Kitabı oku: «Der falsche Schah», sayfa 3
Im Folterkeller
Die schwere Holztür öffnet sich und der König glaubt erst gar nicht, was er sieht. Weil, es schaut so gemütlich aus. Ein gefliester Boden, umgeben von einer Steinwand, gar nicht kühl, kunstvoll. Und pfeilgrad: Licht! Er versucht, sich zu freuen und dann aber auch gleich wieder gleichmütig zu bleiben, weil: Licht war ja auch auf dem Rathausturm. Und wie sagte die Mutter so oft so bös: „Wer hoch steigt, fällt tief.“ Schaun wir mal.
Der Kleine geht voran, hält ihm die Tür auf und der König reißt sich zusammen. Nicht bedanken, weil er ja der Schah von Persien ist und so einer bedankt sich nicht.
Dann geht’s durch die nächste Tür nach draußen. Ein kühler Wind empfängt ihn auf der Terrasse des Burghotels, neben der Stadtmauer. Der Burgturm trotzig wie der König vor ihm, mit einem Brunnen, der früher die Durstigen mit Wasser versorgt hat oder auch nicht, weil er vielleicht noch gar nicht da war. Die Stadtmauer rechts, wieder Efeu. Links sein Taubertal, das kennst du ja schon und wirst du noch besser kennenlernen. In den Blumenrabatten Friedhofsflora: blutrote Gerbera. Der König macht den Mund auf und hört, wie trocken er ist. Hofft, dass nur er es gehört hat. Sieht das Fernrohr, das schlaff nach unten hängt, gen Tal. War er weitsichtig genug?
Zwei Schritte die Treppen runter. Und es geht schon wieder durch die nächste Tür; wird noch kühler, immer weiter runter. Und vor allem wird es duster, enger, steil geht es die Stiege bergab. Vor und hinter ihm je ein iranischer Agent. Dicke, feuchte Mauern, durch die kein Schrei nach außen dringt. Kerzenflammen bringen das Treppenhaus zum Zittern. Und dann weiß er, warum sie ihn hierher gebracht haben, hat es vorhin schon gewusst.
Was ihm als erstes ins Auge sticht in dem Gewölbe, ist das Rad, von einem alten Fuhrwerk, nicht größer als das Rad am Wagen des Scharfrichters. Unscheinbar steht es in der Ecke, unschuldig ausgestellt. Nur unterscheidet es sich von einem gewöhnlichen Rad, das vielleicht auch Blut an seinen Beschlägen haben könnte, von Viechern, die überfahren worden sind, von Igeln, Schnecken, Gewürm; es unterscheidet sich durch die messerscharfe, spitze Schneide, die an ihm angebracht ist, ausschaut wie fesches Beiwerk und dem Folterwerkzeug seinen nüchternen Namen nicht gegeben hat.
Jetzt könnte ich einen schlechten Wortwitz machen und schreiben, der König fühlt sich wie gerädert. Aber nein, er ist grantig und sagt: „Meine Herren, verraten Sie mir, warum Sie mich, den Schah von Persien, an diesen unwirtlichen Ort bringen?“
Der Kleine, noch ganz bubenhafter Lehrling, schaut den Großen an, schluckt, dass sein Kehlkopf wie eine Wasseramsel in der Schandtauber von Stein zu Stein hüpft. Jetzt nimmt der Große seine Sonnenbrille ab, was er schon längst hätte tun sollen. Der König schluckt, schluckt und schluckt, obwohl es nix zum Schlucken gibt, und versucht, sich das Schlucken nicht anmerken zu lassen. Aber: schwierig. Weil, das eine Auge ist blind, kein Glasauge, eher eine Weintraube, angeschrumpelt. Der Agent macht den Mund auf. Ein Goldzahn blitzt. Wirklich! Und sagt: „Yek as barat mi pazam, do wagab roqan daste base.“
Der Kleine pfeift durch die Zähne, weil er, genau wie der König, verstanden hat: „Ich werde dir eine Suppe kochen, auf der sich zwei Handspannen Öl befinden.“ Und weiß, dass das eine Drohung ist.
