Kitabı oku: «Befreite Schöpfung», sayfa 5

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Ein weiterer Beleg für die Unmöglichkeit eines stetigen uneingeschränkten Wirtschafswachstums wird von einer ausgefeilten Computersimulation geliefert, wie sie die Autoren des Buches „Die Grenzen des Wachstums“ (Meadows et. al. 2006) benutzt haben. Wenn wir den derzeitigen Wachstumspfad in herkömmlicher Weise fortsetzen, ohne dabei größere politische Veränderungen vorzunehmen, werden unser materieller Lebensstandard und der menschliche Wohlstand kurz nach der ersten Dekade unseres Jahrhunderts dramatisch abnehmen – spätestens um 2025.

Je nach den unterschiedlichen Strategien und Szenarien, deren man sich bedient, kann der schnelle Niedergang des menschlichen Wohlstands hinausgezögert werden. Doch es ist verblüffend, dass selbst eine Verdoppelung der verfügbaren nichterneuerbaren Ressourcen einen relativ geringen Effekt hat. Nimmt man verbesserte Technologien in Verbindung mit einer größeren Verfügbarkeit von Ressourcen hinzu, dann verspricht dieses Szenario mehr Aussichten, den Kollaps zu vermeiden, obwohl sogar in diesem Fall die Lebenserwartung um die Mitte des Jahrhunderts zurückgeht. Doch dieses Szenario geht von den allerkühnsten optimistischen Annahmen aus: eine Verdoppelung der bekannten Ressourcen, eine effektive Kontrolle der Verschmutzung, deutlich höhere Ernteerträge, Schutz vor Bodenerosion und eine deutlich verbesserte Ressourcenproduktivität. Längerfristig (nach 2100) jedoch wird der Lebensstandard letztlich nicht mehr nachhaltig sein, da die Kosten steigen.

Man sollte auch anmerken, dass die Abänderung auch nur einer dieser optimistischen Annahmen ausreichen würde, um einen dramatischen Niedergang des menschlichen Wohlstands zu bewirken. (So zum Beispiel wenn man die Annahme revidiert, dass eine deutlich höhere Ressourceneffizienz durch eine verbesserte Technik erreicht werden kann: In diesem Fall würde die Projektion im Ergebnis einen Kollaps rund um das Jahr 2075 zeigen). Es kann auch sehr wohl der Fall sein, dass dieses Modell die Auswirkungen des Klimawandels unterschätzt, den wir bereits in Gang gesetzt haben. Schließlich bemerkt Meadows:

„Solange es exponentielles Wachstum der Bevölkerung und Industrie gibt, solange diese beiden verankerten Wachstumsprozesse durchstarten und immer mehr Bedürfnisse erzeugen, macht es nicht viel Unterschied, von welchen Annahmen man im Hinblick auf die Technologie, auf die Ressourcen und auf die Produktivität ausgeht. Irgendwann ist die Grenze erreicht, man schießt über das Ziel hinaus und kollabiert […] Selbst wenn man von kühnen Annahmen in Bezug auf die Technologie oder die Ressourcen ausgeht, dann verzögert das den Zusammenbruch vielleicht um ein Jahrzehnt. Es wird immer schwerer, sich eine Reihe solcher Annahmen vorzustellen, die in diesem Modell zu nachhaltigen Ergebnissen führen.“ (zitiert bei Gardner 2006, 38)

Wenn andererseits das Bevölkerungswachstum stabilisiert und der Pro-Kopf-Verbrauch deutlich gesenkt werden kann (während man gleichzeitig die Verschmutzung effektiver kontrolliert und den Boden schützt), kann der wirtschaftliche und ökologische Zusammenbruch immer noch vermieden werden. Im Gegensatz zum vorhergehenden Szenario kommt dies ohne die – wahrscheinlich unrealistische – Annahme einer Verdoppelung der verfügbaren nichterneuerbaren Ressourcen aus.

