Kitabı oku: «Herr und Knecht: Novelle», sayfa 2

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II

Der brave Hengst zog unter leisem Knarren der Kufen den Schlitten an und schritt in munterem Gange auf der innerhalb der Ortschaft glattgefahrenen, gefrorenen Straße dahin.

„Wie kannst du dich unterstehen, dich da aufzuhocken? Gib mal die Peitsche her, Nikita!“ rief Wasili Andrejitsch; er freute sich augenscheinlich über seinen Sohn, der sich hinten auf die Kufen gekauert hatte. „Wart, ich will dich! Lauf zu deiner Mutter, du Schlingel!“

Der Knabe sprang ab. Der Braungelbe beschleunigte seinen Paßgang, schüttelte sich und ging in Trab über.

Das Dorf Krestü, zu welchem Wasili Andrejitschs Haus gehörte, bestand nur aus sechs Häusern. Sobald sie an dem letzten Hause, der Schmiede, vorbei waren, merkten sie sofort, daß der Wind weit stärker war, als sie geglaubt hatten. Vom Wege war fast gar nichts mehr zu sehen. Die Spur der Kufen wurde sofort wieder verweht, und man konnte den Weg nur daran unterscheiden, daß er höher war als das übrige Terrain. Über das ganze Feld hin stürmte es, und die Linie, wo Erde und Himmel sich berühren, war schlechterdings nicht zu erkennen. Der Teljatiner Wald, der sonst immer so gut zu sehen war, erschien durch das Schneegestöber hindurch nur undeutlich als etwas Schwarzes. Der Wind blies von links; er trieb hartnäckig die Mähne an dem drallen, wohlgenährten Halse des Braungelben nach der einen Seite, drückte sogar den aufgebundenen Schweif des Tieres seitwärts und preßte den langen Kragen an dem Mantel Nikitas, der auf der Windseite saß, gegen dessen Gesicht und Nase.

„Er kann nicht ordentlich zutraben, wegen des Schneetreibens,“ sagte Wasili Andrejitsch, der auf sein gutes Pferd stolz war. „Ich bin einmal mit ihm nach Paschutino gefahren, da hat er mich in einer halben Stunde hingebracht.“

„Was?“

„Ich sage, ich bin mit ihm in einer halben Stunde nach Paschutino gefahren.“

„Das kann niemand bestreiten: es ist ein gutes Pferd,“ erwiderte Nikita.

Sie schwiegen ein Weilchen. Aber Wasili Andrejitsch hatte Lust, ein bißchen zu reden.

„Na, wie ist es? Du hast doch wohl deiner Frau verboten, dem Böttcher Schnaps zu geben?“ sagte Wasili Andrejitsch; er war so fest davon überzeugt, daß Nikita sich geschmeichelt fühlen müsse, wenn er sich mit einem so bedeutenden, klugen Manne, wie er, unterhalten dürfe, und so zufrieden mit seinem eigenen Späßchen, daß es ihm gar nicht in den Sinn kam, dieses Gespräch könne seinem Knechte vielleicht unangenehm sein.

Nikita hatte wieder nicht verstanden, da der Wind den Ton der Worte seines Herrn weggetragen hatte.

Wasili Andrejitsch wiederholte mit seiner lauten, deutlichen Stimme seinen Scherz über den Böttcher.

„Gott möge es ihnen verzeihen, Wasili Andrejitsch; ich mische mich nicht in diese Sachen. Wenn sie nur meinem Jungen nichts zuleide tut; sonst mag sie machen, was sie will.“

„Da hast du recht,“ antwortete Wasili Andrejitsch. „Na, was meinst du? Willst du dir zum Frühjahr ein Pferd kaufen?“ fragte er, zu einem neuen Gegenstande übergehend.

„Das wird wohl nötig werden,“ antwortete Nikita; er schlug den Kragen seines Mantels zurück und bog sich zu seinem Herrn hin.

Jetzt war das Gespräch für Nikita interessant geworden, und er hatte den Wunsch, alles zu verstehen.

„Der Junge ist nun herangewachsen und muß selbst pflügen; bisher haben wir immer einen Pflüger und ein Pferd gemietet,“ fügte er hinzu.