„Wo befindet sich Ihre Majestät, Farah Diba?“, fragt der König, nicht zu schnell und nicht zu langsam.
„Die Schahbanu ist in Sicherheit“, sagt der Kleine, ein bisserl zu schnell.
„Oder ist sie etwa hier drin verborgen?“ Der König zeigt auf eine wuchtige Figur, die in der Ecke steht. Mit einem zerklüfteten, von Streifen durchzogenen Holzgesicht und einer Art Krone, dem Messer des Rades nicht unähnlich. Auf einem massigen Korpus aus Stahl, vernietet, zusammengeschweißt, zwei Griffe zum Öffnen: die eiserne Jungfrau.
„Öffnen Sie! Sofort!“, befiehlt der König.
Der Lehrling springt, macht auf. Quietschend kommen Eisenstacheln zum Vorschein. Als hätte man einen Seeigel in der Mitte auseinandergerissen und sein Inneres nach außen gekehrt. Was man eben auf gar keinen Fall machen soll, das hat der König im Laufe seines Lebens gelernt: sein Inneres nach außen zu kehren.
„Wenn Sie mir jetzt nicht unverzüglich mitteilen, wo sich Ihre königliche Majestät, die Kaiserin von Persien, befindet, dann werden Sie da drin …“ Er macht eine kunstvolle Pause, schwingt mit Finger und Arm wie ein Dirigent des Todes und zeigt wieder auf die Eiserne Jungfrau. „… da drin Platz nehmen!“ Dann geht er zu einem riesigen Kürbis, der auf einem Schemel abgelegt wurde, in einer Ausbuchtung der steinernen Wand, unter einem gemauerten Rundbogen. Wahrscheinlich liegt der Kürbis noch vom letzten Herbst da, Halloween hat’s ja damals noch nicht gegeben. König deutet darauf und sagt: „Wissen Sie, was das ist?“
Der Kleine kriegt auf einmal so einen verträumten Blick, einen Glotzer, dass sich der König fragt, ob er was Falsches gesagt hat. Dann fällt ihm ein, warum. Er brüllt: „Kaka Kadu vielleicht?“
Der Kleine zuckt zusammen, seine Mundwinkel beben. Bei dem Großen bewegt sich lediglich ein Haar an der Augenbraue, unter seiner kahlrasierten Glatze.
Du musst wissen, dass Kaka Kadu persische Pfannkuchen sind, die mit Feigen und Zucker gegessen werden. Aus Kürbispüree und einem Hauch von Rosenwasser und Kardamom. Gebrutzelt werden die, ähnlich wie die Reiberdatschi, Baggers, Kartoffelpuffer, zu denen wir in einem der nächsten Kapitel noch kommen werden, wenn ein anderer arischer Führer Rothenburg besucht. Kaka Kadu kommen aus dem Norden des Iran, aus Gilan, wo der Kleinere herstammt und in den Reisfeldern umhergestreift ist wie der König unter den Apfelbäumen. Nur, dass man aus Äpfeln kein Mehl, wie aus Reis, machen kann – und daraus wiederum Kaka Kadu, die dem Kleinen seine Großmutter immer gemacht hat –, sondern Apfelmus, zum Kaiserschmarrn.
„Nehmen Sie den Stuhl“, sagt der König zu ihm.
Der Kleine rennt zum angewiesenen Barhocker, nimmt ihn.
„Und stellen ihn in die Eiserne Jungfrau!“
Er schaut ihn fragend an. Versteht nur Bahnhof, weil er noch so jung ist und bei Jungfrau natürlich an ganz was anderes denkt.
„Da rein!“
Er tut, wie ihm befohlen.
Der Größere schaut wie versteinert zu.
„Und jetzt den Kürbis.“
Er nimmt ihn mit einer fahrigen Bewegung, lässt ihn fast wieder fallen.
„Vorsicht!“
Umfasst ihn fester.
„Auf den Stuhl.“
Er kraxelt auf den Hocker. Rutscht ab. Der Kürbis fällt runter. Er schaut zum König. Zu seinem Kollegen. Hebt den Kürbis auf. Schafft es irgendwie, samt Kürbis auf den Barhocker zu klettern. Schnauft rasant, sein Brustkorb hüpft auf und nieder.