Doch die Zeit ist ein kritischer Faktor. Die Projektionen, die Meadows und andere durchgeführt haben, zeigen, dass das Ergebnis weniger Verschmutzung, mehr nichterneuerbare Ressourcen für alle und ein leicht höherer allgemeiner Wohlstandsindex gewesen wäre, wenn die wesentlichen Veränderungen, die in diesem Szenario vorausgesetzt werden, vor zwanzig Jahren tatsächlich stattgefunden hätten. Umgekehrt: Je länger wir damit warten, das Wachstum zu stoppen, umso katastrophaler werden die Folgen sein und umso schwieriger der Übergang zur Nachhaltigkeit. Die Autoren bemerken:

„Wachstumsvorgänge, besonders exponentielles Wachstum, sind deshalb so tückisch, weil sie die für wirksame Aktionen verfügbare Zeit immer mehr verkürzen. Die Belastung eines Systems wächst immer rascher an, bis schließlich die Fähigkeit zum Handeln nicht mehr ausreicht. Bei einer langsameren Entwicklung wäre sie aber mit dem jeweiligen Problem noch fertig geworden […] Wenn die Bevölkerung und die Wirtschaft die materiellen Grenzen der Umwelt überzogen haben, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: entweder der Zusammenbruch infolge nicht mehr beherrschbarer Mangellagen und Krisen oder bewusste, freiwillige Reduzierung der Durchsatzmengen als soziale Gemeinschaftsaufgabe.“ (Meadows et.al. 1992, 218; 228–229)

Und in jüngerer Zeit:

„Wenn wir die Verringerung der Durchsatzmengen und den Übergang zur Nachhaltigkeit aufschieben, bedeutet dies bestenfalls, dass wir die Optionen zukünftiger Generationen einschränken – und schlimmstenfalls, dass wir den Zusammenbruch beschleunigen.“ (Meadows et.al. 2006, 263)

Die Attraktivität des Wachstums

Obwohl wir bereits jede vernünftige Grenze einer nachhaltigen Wirtschaft überschritten haben, scheinen wir immer noch weit davon entfernt zu sein, uns freiwillig zu einer Reduktion des Konsums oder des „ökonomischen Durchsatzes“ zu entschließen. Tatsächlich bestehen die meisten Wirtschaftswissenschaftler und Politiker nach wie vor darauf, dass Wachstum ein wesentliches Merkmal einer gesunden Wirtschaft sei. Warum ist Wachstum nach wie vor so attraktiv?

Die Befürworter führen ins Feld, dass weiteres Wachstum zur Bekämpfung der Armut nötig sei. Es ist ganz offensichtlich, dass viele Menschen – wahrscheinlich der größere Teil der Menschheit – nicht über genügend Ressourcen verfügen, um ein Leben in Würde zu führen. Wachstum wird als ein „leicht gangbarer“ Weg betrachtet, diesem Problem zu begegnen. Wir müssen auf diese Weise den Kuchen nicht anders verteilen, sondern ihn bloß größer machen.

Doch die Tatsache, dass es sehr konkrete Grenzen des Wachstums gibt, bedeutet, dass dieser Weg schlicht nicht möglich ist. Geht man davon aus, dass die Weltbevölkerung im Lauf dieses Jahrhunderts auf neun Milliarden Menschen ansteigen wird, dann müsste die Wirtschaft mindestens um das Zwanzigfache wachsen, um für alle Menschen jenes Konsumniveau zu gewährleisten, das derzeit die reichsten 20 % genießen. Die UN haben die Schätzung vorgelegt, dass die Wirtschaft, wenn wir uns bei der Armutsbekämpfung allein auf das Wirtschaftswachstum verlassen, um das Fünf- bis Zehnfache wachsen müsste, nur um für die heute Armen einen vernünftigen Lebensstandard zu gewährleisten. (McKibben 1998, 72) Da die Wirtschaft bereits heute jedes nachhaltige Niveau überschritten hat, würde der ökologische und ökonomische Zusammenbruch lange vor Erreichen dieser Ziele eintreten. Warum also reden Politiker und Wirtschaftsfachleute dem Wachstum als Mittel zur Armutsbekämpfung immer noch beharrlich das Wort? Das Worldwatch Institute hat dazu folgende Beobachtung gemacht:

„Die Sichtweise, dass das Wachstum einen immer größer werdenden Kuchen an Reichtümern herbeizaubert, ist ein einflussreiches und geeignetes politisches Instrument, denn sie macht es möglich, die unbequemen Themen der Ungleichheit der Einkommen und einer Schräglage in der Verteilung des Wohlstandes zu vermeiden. Die Menschen gehen davon aus: Solange es Wachstum gibt, kann sich das Leben der Armen verbessern, ohne dass die Reichen Einbußen an ihrem Lebensstil hinnehmen müssen. Die Wahrheit jedoch sieht anders aus: Eine ökologisch nachhaltige Weltwirtschaft zu erreichen ist nicht möglich, ohne dass diejenigen, die Glück (sic!) hatten, ihren Konsum begrenzen, um den Armen die Möglichkeit einzuräumen, den Ihrigen zu steigern.“ (Brown et. al. 1991, 119–120)

