Kitabı oku: «Psychotische Reaktionen und heiße Luft», sayfa 2

Yazı tipi:

Teil Eins

Zwei Testamente

Psychotische Reaktionen und heiße Luft

Eine Geschichte unserer Zeit (1971)

Astral Weeks (1979)

Psychotische

Reaktionen

und heiße Luft

Eine Geschichte unserer Zeit

»Kommt her, meine flachsköpfigen Enkelkinder, und lasst euch von mir altem Knaben auf den Knien wiegen. Solange ihr mich noch erkennt, ihr kleinen Verrückten. Ihr wisst, die Glocke hat geschlagen, es ist an der Zeit. So verfällt mein altes Hirn ins Grübeln, ah, welche erbauliche Geschichte aus vergangenen Zeiten soll ich heute erzählen?«

»Was sollte eigentlich die ganze Aufregung um die Yardbirds?«

»Ah, die Yardbirds. Genau. In der Tat, das waren Zeiten. 1965, ich war ein ungestümer junger Draufgänger, gerade zum ersten Mal verliebt, und sie schob fortwährend meine Hand weg und rümpfte die Nase: ›Ich würde gerne, aber ich bin doch kein Flittchen.‹ Die Mädchen waren tatsächlich so zu meiner Zeit ...«

»Ach, hör mit dem senilen Gewäsch auf und mach mit deiner Scheiß Altertumsforschung weiter oder wir hüpfen dir vom Knie und machen Action! Alter!«

»Schon gut, Kinder, schon gut, bleibt nur bei mir, kein Grund zur Aufregung ... also, wie ich schon sagte, wir schrieben das glorreiche Jahr 1965 und ich verzehrte mich nach Klängen, die mein Gehirn ein wenig verzerren würden. Versteht ihr, es passierte nicht viel außer vielleicht ›I’m Henry VIII, I am‹ – nein, ich will das nicht ausführen, ich weiß, es klingt gut, aber glaubt mir ... wir steckten mitten in einer musikalischen Rezession, die damals, als es noch keine Pauschalreisen zwischen den Sonnensystemen gab, von Zeit zu Zeit einfach auftrat ... ich kann mich noch an einen weiteren äußerst traurigen Durchhänger erinnern, der bis weit in die Anfänge der Siebziger anhielt ... außer, dass dieser so lange dauerte, dass wir verdammt kurz davor waren, völlig auszutrocknen und Platten komplett zu boykottieren, bis Barky Dildo and the Bozo Huns auftauchten, um unsere Seelen zu retten ...«

»Oh Mann, wie konntest du nur auf die Typen abfahren? Das war der reaktionärste, verkackteste Trend der ganzen Geschichte. Was ist denn so toll daran, Geige wie eine Kreissäge zu spielen und den Katzendarm hektisch kläffen zu lassen? Jammen ist klasse, aber diese Typen haben sogar im Viervierteltakt gespielt und Tonarten gewechselt! Deswegen fragen wir dich, Opa, was für eine Scheiße ist das denn?«

»Schon gut, schon gut, ich weiß, ich schweife schon wieder ab. Ab jetzt halte ich mich ausschließlich an die nackten Tatsachen, und wenn einer von euch neunmalklugen Zwergen mich noch einmal unterbricht, klebe ich einem von euch den Mund zu.«

»Wem denn?«

»Zufallsprinzip, ihr Sprösse meiner Lenden, zufällig wie alles andere auch in dieser Scheiß Irrenanstalt von Welt, die ihr Typen da habt, und von der ich mich bald in Dankbarkeit verabschieden werde.«

»Na gut, dann schramm dir doch die Fingerknöchel auf, damit du sie wieder in warmes Bier tauchen kannst, aber sag nicht, wir hätten dich nicht gewarnt. Du solltest wissen, dass du der einzige alte Sack hier bist, dessen Schrott sich Skewey, Ruey und Blooie überhaupt anhören ... und was soll diese Verabschiedungsscheiße überhaupt? Wer ist denn schon dankbar dafür, tot zu sein?«

»Nun, tatsächlich gab es mal eine Zeit, wo eine Menge Betrogener das waren, aber das ist eine andere Geschichte. Ich beschränke mich jetzt auf die Yardbirds-Saga, anderenfalls schweifen wir noch in die Ozonschicht ab. Also hört jetzt zu und hört gut zu und wartet mit euren Fragen bis ich fertig bin.