„Weißt du was? Nehmt meinen Kreuzschwachen; ich werde euch einen billigen Preis machen,“ rief Wasili Andrejitsch. Er fühlte sich in angeregter Stimmung und verfiel infolge dessen auf seine Lieblingsbeschäftigung, der er seine gesamten Geisteskräfte widmete, auf den Handel.

„Sonst könnten Sie mir ja auch fünfzehn Rubel geben, und ich kaufe mir ein Pferd auf dem Pferdemarkt,“ antwortete Nikita, der recht wohl wußte, daß für den Kreuzschwachen, welchen Wasili Andrejitsch an ihn loswerden wollte, sieben Rubel der richtige Preis war, Wasili Andrejitsch aber, wenn er ihm dieses Pferd überließe, es ihm mit fünfundzwanzig Rubeln anrechnen werde und er dann ein halbes Jahr lang von ihm kein Geld werde zu sehen bekommen.

„Es ist ein gutes Pferd. Ich meine es mit dir ebenso gut wie mit mir selbst. Auf mein Gewissen. Brechunow übervorteilt keinen Menschen. Lieber verliere ich selbst mein Hab und Gut, als daß ich es so machen sollte wie andere Leute. Auf Ehre!“ rief er in jenem ihm geläufigen Tone, in welchem er diejenigen, mit denen er als Käufer oder Verkäufer handelte, zu beschwatzen suchte. „Es ist ein tüchtiges Pferd.“

„Gewiß, gewiß,“ sagte Nikita mit einem Seufzer, und in der Überzeugung, daß es keinen Zweck habe weiter zuzuhören, ließ er mit der Hand den Kragen los, der ihm sofort wieder das Ohr und das Gesicht bedeckte.

Etwa eine halbe Stunde lang fuhren sie schweigend. Der Wind blies bei Nikita an der Seite und am Arme da hindurch, wo der Pelz zerrissen war.

Er krümmte sich zusammen und atmete in den Kragen hinein, der ihm den Mund bedeckte, und es kam ihm vor, als ob dieser Hauch ihn erwärme.

„Nun, was meinst du? Wollen wir über Karamüschewo fahren oder direkt?“ fragte Wasili Andrejitsch.

Über Karamüschewo ging die Fahrt auf einer vielbenutzten Landstraße, bei der zu beiden Seiten gute Merkstangen aufgestellt waren; aber es war weiter, direkt war es näher; aber der Weg war wenig befahren, und die Merkstangen waren teils nicht mehr vorhanden, teils in so üblem Zustande, daß sie nicht aus dem Schnee hervorragten.

Nikita überlegte einen Augenblick lang.

„Über Karamüschewo ist es ja weiter, aber der Weg ist besser befahren,“ antwortete er.

„Aber direkt brauchen wir nur darauf zu achten, daß wir, ohne uns zu verirren, durch den Hohlweg kommen, und dann ist guter Weg,“ erwiderte Wasili Andrejitsch, welcher Lust hatte, direkt zu fahren.

„Wie Sie belieben,“ antwortete Nikita und ließ den Kragen wieder los.

Wasili Andrejitsch tat, was er in Aussicht genommen hatte: eine halbe Werst weiter, bei einer Merkstange, einem im Winde hin und her wackelnden Eichenstämmchen, an dem noch hier und da trockene Blätter hafteten, bog er links ab.

Nach dieser Biegung hatten sie den Wind fast gerade entgegen. Das Schneetreiben wurde dichter. Wasili Andrejitsch lenkte das Pferd; er blähte die Backen auf und blies sich den Atem von unten in den Schnurrbart. Nikita war eingedruselt.

So fuhren sie etwa zehn Minuten schweigend. Plötzlich sagte Wasili Andrejitsch etwas.

„Was?“ fragte Nikita und öffnete die Augen.

Wasili Andrejitsch gab keine Antwort, sondern drehte und wendete sich und hielt Umschau, nach hinten und am Pferde vorbei nach vorn. Das Pferd, das von Schweiß an den Weichen und am Halse ganz kraus geworden war, ging Schritt.

„Was ist denn? Was ist denn?“ fragte Nikita von neuem.