Jedenfalls hat ein Jahrhundert eines unvorhergesehenen „Wachstums“ zu keiner wirklichen Abnahme der Armut geführt, und es sieh auch nicht so aus, als könnte dies in Zukunft der Fall sein. Selbst wenn sich die wirtschaftlichen Wachstumsraten der armen Länder verdoppeln würden, würden nur sieben von ihnen im nächsten Jahrhundert zu den reichen Ländern aufschließen, und nur neun weitere im nächsten Jahrtausend. (Hawken 1993)

Der Entwicklungsexperte David Korten betont sogar, dass gerade eine Politik der Wachstumsförderung die Armut verschlimmern kann, da sie „Einkommen und Vermögen an diejenigen, die Eigentum besitzen, zulasten derjenigen, die ihr Leben durch ihrer Hände Arbeit fristen, umverteilt“ (1995, 42). Ein Umstieg auf landwirtschaftliche Exportprodukte zum Beispiel mag das Wachstum steigern, doch er fördert auch das große Agrobusiness zulasten der Kleinbauern, die Lebensmittel erzeugen. Mehr Abholzung steigert das Wirtschafswachstum, doch es führt auch zur Vernichtung traditioneller Lebensweisen, deren Grundlage die Ressourcen des Waldes sind, und gleichzeitig bewirkt es auch eine zunehmende Bodenerosion und verminderten Regen.

Vieles, was als Wachstum zählt, ist einfach ein Wechsel von einer nicht-monetären zu einer monetären Wirtschaft. Häufig wird das dadurch erreicht, dass man die Armen ihrer traditionellen wirtschaftlichen Grundlage beraubt und sie dazu zwingt, innerhalb einer monetären Wirtschaft zu abhängigen Arbeitern zu werden. Korten zieht daraus den Schluss:

„Das fortgesetzte Streben nach Wirtschaftswachstum als dem Organisationsprinzip der Politik beschleunigt den Zusammenbruch der Regenerationsfähigkeiten der Ökosysteme und des sozialen Netzes, das menschliche Gemeinschaft erhält. Gleichzeitig intensiviert es den Wettlauf zwischen Arm und Reich um Ressourcen – ein Wettlauf, den die Armen zwangsläufig immer verlieren.“ (1995, 11)

Der einzige Weg, den Problemen von Armut und Ungleichheit wirksam zu begegnen, ist es deshalb, dass diejenigen, die das Meiste haben, ihren Konsum drastisch reduzieren, damit die begrenzten Reichtümer der Welt gerechter unter allen verteilt werden. Natürlich mag einiges dieser Reduktion durch eine effizientere Nutzung vorhandener Ressourcen erreicht werden, etwa durch den Umstieg auf nachhaltige Energieformen oder die Umschichtung von Ressourcen aus den Militärausgaben. Doch eine gleichzeitige Reduktion des Konsums insgesamt und eine Zunahme der Ressourcen für die Armen erfordern immer noch eine Änderung des Lebensstils der Reichen (und mächtigsten) 20 % der Menschheit.

Die Herausforderung, den Konsum im Norden zu reduzieren und Wohlstand an den Süden umzuverteilen, mag auf den ersten Blick überwältigend erscheinen, doch dies käme letztlich allen zugute. Einige Vorteile daraus wären ökologischer Natur. Das Worldwatch Institute hebt hervor, dass die sich weitende Kluft zwischen Reich und Arm ein wesentlicher Faktor ökologischer Zerstörung ist. Einerseits richten diejenigen, die auf der Einkommensskala ganz oben sind, aufgrund ihres hohen Konsumniveaus und der Erzeugung riesiger Mengen von Abfall und Verschmutzung den größten ökologischen Schaden an. Andererseits tragen auch diejenigen, die in extremer Armut leben, zur Schädigung der Ökosysteme bei, während sie immer weiter an den Rand gedrängt werden. Aufgrund dieser Situation können sie gezwungen sein, mageres Land zu überweiden, Wälder zu schädigen, weil sie Brennholz brauchen, und Feldfrüchte an Abhängen anzupflanzen, die anfällig für Bodenerosion sind. Im Gegensatz dazu beeinträchtigt der Teil der Menschheit mit einem bescheidenen, aber ausreichenden Auskommen tendenziell die umfassendere planetarische Gemeinschaft am wenigsten. Ein größeres Maß an Gleichheit würde also viele der Schäden beseitigen, die aus den Extremen von Wohlstand und Armut resultieren. (Brown et. al. 1994)