„Neeeiiiin“, sagt der König langsam, souverän, fast flüsternd, zeigt majestätisch auf den Kleinen.
Dem seine Füße schlackern und man sieht, wie er versucht, seinen Hintern anzuspannen, damit man nicht sieht, wie sie schlackern.
Der König sagt: „Runter!“
Der Kleine macht eine Kniebeuge, bis zu den Fersen. War da soeben ein Grinsen auf dem gehässigen Mund des Großen?
„Treten Sie herunter!“, befiehlt der König.
Zackig hüpft der Kleine runter auf die Fliesen. Die Haxen knicken ein. Schmerzverzerrter Gesichtsausdruck. Der Kürbis hüpft davon. Unterdrücktes Stöhnen. Versuch, stramm zu stehen.
„Den Kürbis!“
Dem Kleinen seine Augen folgen dem König seiner Hand. Der malt mit seinem Zeigefinger Kreise, vom Boden bis zur Decke, weil es gar so schön ist; und der Kleine folgt mit seinem Blick. Als hätt der König einen glühenden Stecken in der Hand und würd damit in der Dunkelheit bunte Bilder malen. Der Kleine schwankt und der König weiß, dass der Kleine gelernt hat zu gehorchen, und sagt, wieder ganz langsam: „Guuuut.“
Was dem Kleinen ein entspanntes Lächeln auf die Lippen zaubert.
Ernennung zum Oberst
Wie so oft in den Rothenburger Gassen, hat an einem heißen Sommertag ein Krieg zwischen den Christen- und Judenkindern getobt. Ganz in der Nähe der Judengasse 10, wo im Mittelalter die Juden in der Mikwe, einem Tauchbad, die Treppen runtergestiegen sind, um sich im Wasser zu reinigen. Jetzt sind sich da zwei Banden auf dem Schulhof der Jakobsschule, wo der Vater vom König Direktor gewesen ist, gegenübergestanden. Aufgehetzt vom Kirchenvater Augustinus und der schiefen Auslegung der Bibel. Die Tauben auf dem Dachfirst und auf den kleinen Fenstern mit Dacherl waren die einzigen Zeugen, faul von der Hitzen haben sie nicht einmal gegurrt, sondern nur hin und wieder auf die Schule geschissen.
Das Peterle, seines Zeichens Sohn des Stadtbauers Adalhard Mohrenstecher und der Stadtbäuerin Hannahle, hat den Angriff wie ein Feldhauptmann gestartet und die jüdischen Nachbarskinder aus seinem großen Maul angebrüllt als würd er sich jetzt schon auf das abgemagerte Tausendjährige Reich einstimmen: „Ihr Jude, ihr hebt den Heiland ans Kreiz gschlooche!“
Die heiße Luft hat über dem Kopfsteinpflaster gezittert.
Der König steht, wie immer, zwischen den Fronten, weil er in beiden Schützengräben Spielkameraden gehabt und die Bibel genau studiert hat. Und da drin ist eindeutig gestanden, dass dem Jesus sein Tod und seine Auferstehung passiert sind, um die Schuld aller Menschen auf sich zu nehmen. Die große, allumfassende Versöhnung. Auch wenn der König nicht wirklich daran geglaubt hat, weil er jeden Tag das Gegenteil gesehen hat; wie jetzt eben auch wieder.
„Mir?“, hat der Isaak zurückgebrüllt, dass seine schwarzen Locken nur so gewackelt haben. „Mir? Naa, do weiß i nix! Des misse die draußen von der Adam-Hörber-Straße gwese sei!“
Das Peterle ist auf den Isaak zugegangen, seine Kreuzritter sind nachgerückt wie ein kampfeshungriges römisches Heer. Weil der König nicht gewusst hat, was er tun soll, hat er sich angesichts der drohenden Blutsuppe innerlich gewunden wie der Turm der Schule vor ihm. Zu seinem Glück ist aus der Jakobsschule eine eindringliche, befehlende Stimme gedrungen.
