als sechzehn jähriges Mädchen verheiratet worden. Im Verlaufe der acht Monate, während welcher sie gegen Kaution entlassen das Urteil erwartete, hatte sie sich mit ihrem Manne nicht nur ausgesöhnt, sondern ihn auch so lieb gewonnen, daß sie, als das Urteil vollstreckt wurde, mit ihrem Manne ein Herz und eine Seele war. Obgleich der Mann, der Schwiegervater und besonders die Schwiegermutter, die sie lieb gewonnen, sich aus allen Kräften bemüht hatten, sie vor Gericht zu rechtfertigen, war sie dennoch zur Verschickung nach Sibirien zu Zwangsarbeit verurteilt worden. Diese gute, heitere, häufig lächelnde Fedoßja war eine Nachbarin der Maslowa auf der Pritsche und gewann sie nicht nur lieb, sondern hielt es auch für ihre Pflicht, ihr zu dienen und für sie zu sorgen.

Ohne Arbeit saßen auf der Pritsche noch zwei Frauen. Die eine, etwa vierzig Jahre alt, mit einem blassen, mageren Gesicht, die wahrscheinlich früher einmal sehr schön gewesen, jetzt aber dürr und bleich war, hielt ein Kind im Arm, das sie mit ihrer weißen, langen Brust nährte. Ihr Verbrechen bestand in folgendem: Als aus ihrem Dorf ein nach der Auffassung der Bauern ungesetzlich eingezogener Rekrut weggeführt wurde, hatte das Volk den Landpolizeimeister zurückgehalten und den Rekruten befreit. Dieses Weib aber, die Tante des ungesetzlich einzogenen Burschen, hatte als erste das Pferd, auf dem der Rekrut transportiert wurde, am Zügel gefaßt.

Ferner saß ohne Arbeit auf der Pritsche eine mittelgroße, runzelige, gutmütige Alte mit grauem Haar und buckligem Rücken. Die Alte saß beim Ofen auf der Pritsche und that, als ob sie einen vierjährigen, kurzgeschorenen, dickbäuchigen Buben, der laut lachte, fangen wollte. Das Büblein im bloßen Hemd lief an ihr vorbei und rief immer dasselbe: »Etsch! hast mich nicht gefangen! « Diese Alte, die sammt ihrem Sohne wegen Brandstiftung angeklagt war, ertrug die Gefangenschaft mit der größten Gutmütigkeit, und war nur um ihren Sohn bekümmert, der gleichzeitig mit ihr im Gefängnis saß. Am meisten aber war sie um ihren Alten besorgt, der, wie sie fürchtete, ohne sie ganz und gar verlaufen würde, da ihre Schwiegertochter weggegangen war und es niemand gab, der den Alten waschen könnte.

Außer diesen sieben Frauen standen noch vier an einem der geöffneten Fenster. Sie hielten sich an dem Eisengitter fest und tauschten Zeichen und Zurufe mit den über den Hof gehenden Arrestanten aus, denselben, mit denen die Maslowa am Eingang zusammengestoßen war. Eine dieser Frauen, die wegen Diebstahls saß, war ein großes, schweres, rothaariges Weib mit hängendem Leibe; das Gesicht, die Hände und der aus dem aufgebundenen Kragen hervorsehende Hals waren gelblich-weiß und mit Sommersprossen übersät. Mit heiserer Stimme schrie sie unanständige Worte laut zum Fenster hinaus.

Neben ihr stand eine dunkle, schlechtgebaute Arrestantin mit langem Rücken und ganz kurzen Beinen, dem Wüchse nach nicht größer als ein zehnjähriges Mädchen. Ihr Gesicht war rot und fleckig mit weitauseinanderstehenden Augen und kurzen dicken Lippen, die die weißen vorstehenden Zähne nicht bedeckten. Sie lachte winselnd hie und da über das auf, was auf dem Hofe vorging. Diese Arrestantin, die wegen ihrer Putzsucht von den anderen »Schönchen« genannt wurde, war wegen Diebstahls und Brandstiftung in Untersuchung. Hinter ihnen stand in einem sehr schmutzigen grauen Hemde eine magere, sehnige, kläglich aussehende schwangere Frau mit ungeheuer großem Bauch. Sie befand sich wegen Hehlerei in Haft. Diese Frau schwieg, lächelte aber die ganze Zeit beifällig und glückselig zu dem, was auf dem Hofe vorging.