„Ja, was ist denn, was ist denn?“ äffte Wasili Andrejitsch ihm ärgerlich nach. „Es sind keine Merkstangen zu sehen! Wir müssen vom Wege abgekommen sein!“

„Dann halten Sie doch; ich will den Weg wieder suchen,“ sagte Nikita. Er sprang behende aus dem Schlitten, zog die Peitsche aus dem Stroh heraus und ging nach links zu, nach der Seite, auf der er gesessen hatte.

Der Schnee lag in diesem Jahre nicht tief, so daß man überall gehen konnte; aber an einzelnen Stellen reichte er doch bis ans Knie und füllte von oben her einen Stiefel Nikitas voll. Nikita ging hin und her und tastete mit den Füßen und mit der Peitsche; aber ein Weg war nirgends.

„Nun, wie steht's?“ fragte Wasili Andrejitsch, als Nikita wieder zum Schlitten herankam.

„Auf dieser Seite ist kein Weg. Ich muß nach der anderen Seite suchen gehen.“

„Da nach vorn zu ist etwas Schwärzliches; geh doch mal dahin und sieh zu,“ sagte Wasili Andrejitsch.

Nikita ging dorthin und näherte sich dem, was schwärzlich aussah: dieses Schwärzliche war Erde, die von entblößten Wintersaatfeldern durch den Wind über den Schnee getrieben war und den Schnee schwarz gefärbt hatte. Nachdem Nikita dann auch noch auf der rechten Seite umhergegangen war, kehrte er zum Schlitten zurück, klopfte sich den Schnee ab, schüttelte ihn auch aus dem Stiefel aus und setzte sich wieder in den Schlitten.

„Wir müssen rechts fahren,“ sagte er in entschiedenem Tone. „Vorher bekam ich den Wind in die linke Seite und jetzt gerade ins Gesicht. Fahren Sie nach rechts,“ sagte er mit aller Bestimmtheit.

Wasili Andrejitsch befolgte seine Weisung und hielt nach rechts. Aber auf einen Weg kamen sie dennoch nicht. So fuhren sie eine Zeitlang. Der Wind hatte nicht nachgelassen, und es schneite immer noch.

„Wir sind offenbar ganz und gar vom Wege abgekommen, Wasili Andrejitsch,“ sagte Nikita auf einmal, wie es schien, mit einer Art von Vergnügen. „Was ist das da?“ fuhr er fort und zeigte auf schwarzes Kartoffelkraut, das aus dem Schnee hervorragte.

Wasili Andrejitsch hielt das Pferd an, das schon ganz in Schweiß geraten war und mit den Flanken heftig atmete.

„Was willst du damit?“ fragte er.

„Ich will sagen, daß wir auf dem Felde von Sacharowka sind. Nun seh mal einer, wohin wir geraten sind!“

„Quatsch!“ erwiderte Wasili Andrejitsch, der jetzt in durchaus ungekünstelter, bäuerlicher Sprache redete, ganz anders als zu Hause.

„Das ist kein Quatsch, Wasili Andrejitsch, sondern was ich sage, ist richtig,“ antwortete Nikita. „Auch am Schlitten ist es zu hören, daß wir über ein Kartoffelfeld fahren; und da sind auch Haufen, da haben sie das Kartoffelkraut zusammengeworfen. Das ist das Feld, das zur Brennerei von Sacharowka gehört.“

„Ei ei, wohin haben wir uns verirrt!“ sagte Wasili Andrejitsch. „Was sollen wir nun machen?“

„Wir müssen geradeaus fahren, weiter nichts; irgendwohin werden wir schon kommen,“ erwiderte Nikita. „Kommen wir nicht nach Sacharowka, dann kommen wir nach der herrschaftlichen Meierei.“