Wie ich bereits sagte, waren die Yardbirds einfach unglaublich. Sie kamen angestürmt und schmissen alle und jeden ganz entspannt aus der Spur. Sie waren einfach so verdammt gut, dass die Leute sie noch ein Jahrzehnt später imitierten und, wie ich hinzufügen möchte, reich dabei wurden, weil die Originalbesetzung der Genies nicht so lange zusammen geblieben war. Natürlich war keines ihrer Stiefkinder auch nur halb so genial, und im Laufe der Zeit wurden sie immer gekünstelter und gestelzter, bis 1973 eine Horde von abgemagerten Fatzkes namens Led Zeppelin ihr Abschlusskonzert gab und der Leadgitarrist von einem wütenden Strychninfreak aus dem Publikum mit einer selbst gebastelten Waffe ermordet wurde, und das in der achtundfünfzigsten Minute seines virtuosen, weltberühmten zweieinhalbstündigen Solos auf einem Basston. Dann haben sie sich den Leadsänger gegriffen, der so dermaßen auf Stechapfel war, dass er praktisch nichts mehr tun konnte, außer »Gleep gleep gug jargaroona fizzlefuck«-artige Texte zu keuchen, und ihm die Haare abgeschnitten, seine Mundharmonika zertreten, ihm bürgerliche Kleidung verpasst (ich glaube, es handelte sich um ein Paar übergroße lebenslängliche Ganzkörperkettenjeans) und ihn als Frachtgut aus der Stadt geschafft. Das letzte, was man von ihm gehört hat, war, dass er versuchte vor ein paar sentimentalen alten Kiffern »Whole Lotta Love« in irgendeinem Klub in Posemuckel zu singen. Zum Umfallen rührselig.

Aber wisst ihr, obwohl die Yardbirds alles auf den Kopf stellten, haben sie nur ein paar Jahre existiert. Und einige der Trittbrettfahrer, die sie hatten! Mann, es hat mich schon geekelt, die Platten nur anzusehen! Als sie beispielsweise ›I’m a Man‹ rausgebracht und die Top Ten gestürmt haben, mit einer Mischung aus Bo Diddley (ah, das war der alte fette Kater, der mit diesem berühmten Shuffle Beat groß rauskam ... Ich glaube, der war schon wieder passé, bevor ihr geboren wurdet. Tja, als also das Konzept eines regelmäßigen Bassrhythmus komplett verschrottet wurde, wart ihr immer noch zu jung, um euch an den kulturellen Bürgerkrieg zu erinnern, der dann losbrach, als Jagger auf offener Straße Zagnose in einen Hinterhalt lockte und Beefheart in die Berge von Costa Rica abzischte, um sich dort zu verstecken, bis sich die Stimmung etwas abgekühlt hatte ...) und Feedback, sind allen die Wattebäusche aus den Ohren geflogen, bevor sie tot umfielen, weil dieses ganze verzerrte Elektrozeug, das euch in den Schlaf geschaukelt hat, als ihr noch in der Wiege gelegen habt, damals noch nicht gehört wurde, ein echtes Gehirnbeben. Manche Leute fanden das leicht anstößig, wie der blanke Nerv in einem Draht, der sie wie verrückt anblinkt, aber wir steilen Senkrechtstarter sind von Anfang an tierisch auf diese kulturelle Veränderung abgegangen. Wir haben nur auf jemanden gewartet, der vorbeikommt und die Weicheier platt macht, kick out the jams ... ach, diese Phrase! Tja, das ist auch so eine Geschichte. Hat einen netten messerwetzenden Klang. Ihr werdet bestimmt wieder lachen, aber wir hatten einen ziemlich kritischen Sprachstil, als ich noch ein Zwerg war, harte Riffe wie ›Right on!‹ und ›Peace, brother!‹, nicht diese einfältige telegrafische Scheiße, die bei euch banalen Bälgern heutzutage als Kommunikation durchgeht. Ich kann mich erinnern, als ich auf der High School war (ach, hab ich euch doch schon erzählt: das war das, wo sie dich hinschickten, wenn sie nicht wussten, was sie mit dir machen sollten, also wenn man schon zu groß für den Kinderbunker war, aber noch zu jung, um so zu tun, als würde man in die Männerwelt eintreten, was bedeutete, jeden Tag zur gleichen Zeit zu einem komischen Gebäude zu gehen, um dort stundenlang irgendwelche sinnlose Scheiße zu machen, damit man sich Brot kaufen konnte und alle einen respektierten), also, als ich zur High School ging, hatten wir ein paar ziemlich heftige Sprüche drauf. Wenn beispielsweise einer etwas echt Dämliches machte, hieß es immer ›Hast du Scheiße im Hirn?‹ Auch gut war, wenn man echt angepisst von jemandem war, sagte man ›Du mieser Haufen Scheiße‹. Ein paar von uns, eine Bande von Tagedieben genau wie ihr, fuhren immer zum Spirituosenladen, um Cola und Kartoffelchips zu kaufen, und später stöhnte der Beifahrer immer, ›Knutsch es runter, knutsch es runter!‹, was sich natürlich auf das Essen bezog. Einige Jahre später fingen ein paar phantasiebegabte Individuen damit an, Essen ›Mampfi‹ zu nennen, aber glücklicherweise hat sich dieser schwachsinnige Begriff nicht lange gehalten.