Die vierte von den am Fenster stehenden Frauen war ein kleines, stämmiges Bauernweib mit stark, vorstehenden Augen und einem gutmütigen Gesicht. Sie saß ihre Strafe wegen unbefugten Schnapsverkaufs ab und war die Mutter des Buben, der mit der Alten spielte, und eines siebenjährigen Mädchens, das mit ihr im Gefängnis saß, weil sie es sonst nirgends unterbringen konnte. Diese Frau sah wie die anderen ebenfalls zum Fenster hinaus, strickte aber dabei unaufhörlich ihren Strumpf weiter und runzelte mißbilligend, mit geschlossenen Augen, die Stirn zu dem, was die über den Hof gehenden Arrestanten hinüberriefen. Ihre Tochter aber, das siebenjährige Mädchen mit dem aufgelösten Flachshaar, stand im bloßen Hemdchen neben der Rothaarigen, hielt sich mit ihrem mageren Händchen an deren Rock fest und horchte mit starrem Blick aufmerksam auf die Schimpfworte, die die Arrestantinnen mit den Arrestanten wechselten; leise, als wollte sie sie auswendig lernen, wiederholte sie die Worte.

Die zwölfte Arrestantin war die Tochter eines Messners, die ihr Kind im Brunnen ertränkt hatte. Sie war ein großes stattliches Mädchen mit vor stehenden Augen und wirrem Haar, das sich aus dem kurzen und dicken blonden Zopf gelöst hatte. Ohne auf das, was um sie her vorging, zu achten, ging sie barfuß, nur mit einem schmutzigen grauen Hemd bekleidet in dem freien Raum der Zelle auf und ab und drehte jedesmal, wenn sie bis zur Wand gekommen war, scharf und rasch um.

Einunddreißigstes Kapitel.

Als das Schloß rasselte und die Maslowa eingelassen wurde, wandten sich alle ihr zu. Sogar die Tochter des Messners blieb einen Augenblick stehen, sah die Eingetretene mit hoch gezogenen Augenbraunen an, sagte aber nichts und begann sogleich wieder mit ihren großen, resoluten Schritten auf und ab zu gehen. Die Korabljowa steckte die Nadel in die rohe Leinwand und starrte die Maslowa fragend durch die Brille an.

»O weh, Du kommst zurück! Und ich hatte immer geglaubt, daß sie Dich freisprechen«, sagte sie mit ihrer heiseren, tiefen, fast männlichen Stimme. »Bist also verdonnert?«

Sie nahm die Brille ab und legte die Arbeit neben sich auf die Pritsche.

»Wir hatten ja wohl, mein Täubchen, mit der Tante hin und her geredet, ob man Dich nicht gleich in Freiheit setzen würde . . . kommt auch vor . . . Und noch Geld geben sie einem, wie’s sich gerade trifft . . . « begann sofort mit ihrer singenden Stimme die Bahnwärterin. »Und statt dessen . . . Da haben wir also doch falsch gedacht . . . Der Herr macht’s, scheint’s, auf seine Art, Täubchen! . . . « führte sie ohne Unterbrechung ihre wohlklingende, schmeichelnde Rede fort.

»Bist wirklich verurteilt?« fragte Fedoßja mit mitleidiger Zärtlichkeit, die Maslowa mit ihren hell blauen Kinderaugen anblickend. Und ihr ganzes heiteres junges Gesicht veränderte sich, als wollte sie weinen.

Die Maslowa antwortete nichts und ging schweigend zu ihrem Platz neben der Korabljowa, dem zweiten vom Rande, und setzte sich dort auf die Bretter der Pritsche.

»Hast wohl gar nichts gegessen?« fragte Fedoßja, indem sie ausstand und zur Maslowa herantrat.

Die Maslowa legte, ohne zu antworten, die Brödchen ans Kopfende und begann sich zu entkleiden. Sie zog den staubigen Schlafrock aus, nahm das Tuch von dem krausen schwarzen Haar und setzte sich dann.

Die Alte, die am anderen Ende der Pritsche mit dem Knaben spielte, trat auch heran und blieb vor der Maslowa stehen.

»Ts, ts, ts!« begann sie, mitleidig den Kopf schüttelnd, mit der Zunge zu schnalzen.

Der Bube kam gleichfalls hinter der Alten heran und starrte mit weitgeöffneten Augen, die Oberlippe in einem Winkel gekräuselt, auf die Brödchen, die die Maslowa gebracht hatte. Als die Maslowa nach alledem, was heute mit ihr geschehen war, alle diese mitleidigen Gesichter erblickte, fing sie beinahe zu weinen an, und ihre Lippen erzitterten. Aber sie wollte sich zusammennehmen, und es gelang ihr auch, bis die Alte und der Bube herantraten. Als sie aber das gutmütige Schnalzen der Alten vernahm und besonders als sie den Augen des Buben begegnete, der seinen ernsten Blick von den Brödchen zu ihr hinüber wandte, konnte sie es nicht mehr aushalten. Ihr ganzes Gesicht er bebte, und sie brach in ein heftiges Schluchzen aus.

»Ich hatte Dir doch gesagt: nimm Dir einen ordentlichen Verteidiger«, sagte die Korabljowa. »Was ist denn, wirst Du verschickt?« fragte sie.