Wasili Andrejitsch gehorchte und ließ das Pferd gehen, wie es Nikita geheißen hatte. So fuhren sie ziemlich lange. Manchmal fuhren sie über entblößte Wintersaat, wo die beschneiten Raine und die Schneewehen obenauf mit Erdstaub bedeckt waren. Dann wieder kamen sie auf Stoppelfeld, bald von Wintergetreide, bald von Sommergetreide, wo Beifußstauden und Strohhalme aus dem Schnee hervorragten und im Winde schwankten. Dann wieder kamen sie in tiefen, überall gleichmäßig weißen, eben daliegenden Schnee, aus dessen Oberfläche nichts mehr hervorschaute. Schnee rieselte von oben herab, und Schnee stiebte von unten auf. Manchmal glaubten sie bergauf, manchmal bergab zu fahren; bisweilen hatten sie die Vorstellung, als ständen sie still auf einem Fleck und das Schneefeld liefe neben ihnen vorbei. Beide schwiegen sie. Das Pferd war offenbar sehr ermattet, infolge des Schweißes am ganzen Leibe rauh geworden und von Reif bedeckt; es ging im Schritt. Plötzlich sank es ein und blieb in einer Vertiefung stecken, mochte dies nun eine vom Wasser ausgespülte Stelle oder ein Graben sein. Wasili Andrejitsch wollte anhalten, aber Nikita schrie ihm zu:

„Wozu sollen wir halten? Sind wir hineingefahren, so müssen wir auch wieder hinausfahren. Hü, mein lieber Freund, hü, hü, du lieber Kerl!“ rief er in heiterem Tone dem Pferde zu; er sprang aus dem Schlitten und sank selbst tief in die Höhlung hinein.

Das Pferd zog kräftig an und arbeitete sich sofort auf einen gefrorenen Damm hinauf. Augenscheinlich war es also ein von Menschenhand hergestellter Graben.

„Wo sind wir denn?“ fragte Wasili Andrejitsch.

„Das werden wir schon erfahren!“ antwortete Nikita. „Fahren Sie nur einfach zu. Irgendwohin werden wir schon kommen.“

„Das wird da wohl der Wald von Gorjatschkino sein?“ sagte Wasili Andrejitsch und zeigte auf etwas Schwarzes, das vor ihnen durch den Schnee hindurch sichtbar wurde.

„Wenn wir herankommen, werden wir sehen, ob das ein Wald ist und was für einer,“ antwortete Nikita.

Nikita hatte bemerkt, daß aus der Gegend, wo sich dieser schwarze Gegenstand befand, trockene, längliche Weidenblätter vom Winde herübergetrieben wurden, und wußte daher, daß da kein Wald war, sondern menschliche Wohnungen; aber er wollte es nicht sagen. Und wirklich waren sie nach dem Graben noch nicht dreißig Schritt weitergefahren, als sie zweifellos dunkle Bäume vor sich hatten, und ein neues, melancholisches Geräusch vernahmen. Nikita hatte richtig vermutet: es war kein Wald, sondern eine Reihe hoher Weidenbäume, an denen noch hier und da Blätter im Winde raschelten. Die Weidenbäume waren augenscheinlich an dem Graben, der eine Tenne umgab, gepflanzt.

Als sie sich den Bäumen näherten, die im Winde so schwermütige Töne von sich gaben, hob sich das Pferd auf einmal mit den Vorderfüßen über die Höhe des Schlittens hinaus, arbeitete sich dann auch mit den Hinterfüßen hinauf und ging nun nicht mehr bis an die Knie im Schnee. Das war ein Fahrweg.

„Da sind wir nun glücklich angekommen,“ sagte Nikita. „Ich weiß bloß nicht, wo wir sind.“

Das Pferd schritt auf dem verschneiten Fahrwege, ohne von ihm abzukommen, dahin, und sie waren auf ihm noch nicht hundert Schritte weit gefahren, als sie wie eine dunkle Masse das Flechtwerk einer Getreidedarre vor sich hatten, von der unaufhörlich Schnee herunterrieselte. Als sie an der Darre vorbei waren, machte der Weg eine Biegung, so daß sie nun den Wind hinter sich hatten, und sie fuhren in eine Schneewehe hinein. Aber darüber hinaus sahen sie vor sich eine Gasse zwischen zwei Häusern, so daß offenbar die Schneewehe auf dem Fahrwege zusammengeweht war und sie hindurchfahren mußten. Und wirklich kamen sie, sobald sie durch die Schneewehe hindurch waren, in die Dorfstraße. Auf dem ersten Gehöfte flatterte steifgefrorene Wäsche, die an einer Leine aufgehängt war, wild im Winde: zwei Hemden, ein rotes und ein weißes, ein Paar Unterhosen, Fußlappen und ein Unterrock. Das weiße Hemd bewegte sich besonders wild und schlug, an den Ärmeln festgesteckt, heftig umher.