Darüber hinaus würde eine Neuverteilung des Wohlstands der Welt Milliarden Menschen aus der Verzweiflung und dem Elend bedrückender Armut befreien, es ihnen ermöglichen, ihr menschliches Potenzial stärker zu entfalten, und auf sinnvolle Weise zu einer nachhaltigen Zukunft beizutragen. Die Vorteile einer solchen Umverteilung für den Norden sind nicht so unmittelbar erkennbar, doch man kann sicher die Meinung vertreten, dass eine Abkehr von der Konsumkultur der überentwickelten Welt letztlich zu einer Erneuerung des Gemeinschaftslebens verhelfen würde, da die Leute von einem von Stress und Konkurrenz geprägten Lebensstil befreit würden. Eine bessere Verteilung von Einkommen und Wohlstand könnte eine bessere Gesundheit aller bewirken. So schreibt Korten:

„Sauberes Wasser und geeignete Sanitäranlagen sind vielleicht die wichtigsten Faktoren für Gesundheit und langes Leben. Die Erfahrung an Orten wie zum Beispiel dem indischen Bundesstaat Kerala zeigt, dass diese notwendigen Dinge bereits ab einem ganz bescheidenen Einkommensniveau erreichbar sind. Im Gegensatz dazu ist in Ländern mit einem hohen Einkommensniveau eine Zunahme von Krebserkrankungen, Erkrankungen der Atemwege, Stress und Herz- und Gefäßerkrankungen, von Schädigungen der Leibesfrucht und eine Abnahme der Spermienzahl zu verzeichnen. Es gibt eine zunehmende Fülle von Belegen dafür, dass all diese Phänomene Nebenprodukte des Wirtschaftswachstums sind und auf die Verschmutzung der Luft und des Wassers, chemische Zusätze und Pestizidrückstände in der Nahrung, hohe Lärmpegel und einer zunehmenden Beeinträchtigung durch elektromagnetische Strahlung zurückgehen. (1995, 40–41)

Schließlich ist es ein Vorteil größerer Gleichheit, dass diese sehr wahrscheinlich der Schlüssel für eine Eindämmung der Überbevölkerung sein könnte. Gewöhnlich begann das Bevölkerungswachstum erst dann zurückzugehen, wenn die Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt waren und die Leute sich sicher genug fühlten, um weniger Kinder zu haben (diese stellen eine Grundform der Altersvorsorge dar). Es ist bemerkenswert, dass in den Siebzigerjahren, als die Einkommen im Süden stiegen, die Bevölkerungswachstumsraten deutlich zurückgingen. Mit dem Beginn der Verschuldungskrise und der Durchsetzung einer harten Austeritätspolitik in den Achtzigerjahren sanken die Einkommen drastisch, und gleichzeitig stiegen die Raten des Bevölkerungswachstums an. Erst in den Neunzigerjahren sanken diese wieder, doch selbst zu dieser Zeit konnte etwa ein Drittel der Reduktion auf die Aids-Pandemie zurückgeführt werden.

Zusammen mit der Einkommenssicherheit ist die Stärkung der Frauen ein Schlüssel für die Stabilisierung der Bevölkerungszahl. Das beinhaltet auch ihre Fähigkeit, über die Größe der Familie selbst zu entscheiden. Eine solche Stärkung der Frauen ist aber sicher in einer Gesellschaft einfacher, die eine weniger hohe Arbeitslosenrate und weniger soziale Gewalt aufweist. Doch auch diese Bedingungen sind normalerweise nur dort gegeben, wo ein Mindestmaß an gerechterer Einkommensverteilung und ein Rückgang der Armut erreicht wurden. Das heißt, letztlich ist eine größere Einkommenssicherheit der wesentliche Faktor dafür, dass die Kurve des Bevölkerungswachstums schnell nach unten geht.

Ein fehlerhafter Indikator, eine falsche Perspektive

Eine unserer Hauptschwierigkeiten mit der Wachstumswirtschaft ist die Art und Weise, wie Wachstum gemessen wird. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die hauptsächliche Messgröße von Wirtschaftswachstum, ist ein ernstlich fehlerbehafteter Indikator.13 Das BIP ist im Grunde die Summe der produzierten Güter und Dienstleistungen, wozu alle wirtschaftlichen Aktivitäten zählen, bei denen Geld im Spiel ist. Das heißt also: Die Kosten für die teure Beseitigung von Verschmutzung, die Produktion einer Atombombe oder die Arbeitskosten für die Abholzung von altem Waldbestand werden ins BIP mit eingerechnet und gelten als wirtschaftlicher Vorteil. Andere wirtschaftliche Aktivitäten, bei denen kein Geld fließt, wie zum Beispiel landwirtschaftliche Subsistenzbetriebe (Nahrungsmittelproduktion für die eigene Familie oder Gemeinde), freiwilliger Arbeitseinsatz oder Kindererziehung werden absurderweise überhaupt nicht berücksichtigt. Einen Kilometer mit dem Auto zurückzulegen trägt viel mehr zum BIP bei als dieselbe Strecke zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren, obwohl die letztgenannten Möglichkeiten keine ökologischen Kosten verursachen.