Der Bladdntoni, der Bauer von der Frankenhöhe, aus Dombühl, hat genau in dem Moment auf der Herrngasse nebendran seinen Hut abgesetzt, um sich mit einem Taschentuch die glänzende Glatze zu polieren. Und auch dem seine Ohrwascheln haben die Befehle aus der Schule deutlich vernommen. Er hat den König ein paar Meter weiter stehen gesehen und ihn gefragt: „Wos is denn do drinne los? Worum werd denn do so plägt?“
Der König hat die zwei Armeen beäugt, die kurz davor waren, übereinander herzufallen. Freilich hat er gewusst, dass der Lehrer Bücklibock da drin die älteren Pennäler herumkommandiert. Trotzdem hat er gesagt: „Da drin werden Affen dressiert. Wenn S’ a Zehnerle zahlen, können Sie’s sehen.“ Dabei hat er das Wort „Zehnerle“ genau so betont, dass die Betonung dem Bladdntoni nicht aufgefallen ist, die Gotteskrieger es aber gehört haben. Und schon haben die daran gedacht, dass man das Zehnerle in zuckersüß-salzigen Bärendreck umsetzen könnt.
„Des guck i mir ou“, hat der Kuhbauer begeistert gesagt und mit seinen Wurstfingern ein Zehnerle aus seinem Geldsack gefischt. Und es dem König in die Hand gedrückt. Dann ist er ins Schulhaus gestürzt, wo es nach feuchtem Schwamm, Kreide und dem Schweiß der Schüler gerochen hat. Schwer keuchend ist er die Wendeltreppe rauf und hat an die Tür vom Klassenzimmer geklopft. Aufgemacht hat ihm der Lehrer Bücklibock, der dem Lehrer Lämpel aus „Max und Moritz“ wie aus dem Bilderbuch geschnitten war, haarscharf, bis zur Meerschaumpfeife am Feierabend.
„I mechet …“, hat der Bauer gestottert. „Ja … Wo sind etz do die Affe, die wo dressiert werde? Die will ich sehe!“
Der Bücklibock ist sich vorgekommen wie der Tierpfleger vom Tiergarten in Nürnberg, was, unter uns gesagt, schon öfter vorgekommen ist. Trotzdem hat er versucht, die Haltung zu bewahren und nicht zu sehr wie ein Blasebalg in der Schmiede zu schnaufen. Auch weil der Bauer vom Treppenrennen schon so exaltiert inhaliert und gepustet hat und der Bücklibock darum gemeint hat, da steht ihm sein asthmatisches Spiegelbild gegenüber. „Ja, was glauben Sie denn … Sie!“, hat der Bücklibock gepoltert.
Das hat der Glatzentoni kapiert und ist wieder nach unten gestürmt, um sich den „Schmalzrussen“ zu schnappen. Dem Bücklibock sein „Bauraseggl!“ hat er nicht mehr gehört.
Der König ist derweil feierlich von der christlich-jüdischen Armee zum „Oberst“ ernannt worden. Und die ist jetzt vereint vorgerückt, um in der Georgenapotheke am Markt die Gläser mit Bärendreck zu erobern.
Weil der Bauer noch einmal umgedreht ist und dem Bücklibock den König mit seiner markanten Erscheinung beschrieben hat – tiefschwarze Haar, buschige Augenbrauen, ein schmales, kantiges Gesicht und eine große Nase; weshalb ihn manche auch für einen Juden gehalten haben –, war klar, dass der König früher oder später bestraft werden wird, ob der Lehrer Bücklibock nun gewusst hat, dass er der Oberst war, oder nicht. Womit der König extra gerechnet hat, war, dass der König Senior, der Herr Direktor, den Lehrer Bücklibock, der aus Ulm stammte, extra angewiesen hatte, mit dem Bartholomäus besonders hart ins Gericht zu gehen. Weil: Sohn vom Direktor. Und alle sollten sehen, dass er daraus keinen Vorteil ziehen konnte.
Der Bartholomäus König hat geahnt, dass ihm der Herr Lehrer eine Abreibung mit dem spanischen Röhrle verabreichen würde. Und da traf es sich sehr gut, dass am Vortag Schlachttag gewesen war.