„Na, das muß ein faules Weib sein, wenn sie nicht etwa im Sterben liegt; hat die Wäsche zum Fest nicht abgenommen!“ sagte Nikita beim Anblicke der flatternden Wäschestücke.

III

Am Anfang der Dorfstraße war es noch windig, und der Weg war verschneit; aber in der Mitte des Dorfes wurde es still, warm und angenehm. Auf einem Gehöfte bellte ein Hund; bei einem andern kam eine Frau, die sich den Rock über den Kopf geschlagen hatte, von irgendwo hergelaufen und blieb, als sie in die Haustür trat, auf der Schwelle stehen, um nach den Vorbeifahrenden hinzusehen. Aus der Mitte des Dorfes hörte man Mädchen Lieder singen. Wind und Schnee und Kälte, alles schien in dem Dorfe gelinder zu sein.

„Das ist ja Grischkino,“ sagte Wasili Andrejitsch.

„Ja, das stimmt,“ antwortete Nikita.

Und es war auch wirklich Grischkino. Es stellte sich also heraus, daß sie zu weit nach links geraten und ungefähr acht Werst in falscher Richtung gefahren, dabei aber doch ihrem Bestimmungsorte näher gekommen waren. Von Grischkino nach Gorjatschkino waren noch etwa fünf Werst.

In der Mitte des Dorfes stießen sie auf einen hochgewachsenen Mann, der mitten auf der Straße ging.

„Wer kommt denn da angefahren?“ schrie der Mann, hielt das Pferd an, faßte, sobald er Wasili Andrejitsch erkannte, sofort nach der Gabeldeichsel, griff an ihr mit den Händen weiter, gelangte so zum Schlitten und setzte sich auf den Rand desselben.

Es war dies ein Bauer, namens Isai, welchen Wasili Andrejitsch kannte; in der ganzen Umgegend war er als der größte Pferdedieb berüchtigt.

„Ah, Wasili Andrejitsch! Wohin geht denn die Reise?“ fragte Isai und hüllte beim Reden Nikita in eine Wolke von Branntweinduft ein.

„Wir wollen nach Gorjatschkino.“

„Wie kommt ihr denn dann hierher? Da hättet ihr doch über Malachowo fahren sollen.“

„Das hätten wir freilich sollen, aber wir haben den Weg verfehlt,“ antwortete Wasili Andrejitsch und hielt das Pferd an.

„Ein hübsches Pferdchen,“ bemerkte Isai, das Pferd musternd, und zog ihm an dem aufgebundenen Schwanze den locker gewordenen Knoten mit wohlgeübtem Griffe bis ganz an die Rübe hinauf.

„Da wollt ihr wohl hier über Nacht bleiben, wie?“

„Nein, lieber Freund, wir müssen notwendig weiterfahren.“

„Ihr müßt es wohl sehr eilig haben. Und wer ist denn das hier? Ah! Nikita Stepanütsch!“

„Wer soll es denn auch sonst sein?“ erwiderte Nikita. „Aber was haben wir zu tun, lieber Mann, damit wir uns nicht noch einmal verirren?“

„Wie könnt ihr euch hier verirren! Wendet um und fahrt geradeaus auf der Dorfstraße zurück, und dann, wenn ihr hinauskommt, immer geradeaus. Nicht links. So kommt ihr an die große Landstraße; und von der müßt ihr dann links abbiegen.“

„Und wo ist die Stelle, wo man von der großen Landstraße abbiegen muß? Ist es ein unbezeichneter Sommerweg oder ein bezeichneter Winterweg?“ fragte Nikita.

„Winterweg, Winterweg. Gleich wenn ihr hinkommt, sind da Sträuche, und gegenüber von den Sträuchen steht noch eine große, eichene Merkstange mit Laub daran; da ist es.“

Wasili Andrejitsch wendete um und fuhr wieder durch die Ortschaft zurück.

„Sonst bleibt doch lieber hier über Nacht!“ rief ihnen Isai nach.