Wir hatten übrigens bereits Jahre vorher schon eine sehr rätselhafte Zauberformel: ›Ich mache nicht solchen Schrott wie du, ich zünde ihn an!‹ Wenn man das sagte, waren die Leute ziemlich irritiert. Wenigstens die Kinder, aber ich habe vergessen, was der Satz bedeutete, ich glaube, er war so eine Art Zen. Wenn man also eine Auseinandersetzung mit jemandem hatte, konnte man einfach diesen Spruch raushauen und je nachdem, wie er von dem Anderen aufgenommen wurde, stiftete er entweder Frieden oder das Ganze endete mit einem Faustkampf.

Aber ich schweife schon wieder ab. Scheiße, Kinder ihr habt Recht, ich werde zu einem alten Ziegenbock mit glasigen Augen. Mit Scheiße im Hirn. Sobald wir mit unserer Anekdotenstunde hier fertig sind, nehme ich mein Morphin und beruhige meinen fiebrigen Verstand für ein, zwei Stündchen. Ich habe heute Abend eine Verabredung mit Delilah Kooch und muss ausgeruht sein, wenn ich beim ersten Hahnenschrei immer noch bumsen will, Orgelöl hin oder her ... mit neunzig sollte man sich in Mäßigung üben.

Aber wie ich bereits ausgeführt habe, bevor ich den Kuschelweg einschlug, blieben die Yardbirds nicht sehr viele Monde zusammen, und als sie sich mit ›I’m a Man‹ verabschiedeten, wurden sie schon von allen Seiten von kleinen Teeniebands geplündert (eines Tages erzähle ich euch mal ein bisschen was über Paul Revere and the Raiders, ha, das glaubt selbst ihr nicht...), die sofort schlechte Imitationen von ›I’m a Man‹ aufnahmen, um ihre Debütplatten voll zu kriegen, Bands wie die Royal Guardsmen, die zwei Nummer-Eins-Hits hatten mit irgendwelchen Späßchen über einen Hund namens Snoopy, der verknöcherte Deutsche in antiken Flugzeugen abschießt. Ich schwör’s bei Gott! Und dann tauchten überall Punkbands auf, die zwar eigene Songs schrieben, aber den Sound der Yardbirds kopierten und ihn auf dämliches Verzerrergematsche reduzierten ... ach, das war himmlisch, es war reine Folklore, das gute alte Amerika, und manchmal glaube ich, das waren die besten Zeiten überhaupt.