Am Schlachttag hat die Stadtbäuerin Hannah Mohrenstecher aus der Wenggasse, wo es damals noch viele Stadtbauern gegeben hat, mit dem großen Fleischermesser einer massigen Sau den Hals aufgeschnitten. Das dunkelrot-schwarze, dampfende Blut rann aus dem Schnitt und in den Kiebel, wo das Hannahle sofort damit begann, den riesigen Kochlöffel zu rühren. So blieb der „Blutbapp“, wie sie es den Kindern erklärte, am Kochlöffel hängen und klumpte nicht. Die Kinder hatten die Sau übrigens irgendwann, als sie noch kleiner, aber schon eine Sau war, „Hieronimus“ getauft, nach dem Herrn Direktor, der damals noch der „Herr Lehrer“ gewesen ist
In einem aufwendigen Prozedere, in das die ganze Familie involviert war, produzierte die Stadtbäuerin dann aus dem Schweinefleisch, dem Blut und dem Darm der armen Hieronimus Würst. Was die arme Hieronimus nicht wusste, war, dass dem Herrn Lehrer auch beizeiten zum Sterben zumute war, vor allem, wenn er zu viel Würst verspeist und zu viel Landwehr-Bier aus dem eine Stunde Fußmarsch entfernten Steinsfeld getrunken hatte. Weil, dann tobte in seinem Gedärm ein Stellungskrieg, der auf dem Scheißhaus seinen Niederschlag fand, dass es im Plumpsklo nur so donnerte. Der König Junior wusste in so einem Fall, dass er seine Ruhe vor dem Tyrannen hatte, und der König Senior versuchte sich in der dunklen Ahnung, dass ihn der Tyrann Morbus Crohn, wie er ein paar Jahre später erfahren würd, in seiner Gewalt hatte.
Auf alle Fälle schickte das Hannahle, wie es Brauch war, ihre Kinder mit den Würsten zum Herrn Pfarrer und eben zum Herrn Direktor am Eck vom Pfäffleinsgässchen. (Das mag jetzt ein bisserl verwirrend für dich sein, dass der Schuldirektor im Pfäffleinsgässchen gewohnt hat und nicht umgekehrt, aber in meiner Geschichte wird dich noch mehr verwirren, also fast wie im richtigen Leben.)
Die Familie vom Herrn Direktor hat aber dazu noch eine Kanne voll Schweineblut gekriegt, das über Nacht im Holz-Eisschrank im Keller gelagert worden war. Das Hannahle hat nämlich gewusst, dass die Maria König gerne einmal einen Thüringer Blutkuchen backt, wie ihn ihre Thüringer Großmutter schon gemacht hat; mit Salzkartoffeln und Salzgurken natürlich. Was wiederum für dem Hieronimus seinen Darm, also dem vom Direktor – für den von der gleichnamigen Sau sowieso – einem gesalzenen Dolchstoß gleichkam. Für die Kinder in der Schule dagegen einem Friedensvertrag, weil der Herr Direktor, der ja auch unterrichten musste, dann extrem viel Zeit auf dem Häusl verbracht hat.
Jetzt aber zurück zum König Junior, auf den das „Stäggele“ gewartet hat. Da die ganze Klasse schon gewusst hat, was ihm blüht – und ihm so manche Landeier nicht gerade wohlgesonnen waren –, war die Vorfreude nicht nur beim Lehrer Bücklibock groß, der prinzipiell eine rechte Zwiderwurzen war und ein strenges Regiment geführt hat. (Du siehst, die Zeichen sind in Rothenburg auch nach dem großen Krieg auf Krieg gestanden, als hätten die Leut daraus nix gelernt. Aber vielleicht ist das die bleibendste Eigenschaft der Menschen, dass sie aus der Vergangenheit nix lernen. Und vielleicht sind gerade die Deutschen da besonders erinnerungsresistent.) Beim König war es mehr seine Suche nach Freiheit, die ihn ein bisserl beratungsresistent ausschauen hat lassen, zumindest in den Augen vom Lehrer Bücklibock. Es war nämlich nicht das erste Mal, dass der beim König zum Stock gegriffen hat.