Aber Wasili Andrejitsch gab ihm keine Antwort, sondern trieb das Pferd an: fünf Werst ebenen Weges und davon zwei durch Wald, die hoffte er mit Leichtigkeit zurücklegen zu können, um so mehr da, wie es schien, der Wind sich gelegt und das Schneetreiben nachgelassen hatte.

Sie fuhren wieder auf der glatt gefahrenen Straße zurück, auf welcher hier und da frischer Mist dunkle Flecke bildete, kamen bei dem Gehöft mit der Wäsche vorbei, wo inzwischen das weiße Hemd sich zum Teil losgerissen hatte und nur noch an dem einen steif gefrorenen Ärmel hing, fuhren wieder hinaus zu den unheimlich raschelnden Weidenbäumen und gelangten wieder auf das freie Feld. Das Schneetreiben hatte nicht nachgelassen, sondern war im Gegenteil noch heftiger geworden. Der ganze Weg war verschneit, und nur an den Merkstangen konnte man erkennen, daß man nicht von ihm abgekommen war. Aber auch die Merkstangen auf der vor ihm liegenden Wegstrecke zu unterscheiden war für Wasili Andrejitsch sehr schwierig, weil sie gegen den Wind fuhren.

Wasili Andrejitsch kniff die Augen zusammen, beugte den Kopf nach vorn und hielt Ausschau nach den Stangen; großenteils aber ließ er das Pferd gewähren, da er zu dessen Klugheit viel Vertrauen hatte. Und wirklich kam das Pferd nicht vom Wege ab, sondern ging, bald nach rechts bald nach links biegend, unbeirrt weiter, immer den Krümmungen des Weges folgend, den es unter den Füßen fühlte. Auf diese Art sahen sie fortwährend die Merkstangen, bald zur Rechten bald zur Linken, obgleich der Schneefall und der Wind stärker geworden waren.

So waren sie etwa zehn Minuten gefahren, als sich plötzlich gerade vor dem Pferde etwas Schwarzes zeigte, das sich in dem schrägen Netzwerk des vom Winde getriebenen Schnees bewegte. Das waren Leute, die nach derselben Richtung fuhren. Der Braungelbe hatte sie bald eingeholt und schlug mit den Füßen gegen die Rücklehne des vor ihnen fahrenden Schlittens.

„Fahrt doch vorbei! … he! … fahrt doch vor!“ wurde ihnen aus dem Schlitten in herausforderndem Tone zugerufen.

Wasili Andrejitsch begann vorbeizufahren. In dem Schlitten saßen drei Bauern und ein Weib. Offenbar waren sie auf der Heimfahrt von einem Festbesuche. Einer der Bauern schlug mit einer Gerte das kleine Pferdchen fortwährend auf das Hinterteil. Die beiden andern, die gleichfalls vorn im Schlitten saßen, gestikulierten erregt mit den Armen und schrien etwas. Die Frau, ganz vermummt und mit Schnee bedeckt, saß still im Hinterteil des Schlittens, wie ein Vogel, der seine Federn sträubt.

„Wo seid ihr her?“ schrie Wasili Andrejitsch.

„Aus A…a...a…!“ war nur zu hören.

„Wo ihr her seid, frage ich.“

„Aus A…a...a…!“ schrie einer der Bauern aus Leibeskräften; aber trotzdem war es unmöglich, den Namen des Dorfes zu verstehen.

„Hau zu! Laß sie nicht vor!“

„Die sind gewiß zum Feste auf Besuch gewesen,“ sagte Nikita zu Wasili Andrejitsch.

„Vorwärts, vorwärts! Hau zu, Semjon! Fahr ihnen vor! Hau zu!“

Die Schlitten stießen mit den Flügeln aneinander, verfingen sich beinahe, kamen aber doch wieder los, und der Bauerschlitten begann zurückzubleiben.

Das zottige, dickbauchige Pferdchen, das ganz mit Schnee bedeckt war und unter dem niedrigen Krummholz schwer keuchte, schleppte sich augenscheinlich unter Aufbietung seiner letzten Kräfte mit den kurzen Beinen, die es ganz unter den Leib zog, durch den tiefen Schnee. Der Kopf des offenbar noch jungen Tieres, mit hinaufgezogener Unterlippe wie bei einem Fische, mit weit geöffneten Nüstern und angstvoll zurückgelegten Ohren, hielt sich einige Sekunden lang neben Nikitas Schulter und begann dann zurückzubleiben.