Nein, ich glaube das nicht nur, ich weiß es, ich hatte schon um 1970 das Gefühl, als alles zu einer Soße von mäandernden Minnesängern und Balladen singenden Barden und ähnlicher Scheiße gerann, die damals bereits total überholt war. Mann, ’65, ’66, da stand ich morgens auf und machte als erstes das Radio an, weil so viel gute Sounds rausdröhnten. Es gab einen Song ›Hey Joe‹, von dem praktisch jeder behauptete, er habe ihn zusammen mit seinem Scheißbruder nicht nur aufgenommen, sondern geschrieben, obwohl das Stück offensichtlich die psychedelische Mutation eines uralten Folksongs war, der, wie praktisch neun Zehntel aller anderen uralten Folksongs auch, davon handelte, jemanden aus Liebe umzubringen. Und eine Gruppe namens The Leaves hatten mit ›Hey Joe‹ einen Killerhit (das ist übrigens noch so ein Wort, das ihr Quasselstrippen euch merken solltet), aber dann tauchten sie nach ein paar merkwürdigen Alben ab, obwohl sie noch mit einem guten Stück in die Charts kamen, ›Doctor Stone‹, ein echt brachial gespielter, zweideutiger Dopesong. Etwa ein Jahr lang war jedes zweite Stück voller Codewörter für getting stoned, weil alle in ganz großem Stil damit anfingen und es den Reiz des Heimlichen hatte, und die dämliche Regierung hat die Codes nicht rausgekriegt, FBI, CIA und alle anderen auch nicht, bis sie vier oder fünf Jahre später mit diesem aufgeblasenen Merkblatt angetanzt kamen; dieser Typ, der aussah wie eine Kreuzung aus einem Erdhörnchen und dem Amerikanischen Adler und sich lautstark auf den Weg zu einem dieser geriatrischen Urlaubsorte in der Wüste machte, wo die Leute wegen des völlig reizlosen Kitzels, Geld aus dem Fenster zu schmeißen, hinfuhren, dieser Typ heizte also da hin und hielt dort eine überaus gewichtige Rede, damit das Land erführe, dass Drogen und Musik irgendwie zusammenhingen, was natürlich allen schon längst klar war. Die ganze Chose war so dermaßen lächerlich, weil alle Titel, die er als Beispiele heranzog, grottenalt waren, und alle zu diesem Zeitpunkt schon so dermaßen stoned waren, dass es völlig unnötig war, die Leute damit voll zu quatschen, high zu werden.

Aber für mich und eine Menge anderer Leute war dieser Moment, als sich niemand mehr dafür interessierte, weil sich alle schon in dieser Geisteshaltung eingerichtet hatten, exakt der Punkt, an dem alles wieder bergab ging. Statt über Teetrinken mit Mary Jane zu singen oder darüber, wie man sein Ding an der guten alten süßen Slit Annie reibt, hieß es jetzt ›Hilf mir Gott‹, ich suche nach dem Sinn des Lebens oder ich glaube, dass einzig und allein die Liebe die Welt sowohl von Schuppenflechten als auch von Krebs befreien kann, und ich werde den Menschen auf 285 unterschiedliche Arten alles darüber erzählen, ob es dir gefällt oder nicht. Und warum gibt es Kriege, frag doch die Kinder, sie wissen alles, wir können von ihnen lernen, und hey, natürlich mag ich Schwarze, auch wenn meine Leute keine Schwarzen mögen ... darüber gab es endlose Vinylfluten mit dem immergleichen Geschwafel. An diesem Punkt schmiss ich hin und flüchtete mich in den guten alten kantigen ’66er Rock, zurück zu den Wurzeln. Ich holte Platten wie 96 Tears von Question Mark and the Mysterians wieder hervor, die in der Tat mysteriös waren, und ließ zu Dschungel-Voodoo-Gekreische wie ›Wooly Bully‹ die Sau raus, ein unbeschreibliches Stück, das von ein paar Turban tragenden Typen aufgenommen worden war, die in einem Leichenwagen in der Gegend rumfuhren.

Damals kam ich auch in großem Stil noch mal auf die Yardbirds-Imitatoren in der Juniorrockerliga zurück. Da gab es Back Door Men von den Shadows of Knight, die echt gut darin waren, sich die Yardbirds-Riffs draufzuschaffen und neu umzusetzen, und Psychotic Reaction von Count Five, die das zwar nicht so draufhatten, aber ihre ganze Routine mit so derartig dreckiger Hingabe ausspielten, dass ich total auf sie abfuhr! Sie waren ein Haufen Gitarre schlagender Flegel aus irgendeiner gesichtslosen kalifornischen Vorstadt, und nur ein paar Monate, nachdem ›I’m a Man‹ nicht mehr in den Charts war, charteten sie schon wieder mit einer plumpen Imitation namens ›Psychotic Reaction‹. Und das war ein Riesenhit, meiner Meinung nach sogar ein größerer Hit als ›I’m a Man‹, der mich seinerzeit natürlich ganz heiß abgehen ließ, der aber, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ganz cool war, na ja, einfach genau richtig. Der Song war ein billiger Abklatsch, völlig albern. Er fing mit diesem verzerrten Gitarrenriff an, das sie aus einem Johnny-Rivers-Hit geklaut hatten, der mir gerade nicht einfällt – der vor ›Secret Agent Man‹ – und ging dann in den behonktesten Text aller Zeiten über. Und zwar, Moment mal, so in der Art wie: ›I feel depressed, I feel so bad / Cause you’re the best girl that I’ve ever had / I can’t get yer love, I can’t get affection / Aouw, little girl’s psychotic reaction... / An’ it feels like this‹, und dann knallte ein Eins-zu-Eins ›I’m a Man‹-Verschnitt los. Absolutes Dynamit. Anfänglich habe ich das Stück gehasst, aber als ich stoned in der Gegend rumfuhr, lief es gerade und ich langte mir an den Kopf: ›Was hab ich mir dabei nur gedacht? Das ist ein großartiger Song!‹