Grundsätzlich bewertet das BIP viele Leben zerstörende Aktivitäten positiv, während es viele Leben fördernde nicht darstellt. Während man die Kapitalabschreibung für Gebäude, Fabriken und Maschinen berechnet, gibt es keine ähnlichen Kalkulationen für die Entwertung des „natürlichen Kapitals“: der Abnahme der Tragfähigkeit der Erde. Oftmals wird Wohlstand künstlich dadurch „produziert“, dass man die Kosten der Zerstörung des wahren Wohlstands der Erde, Wälder, Wasser, Luft oder Böden, verschleiert. So erzeugt zum Beispiel die Abholzung von Regenwald Wachstum, doch niemand berechnet die Kosten der Wohlstandseinbußen für die Lebewesen, Luft, Boden und Wasser, die allesamt vorher von diesem Ökosystem aufrechterhalten wurden. Korten geht sogar so weit zu behaupten, das BIP sei nicht viel mehr als die Berechnung des „Ausmaßes, in welchem wir Ressourcen in Abfall verwandelt haben“ (1995, 38).

Im Film Who’s Counting liefert die feministische Wirtschaftswissenschaftlerin Marilyn Waring ein interessantes Beispiel für die Art von verzerrtem Bild, welches das BIP liefert. Sie macht deutlich, dass die Wirtschaftsaktivität infolge der von Exxon Valdez verursachten Ölkatastrophe an der Küste von Alaska diese Fahrt zu der am meisten wachstumsstimulierenden aller Zeiten gemacht habe. Das BIP rechnete die Kosten für die Reinigungsarbeiten, die Auszahlungen von Versicherungen und sogar die Zuwendungen an „grüne“ Organisationen als Wachstum. Dieser Haben-Spalte stand jedoch keine Soll-Spalte gegenüber. Die Kosten für tote Vögel, Fische und Meeressäugetiere sowie die Zerstörung von herrlicher Schönheit zählten einfach nicht.

Sowohl aus ethischer wie auch aus praktischer Sicht ist das BIP als Maßstab für wirtschaftlichen Fortschritt sehr fragwürdig. Die Art von nicht qualifiziertem wirtschaftlichem Wachstum, welches das BIP berechnet, ist nicht unbedingt gut und kann oftmals schädlich sein. Herman Daly drückt es so aus: „Es ist ein grundlegender Fehler, die Erde zu behandeln, als ob sie zum Ausverkauf stünde.“ (zitiert bei Al Gore 1992, 191)

Doch genau das tun wir, wenn wir das wahre Kapital des Planeten, nämliche seine Fähigkeit, leben zu beherbergen, zerstören, um künstliches, abstraktes und totes Kapital in Form von Geld (etwas, das tatsächlich keinen Wert in sich hat) anzuhäufen. Wir verschulden uns tatsächlich am Wohlstand allen Lebens in Zukunft, um einen kurzfristigen Gewinn für eine Minderheit der Menschheit zu erzielen. Dies stellt eine sehr gefährliche Art der Finanzierung über Schulden dar.

Viele plädieren nun für die Ersetzung des BIP durch einen „echten Fortschrittsindikator“ (Genuine Progresse Indicator, GPI) als Alternative. Der GPI unterscheidet zwischen Leben fördernden und Leben zerstörenden Aktivitäten. Die ersteren werden als produktiv, die letzteren als Kosten bewertet. Dies ermöglicht eine genauere Bestimmung von echtem wirtschaftlichem Fortschritt ‒ einem Fortschritt, dessen Grundlage eine qualitative Entwicklung und nicht so sehr quantitatives Wachstum ist. Die Anwendung dieses Indikators macht deutlich, dass der GPI in den USA während der fünfundzwanzig Jahre vor 1992 tatsächlich gesunken ist, obwohl das BIP gewachsen ist (Nozick 1992). Spätere Daten scheinen zu bestätigen, dass sich dieser Trend fortsetzt. Der GPI liegt im Jahr 2002 immer noch geringfügig unter dem Niveau von 1976.