„Was doch der Branntwein tut,“ sagte Nikita. „Ganz zuschanden gequält haben sie das Pferdchen. Die reinen Barbaren!“

Einige Minuten lang war noch das Schnaufen des gequälten Pferdes und das Geschrei der betrunkenen Bauern zu hören; dann wurde das Schnaufen still, und darauf verstummte auch das Geschrei. Und nun hörten sie wieder ringsum nichts weiter als den an ihren Ohren vorbeipfeifenden Wind und ab und zu das leise Knarren der Kufen an kahlgewehten Stellen des Weges.

Diese Begegnung hatte auf Wasili Andrejitsch ermunternd und ermutigend gewirkt, und er trieb das Pferd, auf das er sich verließ, dreister an, ohne mehr besonders auf die Merkstangen achtzugeben.

Nikita hatte nichts zu tun und versank wieder in Halbschlummer. Auf einmal blieb das Pferd stehen; Nikita hackte mit der Nase nach vorn und wäre beinahe hinausgefallen.

„Wir fahren ja schon wieder falsch,“ sagte Wasili Andrejitsch.

„Was?“

„Es sind keine Merkstangen zu sehen. Wir müssen wieder vom Wege abgekommen sein.“

„Wenn wir vom Wege abgekommen sind, müssen wir ihn wiedersuchen,“ antwortete Nikita kurz, stand auf und begann wieder, mit seinen einwärts gedrehten Füßen behend ausschreitend, durch den Schnee zu wandern. Lange ging er so hin und her, indem er bald aus dem Gesichtskreise verschwand, bald wieder auftauchte und wieder verschwand; endlich kehrte er zurück.

„Da ist kein Weg; vielleicht weiter nach vorn,“ sagte er und setzte sich auf den Schlitten.

Es fing schon an merklich dunkel zu werden. Das Schneetreiben hatte nicht zugenommen, aber sich auch nicht verringert.

„Wenn wir doch wenigstens die Bauern hörten, die wir vorhin trafen,“ sagte Wasili Andrejitsch.

„Die haben uns nicht eingeholt; also müssen wir weit vom Wege abgekommen sein. Aber vielleicht haben die sich auch selbst verirrt,“ bemerkte Nikita.

„Wohin sollen wir denn nun fahren?“ fragte Wasili Andrejitsch.

„Wir müssen dem Pferde seinen eigenen Willen lassen,“ antwortete Nikita. „Es wird uns schon irgendwohin bringen. Geben Sie mir die Leine.“

Wasili Andrejitsch überließ ihm die Leine um so lieber, als ihm die Hände trotz der warmen Handschuhe zu frieren begannen.

Nikita nahm die Leine; er hielt sie nur, vermied es aber, sie zu bewegen, und freute sich über die Klugheit seines Lieblings. In der Tat machte das kluge Pferd, das bald das eine bald das andre Ohr bald nach der einen bald nach der anderen Seite hin drehte, allmählich mit dem Schlitten eine Wendung.

„Nur nicht reden!“ murmelte Nikita ab und zu. „Sehen Sie nur, was er tut. Geh nur, geh nur; wirst es schon finden. So ist's richtig, so ist's richtig.“

Sie bekamen jetzt den Wind in den Rücken; es wurde wärmer.

„Und klug ist er,“ fuhr Nikita fort sich über das Pferd zu freuen. „Unser junger ‚Kirgise‘ ist ja stark, aber nur dumm. Aber dieser, sehen Sie bloß, was er mit den Ohren anstellt. Der braucht keinen Telegraphen; eine Werst weit spürt er alles.“

Und es war noch keine halbe Stunde vergangen, als vor ihnen wirklich eine dunkle Masse, ein Wald oder ein Dorf, auftauchte und rechter Hand wieder Merkstangen sichtbar wurden. Offenbar waren sie wieder auf einen Weg gekommen.

„Aber das ist ja wieder Grischkino,“ rief auf einmal Nikita.

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23 mart 2017
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