Das Album (Double Shot DSM 1001) hatte auch noch ein killermäßiges Cover, ein Foto, das aus einem Grab heraus aufgenommen war, die Bandmitglieder standen am Rand und glotzten hämisch in die Grabstätte. Echt gruselig, mal abgesehen davon, dass sie alle karierte Hemden und Freizeithosen von Penney’s trugen. Das war nicht ganz so gruselig, aber längerfristig doch irgendwie ganz nett gemacht. Die Farben und die Schrift waren auch echt hübsch.

Auf der Rückseite waren vier Fotos von ihnen: Count Five, wie sie eher unbeholfen in Bela-Lugosi-Umhängen auf dem Rasen vor einem alten düsteren Herrenhaus stehen und versuchen, finster auszusehen; Count Five bei irgendeiner L.A.-Tanzshow, die sie komplett aufmischen, während rechts im Bild eine Meute kreischender Teenager, vermutlich durch einen Kordon von ihren Idolen getrennt, auf sie zu drängt; Count Five im Fernsehstudio; und Count Five, wie sie ihr Gepäck mit ziemlich finsterer Miene in den Kofferraum ihres Autos laden, bereit für die Große Tournee, die alle Popstars unweigerlich antreten müssen (wahrscheinlich haben sie das ganze Zeug in den Kombi der Frau des Managers gepackt).

Im Gegensatz zu den vielen dümmlich trüben Albumhüllen der lahmen späteren Jahre, als die Bands einfach vergaßen, irgendwelche Informationen auf der Rückseite zu bringen, außer vielleicht Songtitel oder eine gefakte Kodachrome Naturstudie, die die Band zeigt, wie sie um einen sterbenden Mammutbaum oder ähnliches herumschleicht, war die erste Eruption von Count Five auf der Rückseite einfach voll gepackt mit allen wichtigen Informationen, wie Namen, Spitznamen, gespielte Instrumente und Alter der Bandmitglieder (der Älteste war neunzehn). Auch die Songtitel sahen vielversprechend aus: abgesehen von den beiden von The Who gekupferten Stücken, waren alles Originale, Titel wie ›Double-Decker Bus‹, ›Pretty Big Mouth‹ und ›The World‹, um nur die ersten drei zu nennen, klangen so, als sollte man sie nicht verpassen.

Aber Kinderchen, ich muss euch sagen, es kostete mich viele Wochen des Nachdenkens und so manche Stunde Schweiß, gebückt über den Verkaufstresen eines Plattenladens, bevor ich mir schließlich ein Herz fasste und die Platte kaufte. Warum? Tja, sie war so aggressiv mittelmäßig, dass ich ihr nur schwer widerstehen konnte, und gleichzeitig war ich mehr als vorsichtig, weil ich wusste, wie ungeschliffen sie sein würde. Erst viel später, als ich schon in den Kitschbottichen von Elton John und James Taylor ertrank, erkannte ich, dass Derbheit das wahrhaftigste Kriterium für Rock’n’Roll war, je härter das Gedröhne und Gekrache, desto mehr Spaß hatte man an dem Album und desto länger hörte man es. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich mir einen Schneidezahn ausgeschlagen, den Schädel rasiert und praktisch jedes Opfer gebracht, um auch nur noch ein einziges weiteres Album dieser krachenden, hyänenschreienden Rasanz zu bekommen. Aber es war schon zu spät.