Die Klasse hat also schon auf dieses Schauspiel gewartet wie die Leut heute auf den Tatort am Sonntagabend. Der Bücklibock hat seine Bücher, Kreide, Stifte und Hefte noch akkurater als sonst auf seinem Pult geordnet, was fast nicht ging, und den Rohrstock aus dem Schrank geholt. Absurderweise hat er ihn noch einmal demonstrativ mit seinem Stofftaschentuch geputzt.
Dann sagt der Bücklibock genüsslich: „Bartholomäus König.“ Und die, bei denen die Freude groß ist, versuchen sie zu verbergen, damit ihr Name nicht als nächster ausgerufen wird.
Der König dagegen spielt seine Rolle vorzüglich, angesichts der drohenden zwanzig Hiebe mit dem Stock. Hat er die letzten Jahre doch ordentlich Erfahrung in der Schauspielerei sammeln können: den Blick schuldbewusst zu Boden gewandt, die damals noch schmalen Schultern hängen lassen, wer es sehen wollte, hätte die Knie – beim Laufen! – schlottern sehen können. König selbst war das eigentlich zu dick aufgetragen, aber überzeugend war’s allemal. Schon ist er am Lehrerpult angelangt.
„Bück dich“, sagt Bücklibock betont ruhig, „Schindluder lass ich keines mit mir treiben.“ Trotzdem errötet sein Schädel, als wäre er der gezüchtigte Hintern vom König. Und das, obwohl der Bücklibock ein hageres Mannsbild ist, ein Strich in der mittelfränkischen Landschaft, also weit entfernt vom Bluthochdruck aufgrund von Schäufele – für Nichtfranken: martialisch ausschauende Schweineschulter und Bier.
König bückt sich wie befohlen, stützt sich mit den Ellbogen auf dem Pult ab. Bücklibock holt aus. Da schaut der König der Anna Krohn kurz in die Augen und sagt „Herr Lehrer!“, worauf dessen Kopf noch mehr errötet und alle gespannt die Luft anhalten.
Bücklibock lässt den Stock wieder sinken: „Ja, König?“
Das Holz knistert im Ofen, der Anna Kohn ihre türkisbraunen Augen funkeln.
„Guten Morgen, Herr Lehrer.“
Worauf die Klasse in ein derart deppertes Gelächter ausbricht, dass dem Bücklibock angesichts dieser anarchischen Gemütsäußerung der Schweiß auf der Stirn ausbricht. „Ruhe!“, brüllt er und es ist Ruhe.
Alle wissen, dass König einen riesigen Fehler begangen hat. Denn Bücklibock holt aus, wie er noch nie ausgeholt hat. Der Stock zischt surrend auf Königs kleinen Hintern nieder, der Schmerz lässt ihn zusammenzucken und das Gesicht verziehen wie seine Mutter, wenn sie irgendwo Unordnung entdeckt hat.
Der Bücklibock holt wieder aus, wieder ein Zuckerer. Auf einmal hält der Lehrer zum Erstaunen der Schüler inne. Schaut am König hinunter und hält sich die Hand vor den Mund. Und dann sehen es alle: Ein Blutstrom rinnt aus Königs Hose und zeichnet eine immer länger werdende rote Spur der Gewalt durch das Klassenzimmer.
Es ist jetzt so leise, dass man den Bücklibock schnaufen hört, sein Stridor pfeift durch das ganze Zimmer und entlarvt ihn als Asthmatiker. Seine Hand zittert immer stärker. Der Stock fällt zu Boden. Und der Bücklibock sagt leise, ja schon fast andächtig: „Geh heim, Bub.“
König schnappt sich Jacke, Tornister und Schiefertafel, rast aus dem Zimmer und denkt sich: Pfiffkas!
Die Anna Kohn schaut ihm verwundert hintennach.
Der König prescht die Straße hinunter. Dass der Dreck hinter ihm nur so staubt in der Hitzen. Die Schweinsblasen, in der das Blut von der Stadtbäuerin gewesen ist, das jetzt der Wilpert Heinz vom Fußboden des Klassenzimmers schrubben muss, holt er aus der Hosentasche seiner kurzen Lederhosen und schmeißt sie in den Graben. Neben einen toten Hund.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.