Wenn wir über die traditionelle, am BIP gemessene Wachstumswirtschaft hinausgelangen wollen, dann müssen wir einen qualitativen Zugang wählen. Die herkömmlichen Vorstellungen von Profit, Effizienz und Produktivität müssen infrage gestellt und neu definiert werden. Brauchen wir Wachstum? Gewiss. Wir brauchen ein Wachstum an Kenntnissen und Weisheit, ein Wachstum am Zugang zu einer Grundversorgung für alle, ein Wachstum an menschlicher Würde. Wir müssen auch das Schöne fördern, die Vielfalt des Lebens erhalten und die Gesundheit der Ökosysteme kräftigen. Doch wir brauchen kein Wachstum an überflüssigem Konsum. Wir brauchen noch weniger ein krebsartiges Wachstum, das Leben zerstört, nur um totes Kapital für einen kleinen Teil der Menschheit anzuhäufen.

Verzerrte Entwicklung

Als die Anthropologin Helena Norberg-Hodge im Jahr 1975 zum ersten Mal in die Ladakh-Region Kaschmirs in Indien kam, fand sie dort ein Volk vor, das bis dahin völlig isoliert von der Weltwirtschaft gelebt hatte. Dennoch erfreuten sich die Bewohner von Ladakh einer hohen Lebensqualität. Die lokalen Ökosysteme waren im Kern gesund, Verschmutzung war praktisch unbekannt. Es stimmt zwar, dass man an einige Ressourcen schwer herankam, doch die meisten Menschen arbeiteten nur vier Monate im Jahr hart, sodass viel Zeit für die Familie, für Freunde und für kreative Tätigkeiten blieb. So brachten die Bewohner von Ladakh eine beeindruckende Vielfalt an Kunst hervor. Die Leute lebten in geräumigen, der Gegend angepassten Häusern. Fast alle Güter des Grundbedarfs wie Kleidung, Häuser und Nahrung wurden produziert und verteilt, ohne dass man dafür Geld benutzte. Als Norberg-Hodge einen Einheimischen fragte, wo denn die Armen lebten, machte der Angesprochene zunächst einen verwirrten Eindruck, um dann zu antworten: „Wir haben hier überhaupt keine armen Leute.“ (1999, 196)

Im Lauf der Jahre jedoch begann sich die lokale Wirtschaft zu „entwickeln“. Die ersten Touristen kamen in die Gegend und brachten Erzeugnisse und Erfindungen der Weltwirtschaft mit. Bald merkten die Leute, dass sie Geld brauchten, um sich Luxusgüter kaufen zu können. Nach und nach orientierten sich die Leute an der Geldwirtschaft. Als man Feldfrüchte für den Verkauf einführte, wurde die Wirtschaft vom Erdöl abhängig, da ein modernes Transportwesen für die Verschiffung der Ware erforderlich war. Auch der Zustand der lokalen Ökosysteme verschlechterte sich mit der Verbreitung des Chemieeinsatzes in der Landwirtschaft. Als sich die lokale Wirtschaft auflöste, erodierte auch die Kultur der Ladakh-Region, und die Menschen verloren das Gespür für ihre Identität.

Wenn wir diese Geschichte hören, dann ist unsere erste Reaktion darauf vielleicht ein nostalgischer Blick zurück auf eine einfache Zeit und Kultur. Die meisten von uns mögen das, was den Bewohnern von Ladakh widerfahren ist, als traurig, aber in gewisser Weise unvermeidlich betrachten. Andere mögen sich fragen, ob es nicht eine andere Möglichkeit der Öffnung auf die Welt hin gegeben hätte, einen Weg, der nicht zwangsläufig zum Niedergang der lokalen Kultur und Ökosysteme geführt hätte.

Jedenfalls scheint die Frage angebracht zu sein, ob der Wachstumsprozess, wie ihn die Bewohner von Ladakh erlebt hatten, einen „Fortschritt“ oder eine Entwicklung darstellte. Wie wir weiter oben bereits gesehen haben, sollte Entwicklung qualitative Verbesserungen des Lebens der Menschen beinhalten. Wogen die „Wohltaten“ der Weltwirtschaft (Fernsehen, Zugang derer, die es sich leisten können, zu bestimmten Konsumgütern, ein modernes Transportwesen) die Kosten in Gestalt von Armut, ökologischer Zerstörung und kulturellem Verfall auf? Das ist unwahrscheinlich. Jedenfalls scheint es eine grobe Verzeichnung der Tatsachen zu sein, einen solchen Prozess als „Entwicklung“ zu bezeichnen. Und doch war der Großteil der Welt seit dem Zweiten Weltkrieg in ein groß angelegtes „Entwicklungs“-Unternehmen involviert, das viele Gemeinsamkeiten mit dem Prozess aufweist, den die Bewohner von Ladakh durchgemacht haben.