Die Maslowa wollte antworten und konnte nicht, sondern zog schluchzend aus einem Brödchen eine Cigarettenschachtel hervor, auf der eine rotbackige Dame mit sehr hoher Frisur und einer im Dreieck entblößten Brust abgebildet war, und reichte die Schachtel der Korabljowa. Die Korabljowa betrachtete das Bildchen und schüttelte mißbilligend den Kopf, hauptsächlich darüber, daß die Maslowa das Geld so unnötig ausgab. Darauf holte sie eine Cigarette hervor, rauchte sie an der Lampe an, that selber einige Züge und reichte die Cigarette der Maslowa. Die Maslowa begann, immerfort weinend, den Tabaksrauch in gierigen Zügen einzuatmen und dann wieder hinauszublasen.

»Zwangsarbeit!« stieß sie schluchzend hervor.

»Sie fürchten Gott nicht, die Blutsauger, die Verfluchten!« rief die Korabljowa. »Um nichts haben sie das Mädchen verurteilt!«

In diesem Augenblick erscholl aus der Mitte der am Fenster stehengebliebenen Weiber lautes Gelächter. Auch das kleine Mädchen lachte und ihr dünnes Kinderlachen verschmolz mit dem heiseren und winselnden Gelächter der Erwachsenen. Ein Arrestant draußen auf dem Hof hatte etwas gethan, was auf die zum Fenster hinausschauenden einen solchen Eindruck gemacht hatte.

»Ach so ein Kerl! Was er macht . . . « rief die Rothaarige, und mit dem ganzen fetten Leibe wackelnd, das Gesicht an das Gitter gedrückt, schrie sie sinnlos-unanständige Worte hinunter.

»So ein freches Luder! Was sie gackert!« sagte die Korabljowa, über die Rote den Kopf schüttelnd, und wandte sich wieder zu der Maslowa.

»Wieviel Jahre?«

»Vier«, antwortete die Maslowa, und die Thränen entströmten ihren Augen so reichlich, daß eine auf die Cigarette fiel.

Die Maslowa zerknitterte zornig die Cigarette, warf sie weg und nahm sich eine andere.

Die Bahnwärterin hob das Stümpfchen auf, ob gleich sie nicht rauchte, und fing an, dasselbe wieder zurecht zu machen, während sie unaufhörlich weiter sprach.

»’s scheint so zu sein, mein Täubchen, daß die Wahrheit der Eber gefressen hat . . . « sagte sie. »Sie machen, was sie wollen. Und wir hatten geglaubt, daß man Dich freisprechen würde. Matwejewna sagte, daß sie Dich befreien würden, ich aber meinte: nein, sagte ich, Täubchen, mein Herz ahnt es, daß sie sie auffressen werden . . . Und so ist’s auch gekommen . . . « fuhr sie fort zu sprechen, sich an dem Tonfall ihrer Stimme offen bar mit besonderem Behagen weidend.

Die Arrestanten hatten bereits alle den Hof verlassen und die Frauen, die sich mit ihnen unter halten hatten, traten jetzt ebenfalls zur Maslowa heran. Als erste kam die glotzäugige Schnapsverkäuferin mit ihrem kleinen Mädchen.

»Nun, sehr streng?« fragte sie, sich zur Maslowa heransetzend, indem sie fortfuhr, ihren Strumpf zu stricken.

»Streng, weil sie kein Geld hatte. Hätte sie Geld gehabt und einen gewandten Kerl genommen, wäre sie schon freigesprochen worden . . . « sagte die Korabljowa. »Der, wie heißt er doch? Der zottige, großnasige, der, meine Lieben, könnte einen wohl trocken aus dem Wasser ziehen. Wenn man den nehmen könnte . . . «

»Jawohl, nehmen . . . « sagte die Zähne zeigend Schönchen, die sich zu ihnen herangesetzt hatte. »Der spuckt Dir unter tausend Rubel nicht aus . . .

»Ja, das scheint nun schon so Dein Stern zu sein«, mischte sich die Alte, die wegen Brandstiftung saß, ins Gespräch. »Leicht gesagt, dem Jungen hat er die Frau abspenstig gemacht und ihn noch dabei ins Loch gesteckt und mich alte Frau auch noch dazu . . . « begann sie zum hundertsten Mal ihre Geschichte zu erzählen. »Gegen Gefängnis und Bettelsack ist niemand gefeit . . . Entweder das eine, oder das andere . . .

»Das ist bei denen ja immer so!« sagte die Schnapsverkäuferin, wobei sie sich den Kopf des Mädchens näher ansah. Sie legte den Strumpf beiseite und begann den Kopf des Kindes mit flinken Fingern zu durchsuchen.

»Wozu handelst Du mit Schnaps? Und wo mit soll ich denn die Kinder ernähren?« sprach sie, während sie ihre gewohnte Beschäftigung fortsetzte.

Diese Worte der Schnapsverkäuferin erinnerten die Maslowa an Schnaps.

»Ein Schnäpschen . . . « wandte sie sich an die Korabljowa, indem sie sich die Thränen mit dem Hemdärmel wischte und nur noch hie und da aufschluchzte.

»Einen Sorgenbrecher? Warum nicht . . . « sagte die Korabljowa.

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