Ich versuchte immer wieder, die Psychotic Reaction LP zu kaufen. Ich ging rüber zum Unimart, total breit von Gras, Muskatnuss, Wodka, Romilar, oder kam mit glasigen Augen gerade von zehn Stunden auf Dexedrine runter, die ich damit verbracht hatte, ein paar Probleme in Geometrie abzuarbeiten (ich war ein richtiger kleiner Gelehrter, wenn ich die magische Medizin genommen hatte, die in dir einen manischen Wissensdurst hervorruft), ich probierte jede Taktik aus, um meine Widerstandsfähigkeit zu schwächen, aber nichts funktionierte. Fuck, ich hatte eine scheiß gespaltene Persönlichkeit! Und zwar wegen eines scheiß Count-Five-Albums! Vielleicht war ich dichter an der Irrenanstalt, als ich mir je hatte träumen lassen! Auf der anderen Seite, wegen was sonst sollten ich oder einer meiner Altersgenossen schizoid werden, wenn nicht wegen eines lausigen Rock’ n’Roll-Albums? Mädchen? Ach Quatsch, zu direkt, zu einfach, zu irrational. Drogen? Klar, aber wenn, dann machten die mich schizoid – ›Du zahlst dafür, dass du mit uns rumspielst, Junge!‹ –, nicht mein eigenes Wrack dualistischer Seelenqualen. Nein, nicht mehr und nicht weniger als eine Platte, ein Rock’n’Roll-Album von entsprechendem Stellenwert wie Psychotic Reaction (wer rastete schon bei einer Stonesplatte aus, von den Beatles ganz zu schweigen) konnte meine Ohrlappen pulverisieren, meinen Boden durchlöchern. Ich wusste es, weil ich schon mal einen ganz ähnlichen Desorientierungsanfall beim Question Mark and the Mysterians-Album hatte! Ich war bei einem Freund, total auf Romilar, und er hatte das Nervenwässerchen Colt 45 intus, und ich sagte: ›Tja, ich hab mir heute das Question Mark and the Mysterians-Album gekauft‹, und plötzlich floss das Gleichgewicht aus meinem Kopf wie das Wasser nach dem Tauchen aus den Ohren, ein zielloser Strudel begann durch meinen Schädel zu wirbeln und wurde allmählich immer schneller, obwohl ich nicht hätte sagen können, ob es einfach ein Luftzug draußen war oder etwas direkt zwischen Fleisch und Knochen. Ich hatte mein Leben vor Augen, echt kein Scheiß – ich meine damit nicht, dass bei mir ein Film von der Geburt bis zu diesem eher unangenehmen Moment des existentiellen Schwindels ablief, sondern ich sah mich, wie ich unzählige Plattenläden betrat und wieder verließ, ein Heidengeld blechte, in einer endlosen Kette stand, das Schlagen und Klingeln der Registrierkassen im Ohr, die Summen in Höhe von $ 3,38 und $ 3,39 und $ 3,49 und den anderen Preisen, die ich auswendig kannte, zweifelsohne ganz der vorbildliche amerikanische Konsument, obwohl ich nie ein vollwertiges Mitglied war, ich sah Mülleimer randvoll mit den Hüllen (in die die Läden ihre Alben verschweißen), um nicht beim Klauen erwischt zu werden, wenn man aus dem Laden latscht. Ich sah mich bei Tausend Gelegenheiten, wie ich mit raschen, zielgerichteten Schritten auf mein Auto zugehe, den Schlüssel im Zündschloss drehe und in meiner frisierten Karre durchstarte, total high in der Vorfreude auf all die Offenbarungen, die in fünfunddreißig oder vierzig Minuten explodierenden Sounds liegen würden, sobald ich zu Hause angekommen war, mit dem ewigen Versprechen, dass dieses eine Mal die Gitarren wie TNT abgehen und ein galvanisches Brutzeln im Gehirn freisetzen würden – KABUMM!!! – und dir wenigstens einmal die Schädeldecke bis in den Himmel geblasen wird. Dein Gehirn glänzt an der Decke, klebt dort wie gegipste Stalaktiten, während dein durchgedrehter Körper herumrennt und wütende, wenig menschliche Wortfetzen herausschreit, in unberechenbaren Kreisen herumhüpft und abgehackte Silben ausspuckt wie ein Freak in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium des Superstar-Syndroms.

Aber das ist nur Phantasie. Die echte Vision, der wirklich durchgeknallte Flash war genauso wie die Wirklichkeit, nur dass sie in einem endlosen Loop immer weiter spielte. Die wahre Geschichte ist, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, um die Apokalypse losbrechen zu hören, durch die Eingangstür zu fallen und die Cellophanhülle ›zu Ihrer Sicherheit‹ aufzureißen, die Platte herauszunehmen – ah, sieh nur, die Rillen, total lackschwarz, noch ohne jeden Schmierfleck, glänzend und neu und so scheiß unberührt, dann die Farbe des Labels, seine glühende Aura, die schon einen zarten Hinweis auf die Klänge gibt, die dieser Scheibe entströmen werden. Oder handelt es sich lediglich um eine langweilige monochromatische Oberfläche, wie eine Schulmauer (wie bei RCA und Capitol, nachdem irgendein Depp sie neu gestaltet hat – ein Beispiel für künstlerische Zurückgebliebenheit)? Und schließlich legt man die Platte auf den Teller, eine perfekte Sekunde dreht sie schwerelos, gefolgt von dem Moment der Wahrheit, Nadel in Rille, und endlich Sound.