Es ist nicht zu leugnen, dass es in den letzten sechzig Jahren echten Fortschritt in der Eindämmung von Krankheiten, der Erhöhung der Lebenserwartung und einem verbesserten Zugang zu Bildung gegeben hat. Doch es ist verstörend, dass selbst diese Errungenschaften nun, da sich die Armut in vielen Ländern Afrikas, aber auch Asiens und Lateinamerikas, verschärft, wieder gefährdet sind. Selbst einige der „Wunder“-Ökonomien Asiens, die Lieblingskinder der Entwicklungsideologen, haben aufgrund der Finanzkrisen nach und nach Rückschläge erlitten.

Die Entwicklung der Armut

Tatsächlich ist dieser Prozess der Entwicklung oftmals ein Beispiel der „Fehlentwicklung“, beruhend auf den Grundannahmen der Wachstumsökonomie, die wir bereits beschrieben haben. Dies gilt insbesondere für Mammutprojekte wie Staudämme, Bewässerungssysteme, Freihandelszonen und viele andere industrielle Entwicklungen. All diese Unternehmungen mögen tatsächlich „Wachstum“ innerhalb der Geldökonomie produzieren, deren Maßstab das BIP ist (obwohl sie mit der gleichen Wahrscheinlichkeit auch eine drückend schwere Schuldenlast entstehen lassen), doch oftmals tragen sie auch zur Verarmung der Mehrheit der Leute bei und untergraben die Gesundheit der Ökosysteme. Man betrachte nur die folgenden Beispiele:

 – Das Narmada-Bewässerungsprojekt, das zurzeit in Indien realisiert wird, beinhaltet den Bau von dreißig großen, 135 mittleren und dreitausend kleinen Dämmen, mit denen das Wasser des Narmada und seiner Zuflüsse nutzbar gemacht werden soll. Insgesamt geht man davon aus, dass durch das Projekt mehr als eine Million Menschen von ihrem Land vertrieben werden und dass 350.000 Hektar Wald zerstört werden, was zu einer Vernichtung empfindlicher Pflanzenarten und einer Massentötung von wild lebenden Tieren führt. Viele der Betroffenen sind Adivasi (indigene Bewohner), die das Land verlieren werden, das sie bereits seit Jahrtausenden bewohnen.

 – Überall auf der Welt hat die Einführung von Hybrid-Saatgut im Zuge der „grünen Revolution“ zu kurzfristigen Steigerungen der landwirtschaftlichen Produktivität geführt, doch zu einem hohen Preis. Die neuen Sorten brauchen viel (und teuren) Kunstdünger und Pestizide, welche dem Wasser, dem Boden und der Gesundheit der Landarbeiter schaden. Viele der Sorten brauchen mehr Wasser, was eine extensive Bewässerung erforderlich macht (und genau das führt zu den riesigen Dammprojekten wie in Narmada). Die meisten der neuen Hochertragssorten werden als Monokulturen angepflanzt und verdrängen die traditionellen Mischkulturen. Die Landwirtschaft wird so anfälliger für Dürren, Schädlingsbefall und Krankheiten. (Dankelman/Davidson 1988) In jüngerer Zeit hat die Einführung von gentechnisch veränderten Feldfrüchten wie etwa herbizidresistenten Sojabohnen in Südamerika zu einer weiteren Konzentration des Reichtums bei den Großgrundbesitzern geführt und gleichzeitig die Vertreibung von kleineren Produzenten sowie die Zerstörung komplexer Ökosysteme gefördert.

 – Die einst produktive Bauerngemeinde von Singrauli in Indien ist zu einem ökologischen Katastrophengebiet geworden, als ein Dutzend Kohletagebauten und eine Reihe von Kohlekraftwerken in der Gegend errichtet wurden. Die Kontamination des Bodens, der Luft und des Wassers hat zu einer epidemischen Ausbreitung von Tuberkulose, Hautirritationen und anderen Erkrankungen geführt. Siebentausend Menschen, von denen viele früher Bauern waren, arbeiten nun in den Minen. Patricia Adams bemerkt, dass die indische Presse Singrauli mit den „ersten Kreisen von Dantes Hölle“ verglichen hätten (1991).

 – In Lesotho, Südafrika, realisiert die Regierung zusammen mit der Weltbank das Highland-Wasserprojekt, im Zuge dessen fünf größere Dämme, 200 Kilometer Tunnel und ein Wasserkraftwerk gebaut werden. Aufgrund der Flutung des Mohal-Dammes wurden 27.000 Siedler von ihren Farmen vertrieben. Ihnen wurde Hilfe bei der Ansiedlung in der Stadt versprochen, doch die meisten von ihnen haben niemals eine Entschädigung erhalten.

 – Die größte Goldmine Südamerikas, Yanacocha, wurde in der Nähe von Cajamarca im peruanischen Hochland erschlossen. Für einen kleinen Teil der Bevölkerung bedeutete dies neuen Reichtum, doch die meisten wurden durch steigende Bodenpreise und steigende Preise für andere unverzichtbare Produkte geschädigt. Verbrechen und Prostitution nehmen ebenfalls zu. Zyanid ist ins Grundwasser eingedrungen und hat viele lokale Wasserquellen vergiftet. Mehrere Ströme zeigen bereits Anzeichen der Vergiftung. Darüber hinaus kontaminierte eine Quecksilberlache aus einem Lastwagen im Jahr 2002 einen vierzig Kilometer langen Straßenabschnitt, was zu Vergiftungen von fast tausend Anwohnern führte.

 – Die Maquila-Freihandelszone an der Grenze zwischen Mexiko und den USA wurde geschaffen, um die wirtschaftliche Entwicklung Mexikos anzukurbeln. Arbeiter(-innen) (es sind meist Frauen) sind hier zu niedrigen Löhnen beschäftigt und einer großen Bandbreite von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Inzwischen ist das Grenzgebiet voller Umweltgifte, und schwere Schädigungen der Neugeborenen sind an der Tagesordnung.

All diese „Entwicklungsprojekte“ schaffen Wachstum nach dem Maßstab des BIP. Doch sie haben zu keiner besseren Lebensqualität der Bevölkerungsmehrheit geführt. Alle zerstören sie die natürlichen Ökosysteme und untergraben die Fähigkeit der Erde, Leben zu beherbergen. Dennoch beharren die meisten Wirtschaftsfachleute und „Entwicklungsexperten“ weiterhin darauf, dass der Weg zum Fortschritt über diese Art von Fehlentwicklung führe. Warum nur?

Die Zerstörung der Subsistenz

Ein Schlüsselproblem besteht darin, dass Entwicklung im westlichen Sinne, unter Rückgriff auf den irreführenden Indikator BIP, traditionelle Subsistenzwirtschaften nicht entsprechend wertschätzen kann. Das sind Wirtschaften, die auf die Produktion für den unmittelbaren, lokalen Konsum ausgerichtet sind. So wie die Bewohner von Ladakh vor einigen Jahrzehnten können sich die Menschen innerhalb einer Subsistenzwirtschaft einer recht hohen Lebensqualität erfreuen und Zeit für die Familie und kulturelle Aktivitäten haben, ohne dass viel Geld im Umlauf ist. Durch die verzerrende Brille der modernen Wirtschaft betrachtet, wird dieser Mangel an Bargeld-Transaktion als Armut gedeutet, als ein „Problem“, gegenüber dem man „Abhilfe“ schaffen muss.

Doch die indische Ökofeministin Vandana Shiva bemerkt: „Die kulturell bestimmte Wertung des Subsistenzdaseins als Armut gibt auch keine Auskunft über ein tatsächlich vorhandenes niedriges Niveau physischer Lebensqualität.“ (Shiva 1989 a, 22)14 Lokal erzeugte, unverarbeitete Lebensmittel, die ohne Chemikalien produziert wurden, sind fast immer gesünder als die Nahrung im Westen. Kleidung und Häuser, die aus natürlichen Materialien hergestellt wurden, sind oftmals dem lokalen Klima besser angepasst und fast immer eher erschwinglich. Shiva merkt an: „Und als kulturell befangenes Projekt zerstört diese Entwicklung ganzheitliche und tragfähige Lebensstile und löst so konkret erfahrbare, materielle Armut aus. Mit anderen Worten: Dieses Projekt lässt Elend entstehen, indem es die Voraussetzungen für das Leben selbst negiert und alle verfügbaren Ressourcen für die Warenproduktion abzieht.“ (Shiva 1989 a, 22). „Die Waren nehmen zu, doch die Natur ist verkümmert. Die Armutskrise des Südens kommt von der zunehmenden Knappheit von Wasser, Lebensmittel, Futter und Brennstoff, wie sie mit der wachsenden Fehlentwicklung und ökologischen Zerstörung eihergeht.“ (Shiva 1989 b, 5)

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