Was dann kommt, ist oft so dermaßen unspannend, dass es selbst den rationalsten Menschen in tiefe Verzweiflung stürzt. Bäh! Die ganze Musikwelt ist voller Einfaltspinsel und Scharlatane, mit Ausnahme von einigen wenigen Genies und einsamen Eulenspiegeln.

All das sah ich vor mir, während ich inmitten der Agonien des weichgespülten Question Mark and the Mysterians-Sounds saß, und mehr noch, ich sah mich selbst als verwirrten alten Knacker, der eine Ausgabe des 96 Tears-Albums in den Händen hält, und mit dem hängenden Unterkiefer eines Mannes, der am Ende seines vergeudeten Lebens steht und ins Leere starrt. Und im nächsten Moment, die Uhr muss praktisch still gestanden haben, sagte mein Freund offensichtlich höchst erstaunt: ›Du hast Question Mark and the Mysterians gekauft?‹

Ich glotzte ihn stumpf an. ›Klar‹, sagte ich, ›warum nicht?‹

Mir ist schon klar, dass das ziemlich pathologisch klingt – obwohl ich das, bevor ich es hier ausgesprochen habe, nie so empfunden hatte –, und die Freudschen Anklänge sind vermutlich kinderleicht zu sehen. Aber was ich nicht verstehe ist, was das alles zu bedeuten hat? Nicht, dass ihr den Eindruck bekommt, dass das Kaufen und Hören von Platten per se bei mir immer mit derartigen Wahn- und Desorientierungsanfällen oder einem besonderen Maß an Besessenheit und Zwangsneurose einhergeht. Es ist nur einfach so, dass Musik für mich schon immer mit einem fluktuierenden Fanatismus gekoppelt war – genau genommen, seit ich in der ersten Klasse zum ersten Mal ›Der Sturm‹ aus der Wilhelm Tell Ouvertüre in einem Fernsehkartoon hörte. Und beim Autofahren während meiner Oberschulzeit, als Songs wie ›There Goes My Baby‹ im Radio liefen und als ich in der fünften meinen ersten Plattenspieler bekam und zum ersten Mal Sachen hörte wie John Coltrane und Charlie Mingus’ The Black Saint and the Sinner Lady und die Stones und Feedback und Trout Mask Replica. All das waren Meilensteine. Jeder einzelne briet mein Gehirn nur noch mehr, besonders die Erfahrung, die ersten Male ein Album zu hören, das so absolut, so Gehirn verdrehend war, dass man ehrlich sagen konnte, danach nicht mehr derselbe zu sein. Black Saint and the Sinner Lady hat das bei mir ausgelöst, und noch ein paar andere Alben. Es gibt Erlebnisse, an die man sich sein ganzes Leben lang erinnert, wie der erste richtige Orgasmus. Und der ganze Sinn dieser absurden, mechanischen Beschäftigung mit aufgenommener Musik ist das Streben nach diesem unbezahlbaren Moment. Es ist also nicht so, dass Musik den Verstand aus den Angeln hebt, sondern eher so: wenn einen schon irgendetwas die Wände hochgehen lässt, kann es eben genauso gut eine Platte sein. Weil die beste Musik stark ist und dich leitet und reinigt und das Leben an sich ist.

Die ehrlichste Autobiographie, die ich schreiben könnte, und ich weiß, dass das auch für viele andere gilt, würde hauptsächlich an Plattentheken stattfinden, an Jukeboxen, auf dem Fahrersitz Gas gebend, während ein Morgenmagazin auf dich einprügelt, in schlaflosen Nächten weit nach Mitternacht, alleine unter Kopfhörern mit ausgedehnten Brücken in phantastischen Landschaften und engelsgleichen Chören im Kopf, oder im großen gütigen Schoß Amerikas sitzend, stoned oder auch nicht, während du dir auf die Schenkel klatschst und dich gut fühlst.

Also kaufte ich schließlich mit dem Mut des Wahnsinnigen die Count Five. Ich glaube, den Ausschlag gab ein Fanmagazin für Teenager (damals die einzige Möglichkeit für den hartgesottenen Hörer, wenn man herausfinden wollte, was mit den neuen Produkten los war), das ich gelesen hatte. Count Five hatten ›eine Million Dollar beim Kartenvorverkauf‹ abgelehnt, weil sie sonst das College hätten abbrechen müssen und deshalb, so ihr Manager, hätten alle Jungs eingesehen, dass das wichtigste eine gute Schulbildung sei. Zum Schreien! Das hat echt solchen Eindruck auf mich gemacht, dass ich das nächste Mal, als ich mir die Platten im Regal genauer ansah, schnaufte: ›Die Jungs, die wieder zur Schule gehen...‹ Das ist schon ein gewisses Unterscheidungsmerkmal – man stelle sich Mick Jagger vor, wie er, geplagt von plötzlichen Gewissensbissen, zwischen zwei Schluck Champagner in einer beim Jet-Set angesagten Location, plötzlich von der unausweichlichen Wahrheit wie vom Blitz getroffen wird: Junge, du brauchst einen Abschluss. Du magst vielleicht Millionär sein, aber glaubst du, du wirst den Rest deines Lebens Popstar sein? Sicher nicht. Was willst du in den langen Jahren des dunklen Herbstes machen? Willst du enden wie Turner in Performance, dir jemanden besorgen, der dir das Hirn wegbläst, weil dir gerade keine bessere Beschäftigung einfällt? Noch ist es nicht zu spät! Geh wieder an die London School of Economics und mach den Abschluss! Der Mensch braucht irgendeine Form von konstruktiver Arbeit, sonst ist er ein bedeutungsloser, ehrenloser Nichtsnutz. Also kippt Mick den restlichen Champagner runter, löst sich von dem süßen Ding an seiner Seite und rennt los, um sich einzuschreiben. Schließlich macht er seinen Abschluss in Kunst, und als die Stones sich auflösen, lässt er sich häuslich nieder und lehrt einer endlosen Reihe eifriger Plagen das Malen einer geraden Linie. Was für ein leuchtendes Beispiel! Vielleicht wäre er vom Papst gesegnet oder ins Weiße Haus eingeladen worden! Aber das alles wird natürlich nie passieren, denn Mick Jagger ist aus härterem Holz geschnitzt als Count Five.

Ich kaufte das Album. Am selben Tag wie Happy Jack von The Who. Ich stürzte nach Hause, fand an Happy Jack Gefallen und kotzte bei Psychotic Reaction.

Aber Psychotic Reaction war das Album, auf das ich immer wieder zurückkam. Ich spielte es etwa ein Jahr lang oft und voller Schadenfreude, bis es mir von ein paar Bikern gestohlen wurde, und als ich es dann 1971 in einem Second-Hand-Plattenladen wieder entdeckte, Mann, da sprang ich hoch und machte ein Freudentänzchen. Aber dann tat ich etwas merkwürdig Kleinliches und Geiziges. Es stand im $ 1,98 Regal, direkt neben Platten wie Cosmo’s Factory und Deja Vu, und irgendwie kam mir das unangemessen vor – es hätte in der 89-Cent-Grabbelkiste stehen müssen, da wo es hingehörte, zusammen mit all den anderen abgehalfterten Altlasten aus vergangenen Tagen, zwischen Doin’ the Bird von den Rivingstons, das ich auch kaufte, und 96 Tears, das tatsächlich dort stand und meine Meinung bestätigte, offensichtlich hatte der Angestellte dieses Mal genug Verstand, es dort hinzustellen, wo es sich am besten aufgehoben fühlen würde. (Wenn euch diese Personalisierung irritiert, keine Bange: Als ich in der Siebten war, besuchte ich die Stadt, in der ich das Jahr zuvor gelebt hatte, und holte den Mr. Lucky-Soundtrack von Henry Mancini ab, den ich vor dem Umzug einem Freund geliehen und vergessen hatte abzuholen. Als ich wieder zu Hause war, stellte ich das Mr. Lucky-Album ins Plattenregal neben seinen ehemaligen Nachbarn, das Peter Gunn-Album. Wie ich so auf sie hinuntersah, wurde mir ganz warm ums Herz. Ich dachte, dass sich die beiden alten Freunde, so ziemlich die ersten Platten, die ich mir gekauft hatte, bestimmt freuen würden, sich nach so langer Zeit endlich wieder zu sehen. Vielleicht hatten sie sich ja auch ein paar interessante Geschichten zu erzählen.)